Schlachtlinie?

Joker86

Neues Mitglied
Hi!

Ich hab da mal ne Frage, die sehr speziell ist, mich aber doch nun beschäftigt.

Ich habe mich gefragt, wie eigentlich die Schlachtlinie im Nahkampf zwischen zwei Armeen, bzw. genauergenommen zwischen Infanterie gegen Infanterie aussah.

Wurde wild losgestürmt und es gab einen heftigen Aufprall mit anschließendem, chaotischen Gemetzel wie man es bei "Braveheart" sieht?

Oder wurde sich eher bedächtig genähert, wie die zwei Spießhaufen beim Ende von "Alatriste"? (na ja, nicht ganz so bedächtig vielleicht, weil die Mauer aus Speer-/Pikenspitzen wohl nicht so übel gewesen sein sollte und man ja auch Schilde hatte, damals ^^)

Und wenn dann mal der Kontakt zwischen den Blöcken hergestellt wurde, wurde dann versucht mehr oder weniger eine geschlossene Linie zu halten, so wie bei "Troja"?

Oder wurde eher Abstand gehalten, und nur die vordersten haben sich "duelliert", wie man es z.B. in "Medieval 2: Total War" sehen kann?

Oder verschmilzt das ganze zu einem riesigen Klumpen wo links und rechts gehackt wird, wie man es bei "Braveheart" dann sehen kann (link is ja oben, schaut einfach ein bisschen weiter).


Ich beziehe mich dabei vor allen Dingen aufs Hochmittelalter, also ich sag mal so grob von 1066 bis 1300.

In den späteren Epochen kamen ja zunehmend professionellere Armeen aufs Schlachtfeld, so dass sich das geändert haben dürfte. Mir geht es einfach um die "Infanteriehaufen" des Mittelalters, also von den Bauern über die Sergeanten bis hin zu eventuell abgesessenen Rittern.

Dabei stellt sich mir auch gleich die nächste Frage: mir ist klar, dass damals keine "Einheiten" zusammengefasst wurden, wie Speerträger, Zweihandkämpfer oder sonstwas in der Art, Infanterie war halt Infanterie. Aber haben die sich wenigstens innerhalb ihres Haufens organisiert? Hat man die Schilde und die Speere nach vorne getan? Hat man ansatzweise sowas wie Formation gehalten? Dass z.B. die Schwertkämpfer dann im Kampf vorne standen, und sie die Speerträger aus der zweiten Reihe unterstützt und gleichzeitig mit einer Mauer aus Spitzen geschützt haben?

Ich möchte außerdem noch einmal anmerken, dass das hier NICHT den Sinn hat, festzustellen, welcher der obigen Filme "Recht" hat und der "beste" ist, ich habe sie nur verlinkt um in Bilder fassen zu können, was ich meine, ohne große Erklärungen und Beschreibungen abliefern zu müssen. Ich schreib auch so Texte die lang genug sind :D. Mir ist klar, dass nicht einer dieser Filme oben historisch irgendwas taugt, außer Alatriste vielleicht.

Mir ist außerdem klar, dass viele andere Faktoren eine Rolle gespielt haben, wie z.B. die Zusammensetzung der Armeen (Anteil an ausgehobenen/professionellen Truppen), deren Begeisterung (mehr Hass auf beiden Seiten wird wohl zu einem übleren Aufprall führen) und anderen Dingen. Ich bin sowohl an "durchschnittlichen" Abläufen interessiert, als auch an speziellen Fallbeispielen, ob sie jetzt repräsentativ sind oder nicht.

Ich schätze mal, dass der Aufprall in den meisten Fällen "mittelmäßig" gewesen sein müsste. Man rennt jetzt nicht so hirnlos in eine Masse aus Spitzen und Stahl rein wie bei Braveheart, aber man stackst auch nicht so an den Gegner heran wie bei Alatriste. Man versucht halt den einen, vielleicht gar zwei Kerle direkt gegenüber eventuell mit dem Schild so wegzustoßen, dass sie umfallen oder wenigstens straucheln, allein schon, damit sie das nicht mit einem selber machen. Aber man wird sich kaum mit dem vollen Gewicht in die gegnerische Schlachtreihe geworfen haben.

