Seit wann gibt es Detektive

Daß Timotheus den Sulzer Amtmann Schäffer anführt, finde ich gut. Doch würde ich ihn eigentlich eher als Kriminalisten und Polizisten, als Detektiv bezeichnen. Schäffer war tatsächlich ein Repräsentant der sich Ende des 18. Jahrhunderts bildenden modernen Kriminalistik. Er sprach z. B. fließend die Gaunersprache Rotwelsch und bewies im Umgang mit seinen prominentesten Gefangenen dem Bandit Konstanzer Hans und dem Zigeuner Hannikel großes Verständnis für deren erbärmliche Lebensbedingungen. Er war absoluter Gegner der Folter und erreichte mehr als viele Kollegen, indem er Gefangene menschlich behandelte. Schäffers Arbeit hatte aber auch viel von der eines Detektivs. Im Kampf gegen Schlendrian, verkrustete Strukturen, Korruption setzte er sich manchmal über formale Kompetenzen hinweg und handelte manchmal genau so eigenmächtig wie Matula. Ein Freund Schäffers, der Vikar Wittich verfaßte einen "Aktenmäßigen Bericht" über die Arbeit Schäffers. Diese "Aktenmäßigen Berichte" entwickelten sich zwischen 1770 und 1820 zu einer ganz eigentümlichen Genregattung, sozusagen eine Art "XY ungelöst". Kriminalisten, aber auch Pastoren beschrieben die Coups und Tricks der Räuber und Gauner, um brave Bürger auf Konfrontationen vorzubereiten. Diese Berichte waren als Verfolgungshandbücher für Polizeibeamte bestimmt, sie wollten ihre Leser aber auch unterhalten. Als kriminalitätsgeschichtliche Quellen sind diese Berichte ungemein wertvoll, wegen ihrer meist obrigkeitlichen Sichtweise aber auch mit Vorsicht zu genießen.

Es wäre schön, wenn eines Tages einmal neue Quellen für die Kriminalität und Kriminalitätsbekämpfung im Imperium Romanum erschlossen werden. Denn es gibt bemerkenswert viele Parallen zum 18. und 19. Jahrhundert. In Rom existierte durchaus so etwas wie eine Polizeitruppe. In Roms wildem Osten ernannte man Nykostrategen, die sich primär der Kriminalitätsbekämpfung widmeten. Ihnen unterstanden bewaffnete Diogmitai, die Erfahrung mit dem kriminellen Millieu besaßen und gegen Entgelt Banditen umbrachten. Ein Problem waren unkontrollierbare oder unbefriedete Landstriche wie das Nildelta oder das Taurusgebirge. Vor allem Isaurien war berüchtigt. In solchen Gegenden waren die Grundbesitzer auf Selbsthilfe angewiesen. Commodus belobigte die Einwohner der lykischen Stadt Bubon, die durch ihre Geländekenntnis isaurische Banditen abfingen. Unter diesen Umständen bestand eine Nachfrage nach privaten Detektiven, Kopfgeldjägern, Tough Guys, Spitzeln etc. Die Grundbesitzer hatten keine Zeit, sich der Banditenhatz zu widmen und die staatlichen Stellen waren überfordert. Für Geübte Kopfgeldjäger und Detektive muß sich das Geschäft auch gelohnt haben, denn die Beute war wohl kaum noch den ursprünglichen Besitzern zuzuordnen.

Noch ein paar Literaturtipps: H. Boehnke/C. Sarkowicz "Die deutschen Räuberbanden" Bd. 1 darin Wittich: Hannikel eine wahre Zigeunergeschichte, Schöll: Konstanzer Hans, eine schwäbische Gaunergeschichte.
Thomas Grunewald: Räuber, Rebellen und Rächer, Studien zu latrones im Römischen Reich.
Martin Lange, Räuber und Gauner ganz privat, Räuberbanden und die Justiz (ganz neu im Tectum Verlag)
 
Google mal nach dem Namen "Pinkerton", im Zusammenhang mit den USA (da hat der Herr gelebt). Der gründete irgendwann im 19 Jh. (?) eine private Organisation, die für Geld so ziemlich alle (Drecks-)arbeit machte. Meines Wissens das erste Detektivbüro der Welt (wenn man den modernen Begriff meint; Leute, die anderen Leuten nachschnüffeln, gibt es wahrscheinlich seit Erfindung der Nase...).
 
Pinkerton nicht zu nennen, war allerdings ein Fauxpas. Pinkerton und seine Agentur waren nicht nur äußerst erfolgreich, sondern auch richtungsweisend für eine standardisierte Ausbildung als Privatdetektiv. Für die Eisenbahngesellschaft ermittelte Pinkerton übrigens gegen die Bande der James Brüder.
 
Ich erlaube mir an der Stelle eine kurze Anmerkung: das Thema bzw. die Diskussion, wann die historischen Anfänge von Kriminalistik und/oder Detektiven i.d.S. liegen, ist ja überaus interessant, nur haben die letzten - u.a. auch von mir selbst - aufgezeigten Beispiele nun nicht mehr wirklich etwas mit dem Mittelalter zu tun, so daß mir persönlich der Thread unter "Alltag im Mittelalter" inzwischen etwas deplaziert erscheint.

