Hier ist offensichtich von den Katharen die Rede
Das glaube ich nun doch nicht; vgl. Wikipedia: "Das Leben des Katharers ist deshalb darauf ausgelegt, das Gute im Menschen (die Seele) aus der bösen Welt in den Himmel zu bringen." Das ist nicht gleichbedeutend mit der prinzipiell Wahl des Freitodes.
Ich kann zwei Ereignisse beisteuern:
a) Das erste handelt von der Verfolgung der Montanisten durch Justinian, von der Prokop berichtet: »Scharen von Agenten durchzogen sogleich allenthalben das Land und zwangen, wen sie trafen, zur Aufgabe seines ererbten Glaubens. Da nun dies den Bauern ein Frevel erschien, so entschlossen sie sich zu einmütigem Widerstand gegen die Schergen. Viele Häretiker fanden den Tod durchs Schwert, viele begingen sogar Selbstmord - in ihrer Einfalt glaubten sie damit Gott ein wohlgefälliges Werk zu vollbringen -, die Masse aber floh aus der Heimat. In Phrygien schlossen sich die Montanisten in ihre Gotteshäuser ein, zündeten diese an und gingen ohne Bedenken mit zugrunde. Das ganze Römerreich war so von Mord und Furcht erfüllt ...« [1]
Aus der "Innensicht" wird man diese Leute freilich eher als Glaubens-Märtyrer qualifizieren müssen, nicht als Freitod-Anhänger.
b) Im 18. und 19. Jh. gab es in Rußland verschiedene Sekten, die eine Tendenz zum Freitod entwickelten [2]. Das waren z.B. die ebenfalls vom Staat verfolgten Filiponen, deren Anführer Filipon mit dem Satz zitiert wird: "Nur die Selbstentleibung ist der Weg zur Seligkeit." Als weitere Sektenführer mit mehreren 1000 Anhängern wurden Domitian und Schaposchnikow genannt, wegen ihrer bevorzugten Todesart auch "Selbstverbrenner" genannt. Letzteres galt auch für die Sekte der Morelschtschiki, während der Prophet Schodkin den Hungertod als gottgefällig lehrte, usw.
Auch hier bleibt schwer auszumachen, ob solche Exzesse ohne Verfolgung von außen hätten geschehen können.
[1] Zitat nach Deschner, Kriminalgeschichte des Christentums, 2. Band, S. 386.
[2] Bernhard Stern, Geschichte der öffentlichen Sittlichkeit in Russland. Berlin 1907, Bd. 1, S. 249 ff. Als Vorläufer nennt Verf. außer Montanus noch die "Patriciani", die zur Zeit des Augustinus einer schroff dualistischen Lehre anhingen.