Rubens doch kein großer Künstler?

Tomahawk

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Hallo!

Ich bin durch google auf ein paar tolle Seiten gestoßen (kann leider keine Quellen angeben, hab sie nach dem lesen immer gleich weggeklickt), durch diese Seiten und durch Mercy´s Post, den ich aber noch nicht so ganz plane, komm ich zu dem Schluss, dass Rubens gar kein großer Künstler war. Vieles wo Rubens draufsteht ist gar kein Rubens. Irgendwelche Schüler von ihm haben wohl sehr oft seine Bilder gemalt und er hat sie gelegentlich überarbeitet.

Was haltet ihr davon?
 
Wie jeder große Künstler seiner Zeit hatte Rubens eine große Werkstatt, anders wäre die Vielzahl seiner Bilder gar nicht zu schaffen gewesen. Rubens malte oft nur die Vorlagen, manchmal sogar nur die Studien, wie zB. bei den Altargemälden der Antwerpner Jesuitenkirche.
Man darf auch nicht vergessen dass da nich "irgenwelche Schüler" am Werk waren, sondern die besten Nachwüchsler die es gab. Antonius van Dyck begann seine Karriere in der Rubens-Werkstatt.

Die Ergebnisse dieser Werkstätten-Arbeiten sind dennoch alle "echte Rubens", geprägt von seinem Stil, seinen Eingebungen. Bei manchen Werken, wie dem Maria Medici - Zyklus, stammen die Gesichter der Hauptperson von Rubens eigener Hand, die Staffage-Figuren von seinen Schülern, bei anderen wird die Dekoration von anderen Malern gefertigt usw. Dies war eigentlich ab der Frührenaissance bis weit ins 19. Jhdt. so Usus.

Dass Rubens selbst aber zu den Größten der Großen zählte beweisen seine komplett eigenhändigen Werke, wie z.B. das Pelzchen im Kunsthistorischen Museum.
 
Rubens war nicht nur ein großer, sondern auch ein seine Epoche prägender Künstler. Die Dynamik in seinen Bildern, die Komposition, die Behandlung von Körpern (nicht nur dicke nackte Frauen, Wolken z. B., Bäume und Pferde etc. sind auch Körper), Farbigkeit, alles das machte ihn (zusammen mit einem cleveren Geschäftssinn und Sinn für PR) zu dem Maler-Fürsten seiner Zeit. Natürlich kamen eine Menge Schüler zu ihm, und letztlich liess er sie auch viel malen, was von ihm dann überarbeitet und "gefinisht" wurde - was sollte sich auch der Chef selber mit den niedrigen Handreichungen plagen? - eine Praxis, die heute so gang und gäbe ist wie ehedem. Wenn das Konzept und die Supervision vom Boss stammt, dann ist das Bild auch von ihm, und wenn ansonsten 96% von den Schülern gemalt wurde. So haben es alle gehandhabt: Leonardo, Raffael, Dürer, Rembrandt, etc. - - das Ideal eines "alleinschaffenden Künstlers" stammt aus dem Biedermeier und wurde im Impressionismus auch noch zum "unverstandenen Künstler" weiter stilisiert. Dabei waren die meisten richtig guten Künstler nicht nur gute Maler, sondern gute Chefs und Lehrer.
Was meinst du, wie die sonst einen derartigen kreativen Output zustande hätte bringen können? Eine solche Unzahl an großformatigen Bildern? Übrigens gibt es auch heute genug Leute, die "malen lassen": und damit meine ich nicht Immendorf, den seine Krankheit umbringt, sondern u. a. Jeff Koons, der seine Plastiken von hochspezialisierten Oberammergauer Herrgottsschnitzern schnippeln lässt.
 
Mummius Picius schrieb:
Rubens war nicht nur ein großer, sondern auch ein seine Epoche prägender Künstler.

D'accord!!
Und noch mal kurz falls noch nicht erwähnt: er brachte fast alle typ. niederländischen Bilder-Köche an einen Herd: die besten Stillebenkünstler, Tiermaler, selbst Breughel der J. und natürlich Anthnonis van Dyck schufen bei, mit und durch ihn in der Rubenswerkstatt Großartiges für den Barock des Nordens wie des Südens (Spanien).

Rubens' genialität war nicht nur der rasant schnelle Pinsel (beim Aufreißen der Bilder), sondern sein Managertalent, sein verbindendes und zusammenführendes Wesen.

Der Dan Brownismus wird sich die Zähne an den Göttern der Kunst ausbeißen. Aber über Geschmack darf gerne gestritten werden. So man sich in jene grausigen Kriegszeiten damals denn hineinversetzen kann.
 
Das Problem ist doch vielmehr die heutige Sichtweise als die wirkliche Qualität der Arbeit.

Damals war es in allen Bereichen der Kunst üblich mit Schülern oder anderen Künstlern zusammen zuarbeiten.
Egal was man auch nimmt, seien es die Gemälde, die Opern, die Architektur etc. sehr oft wird man auf Gemeinschaftsproduktionen stoßen, das widerspricht aber der vom 19. Jahrhundert geprägten Sichtweise, den Künstler als Genie das keine Hilfe braucht anzusehen.

