Roland Freisler/Volksgerichtshof

florian17160

unvergessen
Wie verfuhr man eigentlich mit den Richtern des Volksgerichtshofes 1945? Wurden die extra angeklagt? Die meisten haben ja nach dem Krieg ihre Karriere fortgesetzt.
 
Der berüchtigste Richter Roland Freisler starb am 3. Februar 1945 bei einem Bombenangriff auf Berlin

Der Bundesgerichtshof billigte 1956 den Angehörigen des Volksgerichtshofs das so genannte Richterprivileg zu, wonach keiner verurteilt werden könne, der sich an damals geltende Gesetze gehalten habe. Die Berliner Staatsanwaltschaft stellte 1986 die Ermittlungsverfahren endgültig ein, obwohl der Bundestag am 25. Januar 1985 den Volksgerichtshof als "Terrorinstrument zur Durchsetzung nationalsozialistischer Willkürherrschaft" bezeichnet hatte und dessen Urteilen jede Rechtswirkung in der Bundesrepublik Deutschland absprach.

Bis auf einen, von einem amerikanischen Gericht verurteilten, wurde somit keiner der etwa 570 Richter und Staatsanwälte zur Rechenschaft gezogen.




Hier findest du Informationen:

http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/FreislerRoland/
http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/volksgerichtshof/index.html
http://www.fritz-bauer-institut.de/rezensionen/nl20/hoffmann.htm
 
Hier im Forum gab es schon einmal etwas zu dem Thema unter dem Stichwort "Rattenlinie", also den Fluchtwegen der Nazis in Ausland.
 
Noch ein Buch zum Thema:

Justizalltag im Dritten Reich von Bernhard Diestelkamp
 
florian17160 schrieb:
Wie verfuhr man eigentlich mit den Richtern des Volksgerichtshofes 1945? Wurden die extra angeklagt? Die meisten haben ja nach dem Krieg ihre Karriere fortgesetzt.

Unter dem Stichwort "Rattenlinie" gab es in diesem Forum schon einmal Informationen über Fluchtwege von Nazis (auch von Richtern) nach 1945 ins Ausland, vor allem nach Südamerika.
 
Klaus P. schrieb:
Unter dem Stichwort "Rattenlinie" gab es in diesem Forum schon einmal Informationen über Fluchtwege von Nazis (auch von Richtern) nach 1945 ins Ausland, vor allem nach Südamerika.
Ja Klaus, den Pfad kenne ich. Obwohl die gar keinen Grund hatten wegzulaufen.
Friesinger hat es ja wieder bis ganz oben geschafft.
Mich ärgert nur dieser Satz : Zitat von Beitrag 2-wonach keiner verurteilt werden könne, der sich an damals geltende Gesetze gehalten habe Zitat Ende.
Das würde jetzt zu weit führen, aber hat man das mit den damals geltenden DDR Gesetzen auch so gehandhabt? Doch wohl nur dort, wo es gepasst hat. Aber das soll nicht Sinn In diesem Pfad sein.
 
florian17160 schrieb:
Friesinger hat es ja wieder bis ganz oben geschafft.
Mich ärgert nur dieser Satz : Zitat von Beitrag 2-wonach keiner verurteilt werden könne, der sich an damals geltende Gesetze gehalten habe Zitat Ende.


Du meinst sicher Filbinger, oder? Der war aber "nur" Marinerichter (nicht beim Volksgerichtshof). Und der hat den bezeichnenden Satz gesagt, wonach "das was damals Recht war, heute kein Unrecht sein könne."
 
Filbinger, war der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, der nach dem Krieg
behauptete, er könne sich an seine Todesurteile nicht erinnern, darauf mußte er zurücktreten. Er hat seine Todesurteile auch nach dem 8. Mai 1945 gefällt.
 
Freisler - Der Blutrichter

NAME Freisler, Roland ALTERNATIVNAMEN KURZBESCHREIBUNG Richter und Präsident des Volksgerichtshofes GEBURTSDATUM 30. Oktober 1893 GEBURTSORT Celle STERBEDATUM 3. Februar 1945 STERBEORT Berlin

Mit seinen Namen war wohl die grausamste Ära des Terror-Tribunals verknüpft.
Roland Freisler, 1942-1945 Volksgerichtshof-Präsident, doch bereits 1934 unermüdlicher Vordenker für ein nationalsozialistisches Recht. Von der Person Freislers zu den Strukturen
des NS-Rechts vorzudringen, in der Gesetze nicht einmal gebeugt wurden, sondern allenfalls
im Sinne des Nazi-Regimes interpretiert und gnadenlos angewendet wurden.
Wer als Angeklägter vor ihm stand, hatte den Tod zu erwarten.

Wie entwickelte sich seine fanatische Gedankenwelt, woran orientierten sich seine
rigorosen Rechtsauffassungen?

Mir geht es um Schuld und Sühne, um Versagen und Feigheit. Um Mut, Aufrichtigkeit
und Widerstand. Um Täter und Opfer.


