Schweiz - Schweden- Wikinger

Das-Emu

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Aus dem Historischem Lexikon der Schweiz:

1.1 - Der Mythos von der Abstammung der Schwyzer und der Haslitaler von den frommen
Schweden
In seiner Schrift "Vom Herkommen der Schwyzer und Oberhasler" berichtet Heinrich von Gundelfingen um
1480 von 6'000 Schweden und 1'200 Ostfriesen, die sich in der Schweiz niedergelassen haben sollen. Die
Reichsfreiheit hätten die Einwanderer für die Hilfe erhalten, die sie um 400 den von Heiden bedrohten Papst
und Kaiser in Rom geleistet hätten. Dieser Mythos lässt sich erst in der 2. Hälfte des 15. Jh. in Schwyz
nachweisen. Er entfaltete im 16. Jh. eine grosse Wirkungsmacht. Ein Schwyzer Sittenmandat aus den späten
1520er Jahren und ein Landsgemeindebeschlusss von 1531 belegen, dass die Abstammung von den
Schweden auch die offizielle - also von den Schwyzer Behörden vertretene - Ansicht war. Im Kommentar zur
zweiten Auflage von Glareans "Helvetiae descriptio" erwähnt Oswald Myconius, dass eidg. Kaufleute in S. um
Auskünfte über den Schwyzer Herkunftsglauben ersucht würden und dass die Schweden stolz darauf seien,
dass ein so gelobtes Volk seinen Ursprung von ihnen herleite. Johannes Magnus, Bf. von Uppsala, berichtet in
seiner um 1540 abgefassten "Gothorum Sueonumque historia", dass die Schwyzer durchreisenden Schweden
gegenüber wegen ihrer Verwandschaft besonderes Wohlwollen zeigten. Erst im 17. Jh. scheint der Mythos im
Volksbewusstsein in Vergessenheit geraten zu sein, vielleicht, weil der an sich frühe Übertritt Schwedens zur
Reformation mit dem Dreissigjährigen Krieg deutlicher wahrgenommen wurde als vorher, vielleicht, weil sich
die eigentl. Befreiungstradition mit ihren Heldengestalten als viel attraktiver erwies als der eher unpersönl.
Herkunftsmythos.

Guy Marchal hatte sich mit diesem Thema befasst und ein Buch verfasst, "Die frommen Schweden in Schwyz".
Leider liegt mir dieses Buch nicht vor (ist etwas teuer für mich). Was ich jedenfalls weiss ist, das man davon ausgeht, das dieser Abstammungsglaube eine "Gelehrtenmeinung" ist, ca 1480 entstanden.

Als ich von vor 2 Jahren das erste mal diese Sage las, musste ich schmunzeln. Im laufe der Zeit, immer wieder darüber nachgedacht, habe ich einige Indizien "entdeckt", die, wie ich finde, es rechtfertigen dieses Thema mal etwas genauer anzusehen. Leider übersteigt das "erfroschen" all meiner neu aufgeworfenen fragen meine kompetenz um langen, weshalb ich mich an euch wende.

Zuersteinmal stellt sich mir die frage, wieso es Schwyz um 1480, kurz nachdem man die Burgunder besiegt hatte, es nötigt hatte seine Ursprung anhand (so die Meinung die ich fand) einer Namensähnlichkeit (Schweiz- Schweden) zu definieren. Das hatten die Schwyzer überhaupt nicht nötigt müsste man meinen. Was jedoch, wenn es bereits in der Bevölkerung, ich sage mal, "kulturellen Wikingereinfluss" gab? Und die gelehrten lediglich versuchten diesen zu erklären?

Ich komme auf diesen Wikingereinfluss nicht von ungefähr. Ich kenne eine Sage aus der Nordwestschweiz, Solothurn, wo Wikinger die Stadt verwüstet haben sollen. Meine Frage: Wie nahe an der Schweiz sind gesicherte Berichte über Wikinger?
Ist es möglich, das eine versprengte Gruppe Wikinger sich vllt. nach Schwyz verirrt hatte?
Hans Delbrück hat in seiner Geschichte der Kriegskunst über die Schwyzer geschrieben, das sie wohl aufgrund ihrere Isoliertheit noch viele Germanische Strukturen aufwiesen. (Hunno = Amman, Gemeinschaftsweiden, etc) vllt. ein möglichier fruchtbarer Boden für kulturel ähnlichem.

Das auftauchen der Hellebarde wirft meines Wissens nach noch fragen auf. Man kann nicht wirklich erklären woher. (Möglich das ich da falsch liege) eine Hellebarde passt Subjektiv gut zu Wikinger. Möglicher Einfluss?

Der Gewalthaufen. Ich verweise wieder auf Hans Delbrück, der den Gewalthaufen als Eberkopftaktik der Germanen entlarft. Oder andersherum (Der Eberkopf erscheint mir mythischer, was der alles kann ^^) auch scheinen die Wikinger (theoretisch?) über das kämpfen in 3 Gruppen (Haufen?) "unterrichtet" gewesen zu sein. (Von Odin oder einem Orakel)

Kulturerellereinfluss oder erhaltene Kultur aus alter Zeit?

Man müsste wohl noch nach gemeinsamen Bräuchen, Musik (ich hatte irgendwo irgenwann mal über ein Musikinstrument der Schwyzer gelesen, das von den Schweden her stammen soll... nur wo?) und insbesondere Flur/Ortsnamen oder gar Personennamen forschen um handfestere Beweise für einen kulturellen Einfluss zu finden.

Möglich das ich mit diesem Thema mich etwas lächerlich mache, aber ich muss das jetzt einmal los werden, sonst halten mich diese Fragen noch weitere Nächte wach... (Nicht das sie es wirklich Wert wären)
 
Zuersteinmal stellt sich mir die Frage, wieso es Schwyz um 1480, kurz nachdem man die Burgunder besiegt hatte, es nötig hatte seine Ursprung anhand (so die Meinung die ich fand) einer Namensähnlichkeit (Schweiz- Schweden) zu definieren. Das hatten die Schwyzer überhaupt nicht nötig, müsste man meinen.
Die Frage dürfte auch falsch gestellt sein. Vieles, was irgendwelche mittelalterlichen Gelehrten sich - häufig besten Willens - ausgedacht haben, entsprang keiner Notwendigkeit. Ich denke hier liegen vielmehr pseudoetymologische Überlegungen zu Grunde.

Der lateinische Name Schwedens ist Suecia. So im Übrigen auch Schwedens spanischer Name [su'eθiya]
Spanisch für Schweiz ist Suiza [su'iθa]. Nun kann es dir in Spanien passieren, dass du jemandem erzählst:
- Soy de Suiza (Ich komme aus der Schweiz).
Und die Antwort lautet:
- Que bonito, siempre quería ver los fiordos (Wie schön, ich wollte schon immer mal die Fjorde sehen).

