Besser verständlich ja,
aber Deine Verknüpfung von logistischen Überlegungen (schon bei der Feldzugplanung) und dem realisierten Vernichtungsfeldzug sehe ich als unhaltbar an, aber wir müssen da wohl nicht auf einen Nenner kommen. Ich formuliere einmal meinen gegensätzlichen Standpunkt:
Jedem Generalstabsoffizier, der sich mit der Planung im Vorfeld von Babarossa beschäftigte, war der begrenzte Aktionsradius der Wehrmacht in den Weiten des russischen Raumes sehr gut bewusst. Die 'zusätzlichen' Schwierigkeiten über das mangelnde Straßensystem, das gänzlich inkompatible Schienennetz (das nur durch erheblichen Aufwand an Zeit, Material und Arbeitseinsatz voll nutzbar gemacht werden konnte) und den erheblichen Einfluß, den das Wetter auf die Operationen nehmen konnte waren den Planern ebenso klar.
Was jetzt? Bei einer Kriegführung nach Völkerrecht hätte man Hitler melden müssen: Sorry, das geht nicht. Unter keinen Umständen!
Wieso: melden müssen? Sicher wurde der begrenzter Aktionsradius gesehen, an der Lösbarkeit der Aufgabe (Schlagen der Roten Armee) hatte man jedoch keinen Zweifel. Das hatte zahlreiche Gründe, die man auch außerhalb eines konkludent geplanten Vernichtungsfeldzuges (Beispiele siehe Schüler, der im übrigen detailliert die Planung der -als lösbar angesehen- logistischen Probleme schon im Marcks-Konzept darstellt) finden kann. Der simpelste Grund ist zB derjenige, das bestimmte Basisannahmen schlicht falsch waren. (wenn du hier nun eine Strategie für Fehler unterstellen willst, wäre ich auf Belege gespannt)
Indem man die Probleme, welche durch 'nichtoperative Begleiterscheinungen' auftreten konnten von Anfang an nicht mehr als Bestandteil der direkten militärischen Kriegführung ansah,
Falls das auf die Logistik anspielt, wäre es nicht durch die Quellen der Planstudien gedeckt. Die beinhalten diese Probleme plus Lösungsvorschläge (auf welche Planungsphase bezieht sich das, wer ist „man“?)
erst dann wurde dieser Krieg planbar und so gab es auch die Chance zu geben ihn zu gewinnen. Bereitwillig überließ man den Mordbanden der SS, Sicherheitskräften, Polizei und was dergleichen sich noch um die 'Befriedung' der rückwärtigen Räume kümmern sollte vollständig das Feld und ignorierte es. Sofern der Feldzug nur schnell genug entschieden würde, hätte man ja wieder Kräfte frei sich darum zu kümmern.
Das sehe ich genauso, aber was soll daraus folgen: Dass etwa der Vernichtungsgedanke als objektiver Faktor der Planung immanent gewesen sein muss, weil die Planung objektiv gesehen scheitern musste und realiter gescheitert ist? Das hieße wiederum, die Ursachen der Planungsfehler zu ignorieren und würde die von vielen konstatierte Hybris der Planenden durch die Weisheit des Historikers ersetzten, der natürlich ex post immer schlauer ist.
Wo sind Belege dafür, dass die Planung die Durchführbarkeit mit dem Vernichtungsgedanken kombinierte, um zu einer Lösung des Planungsproblems zu gelangen? Die Quellenlage ist dem entgegen gerichtet, wie die Vielzahl von logistischen Überlegungen des zwei- bis dreizügig angelegten Feldzuges zeigt.
Wie Du richtig schreibst, haben die Vernichtungsbefehle von Moskau und Leningrad nichts mit der Feldzugsplanung zu tun. Beschäftigt man sich etwas tiefer mit dem operativen Ansatz der Heeresgruppen Nord und Mitte, kamen die Anweisungen unerwartet. Am 22.6.41, schon gar nicht im Zuge der Kriegspiele Anfang 1941 oder bei der Planung 1940, war von einer Einschließung und Vernichtung der großen Städte ausgegangen worden. Zwei Beispiele: der Ansatz der HG Nord bezog bis Ende Juli 1941 die Möglichkeit ein, Leningrad im Handstreich zu nehmen. Zweites Beispiel: Die Situation der HG Süd bis zum 12.7.41 bezog die Möglichkeit ein, Kiew im Handstreich zu nehmen. Über Moskau wurden bis dato überhaupt keine Gedanken in dieser Richtung angestellt.
Die von dir genannten Vernichtungsbefehle regelten die Details und damit wurde der Feldzug planbar. Die Vernichtungsbefehle Hitlers zermentierten diese Haltung noch zusätzlich und verbrieften sie in gewisser Weise
Die Aussage, was planbar gewesen sei, ist wieder die ex post-Sicht. Die Vernichtungsbefehle regeln keinesfalls die Details, sondern sind kausal für die erst dann einsetzende operative Planung, die auf die Vernichtung der Städte zielte. Da die Vernichtung weder konkludent der Planung zu entnehmen ist, noch als Grundgedanke enthalten ist, kann hier auch nichts zementiert werden.
