Siam - Die Sukhothai Dynastie

Wilfried Steven

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Bereits in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhundert schüttelten die Thai durch wiederholte Aufstände und tollkühnen Vorstößen das große Khmer-Joch ab, besetzten und zerstörten das alte mächtige Angkor und vertrieben die einstigen Herrscher. Das Königreich Sukhothai entstand im Jahre 1238. Dies war sicher am Anfang die wichtigste Staatsgründung Thailands überhaupt, begann doch hier die Grundlage und der Antrieb für das spätere Siam, dem heutigen Sukhothai.

Sukhothai


Das Jahr 1220 kann man als das größte Schicksalsjahr der Thai bezeichnen, denn in diesem Jahr starb der große Ankor-Lönig Jasoriaman VII (eine andere Schreibweise lautet auch Jayavarman VII), und damit verlor das mächtige Khmer-Reich an Stärke. Es trat eine deutliche große Krise unter der Khmer-Macht ein, was den Thai ermöglichte, einen großen Qualitätssprung zu machen. Denn genau 1238 begannen zwei Thai Prinzen, noch in Khmer-Diensten, in Sayam, dem späteren Sukhothai, eine Rebellion gegen die Herrscher der Khmer und hatten auch sichtlichen Erfolg damit. Aufgrund der lang andauernden Stagnation im Herzen des Angkor-Reiches, konnten sich die Thai zu einer starken militärischen Kraft entfalten. Da sie ausreichend Kriegserfahrung und militärische Ausbildung unter der Knechtschaft der Khmer errungen hatten, formierten die beiden Thai-Fürsten, Prinz Khun Bang Klang und Prinz Khun Pa Muang, eine sehr schlagkräftige Armee gegen die große Streitmacht des Khmer-Generals Khan Lampong. Nach einer blutigen Schlacht standen die hoch motivierten Thais als Sieger dar. Anschließend erklärte man Sukhothai zum ersten unabhängigen Staat.


Das Schicksal des Landes, das wir als Vorläufer des heutigen Thailands ansehen können, hängt weitgehend von der geographischen Bedeutung der zentralen Stadt ab Sukhothai (wörtlich übersetzt „Morgengrauen der Freude“) liegt in einem Gebiet, wo die Berge und Hügel des Nordens dem Becken des Menam weichen, in den nach und nach alle kleinen Flüsse münden. Über den Flussweg mit den großen kambodschanischen Zentren am Golf von Siam verbunden, liegt es auch nicht weit vom Golf von Bengalen entfernt, an dessen Küsten sich die Birmanen niedergelassen haben.


Khun Bang Klang wird daraufhin zum König ernannt und erhält den Titel Sri Intrathit (Indraditya). Der andere Thai-Prinz, Khun Pa Muang, bekommt einen hohen königlichen Posten; da er allerdings mit einer Khmer-Prinzessin verheiratet ist, wird er von allen Thais, trotz seines Einsatzes, misstrauisch behandelt. Historiker vermuten, dass Khun Pa Muang danach die Herrschaft über Lopburi übernahm, eine strategisch wichtige, starke Festung der ehemaligen Herrscher im mittleren Thailand. Die Stadt Lopburi wurde deshalb auch in späteren Zeiten nie Vasallenstaat von Sukhothai.


In den folgenden Jahren wird das Sukhothai-Reich durch militärische Eroberungen und diplomatische Annexionen immer stärker. Auch das Reich der Mon hatte den Zenit der Macht schon lange überschritten und konnte das junge Thaireich nur noch kulturell beeinflussen. Aufgrund seiner Liberalität traten nach und nach die Thai-Fürstentümer dem jungen Sukhothai-Reich durch eben diese diplomatischen Annexionen bei, hatte man doch das Joch der Khmer-Herrschaft endgültig abgeschüttelt. Zudem gab es doch in Sukhothai keine Sklaverei oder diktatorische Regelungen, noch mussten die Bürger eine hohe Steuerlast entrichten. Die neuen Machtverhältnisse sind noch zu sehr mit der Stabilisierung des Staates beschäftigt, so dass die Staatsform zwar die eines Königreiches war, aber es den Herrschern noch nicht ermöglichte, auch absolut zu regieren. Die nachfolgenden Jahre führten zu neuen Ordnungsverhältnissen im Land.


