Russlands Rolle im Versailler Vertrag

Gregor24

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Hallo :),

ich habe mich nun schon intensiv mit dem Versailler vertrag beschäftigt konnte aber noch nicht herausfinden, warum Russland nicht an den Verhandlungen in Versailles teilnehmen durfte? Weil ihnen wurde ja eigentlich im Versailler vertrag aufgrund ihrer großen verluste "sogar" das Recht zugesprochen ihre Entschädigungen in Deutschland durch größere Reparationen als alle anderen zu decken...
 
Spiel nicht mit den Schmuddelkindern...

Ich würde vermuten, das lag an der Oktoberrevolution.

Der Friedensvertrag von Brest-Litwosk könnte auch eine Rolle gespielt haben.
 
Hallo, :winke:

das hat vielleicht auch damit zu tun, dass Russland zu dieser Zeit (1917-Anfang der 20iger Jahre) in einem heftigen Bürgerkrieg steckte (an dem btw auch GB beteiligt war), sodass eine einheitliche russische Regierung, die u.a. Abordnungen zu Friedensverhandlungen hätte schicken können, nicht existierte. Insofern fehlte 1919 wahrscheinlich einfach der russische Ansprechpartner.

Zudem war Russland 1917 mit dem Frieden von Brest-Litowsk bereits aus dem Weltkrieg ausgeschieden, weshalb eine Teilnahme an weiteren Friedensverhandlungen als Nicht-Kriegs-Partei auch nicht nötig gewesen wäre.

Aber ich lasse mich gern verbessern...;)

Gruß
Goldkrone
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke :), jetzt ist mir einiges klarer, klingt sehr logisch... Also nahm Russland freiwillig nicht teil und wurde nicht ausgeschlossen, oder?
 
Hallo :),

ich habe mich nun schon intensiv mit dem Versailler vertrag beschäftigt konnte aber noch nicht herausfinden, warum Russland nicht an den Verhandlungen in Versailles teilnehmen durfte? Weil ihnen wurde ja eigentlich im Versailler vertrag aufgrund ihrer großen verluste "sogar" das Recht zugesprochen ihre Entschädigungen in Deutschland durch größere Reparationen als alle anderen zu decken...

Der Versailler Vertrag war ein Friedensvertrag - jetzt bedenke aber, dass Sowjet-Russland schon 1918 in Brest-Litowsk mit dem Deutschen Reich einen Frieden geschlossen hat (übrigens einen, der für die Russen überaus härter war als der Versailler für die Deutschen). Russland war von Deutschland besiegt worden und aus dem Krieg ausgeschieden. Warum sollten zwei Nationen, die schon miteinander im Frieden leben, einen weiteren Friedensvertrag abschließen?

Dann war da die Frage, was genau Russland von Deutschland erhalten sollte. Wichtigstes russisches Kriegsziel war die Annexion Konstantinopels und des Thrakischen Bosporus'. Ein russischer Zugang zum Mittelmeer aber widersprach seid jeher den britischen Interessen in Asien und war dem zaristischen Russland nur widerwillig zugebilligt worden. Sowjetrussland hätte man Konstantinopel sicher nicht überlassen.

Weitere Kriegsziele waren die Annektierung deutscher Ostgebiete, die dem russischen Polen angeschlossen werden sollten. 1919 war Polen jedoch kein russisches Königreich (Kongresspolen) mehr, sondern eine unabhängige Republik - Russland hatte hier nichts mehr zu gewinnen.

Schließlich war da die ideologische Frage. Denn nicht nur gab es keine Notwendigkeit für einen neuen Friedensvertrag zwischen Russland und Deutschland, nicht nur hatte Russland nichts zu gewinnen: darüber hinaus kam sowohl für Frankreich und Großbritannien als auch für die RSFSR keine Beteiligung der Russen in Frage.

In Russland herrschte Bürgerkrieg; Krieg zwischen Russen, Krieg in der Ukraine, in Weißrussland, in Finnland, in Polen. Es gab verschiedene russische Regierungen, eine bolschewistische auf der einen, mehrere weiße (konservative) auf der anderen Seite. Wer von ihnen hätte nun in Versailles verhandeln sollen?

Am Bürgerkrieg nahmen nicht nur Teile des ehemaligen Zarenreiches Teil, sondern auch Franzosen, Briten, Japaner und Amerikaner (die Alliierten griffen selbstverständlich auf Seiten der Weißen in den Bürgerkrieg ein). Sollten diese Feinde der sowjetischen Regierung in Versailles jetzt mit ihren faktischen Gegnern auf einer Seite sitzen?

Hoffe ich konnte dir helfen.
 
wie kam es dann genau zur Bildung des Cordon Sanitaire. Durch den Versailler-Vertrag direkt oder durch andere Pariser Vorortverträge?
Hätte es nicht im Interesse Russlands seien können an der der Konferenz in Paris teilzunehmen, um Gebiete im Osten zugesprochen zu bekommen (Finnland, Estland, Polen...) oder war das von vornherein schon aussichtlslos?

Noch eine Ergänzung (rein Interesse halber): Ist Österreich-Ungarn auch zum Cordon-Sanitaire zu zählen?
 
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Danke :), jetzt ist mir einiges klarer, klingt sehr logisch... Also nahm Russland freiwillig nicht teil und wurde nicht ausgeschlossen, oder?

Nein, nicht richtig.Es gab eine sowjetische Delegation, die aber nicht involviert war in die Verhandlungen.

Es ging aus der Sicht der Bolschewiki im Prinzip um die Rechtsnachfolge und die Weigerung für Verträge und auch Schulden des zaristischen Russlands aufzukommen auch in Verbindung mit grundsätzlichen unterschiedlichen ideologischen Positionen.

