Russische Teilmobilmachung 1914 technische Aspekte und Möglichkeiten

Shinigami

Aktives Mitglied
Um den "Poincaré besucht Russland"-Faden zu entlasten, mache ich das hier mal als eigenes Thema auf.

Dabei soll es vorrangig nicht um die Frage diplomatischer und politischer Schachzüge gehen, sondern um die von @Turgot bestrittene technische Möglichkeit einer russischen Teilmobilmachung im Sommer 1914 und um die militärisch-technischen Möglichkeiten, die dem Deutschen Reich zu Gebote gestanden hätten mit einer solchen Teilmobilmachung Russlands (gerichtet gegen die Donaumonarchie) umzugehen:
 
Aus dem Buch „Die Mobilmachung der Russischen Armee 1914“ von Dobrorolski ein Zitat.

"Es entstand die Notwendigkeit, für die Eisenbahnen eine ganz besondere Kombination vorzusehen: Teilmobilmachung einiger europäischer Bezirke, auf welche die allgemeine folgen sollte. Diese Kombination war aber nicht ausgearbeitet, wie dies bereits früher erwähnt wurde, da nicht die Möglichkeit einer Teilmobilmachung gegen Österreich-Ungarn allein vorgesehen war.

Noch gefährlicher, aber wäre eine strategische Konzentration der mobil gemachten Truppen an der Grenze gewesen.

Für den Aufmarsch war nur ein einziger Plan ausgearbeitet. Auf Grund dieses Planes gehörten die Korps des Moskauer und des Kasanschen Militärbezirks zum Bestand der Armeen, die sich auf dem Territorium des Warschauer Militärbezirks zu entwickeln hatten. Infolgedessen hätten bei der geplanten Teilmobilmachung diese Korps in andere Rayons der Konzentrierung dirigiert werden müssen, die an der Grenze des Kiewschen Bezirks hätten gewählt werden müssen."

Vorweg ein paar Worte zum Buch und zum Autor:

Dobrorolski war 1914 Chef der Mobilmachungsabteilung auf russischer Seite. Das hier angesprochene Buch, ist eine Veröffentlichung aus den 1920er Jahren, so weit ich das herausfinden konnte (es wäre schön, wenn @Turgot das Erscheinungsdatum der Ausgabe angeben könnte, auf die er sich bezieht).

Es handelt sich im Hinblick auf die Literaturgattung also um Memoirenliteratur eines für die Mobilmachung (mit)verantwortlichen russischen Generals (der angsichts eines verlorenen Weltkriegs einigen Rechtfertigungsbedarf gehabt haben dürfte).



Zum Inhalt des Zitats (Angabe der Seitenzahl wäre nett):

1. Das es keine ausgearbeitete Konzeption für eine Teilmobilmachung gab ist sehr wahrscheinlich zutreffend, weil Teilmobilmachung ein ungewöhnlicher Schritt ist. In der Regel sollen durch Mobilmachung alle Kräfte zwecks Kampf oder Abschreckung zusammengefasst werden, auf Kosten starker Eingriffe in das zivile und wirtschaftliche Leben.
Da die Teilmobilmachung den eigentlichen Zweck der Mobilmachung, die Zusammenfassung aller Kräfte in Vorbereitung eines Konflikts nicht erfüllt, ist sie in der Regel kein logischer Schritt.

Die Behauptung, dass Teilmobilmachung eine besondere Kombination bei den Eisenbahnen vorraussetzte, ist aber aus folgenden Gründen nicht nachvollziehbar:

a) Beim Weglassen von Teilen des Plans für die Vollmobilmachung wären zunächst mal zusätzliche Eisenbahnressourcen frei geworden, die variabel einsetzbar gewesen wären.
b) Im Wesentlichen hätte der Plan für die Vollmobilmachung auch für eine Teilmobilmachung verwendet werden können, da es in diesem Fall nicht um das sponatne Ändern des Aufmarsches, sondern nnur um seine Ausdünnung gegangen wäre (Weglassen des Aufmarssches der für Litauen und Nordpolen vorgesehenen Formationen).
c) Ein Nebeneinannder von militärischemm und normalem Zivilverkehr bei den Bahnen, wäre im Rahmen einer Teilmobilmachung wegen sonst entstehenden Chaos wahrscheinlich nicht möglich gewesen. Es wäre technisch durchaus möglich gewesen, auch die Vorkehrungen bei der Bahn und die Ausdünnung des Zivilverkehrs auf das absolut notwendige im Sinne einer Vollmobilmachung zu behandeln, allerdings trotzdem nur Teilkräfte nach dem Mob-Plan zu verschieben, um Deutschland nicht zu provozieren.
Das wäre auf Grund der umfassenden Einriffe in den Zivilverkehr teuer und ökonomich ineffizient gewesen, technisch allerdings sicherlich möglich.


2. Die strategische Konzentration der Truppen an der Galizischen Grenze wäre, so lange Deutschland keine Maßnahmen zur Mobilisation unternahm, nicht gefährlich gewesen.
Russland verfügte über das größte Friedensheer Europas und hätte den Aufmarsch der mobilisierten Reserveformationen an der galizischen Grenze gegen Österreich-Ungarn damit abschirmen können.
Da Österreich mit einen erheblichen Teil seiner aktiven Formationen gerade in Serbien eigefallen war und diese somit nicht an der galizischen Grenze in Erscheinung treten konnten, wäre, so lange Deutschland keine Mobilmachung einleitete und Österreich von dort keine militärische Hilfe erwarten konnte kaum mit einem österreichischen Angriff zu rechnen gewesen.
Für den Fall, dass Deutschland noch mobil machen würde, schützten die russischen Festungen in Zentralpolen die Nordflanke der russischen Armeen, so dass es nicht ohne weiters möglich gewesen wäre die an der galzischenn Grenze stehenden Truppen ad hoc in die Zange zu nehmen.
Für disesen Fall hätte die Möglichkeit bestanden, die aufmarschierten Truppen über den befestigten Rau wieder ostwärts zurück zu nehmen und zur Mobilisation auch an der deutschen Grenze überzugehen.

