Wertung des Selbstmords im Christentum und anderen antiken Gesellschaften

Nergal

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Da gab es doch zur Frühzeit des Christentums eine Sekte die meinte dass es in Ordnung sei sich selbst umzubringen um in den Himmel zu kommen.
Später wurde diese Sekte dann verboten und Selbstmord war dann ja schon Sünde.
Weiß Jemand wie sich diese Sekte nannte?
Ich habe vor langer Zeit darüber etwas gelesen weiß aber nicht mehr wo.
 
Mir fällt dazu im Moment nur ein, dass es nach Ende der Christenverfolgungen weiterhin Christen gab, die den "Märtyrertod" sterben wollten, und sich daher mangels staatlicher Verfolgung von Gleichgesinnten freiwillig zu Tode quälen ließen. Da stellte dann die Kirche klar, dass das kein Märtyrertum, sondern Selbstmord ist, und untersagte solche Praktiken.
Meinst Du vielleicht das?
 
Nein, ich meine eine Sekte wo man sich "selbst" entleibt hat, ohne Hilfe, eben um des Himmelreichs teilhaftig zu werden.
 
Ich habe weiter nach Hinweisen gesucht und es scheinen bestimmte Strömungen innerhalb der Donatisten gewesen zu sein.
Werde mich aber weiter dazu informieren.
 
Ich habe mich selbst bisher noch nie mit diesem interessantem Thema beschäftigt, aber soweit ich das einschätzen würde, ist der Selbstmord in der Antike nichts ehrloses, sondern durchaus ehrenhaft. Erst das Christentum hat daraus eine (Tod-)Sünde und eine Schandtat gemacht, die noch bis in unsere Tage dazu geführt hat, dass Selbstmörder nicht in geweihter Erde oder mit einem Priester am Grab bestattet werden durften. Es gab - so meine ich mich zu erinnern - sogar Einschränkungen bezüglich der Bestattungszeit und des Grabsteines.

Aus der Antike hingegen kennen wir viele Selbstmörder, die sich gerade durch diesen Weg ihre Ehre erhalten haben. Cato hat sich nach der Schlacht von Zama entleibt, weil er Caesars Milde nicht ertragen wollte. In den Viten des Sueton ließt man ja immer wieder davon, dass beispielsweise unter den Schreckenherrschern wie Nero und Domitian Senatoren dazu veranlasst wurden, sich durch Selbstmord zu verabschieden. Das sieht zunächst sehr gemein und niederträchtig aus, ist es im Prinzip wohl auch, wenn jemand auf Befehl des Herrschers dazu veranlasst wurde, andererseits greift er dadurch weit weniger ein, als dies in den Zeiten bürgerkriegsähnlicher oder -artiger Zustände der Fall war, als Senatoren und Ritter von Häschern einfach abgeschlachtet wurden. Auch aus rechtlicher Sicht hatte dies durchaus Konsequenzen. Wenn der Kaiser jemanden loswerden wollte, dann hätte er ihn in einem Senats-Prozess zum hostis/Staatsfeind erklären lassen können und über ihn die damnatio memoriae verhängen lassen können, was wiederum unweigerlich zum Tod des Geächteten geführt hätte, weil er als Staatsfeind quasi vogelfrei war.
Für die Familie hatte dies harte Konsequenzen bedeutet. Das Vermögen des Geächteten verfiel dem Staat, Name und Andenken waren entehrt, kein Totenkult möglich, was zu einen der zentralen Präsentationsformen der römischen Gesellschaft gehörte und die Stellung innerhalb des gesellschaftlichen Rankings war auf Dauer ruiniert.

Beging nun so ein hochrangiges Mitglied der römischen High Society Selbstmord, blieb seine Ehre erhalten, das Vermmögen blieb bei der Famillie und keine Schande, keine Flecken auf er memoria der Familie, seiner Ahnen und auch seiner eigenen Person entstand. Damit war das Drängen zum Selbstmord eine Form, die immer noch eine gewisse Achtung und einen Respekt vor den Traditionen und sozialen Stellungen bewies. Das bedenkt man oft nicht, wenn man davon spricht.

