Sarazenentürme am Rhein

zaphodB.

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Ich wollte hier mal die Entstehung des folgenden baugeschichtlichen Phänomens diskutieren :
In Rheinhessen finden sich an diversen Kirchen sogenannte Sarazenen- oder Heidentürme,Diese Turmform entstand offenbar zwischen 1100 und 1110 n.Chr. in einem eng begrenzten Gebiet zwischen Worms und Oppenheim.Der Turmhelm soll dabei eine Nachbildung der Geburtskirche in Bethlehem oder der Grabeskirche u.ä. Kirchen in Jerusalem darstellen.
Erhalten sind folgende 4 Kirchtürme:
St.Paulus in Worms
St.Bonifatius in Alsheim
die Kircjhe in Guntersblum
die Kirche in Dittelsheim

Die Ortschaften des Gebietes waren damals (bis auf Worms) alle im Besitz von Leiningen,Bolanden und der Wildgrafen ( die alle von Emicho von Leiningen abstammen sollen) sowie der Ritterorden, die alle in den Kreuzzügen engagiert waren .

Die Frage ist,warum man gerade hier diese durchaus aufwendigen Konstruktionen erbaute und ob es sich um ein regionales Phänomen handelt oder jemand ähnliche Türme aus der Zeit in Mittel/Nordeuropa kennt ?
 

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Die rheinhessischen "Heidentürme" waren somit Siegeszeichen und Mahnmale in einem.
Hans-Jürgen Kotzur ist sogar auf architektonische Vorbilder gestoßen: er hat sie in armenischen Zentralbauten einerseits und fatimidischen, also ägyptischen Moscheen und Mausoleen des 11. Jahrhunderts andererseits ausgemacht. Ein Rätsel der Architekturgeschichte ist damit wahrscheinlich gelöst. Publiziert sind die Forschungen Kotzurs im Doppelheft III-IV (2003) der Zeitschrift "Lebendiges Rheinland-Pfalz", das von der Landesbank Rheinland-Pfalz herausgegeben wird.
Die evangelische Kirche in Dittelsheim - regionalgeschichte.net
 
Kotzurs Thesen zu dem Thema kenne ich natürlich, halte seine Schlußfolgerungen zu Zweck und Motiv für zu vorschnell gedacht.
Für ein Mahn- und Siegeszeichen scheint mir der Aufwand etwas groß zu sein,- hier wären entsprechende Fresken oder Skulpturen für die Daheimgebliebenen wohl verständlicher und symbolhafter als Turmhelme,deren Bedeutung eigentlich nur der kennen konnte,der die originalen "Vorbilder" gesehen hatte.
Zum anderen verwundert es ,daß diese Bauform offenbar bisher nur in einem sehr begrenzten Raum,dem Wormsgau zu lokalisieren ist.Die Kreuzzugsidee und auch die Teilnehmer des 1.Kreuzzuges kamen aus einem sehr viel größeren Gebiet, ohne daß sich das dort in vergleichbaren Bauformen niedergeschlagen hätte.
Selbst bereits im angrenzenden Nahegau ,Speyergau, Lobdengau und im Mainzer Gebiet sind diese Formen m.W.nicht zu finden.
Bei der Funktion als Mahn- und Siegeszeichen wäre mit einer weiteren Verbreitung zu rechnen.
 

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Zum anderen verwundert es ,daß diese Bauform offenbar bisher nur in einem sehr begrenzten Raum,dem Wormsgau zu lokalisieren ist.Die Kreuzzugsidee und auch die Teilnehmer des 1.Kreuzzuges kamen aus einem sehr viel größeren Gebiet, ohne daß sich das dort in vergleichbaren Bauformen niedergeschlagen hätte.
Ich habe jetzt nicht prüfen können, ob der Baubestand der zu den Türmen gehörenden Kirchen ebenfalls in das 11./12. Jhd reicht, im Taubergau gibt ein ähnliches Phänomen, hier sind die Bauten in ihrer Gesamtheit nachzuweisen:
Oktogonkirchen (Achteckkirchen)
Es ist eine Besonderheit, dass es in Franken im Mittelalter auf so engen Raum mehrere Achteckkirchen gab. Sie sind in Grünsfeld-Hausen, Oberwittighausen und Standorf sowie in Gaurettersheim, die allerdings abgerissen wurde.
Kirche des Monats September 2007
 
bei den Sarazenenturm-Kirchen handelt es sich allesamt um Hallenkirchen,.St Paulus in Worms dürfte das unverfälschteste Beispiel dafür sein.
Die Häufung von Oktogon-Kapellen in Franken auf so einem kleinen Gebiet ist bemerkenswert.Gab es Niederlassungen von Ritterorden in der Gegend ?Denen sagt man doch einen Hang zum Oktogonalen nach.
Im Gegensatz zur oktogonalen Bauform,die auch an anderen Orten in Mitteleuropa vorkommt scheinen die Sarazenentürme allerdings wirklich nur auf einen engen geographischen und zeitlichen Raum beschränkt zu sein.Zumindest sind mir keine anderen Bauten ähnlicher Ausgestaltung bekannt.
 
Gab es Niederlassungen von Ritterorden in der Gegend ?Denen sagt man doch einen Hang zum Oktogonalen nach.
Das ist in der Tat so.
http://www.pro-region.de/web/de/hom...gemeinden/creglingenkirchen.html#section11102
(Ulrichskapelle)
Der dort genannte Konrad von Hohenlohe schenkte mit 2 seiner Brüder dem Deutschen Orden umfangreiche Besitzungen im nahe gelegenen (Bad) Mergentheim. Das führte schließlich nach der Säkularisierung des Deutschordensstaates in Preußen dazu, dass Mergentheim ab dem 16. Jahrhundert zum Sitz des Hochmeisters des Deutschen Ordens wurde.
 
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