3. Der Aufmarsch russischer Truppen im Warschauer Militärbezirk hätte kein Grunsätzliches Problem dargestellt, so lange ihre Anzahl überschaubar gewesen wäre und sie sich nach Süden entfaltet hätten, ohne groß in nördlicher oder westlicher Richtung über Warschau hinaus zu gehen.
Auch Deutschland verfügte über aktive Formationen des Friedensheeres, die es in Obersschlesien zum Grenzschutz und zur Abschirmung des wichtigen Industriegebiets hätte abstellen können um in diesem Raum punktuell eine Gegenpräsenz aufzubauen.

Als weitere Maßnahmen für den Grenzschutz im Osten hätte Berlin der "Zustand drohender Kriegsgefahr" verhängen können (also Übergang zu Mobilmachungsvorbereitungen, nicht zur Mobilmachung selbst), außerdem hätten für den Grenzschutz im Osten in den vier Grenzprovinzen ein oder beide Aufgebote der Landwehr einberufen werden können, um die wichtigsten Verkehrsknotenpunkte an der Grenze etwas zu bedecken und eine Verzögerungslinie zu etablieren, die allerdings auf Grund der nicht für Angriffe tauglichen Ausrüstung dieser Truppen von russischer Seite her nicht als Bedrohung empfunden hätte werden können.


Kommt hinzu, dass die Behauptung die Truppen aus Moskau und Kasan hätten unbedingt über Warschau verlegt werden müssen, für mich ebenfalls nicht nachvollziehbar ist.
Um Warschau überhaupt zu erreichen, mussten sie auf der Bahn auf dem direkten Weg von Osten her kommend übr Lublin um weiter nach Westen zu kommen.
Man hätte, wenn man eine Provokation Deutschlands unbedingt hätte vermeiden wollen, also auch bereits in Lublin entladen und dann südwestlich marschieren lassen können.
Die Grenze wäre auf einigen Tagesmärschen erreichbar gewesen.
Das hätte etwas länger gedauert, der Zeitfaktor hätte aber so lange Deutschland sie nicht bewegte und mit österreichischem Angriff nicht zu rechnen war, keine entscheidende Rolle gespielt.

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Fazit: Ich sehe bis jetzt keine fundierte Begründung, warum Teilmobilachung Russlands technisch nicht möglich gewesen sein sollte oder warum Deutschland mit einer solchen Teilmobilmachung nicht hätte umgehen können.


Dafür sehe ich aber einen Autoren, der einen schiefgelaufenen Krieg rechtfertigen musste und Gründe hatte Ausflüchte zu suchen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Kurze Anmerkung: Immerhin benenne ich eine Quelle. Auch lese ich aus deinen Zeilen den versteckten Vorwurf des Revisionismus, da ganz im Fahrwasser von @andreassolar

Hilfreich wäre es auch, wenn du den Text hier mit eingestellt hättest.

Du behauptest jede Menge und nennst nicht eine einzige Quelle hierfür. Bevor du also bei mit die fehlende Seitenzahl reklamierst, rege ich an, das für deine umfänglichen Ausführungen mit Quellen, selbstverständlich mit Seitenzahl, Autor, Erscheinungsjahr, ISBN usw. benennst. Wer Quellen einfordert, der muss dann selbst auch liefern.

Ging in vergangen Debatten zwischen uns auch ohne Quellen. Aber gut.

Wen du Quellen, mit Seitenzahl und Erscheinungsjahr usw.usw. , für deine Thesen benennst, dann kram ich dir auch die Seitenzahl und das Erscheinungsjahr heraus.;) Hast du denn das Buch überhaupt?

Ich habe den Text für dich eingestellt, damit du die Sicht von Dobrorolski selbst lesen kannst. Das war von mir als eine Freundlichkeit gedacht. War wohl keine so gute Idee.

Edit:
Oh, du hast ja schon ein abschließendes Fazit gezogen. Dann ist die Diskussion wohl überflüssig.
 
Zuletzt bearbeitet:
Noch eine kurze Info:

"Gestern bestätigt mit der Kriegsminister in Krasnoje Selo die Mobilmachung der Armeekorps in Kiew, Odessa, Kasan und Moskau. [...] ...aber trotzdem treffen die Militärbezirke in Warschau, Wilna und Petersburg entsprechende Vorbereitungen."

Weiter: Die sogenannte Teilmobilmachung, die angeblich nur die Miltärdistrikte umfassen sollte, die an Österreich-Ungarn grenzen, umfasste aber auch den Distrikt Warschau und den baltischen Bezirk. Kannst du bei McMeekin nachlesen.

Es wird wohl einen Grund gegeben haben, das gerade Warschau mit einbezogen, heimlich, worden war.

Zum Ende lasse ich Dobrorolski zu Wort kommen:
"Es entstand die Notwendigkeit, für die Eisenbahnen eine ganz besondere Kombination vorzusehen: Teilmobilmachung einiger europäischer Bezirke, auf welche die allgemeine folgen sollte. Diese Kombination war aber nicht ausgearbeitet, wie dies bereits früher erwähnt wurde, da nicht die Möglichkeit einer Teilmobilmachung gegen Österreich-Ungarn allein vorgesehen war.

Hast du das überlesen?


Quelle: Paleologue aus Peterburg am 26.07.1914, weitergeleitet an Laguiche, Potztausend, habe ich doch glatt schon wieder die Quelle genannt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Problem mit @Shinigami ist, dass er gerne mit vollem Herzen argumentiert. Es wäre besser wenn der Fokus aber weniger auf Textlänge, dafür mehr auf Recherche liegen würde. Ich sehe gar keine Quelle bei ihm. Es kann also sein, dass er recht hat, es kann genauso sein, dass er völlig daneben liegt. Leider liegt er meist daneben.

Fazit: Ich sehe bis jetzt keine fundierte Begründung, warum Teilmobilachung Russlands technisch nicht möglich gewesen sein sollte oder warum Deutschland mit einer solchen Teilmobilmachung nicht hätte umgehen können.


Dafür sehe ich aber einen Autoren, der einen schiefgelaufenen Krieg rechtfertigen musste und Gründe hatte Ausflüchte zu suchen.
Hier ist ein Blick auf die Landkarte und das damalige Streckennetz anzuraten.
Was sehen wir hier? Wenn Rußland eine Mobilisierung unter Ausschluss Polens hätte durchführen wollen, hätte es zwei Möglichkeiten gegeben.
1. über Galizien
oder 2. über Rumänien.

