Sexualmoral, Christentum, Einfluss

Puppetmaster

Neues Mitglied
Hallo liebe Community,

mir stellt sich folgende Frage:
Die Annahme, dass die Sexualität im antiken Rom relativ zügellos war, ist ja weit verbreitet. Allerdings frage ich mich, ob die neue Religion des Christentums auf diese Sexualmoral Einfluss genommen hat. :grübel: Homosexualität, Prostitution, Sex vor der Ehe (bei Männern) und Vergewaltigung von (eigenen) Sklaven wurden im römischen Reich toleriert, beim Christentum aber wohl kaum.

Zusammengefasst: In wie fern hat das Christentum die Sexualmoral im antiken Rom verändert?

Ich bedanke mich jetzt schon für die (qualifizierten) Antworten. Links und Buchtipps könnt ihr mir auch gerne schreiben.

Euer Puppetmaster
 
Die Annahme, dass die Sexualität im antiken Rom relativ zügellos war, ist ja weit verbreitet. Allerdings frage ich mich, ob die neue Religion des Christentums auf diese Sexualmoral Einfluss genommen hat. :grübel:

Das kann man so nicht sagen. Sexualmoral ist einerseits eng mit der Kultur (und Religion) verknüpft, andererseits aber auch Moden unterworfen. So gab es z.B. in der späten römischen Republik durchaus die Angewohnheiten, dass römische Senatoren ihre Vorfahren - oder gar sich selbst - als griechische Heroen darstellen ließen (also nackt!). Als Augustus vorgab die Republik wiederherzustellen, verordnete er ein neues, konservatives und v.a. züchtiges Bildprogramm. Zwar konnten Ehen relativ problemlos geschieden und neu verknüpft werden, aber die offizielle augusteische Sexualmoral war eher keusch. Im Gegensatz dazu stand das ausschweifende Leben seiner Tochter, welches ihr die Verbannung einbrachte.

Die offen gelebte Homosexualität ist eher ein Element der griechischen als der römischen Kultur, der das wohl eher als unmännlich galt.
 
Die Annahme, dass die Sexualität im antiken Rom relativ zügellos war, ist ja weit verbreitet.

Hier fragt sich natürlich, woran sich die Relationen zügellos - nicht zügellos orientieren.

Beliebt ist, die oft vorgebrachte These der Dekadenz vornehmlich der römischen Oberschicht sowie allgemein der Spätantike mit Schlüpfrigkeiten zu illustrieren. Es sei darauf verwiesen, dass eine Epoche, welche diskrete Kleinode und Justine et Juliette hervorgebracht hat, ein dankbareres Objekt für solche Überlegungen bietet...

Natürlich beherrschen allerlei speziell auf unterschwellig sexuelle Ausschweifung (als Metapher für Dekadenz) formulierte Bilder solche allgemeinen Vorstellungen. Da lassen sich gleich drei historische Romane anführen:
Felix Dahn "ein Kapf um Rom" (wo den aristorkatischen Römern die Goten zwar miß-, die Gotinnen aber sehr gefallen...)
Henryk Sienkiewicz "quo vadis" (Literaturnobelpreis - wo sich ein römischer Aristokrat peitschend an einem Sklaven abreagiert)
Jewgenij Zamjatin "die Geißel Gottes" (hier schon zu papaphrasieren verbietet der gute Ton...)
--- natürlich setzen diese Romane das Bild von der dekadenten Ausschweifung motivisch ein, um die moralische Fallhöhe zu verdeutlichen.

Insgesamt dürfte die Vorstellung von der besonderen Zügellosigkeit der römischen Oberschicht ein Thema der Imagologie sein, insbesondere ein literaturhistorisches. Es ist unwahrscheinlich, dass die Leute im alten Rom, im Mittelalter oder sonstwann zügelloser gewesen seien als die heutige europäische Gesellschaft.