Kaum war der junge Staat zusammengefügt, bahnte sich eine neue größere Gefahr aus dem Norden an. Im Jahre 1253 eroberte der chinesische Kaiser Kublai Khan das kleine Thai-Königreich Nanchao, dass zwar ein paar hundert Kilometer nördlich von Sukhothai lag, aber durch den eintretenden Flüchtlingsstrom aus dem Norden in noch größerer Wachsamkeit gegenüber dem neuen Nachbarn setzte. Eine Völkerwanderung trat ein und große Menschenmengen aus dem angegriffenen Nanchao-Reich flohen nach Sukhothai, womit sie das neue, junge Reich Sukhothai weiterhin stärkten. Es schien so, dass Kublai Khan nicht weiter nach Süden vorstoßen wollte, was Sri Inthrathit veranlasste, die Zeit zu nutzen um sein Heer aufzurüsten, die Stadt selber in den Befestigungen zu verstärken und Kundschafter auszusenden.


Einer der bedeutenden Könige der thailändische Geschichte betrat die Bühne: Prinz Mengrai. Prinz Mengrai stammte aus Chiang Saen und war Sohn einer thai-laotischen Fürstenfamilie. Er soll aus dem untergegangenen Nanchao den Generälen Kublai Khans entflohen sein. Mit einer treuen Gefolgschaft konnte er mehrere verfeindete Thai-Stämme einigen und seinen Einfluß über den gesamten Norden Thailands ausdehnen und das Lannatai-Königreich, daß Königreich der Millionen Reisfelder, errichten. Die Burmesen nannten es Lan-Na und in den Pali-Chroniken wurde es als das Königreich Yonakaratha bezeichnet.


Eine wichtige Einnahme war der kleine unabhängige Stadtstaat Phrae. Die kleine Stadt liegt im Tal des Yom-River und gehört zu den ältesten Orten Siams. Bereits vor rund 1200 Jahren ließen sich hier die ersten aus dem südlichen China einwandernden Thais nieder. Als unabhängiges Fürstentum war es auch unter dem Namen Wiang Kosai bekannt.


Als erste Stadt gründete er 1262 Chiang Rai, daß in den ersten Jahren als Hauptstadt diente. In dieser Umgebung hatte zuvor, wegen der günstigen Lage, das Volk der Lawa oder der Mon gesiedelt. Wieder gestärkt, gelang es Mengrai in den folgenden Jahren viele kleine Fürstentümer zu erobern bzw. zu integrieren. Das Lanna-Reich war der zweite aufstrebende, neben Sukhothai, Thai-Staat in Siam. Obwohl Prinz Mengrai freundschaftliche Beziehungen zum Königreich Sukhothai hält, und sich viele Einwohner aus dem ehemaligen Nanchao im südlichen Königreich Sukhothai wie auch im nördlichen Lannatai-Königreich ansiedeln, kommt keine Verbindung beider Reiche zu einem großen Thai-Königreich zustande.


Im Norden des Landes hatte er aber noch einen ebenbürtigen Gegner, der seine Machtposition gefährden konnte: das Haripunchai-Reich und seine Hauptstadt (das heutige Lamphun). Das Reich war nicht leicht zu erobern, da es sehr gut organisiert war und militärisch gut ausgerüstet. Die dichten umliegenden Wälder waren jedoch das größte Hindernis, um eine größere Armee heranmarschieren zu lassen. So warnten Megrais Generäle den König, seine Leute zerstreut durch den Wald laufen zu lassen. Hier konnte nur eine findige Taktik oder List weiterhelfen.


Da auf Dauer eine direkte militärische Konfrontation unmöglich war, griff König Mengrai zu einer List. 1275 schickte er seinen besten Spion, Ai Fa nach Haripuncha, um eine Methode ausfindig zu machen, um die Stadt zu erobern. Ai Fa entpuppte sich als ein genialer Agent von der Klasse eines James Bond. Innerhalb von nur sechs Jahren wurde er Stadtschreiber, dann Verteidigungsminister und schließlich gar Vizekönig. Er erhöhte die Steuern, kürzte die Verteidigungsausgaben und verschleuderte Gelder in sinnlosen Projekten. Als die Stadt nahe dem bankrott war und die Bevölkerung bereit zur Revolte war, hatte Ai Fa´s Mission ihr Ziel erreicht. 1281 griff Mengrai die in die Defensive gedrängte Stadt an und nahm sie im Handstreich. Ebenso konnte er die Mon-Stadt Lampang erobern. König Mengrai war ein großer Bewunderer des eroberten Reiches und ließ viele Künstler sein neues Reich verschönern.