Der Gelehrte Heinrich von Gundelfingen dürfte die Beobachtung gemacht haben, dass der lateinische Begriff für Schweden Suecia (gewissermaßen "Schwezia" gesprochen) lautete (seit wann das so war, weiß ich nicht, in der Antike war Skandinavien für die Lateiner noch die Insel Scatinavia, Scandia oder Scandza) und mit "Schwezia" für Schweden war er lautlich deremaßen nahe an der Schweiz, dass der Gedanke, dass hier ein etymologischer Zusammenhang bestehe, aus seiner vorwissenschaftlichen Sicht naheliegend. Nur war Suecia/"Schwezia" niemals ein schwedischer Begriff sondern immer nur ein lateinischer für Schweden.

Ich komme auf diesen Wikingereinfluss nicht von ungefähr. Ich kenne eine Sage aus der Nordwestschweiz, Solothurn, wo Wikinger die Stadt verwüstet haben sollen. Meine Frage: Wie nahe an der Schweiz sind gesicherte Berichte über Wikinger?
Nach Solothurn dürften keine Wikinger gekommen sein; die sind zwar mit ihren Schiffen auch ins Landesinnere gefahren und haben Städte wie Köln oder Sevilla angegriffen, aber Solothurn dürfte auf diesem Weg etwas schwer zu erreichen sein.

Ist es möglich, das eine versprengte Gruppe Wikinger sich vllt. nach Schwyz verirrt hatte?
Hans Delbrück hat in seiner Geschichte der Kriegskunst über die Schwyzer geschrieben, dass sie wohl aufgrund ihrer Isoliertheit noch viele germanische Strukturen aufwiesen. (Hunno = Amman, Gemeinschaftsweiden, etc) vllt. ein möglicher fruchtbarer Boden für kulturell ähnlichem.
Hans Delbrücks Leistungen für die Militärgeschichtsschreibung mal außenvor gelassen: Ich habe die von dir paraphrasierte Stelle nicht parat. Jedoch argumentiert Delbrück ja gerade mit der Abgschiedenheit der Region. Hier hätten sich daher, so seine These, archaische alemannische Gebräuche, wie sie in der Völkerwanderungszeit in die Region gekommen seien, bewahrt. Es sei dahingestellt, ob er mit dieser Analyse Recht oder Unrecht hatte. Delbrück lebte auch in einer Zeit in der man glaubte, mit festgestellten Archaismen das Leben der alten Germanen rekonstruieren und damit die Verbindung zur eigenen Geschichte herstellen zu können.

Nun allerdings alemannische Gebräuche des 4. - 8. Jahrhunderts mit schwedischen Gebräuchen des 8. - 11. Jahrhunderts gleichzusetzen verbietet sich eigentlich. Auch wenn beide Gruppen germanische Sprachen sprachen, so spielt doch die Umwelt eine ganz besondere Rolle für kulturelle Entwicklungen. Ein Bergbauer entwickelt andere kulturelle Habitus als ein Seefahrer, um es mal auf diese Extreme zu reduzieren.

Das auftauchen der Hellebarde wirft meines Wissens nach noch fragen auf. Man kann nicht wirklich erklären woher. (Möglich das ich da falsch liege) eine Hellebarde passt Subjektiv gut zu Wikinger. Möglicher Einfluss?
Das erinnert ein wenig an den Mittelaltermarkt, wo Musketier und völkerwanderungszeitlicher Germane vereint mit Hobbits Wikingermet schlürfen. Nein, die Hellebarde hat nichts mit den Wikingern zu tun. Zwischen der Wikingerzeit und dem Aufkommen der Hellebarde liegt ein Hiatus (~ eine Lücke) von gut 300 Jahren. Wenn du die Wikinger mit der Streitaxt assoziierst und meinst, dass die Hellebarde gewissermaßen eine Fortentwicklung der Streitaxt sei: Streitäxte findest du bereits in der Steinzeit und weltweit in fast allen prähistorischen Kulturen. Das ist nichts dezidiert "wikingisches".

Der Gewalthaufen. Ich verweise wieder auf Hans Delbrück, der den Gewalthaufen als Eberkopftaktik der Germanen entlarvt.
Entlarvt hieße ja vorauszusetzen, Delbrück hätte mit seiner These Recht. Hat Delbrück die Eberkopfformation nicht eigentlich vielmehr als Schwachsinn entlarvt?
Wie dem auch sei, Formationen zu bilden liegt eigentlich nahe, um die mögliche Angriffsfläche jedes einzelnen Kriegers zu minimieren. Das ist logisch. Nun kann der Mensch logisches Verhalten kulturell ausblenden, also etwa sagen: "Ja, die Formation bietet dem Krieger Schutz, aber das wollen wir gar nicht, ein 'echter Mann' beweist sich am besten als Einzelkämpfer." Das wäre eine kulturelle Eigenart aber auch für die bedarf es keiner Vorbilder sondern nur ausreichend Machismus und Überheblichkeit.
 
(...)
Ich komme auf diesen Wikingereinfluss nicht von ungefähr. Ich kenne eine Sage aus der Nordwestschweiz, Solothurn, wo Wikinger die Stadt verwüstet haben sollen. Meine Frage: Wie nahe an der Schweiz sind gesicherte Berichte über Wikinger?
Ist es möglich, das eine versprengte Gruppe Wikinger sich vllt. nach Schwyz verirrt hatte?
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Wohl kaum Wikinger, auf ihren Raubzügen rheinaufwärts drangen sie im späten 9. Jh. zwar bis nach Koblenz und ins Moseltal vor, doch bis Solothurn ist es von da noch weit.

Enguerrand VII. de Coucy – Wikipedia , ein Adliger aus der Picardie, väterlicherseits möglicherweise normannischer Abstammung, könnte vielleicht Ursprung einer solchen Sage sein. 1375/76 versuchte dieser Erbansprüche im Schweizer Mittelland geltend zu machen. Solothurn selbst hat es bei dessen erfolglosem Feldzug zwar nicht erwischt doch einige Städtchen in der Umgebung.
Dann wäre da noch ein kalottenförmiger Helmtyp, Gugler – Wikipedia , nachdem die französischen und englischen Söldnerhaufen des Herzogs benannt wurden, dem wohl normannische Ursprünge zugeordnet/zugedichtet wurden.
Scheint jedoch insgesamt so, dass die erbosten Schwyzer diesen “Wikingerhaufen“ ordentlich eins auf die Mützen gedroschen haben, also wenig tauglich für Sagenbildung.
 
