So, vorhin war, wie
@silesia das schon angesprochen hat etwas ins Kraut geschossen, da war ich etwas in Eile, jetzt noch einmal in präziserer Aufarbeitung:
Einsichten in den Zweibundvertrag:
Alexander III., für dessen Treffen mit dem deutschen Kaiser Bismarck die Gespräche sorgfältig vorbereitet hatte, kam am 18. November 1887 nach Berlin. Der Kanzler gab bei dieser Gelegenheit
dem Zaren auch Einblick in den Text des Zweibundvertrages von 1879, nach dem Deutschland nur bei einem russischen Angriff verpflichtet war, Österreich beizustehen. Eigentlich hätte der Zar also beruhigt sein können; dennoch war das Zirkular, das die russische Regierung nach dem Zarenbesuch erließ, bewusst kühl gehalten; es liege »kein Grund zu einem Bruch zwischen Rußland und Deutschland« vor.
Engelberg, Ernst. Bismarck: Sturm über Europa. Biographie (German Edition) (S.754). Siedler Verlag. Kindle-Version.
Demnach hat es zunächst 1887 konkrete Einsichten für die russische Seite in die Details des Zweibundvertrages gegeben, bevor dieser dann Anfang 1888 allgemein veröffentlicht wurde.
Zweibund – Wikipedia
Es steht dort allerdings nichts darüber, ob man von österreichischer Seite her über die vorweggehende Orientierung der russischen Seite informiert war. Angesichts der allgemeinen Publikation des Vertrages im Februar 1888, dürfte das jedoch eine geringere Rolle spielen, denn spätestens ab diesem Zeitpunkt war auch Russland orientiert. Da zwischen der fraglichen Einsicht und der Publikation des Vertrags in etwa 2,5 Monate lagen, erscheint es allerdings sehr wahrscheinlich, dass man seitens Wien kein grundsätzliches Problem mit einer entsprechenden Orientierung St. Petersburgs hatte, denn ansonsten hätte man wohl der Publikation des Zweibundvertrags nicht zugestimmt.
Die Motivation dahinter lief demnach primär auf eine Beruhigung Russlands hinaus, mit dem Kalkül die allmählich heraufziehende russisch-französische Annäherung zu stören, bzw. ihr die Basis zu nehmen, in dem man klarstellte, dass es sich um ein reines Verteidigungsprojekt handelte, dass seinerzeit nicht ganz unwesentlich den Umständen von San Stefano geschuldetet geschuldet war keine Basis für ein offensives Vorgehen gegen Russland bot.
In diesem Geiste war dann ja auch der Rückversicherungsvertrag selbst gehalten, dessen eigentliche Wirksamkeit ich nicht unbedingt im Wert der Abmachung selbst sehen würde, sondern in der St. Petersburg damit gegebenen Möglichkeit diesen zu publizieren und damit den Zweibund durch Desavouierung Deutschlands vor Österreich-Ungarn ganz massiv zu stören.
Im wesentlichen war die Orientierung Russlands für Deutschland ein Entlastungsversuch, der, siehe Rückversicherungsvertrag, als epiodisch erfolgreich gelten mag. Für Österreich-Ungarn war die Angelegenheit zweischneidig.
Zum einen ging mit dem Einblick der russischen Seite und der Publikation die Möglichkeit verloren Russland gegenüber den Zweibundvertrag als Bluff zu benutzen, was die mindestens kurzfristigen politischen Optionen Österreich-Ungarns einschränkte. Andererseits belasteten durch die sich abzeichnende Annäherung Fraknreichs an Russland die österreischisch-ungarischen Konflikte mit dem Zarenreich auf dem Balkan den Zweibund zunehmend, so dass sich für Deutschland die Notwendigkeit ergab entweder ein Mittel zu finden um Russland zu besänftigen und es von Frankreich fern zu halten oder aber zu überdenken, ob der Zweibund, um die Gefahr einer russisch-französischen Koalition zu bannen nicht besser aufzulösen sei.
Letzteres konnte man in Wien auf Grund des schon angesprochenen problematischen Verhältnisses zu Russland und der seit 1870 und seit San Stafano insgesamt schwierigen außenpolitischen Situation der Donaumonarchie nicht wollen, insofern tauschte man seitens Wien, die Zustimmung zur Einsicht durch den Zaren vorausgesetzt, die Möglichkeit des Bluffs zu Gunsten einer perspektivischen Festigung des Zweibundes und damit außenpolitischer Stabilität ein.
Eine Konkrete Verbindung zwischen der Einsicht in den Vertrag und dem Rückversicherungsvertrag, die Wien unbedingt hellhörig hätte machen müssen, sehe ich nicht. Viel mehr scheint die Einsicht mit der allgemeinen Absicht der Beruhigung Russlands gewährt worden zu sein, die durchaus im österrsichisch-ungarischen Interesse gewesen sein müsste, weil im Erfolgsfall das Zweibund-Projekt insgesamt weniger durch die Option eines russisch-französischen Zusammenschlusses belastet haben und ggf. auch zu einem Verzicht St.Petersburgs auf eine dezidiert österreich-feindliche Balkanpolitik (Serbien, Rumänien) geführt haben würde.
Eine grobe Orientierung oder ein konkreterer Verdacht hinsichtlich so etwas, wie eines Rückversicherungsvertrags, hätte sich in Wien nur dann ergeben müssen, wenn zu dezidiert deutsch-russischen Verhandlungen in Wien nach der Zustimmung zur Einsicht in den Vertrag angefragt worden wäre.
Das sehe ich so, aber wegen der Annäherung Russlands und Frankreichs, die den gesamten Dreibung in Frage stellen musste, so das nicht nur deutsche, sondern auch österreichisch-ungarsische Interessen berührt und mit der Notwendigkeit zur Beruhigung Russland verbunden waren, nicht gegeben.