Unabhängig von allen Entwicklungen wurde 1282 von Fürst Phaya Pukha das kleine Königreich Nan gegründet, die Stadt selbst im Jahre 1368. Durch geschickte Beziehungen mit den jeweils mächtigen benachbarten Herrschern konnte sich die regierende Dynastie als halbautonomes Königreich behaupten. Es war weder dem Expansionsdrang des Königreich Lanna noch des Königreiches Sukhothai gewachsen, konnte aber durch die relative Abgeschiedenheit in einem von hohen Bergketten umgebenen Tal konnte sich Nan eine weitgehende Autonomie (bis zum Jahre 1931 !) bewahren.


1287 festigte Mengrai seine Position durch einen Freundschaftsvertrag mit seinen zwei mächtigen Nachbarn, König Ngam Muang von Phayao, einem erstarkten Staat östlich von Chiang Mai, und König Rama Khamhaeng von Sukhothai. Im Vertrag wurden die Grenzen anerkannt und Zusammenarbeit beschlossen. Alle drei Könige sahen immer noch eine mögliche Gefahr gegenüber den Mongolen, die ihre Souveränität gefährden konnten. Durch einen Staatenbund, der nicht selbstverständlich in der thailändischen Geschichte war, konnte man nun zusammen eine möglich Gefahr aus dem Norden bannen. 1289 heiratete eine Tochter des Königs von Pegu, und schloss dadurch einen Freundschaftsbund mit den Mon.


Anfangs ließ er sich nicht jedoch nicht in der intakten Stadt Lamphun nieder, da sie ständig mit Überschwemmungen zu kämpfen hatte, sondern errichtete zunächst eine provisorische Machtbasis in Kum Kamm bei Chiang Mai. Warum er dies tat, gibt eine Legende wieder:

Die Legende erzählt, daß Mengrai sich eines Tages zur Jagd aufmachte und dabei am Ufer des Ping-Flusses vorbeikam. An einer Stelle erspähte er ein Paar weißer Sambar-Hirsche, ein Paar weiße Muntjak-Hirsche sowie eine weiße Maus mit fünf Jungen. Dieses Ansammlung so außergewöhnlicher Tiere schien ihm ein gutes Omen: Er entschied sich, an diesem Ort seinen Regierungssitz zu Bauen. 1296 wurde schließlich die neue Hauptstadt am Fuße der strategisch wichtigen Anhöhe Doi Suthep gegründet. Er gab ihr den Namen Noppbaburi Si Nakhonping Chiang Mai.


Beide Könige, Ngam Muang von Phayao und Rama Khamhaeng, unterstützten Mengrai beim Bau der Hauptstadt Chiang Mai. Der Überlieferung nach stiegen alle befreundete Könige auf einen Berg und wählten von dort die Lage der neuen Hauptstadt. Alleine für die mächtige Ringmauer sollen 90.000 Menschen dran gearbeitet haben. In Chiang Mai gibt es dazu das „Drei-Königs-Denkmal“ zu besichtigen.


Die politischen Entwicklungen schreiten fort, und Lannatai wird in den folgenden Jahrhunderten zum Verbündeten der Burmesen gegen das spätere Königreich Ayuthaya. Im Laufe der Zeit degradierte es sogar nur zum Vasallenstaat des wieder neu erstarkten Westreich von Burma.


Noch bevor König Mengrai Haripunchai angreifen konnte, konnte 1278 ein bedeutender Herrscher in dem Königreich Sukhothai die Thron-Nachfolge übernehmen: Rama Khamheng, der dritte von drei Söhnen des großen Begründers Sri Inthrathit. Er war allerdings der dritte Vertreter der Dynastie und somit nicht direkter Nachfolger seines Vaters. Sein älterer Bruder, Prinz Ban Muang, regierte in der Zwischenzeit; doch gibt es keine historischen Aufzeichnungen mehr (die größte damalige Bibliothek Siams wurde bei der Eroberung Ayuthayas vollkommen zerstört), die genau festhielten, wann Prinz Ban Muang den Thron bestiegen hatte und wie lange er regieren konnte. Es wird aber vermutet, dass es wohl eine sehr ruhige Regierungszeit des Aufbaues gewesen ist. Mit der Thronbesteigung des Rama Khamheng wird jedoch der junge Staat in den nächsten 40 Jahren Regierungszeit des jungen Königs nicht nur zu den großen Eroberungen streben, sondern auch zu dem wichtigsten Kulturzentrum Siams. Noch ist nicht abzusehen, daß der junge König zu einem Protagonisten der indonesischen Geschichte wird.