So war der Selbstmord des Seneca schlimm, aber nicht ehrlos. Das galt auch für Feinde und Gegner des römischen Staatswesens, so haben sich auch Marcus Antonius und Kleopatra dadurch ihre Ehre erhalten, die ihnen auf dem Triumphzug genommen worden wäre. Von Kleopatra ist das ja allgemein immer schon so gesehen worden und findet sich in allen mir bekannten Adaptionen dieser Szene. Für Marcus Antonius fand ich es ganz hervorragend in der Serie ROM dargestellt, als ihm (Name vergessen, jedenfalls der Freund von Titus Pullo) die ganze - aus damals römischer Sicht - unmännliche Schminke vom Gesicht wischt und ihm den Panzer anlegt und ihn damit in einen römischen Feldherren mit aller Würde zurückverwandelt. Es war wirklich ganz beeindruckend dargestellt.

Der Selbstmord von Besiegten in aussichtsloser Lage war nichts Anrüchiges, ob es eigene Leute und Feldherren waren oder Gegner, wie etwa die Kimbern und ihre Frauen, die sich und ihre Kinder töteten.

Zu den bekanntesten und viel bewunderten Darstellungen ehrenhafter Selbsttötung in aussichtsloser Lage gehören damit auch jene des Großen Attalischen Weihgeschenks.
 

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Ich habe diesen sterbenden Gallier auch immer eher als einen im Krieg tödlich Verwundeten interpretiert.
 
Auch im Judentum scheint der Selbstmord wenigstens in Ausnahmefählen nicht als Sünde aufgefasst worden sein, siehe Masada im Jüdischen Krieg.
 
Auch im Judentum scheint der Selbstmord wenigstens in Ausnahmefählen nicht als Sünde aufgefasst worden sein, siehe Masada im Jüdischen Krieg.

Die Zeloten haben, wenn man der einzigen schriftlichen Quelle, Flavius Josephus, Glauben schenken will, allerdings nicht selbst Hand angelegt, sondern sich gegenseitig getötet, nachdem man gelost hatte.

Bei der Belagerung von Jotapata in Galiläa hat Josephus möglicherweise das Los in für ihn günstiger Weise beeinflusst, bis nur noch ganz wenige Verschwörer übrig blieben, um sich dann den Römern zu ergeben.
 
War es nicht der Bischof Augustinus von Hippo, der in seinem Werk "De civitate Dei" als erster den Selbstmord verurteilte, indem er das 5. Gebot "Du sollst nicht töten" auch auf die bezog, die sich selbst töteten und damit Selbstmörder auf die gleiche Stufe wie Mörder stellte?

Mord war eine der sieben Todsünden, und Selbstmördern drohten nach seiner Auffassung Höllenstrafen. Im Zuge dieser Einstellung wurden Selbstmörder von Theologen oft mit dem "Verräter" Judas verglichen, der sich selbst durch Erhängen das Leben nahm, und auf ewig schuldig angesehen wurde, obwohl der Evangelist Mattäus sagte, dass Judas seine Tat gereut hat.

Durch das Konzil von Orleans (533 n Chr ?) verurteilte die christliche Kirche den Freitod nun offiziell als Selbstmord und damit als Todsünde, der ewige Verdammnis folgte. Dabei ist z.B. Thomas von Aquin und seine "Summa Theologica" hervorzuheben. Selbst eine Selbsttötung bei auswegloser Krankheit sah man als "Nachgeben zum Teufel" an, da Krankheiten und ausweglose Lebenssituationen als Prüfung Gottes galten, und Zuwiderhandlung eben als Erliegen der Versuchung des Teufels.

Strittig blieb dabei tatsächlich die Einordnung von Märtyrern und Asketen, die unter Verweigerung und Vernachlässigung ihrer Grundbedürfnisse gestorben waren, und der Suizid von Frauen, die sich ins Schwert warfen, um ihre Ehre und "Unberührtheit" zu schützen.
 
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War es nicht der Bischof Augustinus von Hippo, der in seinem Werk "De civitate Dei" als erster den Selbstmord verurteilte,...
Die Verurteilung von Selbstmord findet sich - mal losgelöst vom Denken "die Christen haben es verteufelt" - bereits bei Cicero, genauso wie die Begründung, dass menschliches Leben heilig und einzigartig sei, was dann auch Thomas von Aquin übernimmt.