Einen Link von einem französischen Adeligen vielleicht nor(d)mannischer Herkunft zu den Wikingern gut 400 Jahre nach der Wikingerzeit ist aber historisch schon recht verwegen. Bereits die Normannen des 11. Jahrhunderts waren eher "Franzosen" (Anführungszeichen bitte beachten!) als Skandinavier und selbst als solche noch lange keine "Schweden".
 
Einen Link von einem französischen Adeligen vielleicht nor(d)mannischer Herkunft zu den Wikingern gut 400 Jahre nach der Wikingerzeit ist aber historisch schon recht verwegen. Bereits die Normannen des 11. Jahrhunderts waren eher "Franzosen" (Anführungszeichen bitte beachten!) als Skandinavier und selbst als solche noch lange keine "Schweden".

Klar ist das äußerst verwegen!
Nicht minder verwegen will mir allerdings auch dieser Abstammungsglaube erscheinen, der wohl laut Guy Marchal
eine "Gelehrtenmeinung" ist, ca 1480 entstanden.
Zeitlich liege ich also nicht weit weg von dieser (verwegenen) Legendenbildung. ;o)

Zudem bezog ich mich lediglich auf die von Das-Emu angeführte mögliche Verwüstung von Solothurn durch Wikinger, und das war nun mal das “nor(d)männischste“ was mir diesbezüglich begegnete.
 
Nur so eine Idee, die Söldner aus der heutigen Schweiz findet sich im Mittelalter doch im heutigen Italien, und dort sind auch Normannen belegt, das Königreich beider Sizilien geht auf sie zurück. Könnte eine Legendenbildung Schweizer - Normannen / Wikinger in Italien ihren Anfang genommen haben?
 
Hat Delbrück die Eberkopfformation nicht eigentlich vielmehr als Schwachsinn entlarvt?
Nicht direkt, er hat die Vorstellung einer keilförmigen Aufstellung kritisiert, also dass vorn einer steht, hinter ihm drei, hinter diesen fünf, und so weiter. Stattdessen ging er davon aus, dass es in Wahrheit eine rechteckige Formation gewesen sei.
 
Aus dem Historischem Lexikon der Schweiz:



Guy Marchal hatte sich mit diesem Thema befasst und ein Buch verfasst, "Die frommen Schweden in Schwyz".
Leider liegt mir dieses Buch nicht vor (ist etwas teuer für mich). Was ich jedenfalls weiss ist, das man davon ausgeht, das dieser Abstammungsglaube eine "Gelehrtenmeinung" ist, ca 1480 entstanden.

Das ist tatsächlich so. Diese Gelehrtenmeinung wurde schon etwas früher von verschiedenen Chronisten und gebildeten Standesherren in der Eidgenossenschaft vertreten (etwa Felix Hämmerli). Wie EQ gesagt hat, solche pseudoetymologische Erklärungen lassen sich überall im spätmittelalterlichen Europa feststellen, nicht nur im Gebiet der heutigen Schweiz. Das es sich hier um ein Konstrukt der spätmittelalterlichen Intellektuellen handelt, ist schon desshalb ersichtlich, weil die Sage der Herkunft der Schwyzer von zwei Brüdern, Switto und Suen, spricht, die in Streit gerieten, wobei der Eine erschlagen wurden. Schwyz wird dabei vom Switto abgeleitet. Das Ganze ist also komplett von Romulus und Remus abgekupfert - ein deutlicher Hinweis auf den gebildeten, spätmittelalterlichen Autor. Bereits im Hochmittelalter wurden im übrigen Namen oder Herkunftserklärungen auf diese "gelehrte" Weise vergeben. Die Stadt Bern beispielsweise kam nach dem literarischen Vorbild Dietrichs von Bern (Verona) zu ihrem Namen (und nicht wegen des Bären in ihrem Wappen, auch wenn es dazu entsprechende Sagen resp. Berichte gibt).

Im Falle der Abstammung der Oberhasler von den Friesen ging das Ganze sogar noch in Volkssagen der "Wilden Jagd" über. So hat ein Bauer seinen Stall auf dem Friesweng (d.h. auf dem Weg, welche die toten Friesen jährlich einschlugen) gebaut und einmal vergessen, die Stalltüren offenzulassen. Das war sein Ende.

Dass die Schwyzer irgendwie Wikingertraditionen bewahrt hätten oder sogar von diesen abstammen ist ein nachmittelalterlicher Mythos - sie stammen natürlich ebenso wie ihre Nachbarn ganz unspektakulär von den Alemannen ab. Die Wikingerzüge haben die Gebiete der heutigen Schweiz nie erreicht - jedenfalls gibt es keinerlei Hinweise darauf - ganz im Gegensazt zu den Ungarn und sarazenischen Piraten.

Die ältesten Funde von Hellebarden resp. Voräufer dieser Waffe im Gebiet der heutigen Schweiz lassen ebenfalls keine Verindungen zu Wikingern zu. Es war ursprünglich eine reine Bauernwaffe welche, so eine These, aus dem Werkzeug des Gertels / Hippe entwickelt wurde. Die älteste Bezeichnung für Hellebard lautet "Halmbarte" und bedeutet sovie wie "Stangenbeil".
 
Auch wenn die Chronisten natürlich zu jeder Zeit schrieben was sie wollten, glaube ich in diesem speziellen Fall schon einen Grund zu sehen, warum gerade zu dieser Zeit diese Geschichte auftauchte:

Im ausgehenden 15. Jahrhundert wuchs zwischen den Schwaben und den Eidgenossen eine Art gegenseitige Abneigung oder zumindest Entfremdung, die dann schliesslich 1499 im Schwabenkrieg eskalierte.

Vor allem der Konkurrenzkampf zwischen den schwäbischen und eidgenössischen Söldnern in den französischen und römisch-deutschen Kriegslagern trug zu dieser Antipathie bei. Die beleidigenden Begriffe „Kuhschweizer“ und „Sauschwaben“ erlebten damals eine Hochblüte.

Wenn man davon ausgeht, dass mindestens ein Teil der Alamannen, wenn nicht gar alle, sich selber als Sueben bezeichneten (siehe die momentan stattfindende Diskussion http://www.geschichtsforum.de/thema/alamannen.42904/) und dass aus „Sueben“ über die Jahre „Schwaben“ wurde, kann es durchaus sein, dass die Schwyzer sich ihrer alamannisch-schwäbischen Herkunft bewusst waren, diese aber nun mittels „Fake News“ ablegen wollten. Die Ähnlichkeit der Wörter Sueben und Schweden bietet sich ausserdem vorzüglich an, auch noch den letzten Anhänger einer vielleicht damals kursierenden Sueben-Herkunfts-Sage zu überzeugen. Da kann man sich bei der Überlieferung schon mal verhört haben.