Sukhothai und die Herrschaft Rama Khamheng


Die ruhmreiche Herrschaft des Königs Rama Khamheng wird begleitet durch die Jahre der Eroberungen. Seine durchtrainierten Armeen kontrollieren bald ein Gebiet, daß nicht nur die Fläche des heutigen Thailands umfaßt, sondern auch den Osten des heutigen Burma und praktisch die gesamte Malaiische Halbinsel. So herrschte er nicht nur über Thais, sondern auch über einige Volksgruppen der Burmesen, der Mons und Shans im Westen, über Malaien im Süden, und über Khmer und Laoten im Osten. Da nun das mehr erstarkte Sukhothai freundschaftliche Beziehungen zum noch schwächeren Nachbarn im Norden hat und König Mengrai sich nicht gegen Sukhothai stellen kann, verzichtet Rama Khamheng auf einen Eroberungszug gegen Mengrai. Noch!


Während die vorrückenden, starken Mongolenheere dem antiken Thai-Staat Nanchao das Ende bereiteten, knüpfte der Thai-Staat Sukhothai bereits Beziehungen zu den nördlichen Nachbarn China, wo die Yüan-dynastie herrschte. 1282 kommt How Chow Chi, ein hoher chinesischer Mandarin nach Sukhothai und handelt ein solides Staatenbündnis zwischen den beiden Ländern aus. Das war politisch ein guter Schachzug, der die weitere Zukunft bestimmte. Im selben Jahr machte Rama Khamheng einen Gegenbesuch bei Kaiser Kublai Khan. Er brachte bei seiner Rückkehr chinesische Meister der Keramikkunst mit, die einen starken Einfluss auf die thailändische Keramik ausübten und die Sukhothai-Keramik entwickelten, sowie chinesische Gelehrte.


Die Herrschaft des Königs war eine geschickte Mischung aus milder, patriarchischer Härte und Diplomatie. Die Dorfgemeinschaften wurden mit soviel Regierungsgewalt ausgestattet, dass sie die meisten Belange in der Gemeinschaft selber regeln konnten.

Ihm war die Meinung jedes einzelnen Untertan wichtig. So ließ er eine Glocke am Palasttor anbringen, die jeder Einwohner läuten sollte, der eine Beschwerde oder ein persönliches Anliegen vorzubringen hätte. Erklang die Glocke, so erschien der König persönlich, um sich den Fall schildern zu lassen, um dass Anliegen anschließend zu lösen.


König Rama Khamheng verankerte den Hinayana-Buddhismus als Staatsreligion und verlangte von seinen Ministern und der königlichen Familie einen hohen moralischen Standard, so wie es auch in der Lehre des Buddha niedergelegt worden war. So entstanden ausgeglichene Kräfteverhältnisse am Hof und eine nur locker strukturierte Gesellschaft.


Auch gab es einen Gesetzes-Codex, der Thammasat, den die Thai von den Mon übernommen hatten. Dadurch war der König verpflichtet, als "König der Gerechtigkeit zu regieren und die zehn königlichen Tugenden zu achten: Aufrichtigkeit, Selbstzucht, Gewaltlosigkeit, Geduld und Zurückhaltung, Sanftheit, Zornelosigkeit, Moralität, Liberalität und das Geben von Almosen. Ein König sollte gerecht und weise regieren, so dass ihm dafür die Hingabe und Loyalität des Volkes sicher war. Da aber niemand über den König stand, konnte die Machtbefugnis des Königs nie beschnitten werden. Dem König wurde die Befolgung des Thammasat selbst überlassen.