Wenn der Aufprall dann vorbei war, wird man trotz allem versucht haben, eine Linie zu halten, ob jetzt bewusst oder unbewusst. Eine Linie hat den Vorteil, dass man im Rücken nur befreundete Kämpfer hat, während bei so einem chaotischen Gemetzel wie bei Braveheart ja keiner sicher sein könnte, dass man nicht auf einmal was von hinten abbekommt.

Deshalb glaube ich auch nicht, dass die Darstellung aus "Medieval 2: Total War" korrekt ist, einfach weil die Kämpfer aus den Reihen, die gerade zugucken, wie ihre Vordermänner kämpfen, genug Platz hätten, um noch dazwischen durchzuschlüpfen und ihren Vordermann sozusagen mit "schnellen Ausfällen aus der zweiten Reihe" gegen ihren aktuellen Gegner unterstützen könnten.

Habt ihr diesbezüglich irgendwelche Quellen, wie das im Genauen ablief? Oder wie stellt ihr euch das vor? Wie läuft das auch z.B. beim Reenactment ab, obwohl das gespielt ist, müssten die gleichen Mechanismen doch ansatzweise erkennbar sein?
 
Es kommt denke ich stark darauf an wie weit ein Ansturm ist, welche Zeit und welche Region du betrachtest.

Computerspiele und Braveheart sind .. ich sage mal... "mäßige" Quellen.

Was "Alatriste" angeht hierzu kann ich kein Urteil abgeben.
 
Wie gesagt, sie zählen für mich nur als "bewegte Bilder". Ich habe leider keine eigene Schauspieltruppe, denen ich sagen kann "macht mal so und so" und dann nehm ich das auf und lade das für euch hoch, also muss ich mich mit diesen Filmen begnügen. Ich hätte auch einen Formationstanz verlinkt, wenn er in etwa so aussähe wie das was ich mir vorstelle ;)

Zeit wie gesagt so zwischen 1066 und 1300, da dürfte sich (im Gegenzug zu anderen Bereichen, wie z.B. der Kavallerie) nicht allzuviel verändert haben, die Infanterie betreffend.

Region ist Mittel- bis Zentraleuropa. Wobei ich generell auch an anderen Epochen und Regionen interessiert bin.

Grob ist meine Frage: wie sieht das aus, wenn man zwei Haufen von mehr oder weniger willigen Menschen Waffen in die hand drückt, und ihnen dann befiehlt: "Tötet euch!"

UND: was für Mittel gab es, dieses Verhalten zu beeinflussen, und wie erfolgreich waren sie?
 
Moin Joker

Zu dem Thema empfehle ich dir mal das Buch "Das Antlitz des Krieges" von John Keegan

Dort wird recht genau beschrieben, wie man sich den Schlachtverlauf anhand von drei zeitlich weit auseinanderliegenden Schlachten vorstellen kann.

Gruß
Andreas
 

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Zeit wie gesagt so zwischen 1066 und 1300, da dürfte sich (im Gegenzug zu anderen Bereichen, wie z.B. der Kavallerie) nicht allzuviel verändert haben, die Infanterie betreffend.

Region ist Mittel- bis Zentraleuropa. Wobei ich generell auch an anderen Epochen und Regionen interessiert bin.

Gerade diese Epoche war in Europa geprägt von den schweren Panzerreitern; diese entschieden die allermeisten Schlachten, die Fußtruppen hatten fast ausschließlich unterstützende Funktion, und kamen oft genug gar nicht zum Einsatz (bzw die, deren Ritter unterlagen, sahen zu, das sie Land gewannen...).

Kleinere Gefechte unter Fußtruppen waren durch das Erlöschen der entsprechenden Traditionen mE nicht von "Schlachtlinien" geprägt; zumal durch die Hilfsfunktion Fernwaffen wie Bogen oder Armbrust recht weit verbreitet waren. Auch und gerade hier kam den ausgebildeten Schwergepanzerten die entscheidende Rolle als Vorkämpfer zu, so solche überhaupt vorhanden.