Diese Art von Abgrenzung bzw. Herkunfts-Verleugnung versuchten später auch noch andere Schweizer Chronisten mit wilden Abstammungs-Theorien, immer mit dem Zweck eine mögliche gemeinsame Herkunft von Schwaben bzw. Deutschen und Schweizern zu verneinen.
 
Also im frühen Mittelalter gab es sehr wohl Verbindungen zwischen Skandinavien und Alamannien.
Hier mal etwas Literatur dazu:
Alemannien und der Norden: Internationales Symposium vom 18.-20. Oktober 2001 in Zürich.
dort kann man es teilweise einsehen:

Alemannien und der Norden
 
Also im frühen Mittelalter gab es sehr wohl Verbindungen zwischen Skandinavien und Alamannien.
Hier mal etwas Literatur dazu:
Alemannien und der Norden: Internationales Symposium vom 18.-20. Oktober 2001 in Zürich.
dort kann man es teilweise einsehen:

Alemannien und der Norden

Der Auszug aus «Alemannien und der Norden» den ich hier nachlesen konnte, befasst sich hauptsächlich mit Sprachvergleichen – für mich als diesbezüglichen Laien hört sich das Ganze allerdings nicht nach mehr an, als die übliche Sprachverwandtschaft innerhalb der germanischen Sprachfamilie. Einen Hinweis darauf, dass die «Herkunft der Schwyzer» und der «Friesenweg des Haslitals» mehr sein soll, als eine gelehrte spätmittelalterliche Erfindung oder, im Fall des Haslitals, eine volkstümliche Adaption von «Wotans wilder Jagd» kann ich nicht erkennen.

Und da die beiden Sagen – wie andere Sagen der Schweiz mit nordischem Bezug – erstmals im Spätmittelalter schriftlich fixiert wurden und keine entspr. Quellen aus dem Hoch- und schon gar nicht aus dem Frühmittelalter existieren, ist eine Herkunft der Schwyzer oder sonstiger deutschsprachiger Eidgenossen von Wikingern, Normannen, Warägern etc. einfach nur unwahrscheinlich. Die ganzen Sagen welche für die alemannischen Eigenossen eine nordische Verbindung suggerieren sind entweder der – nur im Lateinischen vorhandenen – Namensähnlichkeit von Schweden und Schwyz geschuldet (bei den Schwyzern handelt es sich bestimmt nicht um fusslahme ausgewanderte Svear) oder aber über den ganz normalen Kulturaustausch (der im Mittelalter zwar in weit grösserem Umfang von Süden nach Norden verlief aber eben dennoch auch in der Gegenrichtung vorkam) zustande gekommen. Es ist wohl kaum ein Zufall, dass die Herkunfts- und Friesenwegsagen etwa im gleichen Zeitraum wie die Apfelschuss-Sage von Wilhelm Tell, die eindeutig auf norwegisch-dänische Vorbilder zurückgeht, aufkamen.

Wie gesagt, bin ich in Linguistik völlig unbedarft, dass aber die hier gemachten Vergleiche mehr als Thesencharakter haben, erschliesst sich mir nicht. Ich greife ein Beispiel heraus:

Jürgen Udolph (Kap. «Alemannien und der Norden aus Sicht der Ortsnamenforschung») erwähnt beispielsweise zwar, dass der Ortsname Arth (eine Ortschaft im Kanton Schwyz) kein spezifisch alemannisch-nordgermanisches Wort sei, welcher von althochdeutsch «Pflügen, Ackerbau» abgeleitet sei aber dennoch nicht auf die Schweiz und Schwaben beschränkt sei sondern auch in Ostfalen, Westfalen, Flandern und England zu finden sei und deshalb (was ich allerdings nicht ganz verstehe) auf eine Verbindung zwischen Nordgermanien und dem südlichsten Teil von Alemannien hinweisen soll. Der Autor bezieht sich zudem auf B. Boesch, welcher das Wort im alemannischen als ausgestorben bezeichnet. Ich kenne jetzt allerdings Thesen, dass Arth tatsächlich die Bedeutung von «gepflügtes Land» hat, aber vom keltischen «Artha» herkommen soll – in dieser These ist der Begriff also nicht nur ausgestorben sondern gar nicht Bestandteil des Alemannischen.

Im Ortsnamenverzeichnis der Schweiz wird folgende Möglichkeit in Erwägung gezogen: Ahd. art steht für 'Pflügen, Ackerbau', davon abgeleitet das Adj. artlîh 'bewohnt, bewohnbar', weiter das Verb ahd. artôn, mhd. arten 'den Boden, das Feld bearbeiten, zur Saat bereiten; pflügen' (überliefert in bairischen und alemannischen Glossen);
also hier wird schon einmal darauf hingewiesen, dass der Begriff auch im Bayrischen zu finden ist was der Exklusivität von aus dem nordgermanischen herstammenden alemannischen Wörtern einen Dämpfer versetzt.

Im Übrigen wird in einem Abschnitt des Links ein E. Kolb dahingehend zitiert, dass sich die gemeinsamen Züge im Wortbestand des Alemannischen und Nordgermanischen vor der Zeit der grossen Wanderung ausgebildet hätten: also, selbst wenn diese These der historischen Gegebenheit entsprechen würde, wären die mittelalterlichen Schwyzer und Haslitaler nach wie vor Alemannen (mit dann eben den Alemannen angeblich typischen Einschlag von Nordgermanen) und keine Wikinger, Svear oder Friesen.

Ganz allgemein möchte ich zudem darauf hinweisen, dass es offenbar keine ähnliche Vergleichsstudien – zum Mindesten nicht in dieser Intensität – zwischen Nordgermanisch/Bayrisch, Nordgermanisch/Hessisch usw. gibt, also fehlen hier die Vergleichsmöglichkeiten für Nordgermanisch/Alemannisch. Mir ist jedenfalls nicht klar, wie man bei fehlenden Vergleichsstudien Begriffe allgemeinen germanischen Ursprungs von solchen, welche nur im Nordgermanischen oder Schwedischen oder Friesischen und im Alemannischen vorkommen, unterscheiden soll.
 
Das es sich hier um ein Konstrukt der spätmittelalterlichen Intellektuellen handelt, ist schon desshalb ersichtlich, weil die Sage der Herkunft der Schwyzer von zwei Brüdern, Switto und Suen, spricht, die in Streit gerieten, wobei der Eine erschlagen wurden. Schwyz wird dabei vom Switto abgeleitet. Das Ganze ist also komplett von Romulus und Remus abgekupfert - ein deutlicher Hinweis auf den gebildeten, spätmittelalterlichen Autor. Bereits im Hochmittelalter wurden im übrigen Namen oder Herkunftserklärungen auf diese "gelehrte" Weise vergeben. Die Stadt Bern beispielsweise kam nach dem literarischen Vorbild Dietrichs von Bern (Verona) zu ihrem Namen (und nicht wegen des Bären in ihrem Wappen, auch wenn es dazu entsprechende Sagen resp. Berichte gibt).