Und genau dies wurde von russischer Seite nicht gemacht.
Hier ist es wohl so, dass schon 1912 Kokowzow technisch eine Teilmobilisierung ausgeschlossen hat. Er begründete dies mit den Worten, dass eine Mobilisierung eine Mobilisierung sei. Die Russen sind nicht dumm, wie hier immer wieder unterstellt wird. Schon 1912 wurde auf der Sondersitzung des Ministerrates festgestellt, dass eine Mobilisierung über Warschau die Deutschen in große Sorge versetzen würden. Dieses Risiko wurde bewusst in Kauf genommen, denn Sasonow war bei dieser Sitzung dabei und damals gegen eine derartige Mobilisierung gestimmt.
 
Sehr interessant.
Die strategische Konzentration der Truppen an der Galizischen Grenze wäre, so lange Deutschland keine Maßnahmen zur Mobilisation unternahm, nicht gefährlich gewesen.

O-Ton Dobrorolski: "Doch gefährlicher, aber wäre eine strategische Konzentration der mobil gemachten Truppen an der Grenze gewesen.

Für den Aufmarsch war nur ein einziger Plan ausgearbeitet. Auf Grund dieses Planes gehörten die Korps des Moskauer und des Kasanschen Militärbezirks zum Bestände der Armeen, die sich auf dem Territorium des Warschauer Militärbezirks zu entwickeln hatten. Infolgedessen hätten bei der geplanten Teilmobilmachung diese Korps in andere Rayons der Konzentrierung dirigiert werden müssen, die an der Grenze des Kiewschen Bezirks hätten gewählt werden müssen."

Im Prinzip eine sinnlose Diskussion, da es alles rein spekulativer Natur ist.
 
es wäre schön, wenn @Turgot das Erscheinungsdatum der Ausgabe angeben könnte

Auch lese ich aus deinen Zeilen den versteckten Vorwurf des Revisionismus, da ganz im Fahrwasser von @andreassolar

Das Problem mit @Shinigami ist, dass er gerne mit vollem Herzen argumentiert.

Es gibt seit einiger Zeit den Trend nicht mit, sondern über Forenkollegen zu reden. Natürlich gibt es immer mal wieder Anlässe über ein Forenmitglied in der 3. Person zu reden, wenn man die referenziert etwa, aber in letzter Zeit lese ich das oft mit einem von mir als feindselig bzw. diffamierend wahrgenommenen Unterton. Das muss aufhören. (Ja, ich weiß: wer ohne Sünde ist....)
 
Es gibt seit einiger Zeit den Trend nicht mit, sondern über Forenkollegen zu reden. Natürlich gibt es immer mal wieder Anlässe über ein Forenmitglied in der 3. Person zu reden, wenn man die referenziert etwa, aber in letzter Zeit lese ich das oft mit einem von mir als feindselig bzw. diffamierend wahrgenommenen Unterton. Das muss aufhören. (Ja, ich weiß: wer ohne Sünde ist....)
Es war eigentlich durchaus nicht feindseelig gemeint und ich entschuldige mich gern in aller Form, wenn das so rüber gekomen sein sollte.

Die Bemerkung hinsichtlich des Erscheinungsdatums der Ausgabe ging einfach nur dahin, dass ich mir das bei Zeiten gerne mal im Orriginal ansehen würde und es daher hilfreich wäre, zu wissen, auf welche Erscheinung, welches Datum und welche Auflage sich da genau bezogen wurde.

Mag nämlich sein, dass sich im Volltext ein etwas anderes Bild ergibt, als aus den vorgetragenen, inhaltlich wenig überzeugenden Zitaten.

Auch lese ich aus deinen Zeilen den versteckten Vorwurf des Revisionismus, da ganz im Fahrwasser von @andreassolar
Das ist Unsinn.
Ich habe dir nirgendwo "Revisionismus" vorgeworfen, weder offen noch verdeckt.

Du behauptest jede Menge und nennst nicht eine einzige Quelle hierfür.
Verzeihung bitte, ich bin auf den Inhalt der von dir vorgelegten Quelle eingegangen.

Für welche Behauptung wünscht du denn einen Quellenbeleg?

- Für diejenige, dass durch Weglassen eines Teils der Truppentransporte zusätzliche Bahnressourcen zur Verfügung gestanden hätten?
- Für diejenige, dass eine Teilmobilmachung grundsätzlich auch auf Basis des Generalmobilmachungsplans ausgeführt werden konnnte, da sie lediglich das Auslassen der Mobilisation oder des Transports bestimmter Formationen vorrausgesetzt und damit geringere Leistungsanforderungen gestellt hätte, als die Vollmobilmachung?
- Für diejenige, dass der Bahnfahrplan für die Vollmobilmachung auch für eine Teilmobilmachung genutzt hätte werden können, weil keine nennenswerten zusätzlichen Anforderungen damit verbunden waren?
- Für diejenige dass es, so lange sich Deutschland nicht bewegte es höchst unwahrscheinlich war, dass die Österreicher lediglich mit Teilkräften eine Offensive gegen Russisch-Polen beginnen würde, während ein beachtlicher Teil des Österreichisch-Ungarischen Feldheeres an der Südfront gegen Serbien verzettelt war und daher eine strategische Konzentration der mobilisierten Truppen an der galizischen Grenze nicht gefährlich gewesen wäre?
- Für diejenige, dass die Festungen in Russisch-Polen, die Nordflanke vor etwaigen Blitz-Aktionen von deutscher Seite her abgeschirmt hätten?
- Für diejenige, dass das Betreten des Warschauer Militärbezirks nicht automatisch zum tollwütigen Durchdrehen des Deutschen Generalstabs geführt hätte, wäre die Präsenz gering gewesen?
- Für diejenige dass Deutschland teile der aktiven Formation des Friedensheeres nach Schlesien hätte verlegen können um einen beschränkten russischen Aufmarsch im Warschauer Militärbezirk abzuschirmen?
- Für diejenige, dass Deutschland durch Einberufung eines oder beider Augebote der Landwehr in den vier östlichen Grenzprovinzen, seinen Grenzschutz im Ostenn hätte stärken können ohne über eine allgemeine Mobilmachung Frankreich oder Russland zu provozieren?
- Für diejenige, dass russische Truppen die über Lublin in Richtung des Bahnknotenpunktes Warschau rollten, auch bereits in Lublin hätten entladen werden können um den restlichen Weg an die Grenze auf Wegen zurück zu legen, die für Berlin weniger provokant gewesen wären?

oder vielleicht für die äußerst gewagte Behauptung, dass Wasser i.d.R. nass ist?