Ebenfalls ist die aktive Rolle der Entente auf Seiten der “Weißen“ zu beachten.

Insgesamt Lieven konstatiert. Worse still the Versailles order was constructed on the basis of both Germany and Russias defeat and without concern for their interests or viewpoints(ders towards the flame,s.3)

Das verweist auf das grundsätzliche Problem, dass durch den VV gerade im Osten Europas vieles oberflächlich oder gar nicht geregelt worden ist.

Ein Defizit, dass man der Vorkriegs-Politiker-Generation anlasten muss und weniger den Beratungen in Paris.

(Sorry,sehr kurz weil Urlaub)
 
Danke für das Richtigstellen!

Wie hätte man denn Russland besser in die Verhandlungen mit einbeziehen können und hätte man dann vielleicht sogar den Kalten Krieg verhindern können? (oder ist das viel zu weit gedacht?)
 
Nein, diese Sicht führt Lieven ähnlich aus. Und vermutet, dass eine stärkere Berücksichtigung der UdSSR eine stabilere Ordnung in Europa geschaffen hätte.Und vermutet, dass Hitler außenpolitisch erfolgreich eingeschränkt worden wäre (ders S 362 ff)
 
Nein, nicht richtig.Es gab eine sowjetische Delegation, die aber nicht involviert war in die Verhandlungen.)

Mit Verweis auf MacMillan möchte ich das zumindest für die Eröffnungssitzung in Frage stellen.Dennoch meine ich gelesen zu haben, dass eine Delegation anwesend war. Vielleicht später und ohne Verhandlungsmandat.(ders Paris 1919, Kapitel 6 Russia)
 
So wie ich es verstehe gab es keine offizielle russische Delegation. (hier beziehe ich mich wie Thane auf MacMillan - Paris 1919 Kapitel 6)
Es gab möglicherweise inoffizielle Abordnungen (solche gab es viele).
Figes - Russland, Tragödie eines Volkes, berichtet (Seite 603), dass sogar die "Don-, bzw. Kubankosaken" eine "inoffizielle Abordnung zur Versailler Friedenskonferenz" schickten um für einen eigenen Staat zu werben.

Mit wem hätte auch verhandelt werden sollen? Der bolschewistische Staat war nicht anerkannt, sondern vielmehr wurden dessen Widersacher (die Weißen) von den Briten, Franzosen und auch den USA, unterstützt, wenn auch nur halbherzig.
Dies bereits vor Beginn der Friedensverhandlungen und im Januar 1919 werden ein "zweites britisches Battalion und ein kleiner Flottenverband nach Omsk entsandt, die an der Kama gegen die Roten kämpften..." (Figes S. 689)

Zudem: eine bolschewistische Delegation in Paris kam für den Gastgeber Clemenceau schon deshalb nicht in Frage weil dadurch "die extremen Radikalen ermutigt würden und die Mittelklasse in Panik geriete. Es gäbe dann Straßenkämpfe, die er (Clemenceau) gewaltsam unterdrücken müsse. Dies sei kein gutes Klima für eine Friedenskonferenz."
(MacMillan Seite 69, Übersetzung durch mich)
 
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Mit Verweis auf MacMillan möchte ich das zumindest für die Eröffnungssitzung in Frage stellen.Dennoch meine ich gelesen zu haben, dass eine Delegation anwesend war. Vielleicht später und ohne Verhandlungsmandat.(ders Paris 1919, Kapitel 6 Russia)

Thane,
kann es sein, dass eine Art russische Exilregierung unter Fürst Lwow (G. Lvov), die von 1918 - 1920 in Paris bestand, eine Delegation entsandte?
 
Wie hätte man denn die UdSSR bei der Pariser Friedenskonferenz und dem Versailler-Vertrag mehr mit einbinden können, um eine stabilere Ordnung in Europa zu erreichen?
 
Wie hätte man denn die UdSSR bei der Pariser Friedenskonferenz und dem Versailler-Vertrag mehr mit einbinden können, um eine stabilere Ordnung in Europa zu erreichen?

Was ist das für eine Frage?
Zu dieser Zeit gab es keine " UdSSR", sondern ein riesiges Reich, taumelnd am Abgrund eines Bürgerkriegs, der dem russischen Volk soviele Tote bescheren wird, wie der gerade überstandene grausame Erste Weltkrieg.

Hast Du Vorschläge zu Deinen Fragen?
 
Nein, diese Sicht führt Lieven ähnlich aus. Und vermutet, dass eine stärkere Berücksichtigung der UdSSR eine stabilere Ordnung in Europa geschaffen hätte.Und vermutet, dass Hitler außenpolitisch erfolgreich eingeschränkt worden wäre (ders S 362 ff)

Meine Frage war hierauf bezogen.
Es ist mir auch bewusst, dass Russland mitten in einem blutigen Bürgerkrieg steckte, gerade deshalb stellt sich mir die Frage, wie es möglicherweise hätte verhindern können, dass Russland abgeschottet ist vom restlichen Teil Europas (kein Gleichgewicht -> kalter krieg)..
 
Kurz das Resümee von MacMillan, Paris 1919:

"During the conference, the peacemakers knew as much about Russia as they did about the far side of the moon. As Lloyd George put it: “We were, in fact, never dealing with ascertained, or perhaps, even ascertainable facts. Russia was a jungle in which no one could say what was within a few yards of him.” His shaky grasp of geography did not help him; he thought Kharkov (a city in the Ukraine) was the name of a Russian general. Legally, perhaps, there was no need to invite Russian representatives. That was Clemenceau’s view: Russia had betrayed the Allied cause, leaving France to the mercy of the Germans."
 
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