Sukhothai war nun in seinen Grenzen gesichert. China befürchtete aber ein eventuelles Bündnis zwischen Sukhothai und Burma, und ließ deshalb 1287 die Hauptstadt Burmas, Pagan, durch seine Mongolenheere erheblich zerstört. Danach wurden die meisten Truppen der Mongolen wieder abgezogen. Der Staat reichte von Luang Prabang im Norden, Vien Chang im Osten, Ligor im Süden und Pegu im Westen. 1294 entsandte er eine weitere Tributabordnung nach Peking, die er als König selber anführte. Bei dieser Gelegenheit soll der siamesische König eine chinesische Prinzessin geheiratet haben.


Doch Burma wurde er richtig geschwächt als 1298, als im Verlaufe einer Rebellion Pagan von den Shan erobert und endgültig zerstört wurde. Sie nahmen den Herrscher von Burma gefangen und ließen ihn hinrichten. Die starke Präsenz von Shan und anderen Thaivölkern vereinigten sich, um einen Einfall der Chinesen in Oberburma zu verhindern. Den Chinesen war bewusst, dass eine erneute Einnahme Oberburmas nicht mehr so leicht werden würde, wie vorher. Man wartete zunächst die weitere Entwicklung ab.


Um 1300, nach dem Tod Kublai Khans, unternahm König Rama Khamhaeng, eine weitere Reise nach China, um die freundschaftlichen Beziehungen nochmals zu untermauern. Noch immer gab es die Gefahr einer möglichen Invansion von Seiten der Mongolen. Eine Sicherung der nördlichsten Grenze zu China ließ ihm Spielraum, den ganzen Norden Thailands, noch immer eine politisch-militärisch Zone der Instabilität, unter seiner Kontrolle zu bringen. Die Chinesen wiederum betrachteten zwar den Besuch des siamesischen Königs als Zeichen der Unterwerfung gegenüber dem Königreich China, hatten ihn aber auch als Herrscher respektiert.


Ein Jahr später eroberte er, trotz vorheriger guter Beziehungen, das Königreich Lanna thai (das heutige Lamphun) vollständig und integrierte es in seinem Staat. Der Grund für die Einnahme des Nachbarreiches war seine zu enge Beziehung zum Erzrivalen Burma. Zur gleichen Zeit schloss der Regent von Sukhothai ein Bündnis mit anderen Thai-Fürsten, vergrößerte sein Einflussgebiet bis Chiang Mai, eroberte im Osten das heutige Vientiane, im Norden Luang Prabang und im Westen die Stadt Pegu im südlichen Burma. Binnen kurzer Zeit wurde aus den vielen Kleinstaaten das große Königreich Sukhothai, dass spätere Siam. Durch eine geschickte Diplomatie und Militärführung wurde so Sukhothai zum zweitmächtigsten Reich in dieser Region.


Doch es waren vor allem die ganz neuen Institutionen und die kulturelle Entwicklung, die die Herrschaft Rama Khamhengs so ruhmreich werden ließen. Ihm wird so der Verdienst zugesprochen, 1283 ein ganz neues Schreibsystem für seine Sprache erfunden zu haben. So erhielt das ursprüngliche, bisher nur gesprochene Thailändisch (eine chinesische Sprache mit Mon, Khmer und vielleicht auch indonesischen (?) strukturellen Elementen) eine eigene Schrift durch Abänderung der altindischen Sanskrit-Schrift. Weiterhin reformierte er den Buddhismus, wobei er den Mönchen einen sehr strengen Verhaltenskodex auferlegte.


Aber auch geschickte Diplomatie, Gesetzgebung und Politik, sowie unterschiedliche Einflüsse in Architektur, Goldkunst, den Handel und Straßenbau ließen Sukhothai über die Grenzen hinweg bekannt werden. Als dann Rama Khamheng (Rama der Mutige) schließlich 1318 starb, hinterließ er ein reiches und mächtiges Reich, das unter seinen Nachfolgern aber seinen alten Glanz für alle Zeiten schnell verlor.


Unter der Regentschaft Königs Loe Tai (Lo Thai), ein Sohn Rama Khamhengs, begann allmählich der gefestigte Staat instabiler zu werden. Der neue König verehrte des Buddhismus im höchsten maße, und bekam deshalb auch den Titel König des Rechtes. Während seiner Regierungszeit wurden Beziehungen zu Cylon, dem Ursprungsland der Hinayana-Lehre sehr verstärkt. Er war aber auch Wissenschaftler und schrieb eine bedeutende Arbeit über Kosmologie.


