Vermutlich war so ein Mobilmachungsplan schon eine sehr komplexe Sache und vermutlich eine lange Liste von Befehlen, die dann im Bedarfsfall mehr oder weniger automatisch ausgegeben wurden. Selbst wenn man nur Sachen streichen wollte, musste man dann eben jeden einzelnen Befehl durchgehen und entscheiden, ob der noch notwendig bzw. sinnvoll ist.
Eigentlich nicht.
Dem Chef der Mobilmachungsabteilung sollte bewusst gewesen sein, Truppen aus welchen Wehrbezirken gemäß Aufmarschplan an die Deutsche Front hätten gehen sollen.
Man hätte einfach nur deren Mobilisation und dementsprechend die Transporte streichen müssen, damit hätte sich der Rattenschwanz an Befehlen die für diese Truppen daran hingen ja selbst erledigt gehabt.
Der Aufmarsch gegen Österreich-Ungarn hätte ja prinzipiell ohne Eingriffe plangemäß ablaufen können.
Eigentlich kein großer Akt.
Ob tatsächlich Eisenbahnressourcen frei geworden wären, hängt wohl auch davon ab, ob tatsächlich Lokomotiven bzw. Wagons oder eher die Kapazität der Strecken der Engpass waren.
Bei einer Mobilisierungsaktion dises Ausmaßes, war mit Ausfällen bei den Bahnen durch Übernutzung zu rechnen, möglicherweise auch, wenn die stationen nicht ordnungsgemäß bevorratet waren, mit Verzögerungen durch Brennstoffmangel.
Bei Verzicht auf die Mobilmachung der Nord-Armeen wäre es jedenfalls möglich gewesen Lokomotiven und Brennstoffe aus diesem Bereich abzuziehen.
Dadurch wäre der Aufmarsch nicht unbedingt zu beschleunigen gewsen, da dann aber Reserven für die Brennstoffversorgung zur Verfügung gestanden hätten und mehr Möglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten, angeschlagene Lokomotiven zu ersetzen und die übrigen umlaufennd für Wartungsarbeiten nach einer gewissen zeit aus dem Dauerbetrieb heraus zu nehmen, wäre dann eine störungsärmere Mobilmachung zu erwarten gewesen.
Das wäre dann aber keine reine Streichung von Befehlen mehr gewesen, sondern hätte wohl einen neuen ausgearbeiteten Plan erfordert und den gab es nun mal nicht.
Warum hätte das einen neuen Plan erfordern sollen?
Die Züge hätten bis Lublin planmäßig rollen können. Möglicherweise hätte abladen dort für Verzögerungen gesorgt, was aber erstmal nicht weiter dramatisch gewesen wäre, so lange die halbe Österreichische Armee in Serbien beschäftigt war und deswegen nicht zu erwarten gewesen wäre, dass die anderen Teilkräfte Russland angreifen würden, so lange keine deutsche Hilfe in Aussicht gestanden hätte.
Davon abgesehen, dass ich nach wie vor nicht nachvollziehen kann, warum es Berlin als eine Bedrohung hätte empfinden müssen, wären Truppen über Warschau geschickt worden, ohne aber nach Norden oder Westen in Richtung Deutsche Grenze weiter zu verlegen, sondern wenn sie es einfach nur auf dem Weg zur galizischen Grenze passiert hätten.
Das Problem mit den fehlenden Plänen sehen wir doch auch in Deutschland, wo aufgrund des nicht mehr aktualisierten Ostaufmarschplans nur noch der Schlieffenplan zur Verfügung stand.
Die Situation in Deutschland ist auf mehrerenn Ebenen nicht vergleichbar:
1. Moltke bestellte KWII. auf die Aufforderung, im Zuge des Missverständnisses um Lichnowsky und die britische Neutralität, dass Aufmarssch im Osten nicht möglich sei.
Das war aber erstmal nur eine Behauptung. Ob die aufrichtig war und es tatsächlich nicht möglich war oder aber, ob Moltke einfach nicht wollte, weil er entweder zu sehr an den Schlieffenplan als Rezept glaubte oder der angedeuteten Möglichkeit der britischen Neutralität nicht traute und das für eine Finte hielt, das wissen wir so meiner Kenntnis nach nicht.
Ob es also grundsätzlich tatsächlich nicht möglich war, oder ob Moltke technische Unmöglichkeit bloß vorschob, weil er den Westschwerpunkt weiterhin für richtig hielt und unbedingt durchboxen wollte, dass sei dahingestellt.
2. Schwerwiegender ist, dass eine Ausführung des Ostaufmarsches die gesammte Schwerpunktsetzug der deutschen Mobilmachung verändert hätte, das aber hätte logistische Folgen gehabt.