Hast du das überlesen?
hast du dies hier überlesen:

Dabei soll es vorrangig nicht um die Frage diplomatischer und politischer Schachzüge gehen, sondern um die von @Turgot bestrittene technische Möglichkeit einer russischen Teilmobilmachung im Sommer 1914 und um die militärisch-technischen Möglichkeiten, die dem Deutschen Reich zu Gebote gestanden hätten mit einer solchen Teilmobilmachung Russlands (gerichtet gegen die Donaumonarchie) umzugehen

Mich interessiert vorrangig: War Teilmobilmachung technisch möglich, sofern die Russen wollten?
Nicht, ob das russische Handeln dem auch entsprochen hat. Das ist eine völlig andere Diskussion.
Du hattest dich im Poincaré-Faden zu der Einschätzung eingelassen, dass Teilmobilmachung nicht möglich gewesen wäre und ich sehe da Diskussionspotential.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Problem mit @Shinigami ist, dass er gerne mit vollem Herzen argumentiert. Es wäre besser wenn der Fokus aber weniger auf Textlänge, dafür mehr auf Recherche liegen würde.
Es wäre besser wenn sich gewisse andere Mitglieder hin und wieder mit den Inhalten von Beiträgen auseinandersetzten, anstatt sich über ihre Länge zu beschweren.
Es ist mir persönlich schleierhaft, was jemand, der nicht willens ist, die Ausführungen des gegenübers zur Kenntnis zu nehmen in einem Diskussionsforum sucht. Aber das muss wohl jeder selbst wissen.
 
hast du dies hier überlesen:

Ja.

Mich interessiert vorrangig: War Teilmobilmachung technisch möglich, sofern die Russen wollten?
Nicht, ob das russische Handeln dem auch entsprochen hat. Das ist eine völlig andere Diskussion.
Du hattest dich im Poincaré-Faden zu der Einschätzung eingelassen, dass Teilmobilmachung nicht möglich gewesen wäre und ich sehe da Diskussionspotential.

Ich finde derzeit nicht die Quelle, wo ich das gelesen habe. Ich habe einfach zu viele Bücher und zu viel zum gesamten Themenkomplex gelesen.:) Ich kann also für meine Ausführung der technischen Nichtdurchführbarkeit keinen Beleg anbieten. Ich weiß nur ganz sicher, das ich es gelesen habe.
Ich habe dir nirgendwo "Revisionismus" vorgeworfen, weder offen noch verdeckt.

Ist beim mir so angekommen. Da du das nicht so gemeint hast, dann ziehe ich meinen Vorwurf zurück und entschuldige mich.
 
Die Behauptung, dass Teilmobilmachung eine besondere Kombination bei den Eisenbahnen vorraussetzte, ist aber aus folgenden Gründen nicht nachvollziehbar:

a) Beim Weglassen von Teilen des Plans für die Vollmobilmachung wären zunächst mal zusätzliche Eisenbahnressourcen frei geworden, die variabel einsetzbar gewesen wären.
Vermutlich war so ein Mobilmachungsplan schon eine sehr komplexe Sache und vermutlich eine lange Liste von Befehlen, die dann im Bedarfsfall mehr oder weniger automatisch ausgegeben wurden. Selbst wenn man nur Sachen streichen wollte, musste man dann eben jeden einzelnen Befehl durchgehen und entscheiden, ob der noch notwendig bzw. sinnvoll ist.

Ob tatsächlich Eisenbahnressourcen frei geworden wären, hängt wohl auch davon ab, ob tatsächlich Lokomotiven bzw. Wagons oder eher die Kapazität der Strecken der Engpass waren.

Kommt hinzu, dass die Behauptung die Truppen aus Moskau und Kasan hätten unbedingt über Warschau verlegt werden müssen, für mich ebenfalls nicht nachvollziehbar ist.
Um Warschau überhaupt zu erreichen, mussten sie auf der Bahn auf dem direkten Weg von Osten her kommend übr Lublin um weiter nach Westen zu kommen.
Man hätte, wenn man eine Provokation Deutschlands unbedingt hätte vermeiden wollen, also auch bereits in Lublin entladen und dann südwestlich marschieren lassen können.
Das wäre dann aber keine reine Streichung von Befehlen mehr gewesen, sondern hätte wohl einen neuen ausgearbeiteten Plan erfordert und den gab es nun mal nicht.

Fazit: Ich sehe bis jetzt keine fundierte Begründung, warum Teilmobilachung Russlands technisch nicht möglich gewesen sein sollte oder warum Deutschland mit einer solchen Teilmobilmachung nicht hätte umgehen können.
Das Problem mit den fehlenden Plänen sehen wir doch auch in Deutschland, wo aufgrund des nicht mehr aktualisierten Ostaufmarschplans nur noch der Schlieffenplan zur Verfügung stand.

Aber selbst wenn die Teilmobilisierung irgendwie möglich gewesen wäre, sehe ich das Hauptproblem darin, dass es sehr wahrscheinlich nicht funktioniert hätte. Deutschland konnte seinen einzigen verlässlichen Verbündeten nicht im Stich lassen und hätte auch bei einer Teilmobilisierung sehr wahrscheinlich den Krieg erklärt. Die Teilmobilisierung wäre nur für das Blame Game wichtig gewesen.

In diesem Fall hätte Russland dann kurzfristig von der Teilmobilisierung wieder auf die Generalmobilisierung umschwenken müssen und dann wäre das Chaos vermutlich perfekt gewesen. Insbesondere, falls man tatsächlich Ressourcen umgelenkt hätte.
 
Vermutlich war so ein Mobilmachungsplan schon eine sehr komplexe Sache und vermutlich eine lange Liste von Befehlen, die dann im Bedarfsfall mehr oder weniger automatisch ausgegeben wurden. Selbst wenn man nur Sachen streichen wollte, musste man dann eben jeden einzelnen Befehl durchgehen und entscheiden, ob der noch notwendig bzw. sinnvoll ist.
Eigentlich nicht.