indem er das 5. Gebot "Du sollst nicht töten" auch auf die bezog, die sich selbst töteten und damit Selbstmörder auf die gleiche Stufe wie Mörder stellte? Mord war eine der sieben Todsünden...
Ok, ich habe gerade gefunden wo du deinen Beitrag offensichtlich größtenteils abgeschrieben hast und zwar einchließich der Fehler (Zwischen Leben und Tod ... - Google Bücher), aber nur weil es da steht, muss es noch lange nicht stimmen. Mord war noch nie, auch nicht zu Augustinus Zeiten, "eine der sieben Todsünden". Mord ist wie ein Verstoß gegen die zehn Gebote, aber eben im Besonderen Mord, Ehebruch und Apostasie (also entweder drei oder zehn - wobei die Dreierauslegung die häufigere ist) ein sog. "peccatum mortiferum" (also eine todbringende Sünde vulgo durchaus Todsünde genannt), eine schwerwiegende Sünde, die zu ewiger Verdammnis führt. Die "sieben Todsünden" (Superbia, Avaritia, Luxuria, Ira, Gula, Invidia, Acedia), auf die du dich beziehst, sind eigentlich keine Sünden, sondern die sog. Hauptlaster, die das Begehen von Sünden (sowohl der lässlichen als auch der todbringenden Sünden) begünstigen.
 
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@Ravenik & Verci:

Das ist wohl etwas mißverständlich herübergekommen: Ich habe den sterbenden Gallier und den Gallier, der seine Frau tötet, jeweils dargestellt, weil sie BEIDE zum sog. Großen Attalischen Weihgeschenk gehören (Konstruktionszeichnung links).
Worauf es mir hier ankam, war die Darstellung der im Text zuvor angesprochenen hoffnungslosen Situation, als deren Ausweg Selbstmord akzeptiert wurde. Die Hoffnungslosigkeit, in die die Übermacht des Gegners den Feind versetzt, ist der Tenor der Szenerie. Die einen sterben ohnehin schon, weil verwundet, die anderen, die jetzt in sichere Gefangenschaft geraten würden, können nur noch zum Selbstmord greifen.
 
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Okay, danke für die Klarstellung!

Stimmen, die den Selbstmord ablehnten, gab es übrigens auch schon vor Cicero. In Platons "Phaidon" äußert sich Sokrates ebenfalls ablehnend, z. B.: "Also auch du würdest gewiss, wenn ein Stück aus deiner Herde sich selbst tötete, ohne dass du angedeutet hättest, dass du wolltest, es solle sterben, diesem zürnen und, wenn du noch eine Strafe wüsstest, es bestrafen?" und "Auf diese Weise nun wäre es also wohl nicht unvernünftig, dass man nicht eher sich selbst töten dürfe, bis der Gott irgend eine Notwendigkeit dazu verfügt hat, wie die jetzt uns gewordene?"
 
Nein, ich meine eine Sekte wo man sich "selbst" entleibt hat, ohne Hilfe, eben um des Himmelreichs teilhaftig zu werden.

Eben bin ich über diesen alten Pfad gestolpert und die Wortwahl hier kam mir allzu verdächtig vor. Auch kenne ich bereits viele Fragen und Beiträge von Dir und - mit Verlaub - scheint es mir oft so zu sein dass Du vor längerer Zeit mal was gelesen hast aber dann die Fakten ein wenig durcheinanderwürfelst und es dann unkonkret und verfälscht wird. :friends::winke:

Kann es nicht sein dass Du da etwas verwechselst? Der Ausdruck "des Himmelreichs wegen" ist etwas was auf Matthäus 19,12 zurückgeht und wird ständig und immer wieder in der Literatur mit der Selbstentmannung des Origines gebracht. Eben das scheint es mir zu sein woran Du Dich dunkel erinnern kannst.
 
Hier ist offensichtich von den Katharen die Rede
Für sie war die Erde nicht von Gott erschaffen worden sondern von....
naja ihr wist ja schon:devil:
Es war für sie also durchaus erstrebenswert diesen Planeten so bald als möglich zu verlassen
Die blutigen auseinandersetzungen die sich aus dieser Weltanschauung ergab sind unrühmliche Geschichte der katholischen Kirche geworden:weinen:
 
Ich denke mal, dass das Leben keinen Wert hat, sondern die Grundlage für einen Wert ist. Denn man sieht ja, dass die Menschen (auch ohne Selbstmord) für die unterschiedlichsten Werte ihr Leben opfern, z.B. für die Ehre. Das muss nicht durch Selbstmord geschehen, sondern kann auch in der Verweigerung einer bestimmten Handlung liegen, die einen fremdbestimmten Tod nach sich zieht.
Mir scheint auch der Begriff des Selbstmordes etwas schillernd. Denn bei der Tötung werdn nicht nur solche Handlungen betrachtet, die unmittelbar zum Tode führen, wie ein Schuss, sondern auch solche, die den Tod erst wesentlich später - aber absolut sicher - herbeiführen, wie die Beibringung radioaktiver Substanzen.
Waren nun die Arbeiter, die unmittelbar nach der Katastrophe von Tschernobyl an der Unglücksstelle im Bereich tödlicher Strahlung notwendige Sicherungsarbeiten durchführten, Selbstmörder?
 