Die Kirche, welche in der römischen Kaiserzeit sowie im frühen Mittelalter ihre Macht- und Einflußsphäre überhaupt erst erarbeitete, hatte andere aktuelle Sorgen als das Liebesleben der Gläubigen oder Ungläubigen - man musste sich mit Häresien streiten, missionieren usw. So war z.B. der fränkischen Kirche der Vielweiberei der Merowingerkönige gegenüber relativ tolerant (wer redet auch gerne mächtigeren rein, so lange man selber nicht vergleichbare Positionen innehat)

Teilweise ist übrigens die Unterstellung der Zügellosigkeit speziell heidnischer Oberschichten auch eine Art ideologische Kriegsführung gewesen, d.h. ein polemisches argumentum ad hominem.
 
Die Frage ist jedoch auch, inwieweit wurde die jüdisch geprägte Sexualmoral der frühen Kirche, von den Römern bzw. anderen christianisierten Völkern beeinflusst!
Nehmen wir als Beispiel die Germanen - bei denen war Homosexualität bereits ein todeswürdiges Delikt, als es noch gar keinen Jebus gab ;)
Wer weiß da schon, ob sich die Verteufelung der Homosexualität dermaßen in der Kirche durchgesetzt hätte, wenn eine der größten Stützen des frühen Christentums, nämlich die germanischen Königreiche, in der Frage eine andere Meinung vertreten hätten?

Man betrachte, um mögliche Ähnlichkeiten herauszuarbeiten, nur einmal den Themenkomplex der "Hexenverfolgung".
In diesem Bereich war die Kirche in ihren frühen Jahrhunderten, eine vom Volksglauben getriebene.
Anfangs stemmte man sich noch gegen die Verfolgung von Hexen, bis man sich schließlich der Mehrheitsmeinung des Volkes unterordnete.

Ähnlich wird es wohl auch punktuell bei der Sexualmoral gelaufen sein.
Augustinus, der die Sexualmoral der Kirche maßgeblich beeinflusste, war ursprünglich ein heidnischer Orientale. Dementsprechend ließ er auch seinen kulturellen Background, in die von ihm verfassten Schriften mit einfließen.
 
ich denke nicht, dass es im römischen reich eine einheitliche sexualmoral gab, sondern das sich diese je nach glaubenszugehörigkeit, gesellschaftsschicht und ethnischer zugehörigkeit unterschied. die bevölkerung des gesamten reiches war viel zu heterogen, als das man von einer einheitlichen sexualmoral ausgehen kann.
 
Wandel Sexualmoral 100 v.Chr. und 100 n.Chr

Hallo Community,

ich schreibe bald eine Facharbeit und bin etwas überfordert die passende Literatur zu finden...
Thema: "Zum Wandel der Sexualmoral zwischen 100 v.Chr. und 100 n.Chr"
dies bezieht sich räumlich gesehen auf das Römische Reich.

Falls jemand passende Literatur weiß oder finden kann, oder vielleicht einfach nur nützliche Fakten (am besten mit Belege) kennt, wäre es nett wenn ihr mir eine Antwort schreiben könntet

Gruß
Puppetmaster
 
Da bin ich doch glatt überfragt, aber weil ich neugierig bin, frage ich einfach mal zurück: Was ist denn die Motivation, anzunehmen, daß sich die Sexualmoral geändert hätte? Wie definierst Du überhaupt Sexualmoral? Und ist das römische Reich nicht etwas groß? Du müsstest zwischen kleinen spanischen Hochlanddörfern und einer Metropole wie Alexandria schon einen Unterschied machen, denke ich.
 
Bei Paul Zanker, Augustus und die Macht der Bilder wirst du auch etwas zur Sexualmoral finden, ganz losgelöst vom Christentum.
 
Die Sexualmoral der Römer betrifft sicherlich viele Themenbereiche, wie z. B. öffentliche Zurschaustellung von Sexualität (bei den Ausgrabungen in Pompeji hat man doch so einiges gefunden, was man mit hochroten Kopf direkt ins Geheimkabinett verbannt hat), Prostitution (männliche wie weibliche), Homosexualität sowie Päderastie.

Auf den ersten Blick scheint ja die Sexualmoral (Moral kommt von lat. Mos = Sitte) eine andere zu sein als die heutige oder gar die von vor 40 oder 50 Jahren. Sexualität scheint auf den ersten Blick im vorchristlichen Rom freizügiger und öffentlicher zu sein als zu späteren Zeiten.

