Römische Verfassung und Polybious

War Rom eine Oligarchie, Aristokratie oder ein Mischsystem?


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romanus00I

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Oft wird Polybius zu Rate gezogen, wenn es darum geht, die Staatsform Roms zu bestimmen (Demokratie, Aristokratie, Monarchie, Tyrannis, Oligarchie oder Ochlokratie). Polybius führt eine Mischverfassung aus Demokratie, Aristokratie und Monarchie an.
Aber war nicht die beherrschende Kraft die Nobilität (und damit der Senat), und Rom eine Oligarchie (Herrschaft der Reichen)?
 
"Oligarchie" bedeutet "Herrschaft der wenigen", nicht der Reichen.

Darüber kann man natürlich lange diskutieren und wird trotzdem zu keinem eindeutigen Ergebnis gelangen. Man darf auch nicht vergessen, dass die römische Republik etwa ein halbes Jahrtausend Bestand hatte und sich in dieser Zeit die Schwergewichte immer wieder verschoben.
Es gab jedenfalls immer Elemente der Mitbestimmung auch der Massen, nämlich bei den Magistratswahlen und in den Volksversammlungen, die erst in der Kaiserzeit verschwanden. Eine reine Oligarchie war die Republik nie und schon gar nicht formell, denn es war nie offiziell die ganze Mitbestimmung auf eine kleine Gruppe beschränkt, sondern nur eine praktische Folge verschiedener Umstände, dass die meisten höheren Magistrate immer wieder von Angehörigen einiger Familien besetzt wurden und sie auch den Senat dominierten. Trotzdem fand man zu allen Zeiten zumindest in den niedrigeren Magistraten (Quaestur, Volkstribunat) auch Angehörige unwichtiger Familien, und manchmal schafften Personen, die keiner der (bis dahin) dominierenden Familien angehörten, auch den Aufstieg nach ganz oben, wie z. B. Marius oder Cicero.
Daher würde ich die Republik als Mischung aus Oligarchie und Demokratie bezeichnen.
 
Ich stimme Ravenick zu. Die politische Geschichte Roms ist zu komplex innerhalb der Zeit der Republik und ebenso der Kaiserzeit um diese mit einem Begriff zu umschreiben.
Nehmen wir nur mal die Zeit Sullas. Durch das Beschneiden der politischen Kompetenzen der Volkstribunen wird der plebs urbana eine Möglichkeit der politischen Anteilnahme genommen, andererseits wird den Rittern die Möglichkeit der verstärkten Anteilnahme durch ihre Integration in den Senat gegeben. Die Vormacht des Senats war u.a. besonders in der Zeit der Gracchen gefährdet.
Den Begriff Monarchie würde ich für die Zeit nach 509 v. Chr. vermeiden, eine Tyrannis kann ich in Rom auch nicht erkennen.
 
Und nur mal, um meine Neigung zum Pedantischen auszuleben, man muß immer ein wenig aufpasssen, denn die Begriffe "Staatsform" und "Herrschaftsform" sind zu trennen, wenn man wirklich eine solche Diskussion führen will.
Wenn also nach der Eingangsfrage wirklich die Staatsform gesucht ist, wäre einzig Republik die Antwort. Herrschaftsformen sind variantenreich, wie ja die Beiträge von Ravenik und Aretas zeigen.

PS. Ich finde das mit der Umfrage schon toll. Hat das Ergebnis dieser Umfrage dann eine Auswirkung auf die Geschichte? :devil:
 
Und nur mal, um meine Neigung zum Pedantischen auszuleben, man muß immer ein wenig aufpasssen, denn die Begriffe "Staatsform" und "Herrschaftsform" sind zu trennen, wenn man wirklich eine solche Diskussion führen will.
Wenn also nach der Eingangsfrage wirklich die Staatsform gesucht ist, wäre einzig Republik die Antwort. Herrschaftsformen sind variantenreich, wie ja die Beiträge von Ravenik und Aretas zeigen.

Ich kann aber bei antiken Autoren (besonders Aristoteles) keine Unterscheidung zwischen "Staatsform" und "Herrschaftsform" sehen. Die Sprachen immer nur von "Politeia".

PS. Ich finde das mit der Umfrage schon toll. Hat das Ergebnis dieser Umfrage dann eine Auswirkung auf die Geschichte? :devil:

Ich möchte mir nur ein Bild der Meinung hier machen, weil man immer wieder unterschiedliche ANgaben findet in der Literatur.
 
Nimm mir die kleine Spitze nicht übel, es ergab sich so schön.

Du hast natürlich recht, in der Antike gibt es die Unterscheidung noch nicht so ausgeprägt wie heute. Du mußt also trennen zwischen der antiken Auffassung und einer heutigen Bewertung.

Du kannst Dir die Frage stellen, was die Bezeichnung "Senatus Popolusque Romanus" über die Mischelemente aussagt.
 
Wenn also nach der Eingangsfrage wirklich die Staatsform gesucht ist, wäre einzig Republik die Antwort.

Die res publica, also die Republik, ist lediglich das Firmenschild Roms und erfasst nicht die tatsächlichen Machtverhältnisse. Eigentlich müsste man sagen, dass Rom bis zur Kaiserzeit eine aristokratische Republik mit gewissen demokratischen Elementen war. Es ähnelt dabei z.B. der Republik Venedig, die gleichfalls vom Adel getragen wurde.