Hier ist offensichtich von den Katharen die Rede
Das glaube ich nun doch nicht; vgl. Wikipedia: "Das Leben des Katharers ist deshalb darauf ausgelegt, das Gute im Menschen (die Seele) aus der bösen Welt in den Himmel zu bringen." Das ist nicht gleichbedeutend mit der prinzipiell Wahl des Freitodes.

Ich kann zwei Ereignisse beisteuern:

a) Das erste handelt von der Verfolgung der Montanisten durch Justinian, von der Prokop berichtet: »Scharen von Agenten durchzogen sogleich allenthalben das Land und zwangen, wen sie trafen, zur Aufgabe seines ererbten Glaubens. Da nun dies den Bauern ein Frevel erschien, so entschlossen sie sich zu einmütigem Widerstand gegen die Schergen. Viele Häretiker fanden den Tod durchs Schwert, viele begingen sogar Selbstmord - in ihrer Einfalt glaubten sie damit Gott ein wohlgefälliges Werk zu vollbringen -, die Masse aber floh aus der Heimat. In Phrygien schlossen sich die Montanisten in ihre Gotteshäuser ein, zündeten diese an und gingen ohne Bedenken mit zugrunde. Das ganze Römerreich war so von Mord und Furcht erfüllt ...« [1]
Aus der "Innensicht" wird man diese Leute freilich eher als Glaubens-Märtyrer qualifizieren müssen, nicht als Freitod-Anhänger.

b) Im 18. und 19. Jh. gab es in Rußland verschiedene Sekten, die eine Tendenz zum Freitod entwickelten [2]. Das waren z.B. die ebenfalls vom Staat verfolgten Filiponen, deren Anführer Filipon mit dem Satz zitiert wird: "Nur die Selbstentleibung ist der Weg zur Seligkeit." Als weitere Sektenführer mit mehreren 1000 Anhängern wurden Domitian und Schaposchnikow genannt, wegen ihrer bevorzugten Todesart auch "Selbstverbrenner" genannt. Letzteres galt auch für die Sekte der Morelschtschiki, während der Prophet Schodkin den Hungertod als gottgefällig lehrte, usw.
Auch hier bleibt schwer auszumachen, ob solche Exzesse ohne Verfolgung von außen hätten geschehen können.

[1] Zitat nach Deschner, Kriminalgeschichte des Christentums, 2. Band, S. 386.
[2] Bernhard Stern, Geschichte der öffentlichen Sittlichkeit in Russland. Berlin 1907, Bd. 1, S. 249 ff. Als Vorläufer nennt Verf. außer Montanus noch die "Patriciani", die zur Zeit des Augustinus einer schroff dualistischen Lehre anhingen.
 
Schön zitiert alle achtung
aber was die Katharer anbelangt...
Diese Geschichte ..und ich weis es selber ist noch ziemlich lebendig.
Die Endura der Katharer beinhaltete durchaus eine kompllete Nahrungsverweigerung was schlussendlich zum tode führte...
Nach spätestens 4 tagen verspührt man keinen hunger mehr
ich weiss es weil ich selber an einem solchen Kurs teilgenommen habe...
naja es war doch ein etwas verschiedener kurs und dauerte nur 1 woche
aber hinterher ....coca cola pfui daibel.. und überwürtzte speisen würgg..
nun es geht ja wohl um ..endura.. nicht wahr?
Wenn mahl man auf diesen katharerburgen war fragt man sich ..wie die menschen das da oben ausgehalten haben
eine geiseshaltung die uns menschen vom 20sten jahrhundert völlig fremd vorkommen muss.
 
Die Endura der Katharer beinhaltete durchaus eine kompllete Nahrungsverweigerung was schlussendlich zum tode führte...
Was du meinst ist eine Sonderform der Endura, nämlich das Kranken-Consolamentum, das einjährige Fasten während der Endura beinhaltete keinen kompletten Verzicht der Nahrungsaufnahme.

eine geiseshaltung die uns menschen vom 20sten jahrhundert völlig fremd vorkommen muss.
Mittlerweile schreiben wir das 21. Jahrhundert.
 
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