Dem Chef der Mobilmachungsabteilung sollte bewusst gewesen sein, Truppen aus welchen Wehrbezirken gemäß Aufmarschplan an die Deutsche Front hätten gehen sollen.
Man hätte einfach nur deren Mobilisation und dementsprechend die Transporte streichen müssen, damit hätte sich der Rattenschwanz an Befehlen die für diese Truppen daran hingen ja selbst erledigt gehabt.

Der Aufmarsch gegen Österreich-Ungarn hätte ja prinzipiell ohne Eingriffe plangemäß ablaufen können.

Eigentlich kein großer Akt.

Ob tatsächlich Eisenbahnressourcen frei geworden wären, hängt wohl auch davon ab, ob tatsächlich Lokomotiven bzw. Wagons oder eher die Kapazität der Strecken der Engpass waren.
Bei einer Mobilisierungsaktion dises Ausmaßes, war mit Ausfällen bei den Bahnen durch Übernutzung zu rechnen, möglicherweise auch, wenn die stationen nicht ordnungsgemäß bevorratet waren, mit Verzögerungen durch Brennstoffmangel.

Bei Verzicht auf die Mobilmachung der Nord-Armeen wäre es jedenfalls möglich gewesen Lokomotiven und Brennstoffe aus diesem Bereich abzuziehen.
Dadurch wäre der Aufmarsch nicht unbedingt zu beschleunigen gewsen, da dann aber Reserven für die Brennstoffversorgung zur Verfügung gestanden hätten und mehr Möglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten, angeschlagene Lokomotiven zu ersetzen und die übrigen umlaufennd für Wartungsarbeiten nach einer gewissen zeit aus dem Dauerbetrieb heraus zu nehmen, wäre dann eine störungsärmere Mobilmachung zu erwarten gewesen.

Das wäre dann aber keine reine Streichung von Befehlen mehr gewesen, sondern hätte wohl einen neuen ausgearbeiteten Plan erfordert und den gab es nun mal nicht.
Warum hätte das einen neuen Plan erfordern sollen?
Die Züge hätten bis Lublin planmäßig rollen können. Möglicherweise hätte abladen dort für Verzögerungen gesorgt, was aber erstmal nicht weiter dramatisch gewesen wäre, so lange die halbe Österreichische Armee in Serbien beschäftigt war und deswegen nicht zu erwarten gewesen wäre, dass die anderen Teilkräfte Russland angreifen würden, so lange keine deutsche Hilfe in Aussicht gestanden hätte.

Davon abgesehen, dass ich nach wie vor nicht nachvollziehen kann, warum es Berlin als eine Bedrohung hätte empfinden müssen, wären Truppen über Warschau geschickt worden, ohne aber nach Norden oder Westen in Richtung Deutsche Grenze weiter zu verlegen, sondern wenn sie es einfach nur auf dem Weg zur galizischen Grenze passiert hätten.

Das Problem mit den fehlenden Plänen sehen wir doch auch in Deutschland, wo aufgrund des nicht mehr aktualisierten Ostaufmarschplans nur noch der Schlieffenplan zur Verfügung stand.
Die Situation in Deutschland ist auf mehrerenn Ebenen nicht vergleichbar:

1. Moltke bestellte KWII. auf die Aufforderung, im Zuge des Missverständnisses um Lichnowsky und die britische Neutralität, dass Aufmarssch im Osten nicht möglich sei.
Das war aber erstmal nur eine Behauptung. Ob die aufrichtig war und es tatsächlich nicht möglich war oder aber, ob Moltke einfach nicht wollte, weil er entweder zu sehr an den Schlieffenplan als Rezept glaubte oder der angedeuteten Möglichkeit der britischen Neutralität nicht traute und das für eine Finte hielt, das wissen wir so meiner Kenntnis nach nicht.

Ob es also grundsätzlich tatsächlich nicht möglich war, oder ob Moltke technische Unmöglichkeit bloß vorschob, weil er den Westschwerpunkt weiterhin für richtig hielt und unbedingt durchboxen wollte, dass sei dahingestellt.

2. Schwerwiegender ist, dass eine Ausführung des Ostaufmarsches die gesammte Schwerpunktsetzug der deutschen Mobilmachung verändert hätte, das aber hätte logistische Folgen gehabt.

Moltke sagte KWII. ja durchaus, dass wenn jetzt aufmarsch im Osten befohlen würde, man dort einen Haufen hungriger, bewaffneter Männer haben würde, aber keine Armee.

Ein Verweis darauf, dass die Änderung des Truppentransports selbst wahrscheinlich relativ einfach durchzuführen gewesen wäre, aber natürlich war im Osten nichts vorbereitet, Versorgungs- und Munitionsdepots, Tross, soweit er sich bereits in Ausgangsposition befand um einen Vormarsch umgehend unterstützen zu können, waren natürlich auf den Westaufmarsch ausgerichtet und hätten bei Änderung des Aufmarsches nach Osten verlegt werden müssen, bzw. man hätte parallel direkt neue Bevorratung im Osten anlegen müssen (mindestens Verpflegung hätte man lokal zusammenziehen können, dass hätte keiner großen Eisenbahnressourcen auf den Ost-West-Trassen bedurft, aber einige Tage Zeit gebraucht).
Darin dürfte das größere Problem zu sehen sein, als im Verschieben der Mannschaften.

Aber dieses Problem hatten die Russen nicht.
Die hatten Keinen Plan, der eine Schwerpuktbildung in Sibirien oder sonstwo, wo alles geändert hätte werden müssen, vorgesehen, sondern die hatten einen Aufmarchplan für den Westen, der entsprechend der beiden Kriegsszenarien G (Germanija) und A (Avstria) entsprechend flexibel gehalten war.
Das Kriegszenario A, also der Aufmarsch mit annschließender schwerpunktmäßiger Entfaltung gegen Österreich, lag ohnehin in der Schublade, das Streichen des Aufmarssches in Litauen und eventuell das Ausdünnen in Polen (Streichung der Narew-Armee um Deutschland nicht zu provozieren), wären kein dem vergleichbarer Akt gewesen.

Da Russland grundsätzlich mit beiden Szenarien plante, war die Nachschubbevorratung so eingerichtet, dass auch beide Szenarien möglich waren.

