Schaulustige neben dem Schlachtfeld?

B

Blaumünzer

Gast
Stimmt es, dass es im Mittelalter und der frühen Neuzeit manchmal vorkam, dass sich neben dem eigentlichen Schlachtfeld Schaulustige fanden, die den Kämpfen der Soldaten zusahen?

Und stimmt es weiterhin, dass das vor allen Dingen deshalb möglich war, weil Kriege damals begrenzte Konflikte waren, oft von Söldnerheeren für ihre Herren geführt, keine Konflikte in denen ganze Nationen oder Staaten verwickelt waren? Letzteres ja deshalb, weil es sowas wie den modernen Staat oder Nationalstaaten damals noch nicht gab?
 
Generell gab es das mit den Schaulustigen. Es fragt sich natürlich immer in wie weit diese sich willentlich einer Gefahr aussetzten. Ich habe mal gelesen, dass bei der Schlacht von Bunker Hill die Bewohner Bostons auf die Dächer der Häuser stiegen, um die unweit stattfindende Schlacht zu betrachten.

Ein Aspekt ist natürlich, dass Schlachten nicht einfach irgendwo stattfanden. In Gegenden, die besonders häufig von Truppendurchzügen geplagt wurden, kam es auch öfter zu Schlachten. Das konnte topographische Gründe haben (meinetwegen ein besonders wichtiger Flussübergang oder in großem Umkreis der am besten passierbare Weg durch ein Gebirge) oder auch ökonomische (man beachte bspw. die Überlagerung von Schlachtfeldern teilw. rund um Leipzig Breitenfeld 1 und 2, Lützen, Großgörschen (auf Französisch auch Lützen), Völkerschlacht bspw.). Besonders wohlhabende Städte waren natürlich beliebte Ziele für herumziehende Heere.

So ganz kann ich mir aber nicht vorstellen, dass das andere Verhältnis zwischen Staat und Heer bzw. Staat und Nation den "Schlachtfeldtourismus" begünstigt hat. Denn das änderte ja auch nichts daran, dass man evtl. nach der Schlacht Opfer der Leichenfledderer oder auch während der Schlacht Opfer einer verirrten Kugel wurde.
 
Nach der Schlacht von Culloden 1746 sollen nicht nur die teilnehmenden Jakobiten von den Soldaten des Herzogs von Cumberland ("Sweet William") niedergemetzelt worden sein, sondern auch die Zuschauer. Wilhelm August von Hannover ist heute auch weniger als Sweet William denn als Butcher of Cumberland bekannt.
 
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So ganz kann ich mir aber nicht vorstellen, dass das andere Verhältnis zwischen Staat und Heer bzw. Staat und Nation den "Schlachtfeldtourismus" begünstigt hat. Denn das änderte ja auch nichts daran, dass man evtl. nach der Schlacht Opfer der Leichenfledderer oder auch während der Schlacht Opfer einer verirrten Kugel wurde.

Ich denke, viele Leichenfledderer waren vorher selbst Zaungäste.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bei der Ersten Schlacht von Bull Run , während des Sessesionskriegs ,gab es einen chaotischen Rückzug als die Zuschauer sich mit den zurückziehenden Unionstruppen vermischten .....

Erste Schlacht am Bull Run ? Wikipedia

Als eine Artilleriegranate eine Kutsche der Unionstruppen auf einer Brücke bei Centerville traf, entstand eine Panik unter den Einheiten. Aus einem bis dahin relativ geordneten Rückzug wurde eine überstürzte Flucht. Die Situation verschlimmerte sich durch schaulustige Zivilisten, die sich in der Nähe des Schlachtfeldes aufgehalten hatten. Angehörige der höheren Gesellschaftskreise aus dem nahe gelegenen Washington, die einen leichten Sieg der Union erwartet hatten, waren gekommen, um das Geschehen beim Picknicken zu beobachten, wurden aber jetzt ebenfalls von Panik ergriffen und blockierten mit ihren Kutschen die Straße nach Washington.

Das war 1861.
 
Hallo,

eine Schlacht war schon ein Spektakel. Bei den Kämpfen Napoleons um Wien 1809 beispielsweise stiegen die Wiener auf die höchsten Türme, um von dort mit und ohne Fernglas sehen zu können, was vor sich ging. Es war halt immer die Frage, wie viel Gefahr von den Kämpfen (Schüsse, Kanonenkugeln) für allfällige Zuseher ausging.

Was es jedenfalls gab, war ein Tourismus nach der Schlacht - am besten, wenn noch was gruseliges zu sehen war. Z.B. besuchte Heinrich von Kleist mit seinem Kumpel wenige Tage/Wochen (so genau weiß ich es aus dem Stehgreif nicht mehr) das Schlachtfeld von Aspern.

Anders war es dort, wo die Zivilbevölkerung eher unfreiwillig zu Zuschauern wurde - weil die Kämpfe in die Dörfer und Städte kamen und die Bewohner nicht rechtzeitig fliehen konnten. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.

lg, Marie Luise
 
Bei der Ersten Schlacht von Bull Run , während des Sessesionskriegs ,gab es einen chaotischen Rückzug als die Zuschauer sich mit den zurückziehenden Unionstruppen vermischten .....

Erste Schlacht am Bull Run ? Wikipedia



Das war 1861.

Ein Yankee Senator aus Neuengland wurde von den Konföderierten gefanmgen genommen, dabei stand es zu Beginn gar nicht so schlecht für die Union, bis ein Verrückter sich der Sache annahm, der sich an diesem Nachmittag der Sache annahm und dabei den Namen Stonewall verdiente. Thomas Jackson aus Virginia. Es muss ein furchtbares Chaos geherrscht haben. Verschiedene Beobachter sagten, dass die siegreichen Südstaater einen chaotischeren Eindruck machten, als die flüchtenden Yankees. An eine Verfolgung der Gegner war unter diesen Umständen nicht zu denken.
 
Nicht nur im Mittelalter und bei den Amerikanern, auch in der Zeit des europäischen Absolutismus begegnen einem solche Phänomene; bei der "Kanonade von Valmy", 1792, schaute z.B. auch unser lieber Freund Johann Wolfgang von Goethe zu.
 
Nicht nur im Mittelalter und bei den Amerikanern, auch in der Zeit des europäischen Absolutismus begegnen einem solche Phänomene; bei der "Kanonade von Valmy", 1792, schaute z.B. auch unser lieber Freund Johann Wolfgang von Goethe zu.
Wobei dieser in Begleitung seines Landesherrn Carl August von Sachsen-Weimar gereist ist, der wiederum General der preußischen Armee war. Wenn hiermit vielleicht nicht direkt zu vergleichen, erinnert es ein bisschen daran, als die Monarchen noch mit einem ganzen Rattenschwanz von Höflingen ins Feld zogen. Louis XV tat das noch, Louis XIV sowieso. Wenn die Mätressen oder gar die Königin mitsamt wiederum deren Anhanges an Kammerdienern, Zofen etc. und dann noch dasselbe von den Prinzen von Geblüt dabei waren, dann kam damit schon einiges zusammen.
 
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