Innenpolitisch ging es jedoch nicht so gut. Die meisten Fürstentümer entwickelten sich wieder mehr eigenständiger und der Einfluß Sukhothais wurde immer geringer. Als schließlich das Lannatai-Königreich 1338 das vormals mächtige Fürstentum von Phayao eroberte, das östlich von Chiang Mai lag, war bereits der Nachbar Sukhothai militärisch so weit geschwächt, daß es keinen Versuch unternahm, einmal seinen Einfluß zu vergrößern. Dafür erstarkten kleinere Fürstentümer, wie z.B. das Fürstentum Utong (in der Nähe der heutigen Stadt Suphanburi bei Ayuthaya), das von 1330-1350 viele kleine Fürstentümer erfolgreich eroberte, die ehemals unter der Oberhoheit Sukhothais standen. Damit wird Utong zum Initiator der späteren Ayuthaya-Dynastie. Die Stadt Ayuthaya wurde 1350 offizieller Regierungssitz.


Die nachfolgende zeitliche Geschichte der Sukhothai-Dynastie beschreibt nur den raschen Niedergang einer nur 140jährigen Regierungszeit. 1347 schließlich besteigt Prinz Lu Thai (Tammaraja I), ein Sohn von König Loe Tai, den Thron. Er ist übrigens nicht exakt bekannt, wie lange König Loetai regierte. Man vermutet, daß, bevor Lutai den Thron bestieg, ein König mit dem Namen Nguan Amthon für kurze Zeit die Regierungsgeschäfte übernahm. (Leider wurden die meisten geschichtlichen Zeugnisse darüber bei der Eroberung Ayuthayas zerstört.)


Lu Thai war vorher Vizekönig von Sawankhalok gewesen. Solange der neue König Lu Thai regierte, beschäftigte sich dieser, wie sein ater, jedoch mehr mit religiösen, statt mit den weit aus wichtigeren Regierungsgeschäften. Das Wohlergehen seiner Untertanen hatte für ihn einen hohe Stellenwert. Auch interessierte er sich sehr für die Astrologie und reformierte den Kalender der Thai.


An Außenpolitik war er jedoch kaum interessiert. So war dies sicher ein nicht unerheblicher Umstand, der Sukhothais politische Stellung letztendlich ganz untergraben hat. Dies hatte auch zur Folge, dass 1349 Sukhothai ohne Blutvergießen vom Fürstentum U-Thong erobert wurde. Sukhothai wurde ein Vasallenstaat. Lu Thai dankte 1361 ab und wurde Mönch.

Tammaraja, der Name, der König Lu Thai nach seinem Tod, 1370, verliehen bekam, ist auch eher ein religiöser Titel.


Die Nachfolge übernimmt Prinz Sai und er nennt sich selber Tammaraja II. Der Einfluss Sukhothais war praktisch nicht mehr vorhanden. Dies wird um so mehr deutlich, als nur ein Jahr später König Boromaraja I von Ayuthaya in Gebiete einmarschierte, die offiziell zu Sukhothai gehörten. Weder politisch, militärisch oder diplomatisch konnte diese Entwicklung anders verlaufen. 1375 wurde der Ort Phitsanulok, die zweite Hauptstadt des Sukhothai-Reiches von den Truppen Boromaraja vollständig erobert. Es dauerte nochmals ganze drei Jahre, bis König Tammaraja II den Status als Vasall von Ayuthaya annahm. Damit endet die unabhängige Geschichte des ersten größeren Thai-Staates nach nur 140 Jahren.


Der nachfolgende König Tammaraja III, auch bekannt unter dem Namen Sai Lü Thai, hielt zwar noch einen geringen Teil Unabhängigkeit, konnte aber den Niedergang trotz seiner langen, zwanzigjährigen Regierungszeit nicht aufhalten. Der letzte König von Sukhothai war Tammaraja IV, unter dem Namen Borampal bekannt, der von 1419-1438 regierte. Doch konnte er bereits nur noch als Vasallenfürst regieren. 1438 wurden die Provinzen Sukhothais dem Königreich Ayuthaya einverleibt. Dies war das endgültige Ende.

© Wilfried Stevens

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