Das diese Sichtweise mehr als überholt ist und meiner Meinung nach auch dumm ist, zeigt doch gerade das Beispiel von Kassel mit den Rembrandtportraits... da kann man sich nur noch an den Kopf fassen.

Es ist erstaunlich wie sehr ein Werk an Wert verliert wenn nicht das passende Etikett dabei ist, "Monteverdis" Poppea ist auch ein Gemeinschaftswerk von ettlichen anderen Künstlern, Bachs Toccata & Fuge in d-moll ist wahrscheinlich ein Werk eines seiner Schüler, die meisten Staatsportraits von Rigaud sind Arbeiten von mindestens 4 - 5 verschiedenen Malern.

Ich sehe darin weder eine Abwertung noch einen Qualitätsverlust.
Wäre Rubens nicht der Meister mit dem Ruf den er seit dem 17. Jahrhundert genießt, dann hätte er wohl kaum dermaßen viele Aufträge gehabt und man würde ihn kaum Heute kennen.

Übrigens, jeder der künstlerisch tätig ist, dürfte wissen wie wertvoll die Erfahrung ist und wieviel Spaß es macht mit anderen Künstlern zusammen zuarbeit.
Meist sind diese Werke die in Co Produktion entstanden sind auch die Besten.

Mir ist jedenfalls das Werk wichtiger als der Autor.
 
War er nicht auch Botschafter und hatte eine Menge poltischen Einfluß? Sogar mit Erfolg, aber auch Niederlagen. Hab da leider nur kurz in Kunstgeschichte zugehört.
 
Ja, ich meine er war am Hofe Louis XIII als Botschafter tätig. Irgendein Zeitgenosse meinte über ihn:
"Die Malerei sei eines seiner geringsten Talente"

In Frankreich hatte er ja auch die größten Aufträge (Medici Zyklus, der aber unvollendet blieb) die aber wenig Gewinn abwarfen. Maria de Medici soll recht geizig gewesen sein.
Ihr Sohn Louis XIII traute Rubens nicht und er war es wohl auch der ihn zum verlassen des Landes brachte, aber genaueres müßte ich nochmal nachlesen.

Zumindest hat seine Arbeit in Paris enormen Einfluß auf alle nachfolgenden Maler gehabt, man sagte "Im Palais du Luxembourgh kann man Gott sehen" :D
 
Soleil Royal schrieb:
Ihr Sohn Louis XIII traute Rubens nicht und er war es wohl auch der ihn zum verlassen des Landes brachte, aber genaueres müßte ich nochmal nachlesen.

Ich gebe zu, keines der vielen ausführlichen Biographiewerke über Rubens durchgehend gelesen zu haben, aber im Laufe einer Kunstgeschichtevorlesung wurde ich wg. meiner Vorliebe zu Rembrandt aber auch Van Dyck zu einer Übersicht und vergleichenden Auseinadersetzung mit dem großen Peter Paul seitens meines Profs. verdonnert.

Zusammenfassend aus allen biograph. Bemerkungen, darf man ruhigen Gewissens behaupten, in Rubens einen (Nebenberufs- wohlgemerkt) Geheimagenten zu sehen: einen zuerst perfekt, weil herausragend als Maler von damaligem Weltruf, getarnt verdeckten Ermittler und später offensichtlichen Botschaftenübermittler und Verhandler.

In irgendeinem Quiz im Frühling (Gemälde oder Großes Google-Quiz??) habe ich auf diese seine Tätigkeit zur Vorbereitung des zw. den habsburgischen Niederlanden und England dann auch zustande gekommenen (16-jähren ??) Waffenstillstandes verwiesen,- Frieden für die kathol. NL, welcher seine eigentliche Absicht war. Ausschlaggebend dafür waren persönl. existentielle Gründe, da er seine (schweren Herzens angenommene!) Bleibe in Antwerpen und dem heutigen Belgien von weiteren Kriegswirren verschont sehen wollte.
Geführt hat dieser Rubensche Impetus dann sogar zum Friedensschluss Spanien-England 1630, was mit Rubens Reise 1628 nach Madrid begann, wo er in Eigeninitiative in Madrid begonnen hatte dem König seine polit. Ideen auseinaderzusetzen, worauf Philipp (IV) ihn 1629 nach London sandte und als Vermittler ermächtigte.
Und richtig, in Paris begannen um 1622/23 seine diesbezüglichen, auch von den regierenden Fürsten sanktionierten Agententätigkeiten unter der Deckmantel-Agende der Malerei. Aber was für Geheimagent!: Rubens war ein Friedensengel, der von beider Länder Herren (Spanien und England) dafür bedankt, geehrt und geadelt wurde. Und beauftragt. (und auch die Berufung Van Dycks nach England soll Rubens persönlich gefördert haben!)
Im Gegensatz zum Usus der Zeit, war Rubens kein Bestechungsgeldverteiler, sondern ein Idealist in flämischer Friedenssache.
Dass das Frankreich als weinendem Dritten wenig gefiel ist klar. Aber die erneute oder gar dauerhafte katholische Verbrüderung mit Spanien hatte in England ja auch wenig Chance auf Bestand, wie die nachfolgende Geschichte bis Cromwell erwies. Und dafür floss bestimmt auch genug Geld aus den Kassen der Ludwige... ;)
 
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