3. Man darf hierbei auch nicht übersehen, dass der Lichnowsky-Zwischenfall und KWII. seine Weisung an Moltke wegen vermeintlich in Aussicht stehender britischer Neutralität umzudirigieren, erst Stunden erteilt wurde, nachdem die Mobilmachungsorder bereits raus war.
D.h. Transporte zur weiteren Befüllung der Depots im Westen dürften schon auf der Schiene gewesen sein, Transporte, die der Verlegung von Teilen der aktiven Formationen des Friedensheeres dienten auch (wohingegen die eingezogenen Reservisten noch nicht auf den Weg waren).

D.h. hier hätte erstmal ein bereits laufender Aufmarsch gestoppt werden müssen um dann aus dem laufenden Westaufmarsch heraus in Richtung Osten umzuverlegen.
Da hätte man in der Tat Myrriaden von gegebenen Befehlen wiederrufen, und bereits begonnene Verlegungen rückgängig machen Müssen, um überhaupt erstmal wieder in die Ausgangsposition zu kommen.
Das sich Motlke wegen des zu erwartenden Chaos dagegen sträubte das zu versuchen und darauf bestand zuerst den Aufmarsch abzuwickeln und dann gegebenenfalls Kräfte nach Osten zu verlegen, das verwundert nicht und macht durchhaus schon einen gewissen Sinn.

Dieses Problem hätte sich aber nicht ergeben, wenn Weisung die Richtung zu ändern bereits vor der Mobilmachungsorder erteilt worden wäre.

Dann hätte eine Änderung der Richtung die Sache verzögert, weil man zunächstmal Minimalbestände an Verpflegung und Munition von den Aufmarschräumen im Westen nach Osten hätte transferieren müssen, um dort Kapazitäten zu haben die Truppen aufzunehmen und erst danach hätte man Truppen verschieben können, es wäre aber sicherlich grundsätzlich machbar gewesen.

Wäre Moltke KWIIs Order gefolgt und hätte während des Laufenden Aufmarsches nach Osten umdirigiert, hätte binnen kurzer Zeit, um das zu veranschaulichen, die Hälfte einer Division im Westen gestanden, die andere Hälfte im Osten, Verpflegung und Munition irgendwo.
Das ging natürlich nicht.



Aber auch vor dem Problem standen die Russen nicht zwangsläufig, bzw. vor dem Problem hätten sie nur gestanden, wenn Vollmobilmachung angeordnet worden wäre und man versucht hätte das rückwirkend, während die Sache lief zu einer Teilmobilmachung zurückzustufen.

Bei einem direkten Befehl zur Teilmobilmachung, wäre das entfallen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Da Russland grundsätzlich mit beiden Szenarien plante, war die Nachschubbevorratung so eingerichtet, dass auch beide Szenarien möglich waren.
Seit wann plante Russland mit beiden Szenarien, schon länger oder erst ab ca 1908/10?
Nachschubbevorratung für gleich zwei großumfängliche Szenarien (Massenheere benötigen massenhaft Nachschub, Vorräte usw) - das war alles schon vorbereitet?

1838-44 Bau des kunsthistorisch bedeutenden Speichers Spichlerz nad Narwią – Wikipedia, wolna encyklopedia der Festung Nowogeorgiewsk (Modlin) an der Mündung des Narren in die Weichsel; dieses riesige Magazin lag gleichsam in der Mitte des komplexen Festungsarreals. Das ist das einzige mir bekannte große Magazin für Vorräte etc.
 
Seit wann plante Russland mit beiden Szenarien, schon länger oder erst ab ca 1908/10?
Nachschubbevorratung für gleich zwei großumfängliche Szenarien (Massenheere benötigen massenhaft Nachschub, Vorräte usw) - das war alles schon vorbereitet?
Seit wann das so war, müsste ich nachschlagen, da müsste ich mir etwas Zeit erbitten.

Nachschubbevorratung für beide Szenarien, war in diesem Fall aber nicht besonders kompliziert, weil sich die Szenarien vor allen durch die Verteilung der russischen Truppen im polnischen und ostpolnisch/westukrainischen Raum voneinander unterschieden.

Da facto kam 1914 die Variante A, also aufmarsch geringer Kräfte, in diesem Fall zwei Armeen, gegen Deutschland, Aufmarsch der übrigen Truppen gegen Österreich mit entsprechend angedachtem Vorgehen zum Tagen.
Die Variante G hätte einfach nur vorausgesetzt Teile der Truppen, die sich in Südpolen gegen Österreich entfalteten innerhalb Polens stattdessen gegen die deutsche Grenze auszurichten.

Wo genau die Russen ihre Nachschubdepots hatten, weiß ich nicht, ich würde davon ausgehen, dass teilweise die zentralpolnischen Festungen als Depots verwendet wurden und Nachschub ansonsten irgendwo etwa auf einer Höhe zwischen Warschau und Brest-Litowsk zusammengezogen wurde, von wo aus man ihn je nach Bedarf in beiden Richtungen, nach Süden oder Norden hätte weiterschicken können (oder auch nach Westen).
Wenn dem so war, wäre die Sache einigermaßen variabel gewesen und nachschub hätte je nach am Ende gewähltem Szenario nur noch über relativ kurze strecken 100-200 Km (maximal) in tatsächliche Frontnnähe gebracht werden müssen, was sicherlich auch abseits der für den Aufmarsch benötigten Hauptstrecken möglich war und ansonsten wegen der vergleichsweise kurzen Entfernungen auch auf der Bahn, in direkten Verkehr sehr viel schneller zu erledigen gewesen wäre, als über die 600-700 Km (in die beiden Preußen noch weiter) von der Westgrenze Deutschlands in den Osten.

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Wäre gegebenenfalls wegen der Bevorratung noch darauf hinzuweisen, dass obendrein die günstige Jahreszeit die option spontaner Änderungen begünstigte.
Das Wetter konnte als einigermaßen stabil vorausgesetzt werden, was bedeutet, dass neben der Eisenbahn abseits der Hauptstrecken auch Furwerke für zusätzliche Transportkapazitäten (wir jeden ja über einen über Wochen laufenden Aufarsch) gut vorran kommen würden.
Außerdem war ein Großteil der Ernte gerade eingebracht, d.h. improvisierend konnte durch Aufkauf von Nahrungsmitteln die Verproviantierung der Truppen oder eines Teils davon aus der näheren Umgebung erfolgen, was bei der Bahn, jedenfalls potentiell, Kapazitäten freimachen konnte vorrangig Truppen und Munition auf die Schiene zu setzen.