Ist dieser Eindruck denn überhaupt richtig? Was hat denn die Haltung zur Sexualität denn geändert? Lag dies am Christentum?
 
Grundsätzlich haben wir hier wieder einmal ein Quellenproblem: Kein römischer Autor hat (meines Wissens) ein Buch geschrieben, das sich explizit mit Sexualmoral oder gar ihrer Geschichte befasst hätte. Was wir darüber wissen wollen, müssen wir aus beiläufigen Erwähnungen und archäologischen Funden zusammenkratzen. Die Informationen, die wir daraus gewinnen, sind durchaus widersprüchlich und nicht unbedingt verallgemeinerungsfähig. Wenn z. B. ein Autor eine eher lockere Einstellung hatte, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass die Masse seiner Zeitgenossen alles ebenso sah. (Auch heute haben sogar Menschen im selben Kulturraum mit ähnlichem sozialem Hintergrund oft völlig unterschiedliche Ansichten zu Themen wie Treue, ausgefallenere Sexualpraktiken, Homo- oder Bisexualität etc.) Die eher lockere Einstellung von Autoren wie Horaz (der in seiner Satire über seine Reise mit Maecenas so ganz beiläufig erwähnte, dass er bei einer Übernachtung in einer Gaststätte ein Mädchen von dort für Sex engagierte) oder Ovid (siehe "Ars Amatoria") stand in Widerspruch zur "offiziellen" Linie des Augustus - der in Widerspruch zu seiner offiziellen Politik privat auch kein Kind von Traurigkeit war. Wie es die Masse der Römer mit der Sexualität wirklich hielt, lässt sich letztlich nicht wirklich sagen.
 
ich möchte da an die Saturnalien erinnern, während derer die Pflicht der ehelichen Treue aufgehoben war.
Wo hast Du denn das her? Ich kann mir das nicht so recht vorstellen. Wenn, dann galt das zumindest bestimmt nicht für Frauen. Schließlich geht es bei der ehelichen Treue nicht nur um ein Monopol beim Sex, sondern auch um die Sicherstellung, dass Nachkommen vom Ehemann stammen. So ein stolzer römischer Ehemann wollte bestimmt nicht, dass der Erbe seines Namens und Vermögens zu den Saturnalien von irgendeinem Fremden gezeugt worden war.
 
ich möchte da an die Saturnalien erinnern, während derer die Pflicht der ehelichen Treue aufgehoben war. Desweiteren galt im alten Rom Sex mit einer Prostituierten nicht als Ehebruch.

Hier ein paar Fresken aus Pompeji:
pompeji sexualität - Google-Suche=

Ich wollte auch auf die Funde aus Pompeji hinweisen:

Erotic art in Pompeii and Herculaneum - Wikipedia, the free encyclopedia

The city was found to be full of erotic art and frescoes, symbols, and inscriptions regarded by its excavators as pornographic. Even many recovered household items had a sexual theme. The ubiquity of such imagery and items indicates that the sexual mores of the ancient Roman culture of the time were much more liberal than most present-day cultures, although much of what might seem to us to be erotic imagery (e.g. oversized phalluses) could arguably be fertility-imagery.

Neu (und befremdlich) empfand ich die Benutzung von Phallus-Symbolen als Türklopfer:

Planet Wissen - Wissensfrage (mit Abbildung)

Sie sind klein und haben eine gewisse Ähnlichkeit mit Kuh- oder Ziegenhörnern. Ihre Farbe ist häufig rot oder rosa und sie sollen Glück bringen - vor allem in der Liebe. "Cornetti" (Einzahl: "Cornetto") sind gleichermaßen ein Symbol für Glück als auch für Kraft, die sie ihrem Träger verleihen sollen. Um Pompeji herum werden sie als magisches Souvenir verkauft. Ethnologen führen sie auf das römische Symbol des Penis zurück. Überall in Pompeji findet man das erigierte, männliche Geschlecht, zum Beispiel an Türen und Straßenkreuzungen.
Stilisierte Penisse fanden sich an allen Ecken und Enden in Pompeji. Sie dienten als Türöffner und sollten Schutz vor dem Eindringen böser Kräfte bieten. Als Fruchtbarkeitssymbol sollten sie zahlreiche Nachkommen garantieren. Die Symbolik hat im süditalienischen Volksglauben bis heute überlebt. Die "Cornetti", die Touristen gern als Souvenir kaufen, sind eine weniger derbe Form der antiken römischen Penismagie.
 