Grob ist meine Frage: wie sieht das aus, wenn man zwei Haufen von mehr oder weniger willigen Menschen Waffen in die hand drückt, und ihnen dann befiehlt: "Tötet euch!"

Das endet blutig; frag die Schweizer, die verstanden sich darauf...

Allerdings läuteten die Gewalthaufen der Eidgenossen bzw der Schweizer Söldner das militärische Ende des Mittelalters ein, und zwar nach 1300. Vorher war es für das feudale Kriegswesen schwierig bis unmöglich, solche todesverachtenden Haufen ins Feld zu stellen. Ein Grund ist, dass es erfahrungsgemäß Selbstmord war, sich zu Fuß schweren Reitern entgegen zu stellen, die Haufen daher auseinanderliefen, was eine Gegenwehr nun erst recht unmöglich machte...: Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Erst die Erfolge der Schweizer und dann, für andere*, deren Vorbild änderten diese Vorstellung. Aber wie gesagt, nach 1300. ;)

* die Landsknecht bspw

UND: was für Mittel gab es, dieses Verhalten zu beeinflussen, und wie erfolgreich waren sie?

Ein mittelalterliches Gefecht zu beeinflussen war schwierig bis unmöglich. Die Hauptlast der Kämpfe lag bei den wenigen Schwergepanzerten, und dies war eine zu den Waffen gerufene, v.a. ihren Lehnsherren bzw Auftraggebern verpflichtete Elite, sowohl militärisch als auch in erheblichem Umfang sozial. Eine irgendwie geartete militärische Disziplin exisitierte innerhalb dieser Kreise nicht, es gab im Gegenteil erhebliche Momente, die ihr entgegenwirken konnten. Dies übertrug sich auch auf die "niederen Ränge" (hier wortwörtlich zu nehmen: Die ohne Pferd...): Diese unterstanden mehr oder minder direkt ihren Herren, eine einheitliche Organisation gab es selten bis gar nicht.

Dieser Mangel an Disziplin gab der mittelalterlichen Kriegsführung ihr Gesicht: Es kam v.a. auf den einen, entscheidenden Stoß der schweren Reiter an, der die Schlacht entschied, und der meist gegen die schweren Reiter der Gegenseite geführt wurde. Danach blieb nur noch die möglichst zähe Fortführung des Gefechts im Nahkampf bzw Handgemenge, denn ein erneutes Sammeln für einen zweiten geschlossenen Angriff, wie es moderne Kavallerie probieren hätte, war schlicht nicht vorstellbar.

Die Einflussnahme der "Heeresführung" blieb damit v.a. auf eine Stärkung der Moral und evtl die Disponierung der Truppen vor der Schlacht beschränkt. Dies waren auch die Kampf-Disziplinen, die vom Ritter abseits des Schlachtfeldes gefordert wurde: Der entschlossene Angriff im Tjost, das Handgemenge im Buhurt oder, als Zweikampf zu Fuß, teilweise gar vor Gericht.

Da ja Ausnahmen ja immer die Regel bestätigen: Die Erfolge der Engländer zu Fuß fußen u.a. darauf, dass die Situation hier eine andere war; die englische Ritterschaft war sehr viel stärker vom König abhängig als bspw die französische, sie war im Verhältnis zum Gesamtheer kleiner, und sie wurde weniger per feudaler Pflichten zum Krieg gerufen denn schlicht bezahlt. In der Einheit von abgessenen, relativ disziplinierten Rittern mit zahlreichen Söldnern, v.a. den berühmt-berüchtigten Bogenschützen, und deren relativ hoher Disziplin liegt mE das Geheimnis der englischen Erfolge.