Im Russischen Fall, hinsichtlich der Möglichkeiten einer Teilmobilmachung, hätte, wenn man darauf vertraut hätte, dass Deutschland keine Gegenmaßnahmen ergreifen würde und man nicht noch zur Vollmobilmachung übergehen müsse, die Möglichkeit bestanden, bei Weglassen der Mobilisation der Nordarmeen die Verpflegungs- und Munitionsvorräte aus dem litauischen Aufmarschgebiet über die nördliche Bahntrasse (Vilnius-Brest und von da aus je nach Bedarf weiter entweder nach Lublin (Osten) oder Warschau (Westen) ) zu verschieben.

Hätte man das unterlassen wollen, mit Rücksicht auf eine möglicherweise noch notwendige Vollmobilmachung, hätte die nördliche Bahntrasse (die hatte Anschluss bis nach St. Petersburg, Tallin, Riga und Libau), sozusagen als "Luftröhre" für eine Teilmobilmachung gegen Österreich herhalten können, denn ohne die Mobilisation der Nordarmeen hätte es da reichlich freie Kapazitäten gegeben, die jedenfalls für den Transport weiterer ergänzender Verpflegung aus dem Baltikum und von den Ostseehäfen her hätte genutzt werden können, was die Südtrasse entlastet und wiederrum die Bewegung von mehr Truppen und Munition ermöglicht hätte.
 
Kleiner Irrtum bezüglich der Strecken meinerseits.

Ich muss im Hinblick auf die Nordtrasse (Dreieck Warschau, St.Petersbrug, Moskau) korrigieren, die lief natürlich nicht über Brest-Litowsk, sondern über Bialystok.
Und auf der Südroute (Dreieck) ging es nicht über Lublin weiter in Richtung Warschau, sondern über Brest. (Heißt vorzeitiges Entladen im Szenario oben hätte nicht zwangsläufig in Lublin sondern Brest oder Lublin stattfinden können.

Kommt davon, wenn man die Brille verlegt hat.
 
Seit wann plante Russland mit beiden Szenarien, schon länger oder erst ab ca 1908/10?
Nachschubbevorratung für gleich zwei großumfängliche Szenarien (Massenheere benötigen massenhaft Nachschub, Vorräte usw) - das war alles schon vorbereitet?

1838-44 Bau des kunsthistorisch bedeutenden Speichers Spichlerz nad Narwią – Wikipedia, wolna encyklopedia der Festung Nowogeorgiewsk (Modlin) an der Mündung des Narren in die Weichsel; dieses riesige Magazin lag gleichsam in der Mitte des komplexen Festungsarreals. Das ist das einzige mir bekannte große Magazin für Vorräte etc.

Seit 1912. Das war der sogenannte Plan XIX gewesen, der vorsah, gleichzeitig gegen die Süd- und Westfront vorzugehen. Die Russen wollten den Krieg nach Österreich-Ungarn bzw. Deutschland bringen. eine endgültige Schwerpunktsetzung blieb aber offen.
Seit 1912 lagen auch die Pläne zur Besetzung Konstantinopels und der Meerengen in den Schubladen.
Jedenfalls Plan A sah die Schwerpunktsetzung in Süden vor. Plan B sah die Schwerpunktsetzung im Westen vor. Tatsächlich gelangte im Sommer 1914 die Variante A zur Ausführung; anders als die Franzosen es gewünscht hatten.
 
Der Aufmarsch gegen Österreich-Ungarn hätte ja prinzipiell ohne Eingriffe plangemäß ablaufen können.

Es wurde bloß gegen beide Mittelmächte mobilisiert.

Bei Verzicht auf die Mobilmachung der Nord-Armeen wäre es jedenfalls möglich gewesen Lokomotiven und Brennstoffe aus diesem Bereich abzuziehen.

Aber daran war doch gar nicht zu denken. Ein russischer Angriff auf die Monarchie brachte zwangsläufig Deutschland ins Spiel.

Dann hätte eine Änderung der Richtung die Sache verzögert, weil man zunächstmal Minimalbestände an Verpflegung und Munition von den Aufmarschräumen im Westen nach Osten hätte transferieren müssen, um dort Kapazitäten zu haben die Truppen aufzunehmen und erst danach hätte man Truppen verschieben können, es wäre aber sicherlich grundsätzlich machbar gewesen.

Es waren gewaltige Kapazitäten vorzuhalten. An den Entladebahnhöfen musste entsprechend Personal zum Entladen und genügend Transportmittel, Lkw und wohl bestimmt auch noch reichhaltig Pferdefuhrwerke vorzuhalten, um das die ganzen Güter zu ihren Bestimmungsorten zu transportieren. Entsprechend waren Futter und Ersatztiere.
 
Es wurde bloß gegen beide Mittelmächte mobilisiert.
Es ging mir wie gesagt erstmal um die technischen Möglichkeiten.

Ich denke wenn man das russische Verhalten, im Hinblick auf Lokalisierung/Ausweitung des Konflikts bewerten möchte, müsste man das schon an Hand der Optionen, die Russland tatsächlich hatte tun und täte gut, disese herauszuarbeiten.

Zu bewerten, was auf Basis der vorhandenen Möglichkeiten dann tatsächlich passierte, wäre der zweite Schritt, den man aber nicht vor dem Ersten tun sollte.

Aber daran war doch gar nicht zu denken. Ein russischer Angriff auf die Monarchie brachte zwangsläufig Deutschland ins Spiel.
1. Nein, da Österreich seinerseits die Feindseeligkeiten gegen Serbien eröffnet hatte, also der Agressor war, griff hier der Zweibundvertrag nichts und von der Mission Hoyos und vom Blankoschek wussten die Russen so weit mir bekannt, zu diesem Zeitpunkt nichts präzises, so dass sie damit hätten rechnen müssen.
2. Mobilmachung setzt ja nicht zwangsläufig auch die Absicht vorraus tatsächlich anzugreifen, sondern kann ja auch als Mittel der Abschreckung eingesetzt werden, so wie Österreich das in der Durazzo-Krise tat.
Der Zweibundvertrag verpflichtete Berlin aber nicht gegen Russland militärisch aktiv zu werden, so lange dieses über Mobilmachung hinaus keine Agression betrieb.
Hätte Russland also gegen Österreich Teilmobilgemacht mit der Absicht sich zunächst im Status einer bewaffneten Netralität zu halten und zu versuchen von dieser Warte aus Wien mit entsprechenden Drohungen zu mäßigen, musste St. Petersburg, zumal wenn es nicht gegen Deutschland aufmarschieren ließ, sicherlich keine deutschen Militärischen maßnahmen fürchten.