Interessanter Beitrag. Nur zwei Fragen. Inwiefern muss es nicht eine spätmittelalterliche Herkunft haben? Und welches literarische Vorbild meinst du?
 
Wieso das und vor allem wieso eindeutig?
Naja, die Ähnlichkeit mit den nordischen Sagen von Egil, dem Bruder Wielands des Schmieds, der auf Befehl des Königs Nidung einen Apfel vom Kopf seines Sohnes schießen muss und dabei weitere Pfeile bereithält, um für den Fall, dass er seinen Sohn tötet, damit den König zu erschießen, und von Toko, der auf Befehl des Königs Harald Blauzahn einen Apfel vom Kopf seines Sohnes schießen muss und dabei weitere Pfeile bereithält, um für den Fall, dass er seinen Sohn tötet, damit den König zu erschießen, ist schon recht augenfällig.
Normalerweise bin ich immer recht skeptisch, wenn aus der Ähnlichkeit von Sagen auf einen direkten Einfluss geschlossen wird, aber hier stimmen so viele Details überein, dass ich auch davon ausgehen würde, dass die Tell-Version auf eine der nordischen Versionen zurückgeht.
 
Bezügl. der Namensähnlichkeit von Sueben - Schweden: Das ist doch nur auf Deutsch ähnlich, vergleicht man "Sverige" ("Schweden") bzw. "svensk" ("schwedisch") mit Sueben/Schwaben, hört sich das für mich gar nicht mehr ähnlich an...

Gruss, muheijo
 
Wieso das und vor allem wieso eindeutig?

Die Apfelschussgeschichte Tell/Gessler ist von Toko/Harald I Blauzahn abgekupfert - das fiel schon dem Aufklärer Albrecht von Haller auf, der die Tell-Geschichte als "dänisches Märchen" abtat.
Ich habe das Themak schon mal in einem anderen Forum zusammengestellt, desshalb hier ein manchmal etwas flappsiger Ton:

Es gab neben Toko und Tell noch weitere Apfelschüsse:

Egil und Nidung
Die zweitälteste Erwähnung eines Apfelschusses findet sich im Wielandroman der Dietrichssage, die um 1250 / 1260 als Import aus den höfischen Kreisen des europäischen Kontinents in Bergen aufgezeichnet worden ist. Bei der norwegischen Version des Schützenkunststücks heisst der böse König Nidung, der Meisterschütze Egil. Im Verlauf der Geschichte erscheint Egil, der Bruder von Wieland dem Schmied, am Königshof wo der König erproben will, ob dieser ein so guter Schütze ist, wie das Gerücht sagt. Nidung legt dem dreijährigen Sohn Egils, Eigl, einen Apfel auf den Kopf und verlangt vom Vater, dass er ihn beschiesse. Der Schütze nimmt drei Pfeile und trifft – wie könnte es anders sein – natürlich auf Anhieb sein Ziel. Der König zeigt sich dabei sehr beeindruckt von der Treffsicherheit Egils und nimmt ihm die Antwort, dass bei einem Fehlschuss die königliche Brust das nächste Ziel gewesen wäre, ebenfalls nicht weiter übel. Offenbar hatte der Mann Sinn für Humor.

Heming und Harald III der Harte
Um 1360 entstand ein auf der isländischen Insel Flatey im Breitifjord aufgefundenes grosses Sammelwerk von Erzählungen, die sogenannten Flateyjarbok, in denen sich zwei weitere Meisterschüsse finden worunter einer das absolute Nonplusultra darstellt: der Nuss-Schuss ! Der Schütze der ihn ausführt heisst Heming und lebt unter dem norwegischen König Harald dem Harten (1047 - 1066). Mit diesem äusserst zähen Sportlerkönig muss sich nun Heming auf eine Marathon-Olympiade einlassen. Die beiden messen sich von früh bis spät im Bogenschiessen und Speerwerfen, bis es dem König plötzlich zu dumm wird, von diesem "Naturburschen" ständig besiegt zu werden. Er hängt die Fairplay-Regeln an den Nagel und kehrt plötzlich den bösen Tyrannen hervor. Er befiehlt Heming, eine Nuss vom Haupte seines Bruders zu schiessen. Um die Sache noch etwas zu würzen, droht der dem Schützen bei einem Fehlschuss natürlich ebenfalls mit dem Tod.
Mutig spannt Heming darauf seinen Bogen und bittet den König lakonisch, sich doch neben den Bruder zu stellen, um sich gleich aus erster Hand von seinen Schützenfähigkeiten zu überzeugen. Das ist dem Herrscher aber offensichtlich viel zu gefährlich, denn er zieht es vor, neben Heming und nicht neben dessen Ziel zu stehen. Wie das in solchen Fällen oft zu geschehen pflegt, delegiert er lieber einen seiner Untergebenen zu diesem Himmelfahrtskommando. Seine Furcht war natürlich völlig unbegründet, denn Hemings Hand zittert auch diesmal nicht im geringsten. Ja, er gibt dabei sogar ein Bravourstücken zu besten, das die Forderung des Königs noch weit übertrifft: Er durchbohrt die Nuss nämlich nicht (das wäre für ihn viel zu einfach), sondern schiesst so haargenau zwischen dem Scheitel des Bruders und der Nuss hindurch, dass die Nuss zu Boden rollt und dem Bruder nicht der kleinste Kratzer zugefügt wird. Auch Harald der Harte kann natürlich die Frage nach dem Sinn der restlichen Pfeile, die Heming zu sich steckte, nicht unterdrücken; er erhält die gleiche Antwort wie bisher alle seine Kollegen, was das sportliche Klima zwischen den beiden auch nicht gerade verbessert. Bei der nächsten Disziplin, die nun auf dem Programm steht, einem gefährlichen Wettschwimmen, versucht der königliche Marathon-Olympionike seinen Konkurrenten denn auch unter Wasser zu erstechen, was ihm aber nicht gelingt. Zu guter oder wohl besser zu schlechter Letzt folgt auch hier als Höhepunkt des Mehrkampfes ein Skilauf, bei dem Heming wegen einer erneuten Hinterlist des Königs über eine Felswand abstürzt. Da der Held jedoch ein geweihtes Tuch um den Leib trägt, kann ihm auch diesmal nicht viel passieren. Er bleibt an einem Felsvorsprung hängen und wird durch ein Wunder des Heiligen Olaf gerettet. Aber auch Wunder haben ihren Preis. Olaf (Olaf II der Heilige, 1016 - 1030) ist nämlich der Halbbruder des bösen Königs, und Heming muss dem Heiligen deshalb versprechen, sich nie an seinem Herrscher zu rächen, weshalb die ganze Geschichte schliesslich ebenso wunderbar wie unmotiviert im Sande verläuft.