Ich warne allerdings auch im Falle Pompeiis vor voreiligen Schlüssen: Dass es in der Stadt mehrere Bordelle gab und man überall Werbung und schlüpfrige Sprüche findet, bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Masse der Bevölkerung ein freizügiges Sexualleben geführt hat. Auch hier der Vergleich mit heute: Auch heute wird im öffentlichen Raum mit Sexualität relativ locker umgegangen und gibt es allerorts Rotlichtviertel oder zumindest einschlägige Etablissements, aber trotzdem führen nicht alle Menschen ein freizügiges Sexualleben, sondern gibt es immer noch genug Menschen, die das aus moralischen Gründen ablehnen.
 
Wo hast Du denn das her?

Schon der von mir zitierte Wikipedia-Artikel spielt darauf an:
Auch sonst lockerte sich die Moral während der Feiertage erheblich.

Quellen:
Vom Treiben der Römer | MDR.DE
Valentinstag - Viel Spaß bei den Luperkalien - Der Blog aus Rom

Ich kann mir das nicht so recht vorstellen. Wenn, dann galt das zumindest bestimmt nicht für Frauen. Schließlich geht es bei der ehelichen Treue nicht nur um ein Monopol beim Sex, sondern auch um die Sicherstellung, dass Nachkommen vom Ehemann stammen. So ein stolzer römischer Ehemann wollte bestimmt nicht, dass der Erbe seines Namens und Vermögens zu den Saturnalien von irgendeinem Fremden gezeugt worden war.

Natürlich wollte das jeweils die andere, gehörnte Seite nicht. Hier galt das elfte Gebot: "Du sollst Dich nicht erwischen lassen".

Frauen hatten übrigens weniger Rechte als Männer:
Ehebruch ? Wikipedia
 
Dass Ehebruch an den Saturnalien erlaubt war, kann ich Deinen Links aber nicht entnehmen. Bei der "gelockerten Moral" muss es nicht unbedingt um Sex gehen, die Sittenstrenge konservativer Römer umfasste schließlich auch andere Lebensbereiche wie Tafelluxus, unzüchtige Aufführungen etc. Und wenn doch, können auch unverheiratete junge Männer gemeint sein.
 
Man muss unterscheiden zwischen einer vom Staat erwünschten Sexualmoral (hier sei noch einmal auf Augustus und die Macht der Bilder hingewiesen) und der Sexualmoral der einfachen Leute (hierzu sei auf Weeber, Decius war hier verwiesen).
Aber auch in der Hochkultur gibt es durchaus deutliche Spuren von Pornographie, wo von vor lauter Lust explodierenden Götterfigurenen die Rede ist, ja selbst beim Militär, man denke nur an die Pferdeanhänger mit Phallussymbolen, die man immer wieder in Militärlagern, aber auch auf dem Kalkrieser Schlachtfeld gefunden hat.
 
Schon richtig, nur sollte man davon nicht auf eine allgemeine Sexualmoral schließen. Wir haben eben nur Momentaufnahmen vorliegen, aber keine in der Antike angefertigte Studie über das Sexualleben der römischen Reichsbevölkerung. Ich kann nur immer wieder auf heute verweisen, wenn man da die Übersexualisierung in den Medien, die Präsentation von Sexualität im öffentlichen Raum und die Kommerzialisierung der Erotik als Quelle hernimmt (Ich verweise aber z. B. auch auf Schmierereien auf öffentlichen WCs, die man direkt mit den Wandschmierereien in Pompeii vergleichen kann.), müsste man daraus auch schließen, dass die gesamte heutige Bevölkerung Mitteleuropas ein überaus freizügiges Sexualleben führt. Aber wir wissen doch alle aus dem eigenen Bekanntenkreis, das das keineswegs auf alle Menschen zutrifft und auch hierzulande Menschen völlig unterschiedliche Einstellungen und Lebensweisen haben.
 