Ohne allzu sehr meckern zu wollen: wir bewegen uns mittlerweile in dieser Diskussion im 18. und 19. Jh., und das Ende des Mittelalters wird - gemeinhin mW noch immer gültig - um das Jahr 1500 herum angesetzt... :fs:
 
Notfalls kann man das Thema ja verschieben, wir sind da ohnehin ziemlich durch die Jahrhunderte gesprungen, von der griechischen Antike, über das Imperium Romanum bis ins 18. und 19. Jahrhundert. In dieser Zeit sprudeln eben auch die Quellen am reichhaltigsten, und dann konnte @Mariat San auch sicher nicht voraussehen, daß seine Anfrage eine so rege Beteiligung auslösen würde.
 
Und wie ist es z.B.: mit Detektiven in königlichen/Adeligen dienste? Gab es denn soetwas?
Mich interessiert eher die Entstehung dieses Berufs, in der Form, in der es ihn Heute gibt.

Obwohl ich nicht weiß ob es das ist was du suchst, möchte ich gerne auf das Amt des Prévôt aufmerksam machen.
Im mittelalterlichen Frankreich nahm ein Prévôt eine Funktion ein die man mit dem eines Polizeichefs vergleichen könnte. Das Besondere an diesem Amt war das es vornehmlich von Bürgern und nicht von Adligen ausgeführt wurde. Dieses Amt wurde von den Kapetingerkönigen im XI. Jahrhundert geschaffen und fand in der von den Königen beherrschten Krondomäne Anwendung. Die Prévôts nahmen, wie schon angedeutet, Polizeiaufgaben war. Sie waren in der Regel den Baillis (nördlich der Loire) später auch den Sénéchaux (südlich der Loire) unterstellt.
Ein Prévôt de Paris, Thibaud Le Riche, nahm sogar am III. Kreuzzug teil auf dem er 1190 fiel.
 
Notfalls kann man das Thema ja verschieben, wir sind da ohnehin ziemlich durch die Jahrhunderte gesprungen, von der griechischen Antike, über das Imperium Romanum bis ins 18. und 19. Jahrhundert. In dieser Zeit sprudeln eben auch die Quellen am reichhaltigsten, und dann konnte @Mariat San auch sicher nicht voraussehen, daß seine Anfrage eine so rege Beteiligung auslösen würde.
Genau so ist es und was mir auch gut gefällt, es kommen immer mal wieder neue Anregungen dazu. Eben auch quer durch die Jahrhunderte und auch nicht allein auf Detektive beschränkt.
:O
 
Geheimndienste und ihr Ursprung

Sehr geehrte Forenteilnehmer,

... mir liegt eine schöne Liste der wichtigsten Attentate im 19. Jahrhundert vor. Danach vermute ich, daß diese Form der Bedrohung der Führungseliten in Europa dazu geführt haben, daß sich die Geheimdienste so entwickeln konnten wie wir sie heute kennen.

Meine Überlegung geht nun in folgender Richtung: kann es vielleicht sein, dass hier die Keimzelle der organisierten Staatsgeheimdienste liegen ... ?! EInes ist sicherlich klar, dass die Konfrontation der Staaten dann dazu geführt haben, dass die Bedeutung der Geheimdienste schlagartig sich verstärkt haben ...
 
Wie Silesia schon geschrieben hat, entstanden Geheimdienste im Zeitalter des Barocks. Das ist ja auch naheliegend, dass die Geheim- und Kabinettsdiplomatie ein eigenes Personal benötigte. Kuriere waren wichtig, und für Kuriere wurden eigene Sättel mit Geheimfachs für wichtige Post gemacht. Der Diebstahl von Kurierpost spielte daher auch eine wichtige Rolle in der frühen Geheimdienstarbeit.

Autoren, die Lehrbücher zur Geheimdienstarbeit und Geheimpolizei traten dann aber erst im 19. Jahrhundert auf den Plan wie der gefürchtete Pariser geheimpolizist Vidoq.
 
Zu Geheimdiensten/Geheimpolizei fällt mir noch Joseph Fouché ein, Polizeiminister unter Napoleon, auch ansonsten ein Überlebenskünstler unter verschiedenen Regimen, der eigentlich ein eigenes Thema wert wäre.

Seine Amtsauffassung kommt in dem legendären Zitat gut zum Ausdruck: Das war mehr als ein Verbrechen, das war ein Fehler.

Urspung des Zitats:
http://www.click2day.com/Personen/2007/herog_enghien01.php
 
Irgendwo wurde mal behauptet, dass die Kundschafter, die Josua ins Heilige Land ausgesandt hatte, die ersten Spione gewesen sein sollen. Sie brachten viele Informationen über Land und Leute mit, die natürlich auch militärischen Wert hatten.

Im kommunistischen Sprachgebrauch wurden übrigens eigene Agenten als "Kundschafter" betitelt.
 
Es wird auch stark darauf ankommen wie man das ganze definiert. Meinst du Spionagetätigkeiten an sich? Meinst du strukturierte Organisationen der Informationsbeschaffung und Infiltrationsabwehr?
 
Spione gab es immer. Diese handelten im Auftrag einzelner Personen im entsprechenden Herrschaftshaus. Meistens waren es in der Neuzeit Adelige, da in deren sozialen Lebensbereich die notwendigen Informationen lagerten. Aber auch in Häfen lungerten Spione herum, die die Seeleute aushorchten.

Noch viel älter dürften die militärischen Spione sein. Damit sind Personen gemeint, die in Kurztrips feindliche Lager strategisch erkundeten.

Organisierte staatliche Geheimdienste dürften erst ab 18. Jahrhundert entstanden sein.
 
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