Indem die Generalität so plante und handelte, wie sie es mit der Ausarbeitung von Babarossa tat, musste ihr klar sein das ein Erfolg nur um den Preis von Vernichtungsbefehlen möglich war.
Durch den tatsächlichen Verlauf der Operationen sah man einen potentiellen Konflikt zwischen Ablauf des Feldzuges und der geplanten Vernichtung. …Da kamen die Planer und Kommandeure nun ins Schwitzen.
Das ist mir ebenfalls zu unbestimmt. Wer ist angesprochen, wer „sah und schwitzte“ und wem „musste klar sein“?
Solche Schlussfolgerungen werden durch die Logistikplanung BARBAROSSA, auch wenn sie falsch war, nicht gedeckt. Einige kurze Hinweise/Beispiele zur Realisierbarkeit des Feldzuges aus dieser Planung:
1. Der Kenntnisstand über das Eisenbahnnetz wurde auf Basis des 1. Weltkrieges und der russischen Feldzugbeschreibung 1920/21 eingeschätzt.
2. die ersten Planungsgedanken Halders unterstellten für die weit ausholenden Operationen eine Qualität ähnlich des westeuropäischen Eisenbahnnetzes, sind also völlig falsch. Die Logistik trat den Planungen erst ab August 1940 hinzu und wurde dann in den Kriegsspielen vertieft („richtiger Ansatz“ statt „logistischer Realisierbarkeit“)
3. die Bedeutung der östlichen Industriegebiete der SU war unbekannt, deshalb sind die militärischen Folgerungen bei Einnahme der westlichen Gebiete durchaus logisch. Ebenso logisch ist unter diesem Aspekt, dass sich die RA westlich der DD-Linie „stellen würde“. Nun hat sie sich im Nachhinein sogar gestellt (in dem geschätzten Umfang), und wurde vernichtet. Dass sie aber verdoppeln würde, hat niemand prognostiziert.
4. Der Pendelverkehr und der Streckenausbau, die Zentrallager und die vorzuschiebenden Lager wurden detailliert geplant und für die Heeresversorgung als ausreichend angesehen: Vorverlegung der Veersorgungsbasis in die Linie: Perwomaisk-Tarnopol-Baranowitschi-Wilna-Ostsee.
5. Planungsprämisse war die Erbeutung großer Rollbestände aus dem russischen Eisenbahnwesen durch raschen Zugriff, so dass das Umnageln auf Breitspur auch genutzt werden kann.
6. Der Zerstörungszustand des Streckennetzes (Eisenbahn/Straßen) wurde nicht höher eingeschätzt als beim Westfeldzug.
7. Die Feinheit der logistischen Planung wird u.a. am Fahrplan BARBAROSSA deutlich (Lagerung, Zugtakte, Standorte). Sie ist nicht vernachlässigt worden, sondern wurde weiter östlich „falsch“.
8. Dem Planspiel im November 1940 wohnten alle Oberquartiermeister der Panzergruppen und beteiligten Armeen bei, Thema: Versorgungsführung bei der HG Mitte. Das Problem wurde also nicht ausgeblendet im Hinblick auf eine mögliche Lösung durch Vernichtung der Bevölkerung (z.B. ebenso HG Süd: 4.3.1941)
Schließlich kämpfte man während der sowjetischen Gegenoffensive nicht mehr um den Sieg, sondern gegen die totale Vernichtung der Truppe! Damit war das Thema erst einmal vom Tisch.
Der Gedanke der totalen Vernichtung wird oft geäußert, ist aber nicht durch den realen Ablauf der russischen Winteroffensive und die jeweiligen Brennpunkte sowie durch die Lageeinschätzung des OKH gedeckt. Die Hysterie der Dezembertage im OKW/OKH wich relativ schnell, als die Modalitäten und Stoßrichtungen der russischen Offensive klar wurden, im Januar 1942 der Einsicht, dass hier bei den beiden Löchern der HG Mitte keine operativen Entscheidungen drohen können (insbesondere nicht beim Nordloch südlich Demjansk, westlich Rshew, wo der Durchbruch von der russischen Führung aufgrund der geographischen Bedingungen schon im Ansatz nicht zu einer operativen Tiefe entwickelt werden konnte). Die Situation entwickelte sich vielmehr zu einem sinnlosen Aufeinandereinschlagen, ohne Chance eines Ansatzes zur operativen Entscheidung durch die RA). Partielle Vernichtungsgefahren ergaben sich vielmehr durch den starren Haltebefehl Hitlers.
Konsequenz:
Die WM-Führung plante einen Feldzug, von dessen Durchführbarkeit sie überzeugt war, und der anschließend scheiterte.
Im zunehmenden Maße wurde sie (wahrscheinlich vorhersehrbar/erwartbar) etwa ab März 1941 mit einem Vernichtungsfeldzug betraut, dessen Ansatzpunkte sie weitgehend bedenkenlos übernahm und dessen Voraussetzungen für die Durchführung sie erst schuf. In diesem Kontext sehe ich ich auch die verbrecherischen Befehle zur Vernichtung ganzer Städte und die kritiklose Übernahme durch die WM-Führung.