Eindridi Breitferse und Olaf Tryggvason
Die Überlieferung des Meisterschusses des Eindridi Breiferse entstammt ebenfalls dem nordischen Sagenkreis, trägt aber dabei bereits die ausgeprägten Züge einer christlichen Bekehrungslegende. Im gleichen Flateyjarbok, dass die Sage von Heming enthält, findet sich auch die Geschichte des Grossbauern Eindridi Breitferse, der vom ersten Bekehrerkönig Norwegens, Olaf I Tryggvason (955 - 1000), wiederum mittels eines sportlichen Wettbewerbes zum Christentum bekehrt werden soll. Nach einem Schwimmwettkampf, den der König mit einer List für sich entscheidet, fordert dieser Eindridi auch zum Bogenschiessen heraus. Um ihm zu zeigen, wie mächtig der Gott des Christentums ist, schiesst diesmal der Herrscher selbst einen Brettspielstein vom Haupte eines grossbäuerlichen Neffen. Eindridi, von seiner Mutter und seiner Schwester eindringlich darum gebeten, im wahrsten Sinne des Wortes um Gottes Willen dieses Kunststück nicht auch noch zu versuchen, weigert sich deshalb, den geforderten Meisterschuss zu tun. Als darauf der König auch beim Dolchspiel wahrhaft wunderbare Taten vollbringt, gibt sich Eindridi geschlagen und tritt dem Christentum bei.

William of Cloudesly
In einer Ballade, welche im Jahre 1536 gedruckt wurde, schiesst der Engländer William of Cloudesly vor dem König auf genau zwanzig mal zwanzig Schritte einen Apfel vom Haupte seines Sohnes, wobei er zur Abwechslung diese Probe dem Herrscher sogar selber vorschlägt. Das nicht näher datierte Volkslied des Apfelschusses von Cloudesly ist eine Art Robin-Hood-Ballade, die von den drei Geächteten, in den Wald gegangen Schützen William of Cloudesly, Adam Bell und Clim of the Clough erzählt. Im Verlauf der Handlung wird William gefangen, befreit und zieht dann mit seinen Gefährten zum König, um Gnade zu erbitten. Die Königin erwirkt ihre Begnadigung. Der König erfährt frühere Übeltaten und verlangt Schiessproben. Nach erfolgreichem Abschluss der Schiessproben erklärt William, dass er die Ziele zu gross fände. Die zweite der daraufhin vom Schützen selbst vorgeschlagene Prüfung betrifft den Apfelschuss. William schiesst dabei ebenfalls einen Apfel vom Haupte seines Sohnes und zwar auf die Entfernung von genau zwanzigmal zwanzig Schritt. Unter dem Eindruck von Williams Schiesskunst nehmen der König und die Königin den Geächteten in ihren Dienst, der jedoch mit seinen beiden Gefährten zuvor nach Rom zieht, um Vergebung der früheren Sünden zu erlangen. Das der Vorname von Cloudesly ebenfalls Wilhelm lautete, mag ein Zufall sein.

Henning Wulf und Christian I
Auch an der Elbemündung, in Dammedocht in der holsteinischen Wilstermarsch, muss der Marschenhauptmann und Meisterschütze Henning Wulf das Apfelkunststück Christian I von Dänemark vorführen, das er allerdings schon einige Male zuvor, und stets mit dem Kopf des eigenen Sohnes als Einsatz, ausprobiert hatte. Der König will sich eigentlich nur an einem Paradestück der Schiesskunst ergötzen. Als er jedoch auf die Frage nach den weiteren Pfeilen die übliche, wenig liebenswürdige Antwort bekommt, erklärt er Henning Wulf für vogelfrei, und der Marschenhauptmann wird auch prompt auf der Flucht erschlagen. Problematisch ist diese Legende, die zwei historischen Persönlichkeiten angehängt wurde, weil sie nicht durch eine genau datierbare Handschrift, sondern nur durch ein heute nicht mehr erhaltenes Bild in der Kirche von Wevelsfleht überliefert wurde, das schwierig zu datieren ist.

Punker von Rohrbach
In dem Freischützen Punker aus Rohrbach, heute ein Vorort von Heidelberg, begegnet man dem leibhaftigen Gegenteil des guten Königs Olaf aus der Geschichte von Eindridi Breitferse. Punker schiesst nicht mit Gottes Hilfe wie der fromme König, sondern mit dem Beistand des Teufels diesmal sogar ein Geldstück vom Sohneshaupt. Wie jeder richtige Freischütz hat er nach der Sage an einem Karfreitag während der Messe drei Pfeile in das Kruzifix gejagt. Darauf sind ihm von Teufel täglich drei „sichere“ Pfeile verliehen worden, die ihr Ziel niemals verfehlen. Wo der erste gelandet ist, weiss man bereits. Die übrigen brauchte Punker bei der Belagerung der Burg Lindenbrunn durch den Pfalzgrafen, in deren Verlauf er täglich drei Verteidiger herunterschoss. Dieser Methode mangelte natürlich jede Effizienz, aber sie führte schliesslich doch noch zum Erfolg. Einen der letzten Pfeile verwendete er dazu, seinem Knaben zum Beweis seiner Schützenkunst auf zwanzig Fuss Entfernung eine Münze von der Mütze zu schiessen. Schliesslich nimmt auch Punker ein böses Ende. Im letzten Satz der Sage erfährt man, dass er über Bauern regierte, die er so lange unterdrückte, bis sie ihn eines Tages überfielen und mit Hacken und Schaufeln erschlugen. Enthalten ist die ganze diabolische Geschichte im Hexenhammer
 
Zuletzt bearbeitet:
Gemeinsamkeiten und Unterschiede Teil 1
Die verschiedenen überlieferten Meisterschüsse unterscheiden sich trotz aller vorhandenen Gemeinsamkeiten, die auf einen gemeinsamen Ursprung hinweisen, deutlich voneinander. Die Art des Zieles und der Verwandtschaftsgrad des Angehörigen des Helden unterscheiden sich beträchtlich. Übrig bleibt, als Gemeinsamkeit, dass es sich um einen Schuss auf einen schwer zu treffenden Gegenstand handelt, der auf dem Kopf eines nahen Verwandten placiert wird. Auch die Reaktionen des Kontrahenten auf die Drohung des Helden, die restlichen Pfeile seien bei einem Fehlschuss dem Tyrannen zugedacht, scheinen auf den ersten Blick recht unterschiedlich zu sein. Das Ende des Tyrannen wird ebenfalls recht unterschiedlich überliefert. Die Waffe, mit der der Meisterschuss ausgeführt wird, ist meistens der Bogen, während sich Tell dabei der Armbrust bedient.