Hätte Berlin die Mobilmachung erklärt, hätte noch immer die Möglichkeit bestanden mit etwas Verzögerung zur Vollmobilmachung überzugehen.
Von der Nordstrecke entnommene Brennstoffvorräte und Lokomotiven, wären ja durch vorrübergehende Stillegung militärisch unbedeutender Nebenstrecken in relativ kurzer Zeit zu ersetzen gewesen.

Aber selbst wenn man die Loks und Brennstoffvorräte auf der Nordstrecke hätte belasse wollen um Vollmobilmachung gegebenenfalls noch nachholen zu können, hätte die Nordstrecke von Zivilverkehr geräumt (wäre für Vollmobilmachung ohnedies notwendig gewsen) und zum Transport ergänzenden materials in Richtung Warschau und Brest genutzt werden können.
Im Fall, dass Vollmobilmachung sich als nicht notwendig erwiesen hätte, wäre damit der Teilmaufmarsch gegen Österreich-Ungarn schneller zu bewerkstelligen gewesen, weil man wenn sonstiges Material über den Norden hereinholen konnte, man im Süden den eigentlichen Transporten der Mannschaften Vorrang geben konnte.

Hätte sich relativ schnell Vollmobilmachung doch als Notwendig erwiesen und wäre daher Transport von Kriegsgütern im größeren Stil auf der Südstrecke doch weiterhin nötig gewesen, hätte man im Norden immerhin schonmal etwas Material verlegt gehabt und hätte relativ zügig zu Truppentransporten übergehen können.

Wenn man von russischer Seite her gegen Österreich Teilmobilgemacht gemacht hätte ohne aber loszuschlagen, bis zur Beendigung des Aufmarsches hätte Deutschland keinen Grund gehabt militärisch gegen Russland loszuschlagen.

Im Übrigen hätte man ja die Reservisten die für die Nordarmeen gedacht gewesen wären ja durchaus einberufen können, ohne sie aber schon auf die Schine zu setzen, so lange sich Deutschland nicht bewegte.
Das hätte im Fall, dass man am Ende doch den Aufmarsch gegen beide Zentralmächte benötigt hätte die Zeit verkürzt.

Es waren gewaltige Kapazitäten vorzuhalten. An den Entladebahnhöfen musste entsprechend Personal zum Entladen und genügend Transportmittel, Lkw und wohl bestimmt auch noch reichhaltig Pferdefuhrwerke vorzuhalten, um das die ganzen Güter zu ihren Bestimmungsorten zu transportieren. Entsprechend waren Futter und Ersatztiere.

Naja, die waren da vorzuhalten, wo aufmarschiert werden sollte. Ob die im Osten noch vorgehalten wurden, obwohl der Ostaufmarsch gestrichen war, dass weiß ich nicht.
Aber sie konnten verlegt werden (dauerte dann nur eben).
Das aber der Transfer auch größerer Truppenkörper von der Westfront zur Ostfront einigermaßen zügig möglich war und bewerkstelligt werden konnte, zeitgt jedenfalls der berüchtigte Abzug der bewussten zwei Armeekorps aus dem Westen im Vorfeld der Marne-Schlacht.

Die beiden Verbände waren bis zur Kapitulation der Festung Namur (25. August '14) bei deren Belagerung eingesetzt, stehen aber bereits am 5. September für den Beginn der Masuren-Operation (Schlacht an den Masurischen Seen) zur Verfügung.

Verlegung von zwei Korps, im absolut kampffähigen Zustand mitten aus dem chaotischen Kampfgebiet in Belgien nach Ostpreußen, war also trotz der Bechlagnahme der Bahnkapazitäten für die Versorgung der 7 Westarmeen, trotz der Beschädigung der Bahnanlagen durch vorherige Kampfhandlungen und trotz des logistischen Nadelörs Lüttich-Luxemburg, innerhalb von 11 Tagen absolut möglich.

Wenn man unter absolut chaotischen Bedingungen mal eben innerhalb von 11 Tagen zwei Armeekorps von der West- an die Ostfront transferieren zu können (voll kampffähig), dann wäre es sicherlich unter wesentlich entspannteren Bedingungen und bei kürzerer Strecke und mehr nutzbaren Bahnen und Bahnmaterial (Westaufmarsch) möglich gewesen innerhalb eines ähnlichen Zeitraums auch 2-3 Armeen vom Westen in verschiedene Teile des Ostens zu verschieben um den Schwerpunkt zu verändern und gegen Russland zu richten.

Frage ist, hätte man für die ad hoc genug Verpflegung und Munition auftreiben können.

Vorräte und Material für zwei Korps zusammen zu kratzen, ist logistisch naütlich eine weniger anspruchsvolle Aufgabe als 10 oder 12 zusätzliche Korps befriedigend auszurüsten, im Besonderen im Hinblick auf Munition (Verpflegung mag noch gehen).

ich denke mir es hätte sicherlich etwas längere Zeit gebraucht um im Besonderen Munition und Tross zu verlegen um diese Truppen wirklich auch abseits der Eisenbahn mobil und bei voller kampfbereitschaft zu haben.
 
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1. Nein, da Österreich seinerseits die Feindseeligkeiten gegen Serbien eröffnet hatte, also der Agressor war, griff hier der Zweibundvertrag nichts und von der Mission Hoyos und vom Blankoschek wussten die Russen so weit mir bekannt, zu diesem Zeitpunkt nichts präzises, so dass sie damit hätten rechnen müssen.

Zeige mir einmal bitte die Passage im Zweibundvertrag vom 07.Oktober 1879 die diese These deckt.;)

Dort steht nämlich unter Artikel 1 zu lesen:

"Sollte wider Verhoffen und gegen den aufrichtigen Wunsch der beiden Hohen Kontrahenten Eines der beiden Reiche von Seiten Rußlands angegriffen werden, so sind die Hohen Kontrahenten verpflichtet, Einander mit der gesamten Kriegsmacht Ihrer Reiche beizustehen und demgemäß den Frieden nur gemeinsam und übereinstimmend zu schließen".
 
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