Die Sitten- und Ehegesetze des Augustusdienten ja unter anderem dazu, Ehebruch unter Strafe zu stellen, und sollten die Kinderarmut in den oberen Schichten beenden, womit er letztlich aber gescheitert ist. Man kann also daraus ableiten, daß der Ehebruch als ein Problem empfunden wurde, daß sich offensichtlich so weit entwickelt hat, daß man hier regelnd eingreifen mußte, wobei man hier noch Augustus persönliches Engagement mit dazurechnen darf. Bei Horaz gibt es da einige Stellen, die die Sittenlosigkeit und vor allem den Ehebruch anprangern.

Grundsätzlich wird mit Sexualität freier umgegangen, wobei man hier arg differenzieren muß. Sexualität gab es immer, auch in allen möglichen Spielarten, ob nun 100 v. Chr. oder 100 n. Chr. Auf der anderen Seite hat man aber auch eine andere Haltung dazu, sie ist ja zum Teil auch kultisch ausgelegt, wenn ein erigierter Phallus als Symbol dient, als Kultmal, als kleiner Fetisch, oder auch als Gottheit verehrt wird. Man muß sich vor Augen halten, daß es eine Vorstellung von Privatheit oder Intimität, so wie wir sie kennen, in der Antike nicht gab. Natürlich kopulierten nicht ständig alle frei auf der Straße herum, aber wenn man mit vielen anderen zusammen auf der Latrine saß, hatte man auch kein Problem damit, daß der Geschlechtsakt nicht nur im stillen Kämmerlein stattfand. In den engen und kleinen Tavernen zum Beispiel war gar nicht soviel Platz, wenn ein Mann sich das Schankmädchen in eine dunkle Ecke zog.

Die Wahrnehmung von Sexualmoral hat meines Erachtens damit zu tun, was man zu tolerieren bereit ist. Dies setzt aber auch das Wissen um die Sexualität des anderen voraus, und das ist eine Frage der sozialen Kontrolle. Im Rom des Jahres 100 v. Chr. haben wir eine viel geschlossenere Gesellschaft der Oberschicht vor uns, die sich vielmehr in engen Grenzen bewegt, als 100 oder 200 Jahre später. Das Anwachsen der Stadt, die Menge an Menschen und damit die Menge an Möglichkeiten, die vielen armen menschen, die in die Stadt gespült oftmals kaum eine andere Möglichkeit haben als sich zu prostituieren, die zunehmende Anerkennung der griechischen Kultur mit der Zunahme an Kulturimporten wie dem Theater und vor allem die Anonymität der großen Masse schaffen eine andere Lage.

gerade in Umbruchzeiten, wenn alte regeln wegbrechen, scheinen sich Menschen zu finden, die versuchen, Grenzen zu überschreiten und auszuloten, was sie dürfen. Die von Horaz beklagte Sittenlosigkeit scheint also eine Folge der späten Republik zu sein, in der mit den Bürgerkriegen auch viele Regeln des mos maiorum an Gültigkeit verlieren, die Ehegesetze des Augustus sind da ein Beispiel wie sein Umgang mit den beiden Juliae, Tochter und Enkelin.
Auch die frühe Kaiserzeit zeigt, wie mit den Grenzüberschreitungen im Rahmen der Sexualmoral negative Urteile verbunden wurden, auch wenn die Gerüchte nicht immer verifizierbar sind, so kann man an ihnen aber darstellen, daß die Leute sie für möglich gehalten und verurteilt haben. Die perversen Orgien des Tiberius auf Capri, die Inzucht von Caligula mit seinen Schwestern, die öffentlichen Bordellbesuche von Messalina beschreiben einen Rahmen, in welchem sich Angehörige der Oberschicht in dieser Zeit bewegen konnten, bei Angehörigen des Plebejerstandes hat da wohl kaum jemand nachgefragt.

Insgesamt muß man wohl eher sagen, daß es immer eine recht rigide Sexualmoral gab, egal, ob in republikanischer Zeit oder in der Kaiserzeit. Daß man seine Sexualität ausgelebt hat, daß man ins Bordell ging, daß man sich an seinen Sklavinnen und Sklaven vergriff, stand dabei gar nicht zur Debatte, sondern wie man sich nach außen gab.
 
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