Wenn man nach den Gemeinsamkeiten der verschiedenen Apfelschussgeschichten fragt, findet sich sowohl bei Toko als auch bei Heming den Apfelschuss nicht isoliert, sondern in Verbindung mit einer Skifahrt. Daraus lässt sich schliessen, dass die Heldentat des Dänen Toko der norwegischen Heming-Sage entnommen sein muss, da, um einen wichtigen Grund zu nennen, der Skilauf in Dänemark zur Zeit der Niederschrift der Chronik des Saxo Grammaticus, eine unbekannte Kunst war.

Auffallend ist, dass Toko und Heming als Höhepunkt ihrer Abenteuer eine rasante Skifahrt und nicht einen Meisterschuss zu absolvieren haben. Die Verquickung dieser beiden Proben findet sich jedoch in der Urfassung der Sage vermutlich nicht, da der Meisterschuss zum Beispiel bei Egil auch allein überliefert ist. Die Heming-Erzählung, die später Tokos Taten „beeinflusste“, wird also zur ursprünglichen Trägerin der Probe mit der Skifahrt, während sich die Geschichte vom Meisterschuss von jeder Person, die bisher aufgeführt wurde, löst. Denn auch Toko kann leider nicht zum Stammvater der Meisterschützen werden, da diese Figur auf der Heming-Erzählung basiert und ausserdem erst nach ihrem ersten literarischen Auftauchen zu ihrem Apfelschuss kam, genau wie Egil, dessen Erzählung überdies noch der Folgerichtigkeit ermangelt. Und die Geschichte von Eindridi erweist sich bei näherem Zusehen wegen der Übernahme des Wettkampfschemas eindeutig als Weiterentwicklung der Heminggeschichte. Der erste Skichampion aller Zeiten wäre also in Heming glücklicht gefunden. Der Patriarch der Apfelschützen jedoch bleibt, vorerst wenigstens, unbekannt.

Fast man die vier Überlieferungsquellen der nordischen Meisterschuss-Sagen ins Auge, so stösst man unweigerlich auf einen weiteren gemeinsamen Punkt. Alle Mutproben spielen sich vor einem recht ähnlichen politischen Hintergrund ab, vor der Auseinandersetzung zwischen den Vertretern eines aufstrebenden Königtums und der alten grossbäuerlichen Freiheit, die sich in Norwegen im 10. und 11. Jahrhundert abgespielt hat. Diese Machtprobe zeigt sich besonders deutlich bei Toko und Heming, die durch einen reinen Willkürakt des Herrschers zum gefährlichen Schuss gezwungen werden. Überall steckt der Held – mit Ausnahme des Herrn Eindridi Breitferse, der überhaupt nicht schiesst – die Reservepfeile, mit denen er sich bei einem Versagen seiner Hand gerächt hätte, in das Göller, und spricht die berühmte Drohung gegen den König aus. Diese Drohung weist den Weg zur Lösung des Problems mit den verschiedenen Überlieferungsversionen. Es ist zu überlegen, wie sich die Apfelschussgeschichte aus ihren Voraussetzungen heraus abgespielt hat. Dabei darf getrost angenommen werden, dass eine Drohung gegen einen Herrscher, der den Schützen kurz zuvor selbst mit dem Tode bedroht hat, nicht einfach in der Luft verpuffen, dass heisst, stillschweigend übergangen werden oder sogar noch mit Beifall aufgenommen werden kann.

Ein König, der den Schützen zuerst mit dem Tode bedroht und ihn nachher dafür belobigt, dass er bei einem Fehlschuss ein Attentat auf ihn verübt hätte, ist ein Widerspruch in sich. Besonders deutlich wird die Folgerichtigkeit bei der auf Heming basierenden Geschichte von Eindridi gestört, die nun auch den Meisterschuss des Königs, der immerhin den Verwandten des Schützen in Lebensgefahr bringt, zu einer blossen Schützenprobe degradiert. Dem Zweck dieser Bekehrungslegende entsprechend kann dabei allerdings zum vornherein nichts schief gehen, da ja der Herrgott persönlich seinem König den Bogen führt, um eine heidnische Seele zum Christentum zu bekehren.

Solche inneren Widersprüche, die sich besonders bei der Heming- und der Egil-Erzählung darlegen lassen, führen zur berechtigten Vermutung, dass die Chronisten die ursprüngliche Apfelschuss-Sage den Bedürfnissen ihrer Stoffes entsprechende gestaltet und nicht unverfälscht in ihre Werke aufgenommen haben.
 
Gemeinsamkeiten und Unterschiede Teil 2

Alle nordischen Apfelschüsse spielen sich im Norwegen des 10. / 11. Jahrhunderts vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen einem Einheitskönigtum, das seine Macht auf das ganze Land auszudehnen versucht, und einem freien Bauerntum ab, dessen Führer sich dieser Zentralisierung widersetzten. Träger der einheitlichen Reichsidee waren dabei die historisch belegbaren Könige Olaf I Tryggvason, Olaf II der Heilige und Harald III der Harte, die sich mit der christlichen Kirche verbunden hatten. Auf der Gegenseite standen die alten Geschlechter der Bauernführer in den einzelnen Talschaften oder Regionen, die sich oft nicht nur gegen das Einheitskönigtum sondern auch gegen die Christianisierung durch Bekehrerkönige sträubten. Diese recht dramatisch verlaufenden Kämpfe endeten mit dem völligen Triumph des Königtums und der mehr oder meist weniger freiwilligen Einordnung der führenden Bauerngeschlechter in die neue Staatsform. Mit dem Einzug des Christentums in Skandinavien endete gewissermassen auch das freie Bauerntum.

Auf diesem Grunde ist die von den Königen geförderte norwegische Überlieferung in erster Linie eine Königs- und gleichzeitig eine Bekehrungsgeschichte, also eine Aufzeichnung jener Partei, die sich durchsetzten konnte.

In diesen Rahmen passte nun die oft nur mündlich überlieferte bäuerliche Tradition, der ja auch die Geschichte vom bösen König und dem guten Schützen angehört, wahrhaftig wie die Faust aufs Auge. Wie sollte sich auch plötzlich das Bild eines rabenschwarzen tyrannischen Königs, der seine Untertanen zu verbrecherischen Meisterleistungen zwingt, mit den rosarot angehauchten Königsportraits vertragen, mit denen der Rest der Chronik angefüllt war ? Dieser Widerspruch blieb natürlich auch den Chronisten nicht verborgen. Da sie dennoch nicht auf die höchst interessante Geschichte mit dem Apfelschützen verzichten wollten, zimmerten sie die Sage eben nach ihren Bedürfnissen zurecht.