Ein "typisches, kleines Gefecht" auf offenem Feld im Hochmittelalter könnte man sich zB so vorstellen: Auf beiden Seiten stellten die schwergpanzerten Reiter (Ritter & Gefolgsleute) den Kern des Aufgebots; diese wurden im Zentrum postiert, zusammen mit anderen Reitern, denen man, wenn auch schlechter gewappnet, einen Sturmangriff zutraut. Die mit Fernwaffen ausgerüsteten Fußkämpfer werden als Plänkler an den Flanken und in der Front platziert; allerdings müssen sie im Zentrum selber aufpassen, dass sie nicht von den eigenen angreifenden Reitern überrollt werden; einen direkten Zusammenstoß mit dem Feind können diese Schützen auf keinen Fall riskieren. Die restlichen Fußtruppen stehen hinter den Reitern im Zentrum, um notfalls deren Angriff zu unterstützen (wenn man sie dazu motivieren kann), oder den Reitern Deckung zu geben, wenn diese zurückgeworfen werden (wenn sie nicht wegrennen, sobald die Reiter weichen).

Das Zusammentreffen der Gepanzerten entschied vor allem anderen den Ausgang des Gefechts; wich hier eine Seite schnell bzw wurde überrannt, konnte die Masse der siegreichen schweren Reiter auch jeden Widerstand der gegnerischen Fußtruppen leicht brechen. Entschied sich dieses erste Zusammentreffen nicht schnell, war es fraglich, ob sich die weniger gut gerüsteten Fußkämpfer überhaupt in das Gefecht einmischten, und ob sie einen energischen Widerstand boten. Im Grunde war der "gemeine Bauer" für den gewappneten Herrn kein angemessener Gegner; das hatte seine Gründe, und diese kannte der "Bauer" auch...

Zum Angriff der Reiter:

Delbrück, Hans, Geschichte der Kriegskunst, 3. Teil. Das Mittelalter, 3. Buch. Das hohe Mittelalter, 2. Kapitel. Das Rittertum militärisch, Das Treffen bei Pillenreuth - Zeno.org

So Du es wirklich auf ein Gefecht unter Fußkämpfern anlegst: Gleiches Szenario, nur sind die Gäule gerade alle an der Pferdepest krepiert, darum stürmen auch die hohen Herren zu Fuß los; aber wie das absurde Szenario schon zeigt: Es wäre eine Ausnahme... ;)

Aber aus angeborener Neugier heraus sei die Frage erlaubt: Warum unbedingt Fußkämpfer?

Was "Alatriste" angeht hierzu kann ich kein Urteil abgeben.

Sie haben sich Mühe gegeben, dass muss ich sagen; natürlich bleibt es Spekulation; auch sind die beiden Gewalthaufen viel zu klein, und die ziemlich kurze Szene ist vollgepackt mit Actionsequenzen und wirkt daher evtl immer noch dramatischer oder dynamischer, als ein solches Gefecht wirklich ablief. Aber selbst dass mit Angriffen der "Läufer", die die Spieße unterlaufen und die Gegner mit Kurzwaffen attackieren, ist grundsätzlich historisch belegt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Im Bezug zum Thema Fußtruppen und Formationskampf im hohen Mittelalter fallen mir besonders die Soldtruppen der Brabanzonen ein, die im späten 12. und frühen 13. Jahrhundert in Frankreich und England häufig eingesetzt wurden. In der Schlacht von Bouvines wird beschrieben wie sie Formationen bildeten, wie zum Beispiel eine Mauer ähnlich einer Phalanx oder gar eine "Menschenburg" für den Grafen von Boulogne. Allerdings waren diese Söldner den gepanzerten Reitern regelmäßig unterlegen. Bei Bouvines wurden sie aufgerieben, wie schon zuvor in der Schlacht bei Fornham 1173 oder bei Bouteville 1176.

Im späten 13. Jahrhundert waren die Söldner der katalanischen Kompanie dann aber erfolgreicher. In der Schlacht am Kephissos 1311 siegten sie in enger Formation kämpfent über die Ritter des Herzogs von Athen. Der erste Sieg eines Infanterieheeres über gepanzerte Reiter.