Moltke sagte KWII. ja durchaus, dass wenn jetzt aufmarsch im Osten befohlen würde, man dort einen Haufen hungriger, bewaffneter Männer haben würde, aber keine Armee.
Ein Verweis darauf, dass die Änderung des Truppentransports selbst wahrscheinlich relativ einfach durchzuführen gewesen wäre, aber natürlich war im Osten nichts vorbereitet, Versorgungs- und Munitionsdepots, Tross, soweit er sich bereits in Ausgangsposition befand um einen Vormarsch umgehend unterstützen zu können, waren natürlich auf den Westaufmarsch ausgerichtet und hätten bei Änderung des Aufmarsches nach Osten verlegt werden müssen, bzw. man hätte parallel direkt neue Bevorratung im Osten anlegen müssen (mindestens Verpflegung hätte man lokal zusammenziehen können, dass hätte keiner großen Eisenbahnressourcen auf den Ost-West-Trassen bedurft, aber einige Tage Zeit gebraucht).
Darin dürfte das größere Problem zu sehen sein, als im Verschieben der Mannschaften.
Aber dieses Problem hatten die Russen nicht.
Die hatten Keinen Plan, der eine Schwerpuktbildung in Sibirien oder sonstwo, wo alles geändert hätte werden müssen, vorgesehen, sondern die hatten einen Aufmarchplan für den Westen, der entsprechend der beiden Kriegsszenarien G (Germanija) und A (Avstria) entsprechend flexibel gehalten war.
Das Kriegszenario A, also der Aufmarsch mit annschließender schwerpunktmäßiger Entfaltung gegen Österreich, lag ohnehin in der Schublade, das Streichen des Aufmarssches in Litauen und eventuell das Ausdünnen in Polen (Streichung der Narew-Armee um Deutschland nicht zu provozieren), wären kein dem vergleichbarer Akt gewesen.
Da Russland grundsätzlich mit beiden Szenarien plante, war die Nachschubbevorratung so eingerichtet, dass auch beide Szenarien möglich waren.
3. Man darf hierbei auch nicht übersehen, dass der Lichnowsky-Zwischenfall und KWII. seine Weisung an Moltke wegen vermeintlich in Aussicht stehender britischer Neutralität umzudirigieren, erst Stunden erteilt wurde, nachdem die Mobilmachungsorder bereits raus war.
D.h. Transporte zur weiteren Befüllung der Depots im Westen dürften schon auf der Schiene gewesen sein, Transporte, die der Verlegung von Teilen der aktiven Formationen des Friedensheeres dienten auch (wohingegen die eingezogenen Reservisten noch nicht auf den Weg waren).
D.h. hier hätte erstmal ein bereits laufender Aufmarsch gestoppt werden müssen um dann aus dem laufenden Westaufmarsch heraus in Richtung Osten umzuverlegen.
Da hätte man in der Tat Myrriaden von gegebenen Befehlen wiederrufen, und bereits begonnene Verlegungen rückgängig machen Müssen, um überhaupt erstmal wieder in die Ausgangsposition zu kommen.
Das sich Motlke wegen des zu erwartenden Chaos dagegen sträubte das zu versuchen und darauf bestand zuerst den Aufmarsch abzuwickeln und dann gegebenenfalls Kräfte nach Osten zu verlegen, das verwundert nicht und macht durchhaus schon einen gewissen Sinn.
Dieses Problem hätte sich aber nicht ergeben, wenn Weisung die Richtung zu ändern bereits vor der Mobilmachungsorder erteilt worden wäre.
Dann hätte eine Änderung der Richtung die Sache verzögert, weil man zunächstmal Minimalbestände an Verpflegung und Munition von den Aufmarschräumen im Westen nach Osten hätte transferieren müssen, um dort Kapazitäten zu haben die Truppen aufzunehmen und erst danach hätte man Truppen verschieben können, es wäre aber sicherlich grundsätzlich machbar gewesen.
Wäre Moltke KWIIs Order gefolgt und hätte während des Laufenden Aufmarsches nach Osten umdirigiert, hätte binnen kurzer Zeit, um das zu veranschaulichen, die Hälfte einer Division im Westen gestanden, die andere Hälfte im Osten, Verpflegung und Munition irgendwo.
Das ging natürlich nicht.
Aber auch vor dem Problem standen die Russen nicht zwangsläufig, bzw. vor dem Problem hätten sie nur gestanden, wenn Vollmobilmachung angeordnet worden wäre und man versucht hätte das rückwirkend, während die Sache lief zu einer Teilmobilmachung zurückzustufen.
Bei einem direkten Befehl zur Teilmobilmachung, wäre das entfallen.