So wird der Schluss der Henning-Geschichte, der ja nach der inneren Folgerichtigkeit der Sage für den König tragisch ausgehen müsste, einfach dadurch abgebogen, dass der Chronist den Helden durch den Heiligen Olaf retten lässt, dem er versprechen muss, auf jede Rache zu verzichten.

Auch bei Eindridi wird der Apfelschuss christlich übermalt und bar jeder inneren Logik zu einer Bekehrerlegende umfunktioniert. Und der Chronist, der die Taten Egils in den Wielandroman der Dietrichssage einfügte, geht auch nicht gerade zimperlich mit dem Stoff um und lässt zum Beispiel den König die Antwort des Helden, dass er sich bei einem Fehlschuss an ihm gerächt haben würde, mit Beifall aufnehmen.

Es besteht nun allen Grund zur Annahme, dass die Apfelschusshistorie von Wilhelm Tell, Hauptbestandteil der Befreiungssage, von der Toko-Erzählung abstammt, mit der sie zu einem wesentlichen Teil übereinstimmt. Eine direkte Übernahme des Textes des Werkes des Saxo Grammaticus in das Weisse Buch von Sarnen muss jedoch aus den verschiedensten Gründen ausgeschlossen werden. Es lässt sich kein direkter, wohl aber ein mittelbarer Einfluss nachweisen.

Möglicherweise haben wandernde Literaten oder Spielleute, Predigermönche oder Rompilger, die im 15. Jahrhundert von Norden nach Süden halb Europa durchstreiften, in ihrem Herkunftsland irgendeine an Saxo angelehnte Version der Sage gehört und sie, sei es in gereimter Form oder als einfache Erzählung, mündlich weitergegeben. Auf diese Weise könnte die nordische Sage auch in das deutschsprachige Gebiet vorgedrungen sein, wo sie bald zum allgemeinen Bildungsgut gehört haben dürfte. Wenn es sich nicht, wie andere Forscher meinen, sogar um ein Sagenmotiv handelt, das allgemein verbreitet war. Denn die Geschichte vom Meisterschützen ist damals innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne an zwei verschiedenen Orten aufgezeichnet worden: 1420 / 1470 im Weissen Buch von Sarnen und 1487 im Hexenhammer, der in Strassburg gedruckt wurde.

Allerdings lässt sich im Mittelalter zwar ein mannigfacher Kulturexport vom Süden in den Norden nachweisen. In umgekehrter Richtung jedoch reicht die Zunge der nordischen Kultur viel seltener bis in südliche Breiten hinunter. Dass trotzdem ein Austausch von Sagengut vom Norden nach Süden stattgefunden hat, beweist die Geschichte eines Eisbären in einer Sage, die sich in Norwegen nachweisen lässt. Diesen Bären lässt der norwegische König seinem dänischen Kollegen von einem wandernden Bärenführer als Geschenk überbringen. Ein ostdeutscher Dichter, wahrscheinlich Heinrich von Freiberg, hat die schwankhafte Volkssage vor 1300 in einer mittelhochdeutschen Versnovelle verwendet. Norwegisches Erzählgut ist also Hunderte von Kilometern entfernt in deutschem Gebiet dichterisch gestaltet worden.

Ein weiterer Sagenaustausch von Norden nach Süden zeigt sich in dem wachsenden Appetit eines Drachens, der sich zuerst artig erschlagen lässt, aber später Menschen zu fressen beginnt. Konrad Justinger, der Stadtschreiber von Bern, führt das Tier zum ersten Mal um 1420 in seiner Berner Chronik vor, im Zusammenhang mit der Gründungssage von Burgdorf. Die Festung Burgdorf soll laut alten Berichten von den beiden Brüdern Sintran und Baltran, beides Grafen von Lenzburg, gegründet worden sein, die dort einen Drachen erschlagen hätten. Beide Herren tauchen zusammen mit dem Lindwurm 240 Jahre später in einer Schrift des Luzerners Johann Leopold Cysat wieder auf. Zum Unterschied zur ersten Version wurde diesmal der Kronzeuge Baltran vom Drachen aufgefressen und von seinem Bruder wieder aus dem Drachenmaul herausgeholt.

Den Appetit auf Baltran hat nur der Luzerner Cysat nicht etwa dem Berner Justinger, der darüber nichts berichtet, sondern der Thidrekssage, der nordischen Version der Dietrichssaga, entnommen. Die Thidrekssaga entstand spätestens im 13. Jahrhundert. Justinger weiss 1420 noch nichts von einer Befreiung aus dem Drachen, Cysat dagegen ist 1661 bestens über das Menu des Untiers unterrichtet. Also muss das nordische Motiv vom Baltranfressenden Drachen aus der Thidrekssaga zwischen 1420 und 1661 auch in der Gegend der heutigen Schweiz Verbreitung gefunden haben. Womit auch ein weiterer Beweis für die Wanderung eines Sagenmotivs vom Norden in den Süden erbracht wäre. Die Wanderung der Apfelschuss-Sage von Norden nach Süden wird allerdings vermutlich nie mit völliger Sicherheit belegt werden können.

In der Innerschweiz traf die Apfelschuss-Sage jedenfalls gewissermassen auf den einzigen fruchtbaren Nährboden, der eine Adaptierung an die lokalen Verhältnisse ermöglichte: Auf den Boden einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Feudalherrschaft und Bauerntum. Überall, wo der „durchreisende“ Tell diese für seine Entwicklung günstigen Verhältnisse nicht vorfand, ist er verkümmert und seines eigentlichen Sinnes, Symbol für die Auflehnung gegen eine tyrannische Macht zu sein, beraubt worden. Entweder lief sein Symbolgehalt der offiziellen Version einer nordischen Königsgeschichte zuwider und ist deshalb entsprechend retouchiert worden, oder der Apfelschuss wurde zu einem blossen Paradestück, zu einer blossen Schmuckfeder, die der Chronist seinen Pfeilhelden sozusagen als Dreingabe auf den Heroenhut steckte.

Die Innerschweiz bot der Sage als einziges Gastland auch noch die Voraussetzung für eine geradezu grandiose Weiterentwicklung. Im Gegensatz zu den nordischen, englischen und deutschen Versionen, die stets interessante und volkstümliche, aber für die „Staatswerdung“ unwichtige Episoden blieben, ist der Apfelschuss des Urner Schützen zur zentralen Befreiungstat und sein Urheber zum „ersten Eidgenossen“ schlechthin geworden, dessen Lorbeerkranz die Chronisten des 15. und 16. Jahrhundert und ihre Nachfolger unverdrossen weiter vergoldet haben.
 
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