Republik ist also lediglich das Gegenmodell zur Monarchie, sagt aber nichts über die Gruppen aus, die die Republik tragen und ihren Kurs bestimmen und auch nichts über den Grad demokratischer Elemente. So war z.B. auch die antike Polis Athen eine Republik und dazu - was wesentlicher ist - eine Demokratie. Daneben kennen wir auch kommunistische Volksrepubliken, in denen das Volk nicht herrschte, oder parlamentarische Monarchien, die ein Höchstmaß an Demokratie verkörpern.

Der Begriff Republik sagt also allein für sich wenig aus, denn um die
Verfassungswirklichkeit zu erkennen, muss man hinter die Kulissen schauen.
 
Eigentlich müsste man sagen, dass Rom bis zur Kaiserzeit eine aristokratische Republik mit gewissen demokratischen Elementen war.
Allerdings war das ein faktischer Zustand, kein rechtlicher. Eine Aristokratie war Rom nur in den ersten anderthalb Jahrhunderten der Republik, als der Zugang zu den meisten Ämtern auf die Patrizier beschränkt war. Ab Mitte des 4. Jhdts. aber konnte theoretisch jeder männliche Bürger (fast; Ausnahmen z. B. das Volkstribunat und die plebejische Aedilität) jedes Amt erreichen. Das ist etwas anderes als in richtigen Aristokratien, wo die Zahl der mit politischen Rechten Versehenen stark beschränkt ist, sei es, dass rein rechtlich der Zugang zu den Ämtern auf wenige Personen beschränkt ist, sei es, dass nur ein kleiner Kreis das Wahlrecht oder Zugang zu einer Ratsversammlung hat. Als Beispiele möchte ich z. B. Korinth nennen, das nach der Abschaffung des Königtums etwa neunzig Jahre lang von einem jährlich gewählten Prytanen regiert wurde, wobei aber nur Angehörige der ehemaligen Königsfamilie der Bakchiaden kandidieren durften, oder Syrakus, das im 4. Jhdt. zeitweise von einem jährlich gewählten Amphipolos regiert wurde, wobei aber nur Angehörige dreier Familien kandidieren durften, oder Athen unter den Dreißig Tyrannen, wo es dreitausend privilegierte Bürger gab.

Auch bei den Römern unterschieden sich Verfassungstheorie und Verfassungsrealität. Nach römischem Selbstverständnis war die res publica eine Form der Volksherrschaft und das römische Volk ein Volk freier Bürger mit allen Rechten. Dass sich die Macht faktisch meist auf ein paar Dutzend Familien konzentrierte, war kein Widerspruch, sondern durchaus beabsichtigt: Nach dem Republiksverständnis zumindest der meist der Oberschicht angehörenden Staatstheoretiker bedeutete Volksherrschaft, dass das Volk die Besten (also diejenigen, die durch Erziehung, Ausbildung, Erfahrung und Tugenden am besten zur Leitung des Staates geeignet waren) auswählte und sich von ihnen vertrauensvoll leiten ließ. Diese Besten sollten im Senat versammelt sein und dem Volk die Richtlinien vorgeben, die das Volk im Vertrauen auf die Weisheit des Senats in den Volksversammlungen absegnen sollte. (Dieses Denkmodel ist eigentlich gar nicht mal so weit von heutigen parlamentarischen Demokratien entfernt, wo von Parteipolitikern und Parlamentariern häufig Formen der direkten Demokratie mit dem Argument abgelehnt werden, dass das Volk nicht in der Lage sei, schwierige Entscheidungen zu treffen, sondern die Entscheidungsbefugnis an das Parlament, das dafür viel besser geeignet sei, delegiert habe.) Dass die "Besten" in der römischen Republik meist aus nur wenigen Familien der Oberschicht stammten, war nach dem Republiksverständnis eben dieser Oberschicht nur folgerichtig, denn schließlich konnten nur Kinder der Oberschicht entsprechend erzogen werden und verfügten nur sie über das nötige Vermögen, um sich politisch zu engagieren. Und um ehrlich zu sein: Auch in den heutigen Demokratien hat der Durchschnittsbürger der breiten Masse kaum Chancen auf eine politische Karriere. Er kann bei den Wahlen zwar zwischen verschiedenen Parteien wählen, aber die Kandidatenlisten werden meist von den Parteien erstellt, die auch selbst entscheiden, wen sie aufnehmen, und oft durch Zugangsklauseln nichtetablierten Parteien den Einzug ins Parlament erschweren. Ich möchte damit nicht heutige parlamentarische Demokratien auf eine Stufe mit der römischen Republik stellen, zumal es insbesondere in Sachen Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit doch deutliche Unterschiede gibt und außerdem die römische Republik in der Regel kein allgemeines gleiches Wahlrecht hatte, aber aufzeigen, dass Verfassungstheorie und Verfassungsrealität damals wie heute auseinanderklafften. Eine Oligarchie war die römische Republik nur faktisch, aber in der Theorie konnte jeder männliche Bürger den Aufstieg schaffen, ebenso wie in unseren heutigen Demokratien theoretisch jeder Bürger Bundeskanzler bzw. Ministerpräsident werden kann.
 
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