Schlacht bei Fornham ? Wikipedia
Schlacht bei Bouvines ? Wikipedia
Schlacht am Kephissos ? Wikipedia
 
Im späten 13. Jahrhundert waren die Söldner der katalanischen Kompanie dann aber erfolgreicher. In der Schlacht am Kephissos 1311 siegten sie in enger Formation kämpfent über die Ritter des Herzogs von Athen. Der erste Sieg eines Infanterieheeres über gepanzerte Reiter.
Und was ist mit der Sporenschlacht 1302? Da besiegte doch ein flämisches Infanterieheer ein französisches Ritterheer.
 
es gibt zeichnerische Darstellungen:
Stuttgarter Psalter , 850 n. Chr
Manesse, Kreuzfahrerbibel
Einfach durchblättern
nach dem "psalter" hat man den Speer innerhalb der "Speerlänge" geworfen, gefangen zurückgezogen usw. Und wohl auch mit drängeln und schieben versucht, in die Reihen zu kommen und dabei auf den Nachbarn aufzupassen. Damals waren die Schilde ja auch veritable Fassdeckel
 
@ Joker86

European Medieval Tactics (1) von David Nicolle aus der Elite-Serie von Osprey könnte dich vielleicht interessieren. Die Publikationen von Osprey sind nicht erschöpfend, aber ein Einstieg und guter Überblick.

Nicolle zeigt nicht nur Veränderungen bei der Kavallerie auf, sondern auch bei Infanterie. Dazu führt er mehrere Schlachten als Beispiele auf, aus der Epoche, die dich interessiert. Der reine Infanterieschildwall der Angelsachsen bei Hastings wird angesprochen. Ein anderes Beispiel ist die Schlacht von Brémule (1119), bei der normannische Infanterie, verstärkt durch abgesessene Ritter, zwei Kavallerieattacken französischer Ritter abwehren konnten und damit die Schlacht entschieden. Die Weiterentwicklungen im Hochmittelalter zeigen sich dann in den kombinierten Infanterieeinheiten aus Speerträgern und Armbrustschützen, wie sie bei Legnano (1176) eingesetzt wurden.

Was die Rolle der Infanterie bzw ihre Wichtigkeit betrifft, sind die Unterschiede in den Taktiken der Kreuzfahrerheere aufschlussreich, auf die Nicolle am Ende des Buches eingeht. Während im zwölften Jahrhundert die Infanterie eher als Reserve hinter der Kavallerie steht, wird sie im dreizehnten Jahrhundert oft um die Kavallerie herum aufgebaut, mit der Aufgabe, diese zu schützen.

Gleich bleibt während der Epoche die Aufstellung der Infanterie in Schlachtlinien, damit sie als Gruppe kämpft und nicht als Ansammlung von Einzelkämpfern. Ob die Formation dann im Verlauf einer Schlacht tatsächlich erfolgreich beibehalten werden konnte, muß man wohl von Schlacht zu Schlacht unterschiedlich beurteilen.
 
Probieren geht über studieren!

Schlachten laufen niemals nach einem bestimmten Muster ab, zumindest kann ich mir das beim besten Willen nicht vorstellen.
Ich habe nun schon einige Fachliteratur zum Thema Kriegshistorik gelesen und muss resümieren, dass sie in den meisten fällen viel zu sehr theoretischer Natur ist. Nebenbei betreibe ich historisches Fechten und habe deshalb die Möglichkeit viele Überlegungen zur bewaffneten Auseinandersetzung der Probe aufs Exempel zu unterziehen.
Grundsätzlich gilt; es kommt in einer Schlacht und vorallem im Nahkampf niemals auf die Leistungen oder die Fähigkeiten des Einzelnen an.
Zwei verzweifelte und um ihr Leben fürchtende Gegner (manchmal reicht schon einer) und alle Kriegskunst ist dahin!
Das Hochmittelalter kannte in den seltensten Fällen größere Infanteriekämpfe sondern war geprägt von schwerer Kavallerie.
Die armen Schweine die sich kein Pferd leisten konnten oder nicht durften waren darauf angewiesen die Kraft der Masse zu nutzen die nur in einer äußerst dichten und tendenziell defensiven Formation zum Tragen kommt.
Das Prinzip reicht letzten Endes weit zurück, wobei die Hoplitenheere der griechischen Stadtstaaten ein berühmtes Beispiel sind.
Nahkampf sollte man sich also eher wie den "Scrum" beim Rugby vorstellen;
alles schiebt und drückt und wer Pech hat oder zu weit vorne steht geht dabei drauf.
 