(PS: Seine Witwe hat nach dem Krieg, eine der höchsten Beamtenpensionen bekommen)
 
Freisler war wirklich ein fanatischer Nazi. In die Spitzenriege ist er trotzdem nie aufgerückt - und dafür gab es einen Grund. Er wurde im Ersten Weltkrieg von den Russen gefangen genommen und näherte sich dabei wohl dem Marxismus an. Dies war Hitler und der Führungsclique wohl bekannt, weswegen Freisler immer ein Makel anhaftete. So liest sich auch das vermeintliche Lob Hitlers, der Freisler als "braunen Wyschinski" bezeichnete (der Ankläger bei stalinistischen Schauprozessen war), eher zweideutig.
Ich habe mal eine Biografie Freislers gelesen. Darin wurde er als eiskalter, brillanter Rhetoriker geschildert - der doch letztendlich scheiterte, weil er mit seinen verleumderischen Anklagen und vulgären Beleidigungen von Zeugen und Angeklagten teilweise selbst beim nationalsozialistischen Gerichtspublikum nicht gut ankam - er durchbrach durch sein Verhalten offenbar das "Gut - Böse-Schema" selbst eiserner Nationalsozialisten, obwohl er wohl einer der überzeugtesten NSler war. Gerade deswegen hatte er aber wohl kein Gefühl dafür, wie Schauprozesse - oft gegenüber Angeklagten, denen Folterungen noch anzusehen waren - öffentlichkeitswirksam zu inszenieren waren.

Traurig finde ich, dass gerade er schon 1945 bei einem Bombenangriff starb. Wie kein anderer hätte es meiner Meinung nach gerade Freisler verdient, von einem Gericht zu einer harten Strafe bis hin zur Hinrichtung verurteilt zu werden, dass demokratischen Spielregeln gehorchte.
 
Ashigaru schrieb:
Freisler war wirklich ein fanatischer Nazi. In die Spitzenriege ist er trotzdem nie aufgerückt - und dafür gab es einen Grund. Er wurde im Ersten Weltkrieg von den Russen gefangen genommen und näherte sich dabei wohl dem Marxismus an. Dies war Hitler und der Führungsclique wohl bekannt, weswegen Freisler immer ein Makel anhaftete.

Ich meine, dass dies nicht nur bei der Annäherung geblieben ist. Freisler wurde im Zuge der Oktoberrevolution dort Lagerkomissar. Erst nach seiner Rückkehr nach Deutschland hat er sich völkischen Kreisen angeschlossen (und erst im "hohen Alter" von ca. 30 schwenkt er von links nach rechts; wenn man bedenkt, wie früh führende Nazis z.T. in Freikorpsverbänden etc. tätig waren, relativ spät.).

Vielleicht auch noch zu erwähnen: Die Teilnahme an der Wannseekonferenz.
 
Es ist für mich erstaunlich wie oft diese "Wanderung" zu beobachten ist.

Namen nenne ich besser keine.

Grüße Repo
 
Repo schrieb:
Es ist für mich erstaunlich wie oft diese "Wanderung" zu beobachten ist.

Namen nenne ich besser keine.

Grüße Repo

Kershaw geht ja in seiner Hitlerbiographie sogar kurz auf die Thesen/Vermutungen ein, dass Hitler bei der Revolution in München (Räterepublik) zunächst auf Seiten der Revolutionäre (wenigstens aber der SPD) stand, bzw. zumindest von Leuten des Freikorps Epp für einen "Roten" gehalten wurde (Ian Kershaw, Hitler 1889 - 1936, S. 151ff - besonders Anmerkung 3 ... und S. 161ff)!
 
Papa_Leo schrieb:
Kershaw geht ja in seiner Hitlerbiographie sogar kurz auf die Thesen/Vermutungen ein, dass Hitler bei der Revolution in München (Räterepublik) zunächst auf Seiten der Revolutionäre (wenigstens aber der SPD) stand, bzw. zumindest von Leuten des Freikorps Epp für einen "Roten" gehalten wurde (Ian Kershaw, Hitler 1889 - 1936, S. 151ff - besonders Anmerkung 3 ... und S. 161ff)!

Schreibt Kershaw nicht im Text, Hitler hätte irgendwann gesagt "Sozialdemokrat war jeder einmal"?

Ich meinte aber eher Personen aus der aktuellen Zeit. Die ich aber keineswegs in die Nähe von Freisler bringen will. Deshalb verzichte ich auf Namen.

Ein kath. Theologe sagte mir einmal, (ein ev. Pfarrer wurde kath.) die Wandlung vom Saulus zum Paulus werde in der Kirche keineswegs kritisch betrachtet.

Grüße Repo
 
Repo schrieb:
Schreibt Kershaw nicht im Text, Hitler hätte irgendwann gesagt "Sozialdemokrat war jeder einmal"?

Grüße Repo


Ja, aber es gibt auch Vermutungen und Anzeichen, dass Hitler mehr war. Immerhin war er ein (Ersatz-)Vertrauensmann in einer Armee-Einheit in München, die der Räterevolution sehr positiv gegenüberstand. Ein überzeugter Gegner der Räte hätte diesen Posten wohl nicht erlangt.
 
Wie entwickelte sich seine fanatische Gedankenwelt, woran orientierten sich seine
rigorosen Rechtsauffassungen?
 
Wenn ich mich recht entsinne, folgten Freisler und andere NS-Richter bei ihrer Rechtsprechung dem Bild einer Volksgemeinschaft (selbstverständlich aus Deutschen), die mit allen Mitteln zu schützen war. Sprich: im Sinne eines höheren, völlig übersteigerten und auch heuchlerischen Gemeinschaftsideals verhängten Freisler und Co. drakonische Strafen. Heuchlerisch insofern, wenn z.B. Führerwitze bestraft wurden, die sich ja nun auf Einzelperson bezogen. Leider habe ich die Freisler-Biografie, in der das stand, nicht selbst, und kann nicht mehr darüber schreiben.
 
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