Schlachten laufen niemals nach einem bestimmten Muster ab, zumindest kann ich mir das beim besten Willen nicht vorstellen.
Ich habe nun schon einige Fachliteratur zum Thema Kriegshistorik gelesen und muss resümieren, dass sie in den meisten fällen viel zu sehr theoretischer Natur ist. Nebenbei betreibe ich historisches Fechten und habe deshalb die Möglichkeit viele Überlegungen zur bewaffneten Auseinandersetzung der Probe aufs Exempel zu unterziehen.
Grundsätzlich gilt; es kommt in einer Schlacht und vorallem im Nahkampf niemals auf die Leistungen oder die Fähigkeiten des Einzelnen an.
Zwei verzweifelte und um ihr Leben fürchtende Gegner (manchmal reicht schon einer) und alle Kriegskunst ist dahin!
Das Hochmittelalter kannte in den seltensten Fällen größere Infanteriekämpfe sondern war geprägt von schwerer Kavallerie.
Die armen Schweine die sich kein Pferd leisten konnten oder nicht durften waren darauf angewiesen die Kraft der Masse zu nutzen die nur in einer äußerst dichten und tendenziell defensiven Formation zum Tragen kommt.
Das Prinzip reicht letzten Endes weit zurück, wobei die Hoplitenheere der griechischen Stadtstaaten ein berühmtes Beispiel sind.
Nahkampf sollte man sich also eher wie den "Scrum" beim Rugby vorstellen;
alles schiebt und drückt und wer Pech hat oder zu weit vorne steht geht dabei drauf.


Das Schlachten und militärische Auseinandersetzungen nur selten genau nach Plan abliefen, mag stimmen, dass die Fähigkeiten eines Einzelnen in der Schlacht und zumal im Nahkampf bedeutungslos sind, widerspricht der Logik. Weshalb sollte man sich dann die Mühe machen, einen Soldaten jahrelang auszubilden und ihn auf Kampfsituationen vorzubereiten?

Gerade im Nahkampf unter hohen Verlusten ist ein erfahrener, trainierter Kämpfer einem untrainierten überlegen.
Phänomene wie Gefechtspanik waren schon in der Antike bekannt und Formationen wie die Phalanx waren nicht zuletzt deshalb so erfolgreich, weil Flucht und Feigheit vor dem Feind praktisch unmöglich gemacht wurde, weil ein Phalangit von der Masse nach vorne geschoben wurde. In der Regel stellte man die besten Truppen auf den rechten Flügel. Bei Leuktra stellte Epaminondas die Elite auf den linken Flügel auf, der besonders tief gestaffelt war.

Um die Disziplin und die Schlagkraft zu erhöhen wurden Soldaten aus einer Region in einer Einheit zusammengefasst. Schon antike Autoren berichteten von Soldaten, dass sie sich vor Angst einnässten. Angst war natürlich,, aber man stand neben Nachbarn, Freunden, Verwandten, man kannte einander, und da wäre man zum Pariah geworden, wenn man sich als Feigling erwies.
Xerxes befragte den exilierten spartanischen König Damaratos über die Kraft der Spartaner. Worauf dieser antwortete, dass ein einzelner Spartaner so kräftig wie ein beliebiger anderer Mann sei, dass aber eine Formation von Spartanern allen anderen überlegen sei.
 
Du widersprichst dir gerade selbst.
Einerseits soll die Fähigkeit des Einzelnen (durch diverse Filme als One-Man-Army) glorifiziert entscheidend sein und andererseits nennst du zahlreiche Beispiele dafür, dass es schon immer ein gewichtiges Problem darstellte
die Moral und den Mut der Soldaten aufrecht zu erhalten.
Glaubst du denn im Ernst, dass ein Mann, mag er auch noch so durchtrainiert sein, auch nur den Hauch einer Chance gegen zehn durchschnittliche Typen hat die aus Angst oder eben weil es aufgrund des mangelnden Platzes garnicht anders geht zusammenhalten und wie ein einziger Körper agieren.
Viel Spaß beim ausprobieren, lass mich wissen wies gelaufen ist=).
 
"Entscheidend" ist hier nirgends gefallen oder? Dennoch wichtig, jmd der nicht die Ausdauer hat, oder die Technik eine Sarissa in Formation zu führen hilt auch 100 Mal geklont nicht dabei eine Schlachtreihe aufzubauen. Aber eventuell kannst du deine Eindrücke mal beim Verteidigungsministerium vorbringen, klingt so als könnten wir unsere Berufssoldaten zugunsten von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen abschaffen. ;)
 
"Entscheidend" ist hier nirgends gefallen oder? Dennoch wichtig, jmd der nicht die Ausdauer hat, oder die Technik eine Sarissa in Formation zu führen hilt auch 100 Mal geklont nicht dabei eine Schlachtreihe aufzubauen. Aber eventuell kannst du deine Eindrücke mal beim Verteidigungsministerium vorbringen, klingt so als könnten wir unsere Berufssoldaten zugunsten von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen abschaffen. ;)

Selten so gelacht:rofl:!
Aber jetzt mal im Ernst; du vergleichst nicht gerade wirklich Armeen des 21.Jhd. und ihre Organisationsstruktur bzw. die Kampfanforderungen die an sie gestellt werden mit dem Früh- und Hochmittelalter?
Dachte ich mir schon.
Um ein Bisschen Dampf aus dem Kessel zu nehmen, ein Vorschlag zur Güte:
Wir sind uns doch alle einig, dass in einer Schlacht Kampfformationen lebensnotwendig sind und nicht wie á la Braveheart wilde und toll in Szene gesetzte Massenkeilereien. Mehr sage ich doch garnicht.
Dass der Einzelne wissen muss was er tut und auch über Disziplin verfügen muss ist selbstverständlich, aber seine persönliche und individuelle Kampfkraft bleibt dabei eher zweitrangig.
 
Reinecke:

Dieser Mangel an Disziplin gab der mittelalterlichen Kriegsführung ihr Gesicht: Es kam v.a. auf den einen, entscheidenden Stoß der schweren Reiter an, der die Schlacht entschied, und der meist gegen die schweren Reiter der Gegenseite geführt wurde.

Es gab bei etlichen Schlachten auch deutlich ausgefeiltere Methoden. Da wurden Hinterhalte aufgestellt, Schwerpunkte und mehrere Treffen aufgestellt, Feldbefestigungen und verstärkte Wägen als mobile Basis der Infanterie eingesetzt usw usf

Bei einigen mittelalterlichen Heeren war die Disziplin zudem gut. Ein Mangel von Disziplin kam vor, gab der Kriegsführung insgesamt aber nicht ihr Gesicht. Der Stoß der schweren Kavallerie wurde auch in vielen Fällen anders geführt.

Wir sollten aber bevor wir weiter diskutieren vielleicht erstmal darüber sprechen, wie wir Disziplin definieren und was wir darunter verstehen?! Der Individualismus der Adelskrieger des Mittelalters ist nicht zwingend Disziplinlosigkeit gleichzusetzen.

Reinecke:

Ein "typisches, kleines Gefecht" auf offenem Feld im Hochmittelalter könnte man sich zB so vorstellen: Auf beiden Seiten stellten die schwergpanzerten Reiter (Ritter & Gefolgsleute) den Kern des Aufgebots; diese wurden im Zentrum postiert, zusammen mit anderen Reitern, denen man, wenn auch schlechter gewappnet, einen Sturmangriff zutraut.

Die mit Fernwaffen ausgerüsteten Fußkämpfer werden als Plänkler an den Flanken und in der Front platziert; allerdings müssen sie im Zentrum selber aufpassen, dass sie nicht von den eigenen angreifenden Reitern überrollt werden; einen direkten Zusammenstoß mit dem Feind können diese Schützen auf keinen Fall riskieren.

Die restlichen Fußtruppen stehen hinter den Reitern im Zentrum, um notfalls deren Angriff zu unterstützen

Die am meisten verwendete Schlachtordnung sah vor, dass die Fernkämpfer ganz vorne standen, dahinter die Infanterie und dahinter dann die schwere Kavallerie. Die gleiche Aufstellung findet sich sogar schon bei der Schlacht von Hastings bei den Normannen. Vorne Fernkämpfer, dahinter Infanterie, dahinter die Reiterei.

Aber auch andere Anordnungen waren üblich, wobei die Reiterei oft flankierend eingesetzt wurde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mal noch ein reales Beispiel für eine, meiner Ansicht nach besonders typische Schlacht des späten Früh- bzw Hochmittelalters. Die Schlacht von Civitate in Süditalien:

Hier standen sich ein Heer des Papstes und der mit ihm verbündeten Langobardischen Adeligen sowie einiger Stadtstaaten und das Heer der Normannen in Süditalien gegenüber.

Beide Seiten trafen am 17 Juni 1053 am Ufer des Flusses Fortore aufeinander. Der Papst wollte den Beginn der Schlacht so weit wie möglich hinaus zögern, um noch die Ankunft byzantinischer Truppen abzuwarten, die sich auf Eilmärschen in diese Richtung befanden. Er nahm daher Verhandlungen auf.

Die Normannen griffen aber dann, während die Verhandlungen noch liefen an. Sie waren zahlenmässig weit unterlegen, hatten immense logistische Probleme und ein Grund für ihren Angriff lag neben der Absicht, die Vereinigung mit den Byzantinern zu verhindern darin, dass sie schlicht und einfach nichts mehr zu essen hatten.

Beide Seiten hatten ihre Truppen in drei Treffen aufgeteilt. Zuerst stürmten die normannischen Ritter unter Richard von Aversa auf der rechten Flanke der Normannen vor. Es gab hier keinen einleitenden Fernkampf und die Infanterie auf dieser Flanke wich zur Seite aus. Die Normannen stürmten direkt in die Schlachtlinie der ihnen gegenüber stehendne italischen und langobardischen Infanterie und zersprengten diese im ersten Anprall. Dann verfolgten sie die fliehenden Gegner vom Schlachtfeld weg.

Im Zentrum griffen beide Seiten sich gegenseitig an, hier trafen die Normannen auf die deutschen Kerntruppen des Papstes. Sie ritten mit ihren Pferden auch hier frontal in die gegnerische Infanterie hinein, erlitten aber da deren Reihen hielten hier schwere Verluste. Die Deutschen begannen dann hier die Normannen langsam zurück zu drängen. Auf dem linken Flügel der Normannen ging der Kampf langsam an, beide Seiten gingen eher zögerlich aufeinander zu und gerieten schrittweise dann in den Nahkampf, in dem sich die Normannen aber gegenüber den langobardischen Rittern schnell durchsetzten. Dann kamen die Normannen von ihrem linken Flügel dem Zentrum zur Hilfe und fielen den Deutschen in die Flanke. Trotzdem begann die Schlacht verloren zu gehen, da die deutschen Truppen im Zentrum davon unbeeindruckt weiter kämpften.

Richard von Aversa sammelte derweilen seine Reiter ein und brach die Verfolgung der wild fliehenden Feinde ab, (was erhebliche Disziplin und Führungskunst erfordert). Dann fiel er dem päpstlichen Zentrum geschlossen in den Rücken und entschied damit die Schlacht.

Der Umstand, dass hier Verfolgungen abgebrochen werden konnten, die Schlacht in mehreren Treffen stattfand, und sich die verschiedenen Heeresabteilungen gegenseitig unterstützten, zeugt von einer großen Disziplin und aufgrund der beschränkten Übersicht und Kommunikationsmittel von einer erstaunlichen Koordination, und damit hohem Kriegshandwerk.
 
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