Siedlungsgebiete der Brukterer

Sepiola

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Aber ich habe eine Frage, die ich nicht beantworten kann............die Frage, wo genau das Siedlungsgebiet der Bructerer lag.

"Genau" wird sich die Frage nicht beantworten lassen.

Ptolemaios schreibt folgendes:

"Das Gebiet Germaniens bewohnen entlang des Rheins, begonnen von Norden, die Kleinen Brukterer und Sugambrer. Südlich von ihnen wohnen die Langobardischen Sueben, dann folgen die Tenkterer und Inkrionen zwischen dem Rhein und dem Abnoba-Gebirge [...]
Die Ozeanküste bewohnen nördlich der Kleinen Brukterer die Friesen bis zur Ems, nach diesen folgen die Kleinen Chauker bis zur Weser, dann die Grossen Chaiker bis zur Elbe [...]
Von den im Innern des Landes wohnenden Völkern sind die grössten das Volk der Angilischen Sueben, die sich östlich der Langobardischen Sueben nach Norden bis zur Mitte der Elbe erstrecken [...]
Kleinere Völker siedeln im Landesinnern verstreut: nämlich zwischen den Kleinen Chaukern und den Angilischen Sueben die Grossen Brukterer [...]"

Auf der Karte bei Stückelberger/Grasshoff sieht das so aus:

1731283479813.png
 
Strabo erwähnt die Brukterer 2 bzw. 3x (wenn man von den gefangenen Brukterern im Triumphzug des Germanicus absieht). Einmal soll Drusus gegen sie auf der Ems eine Seeschlacht gewonnen haben.
εἰσὶ δὲ μεταξὺ καὶ ἄλλοι ποταμοὶ πλωτοὶ - ὧν ἐν τῷ Ἀμασίᾳ Δροῦσος Βρουκτέρους κατεναυμάχησε - ῥέοντες ὡσαύτως ἀπὸ νότου πρὸς βορρᾶν καὶ τὸν ὠκεανόν.​
Zum anderen sollen die Brukterer ozeannah, die kleinen Brukterer (Βρουκτέρων τῶν ἐλαττόνων) an der Lippe gelebt haben:

ἄλλα δ᾽ ἐνδεέστερά ἐστιν ἔθνη Γερμανικὰ Χηροῦσκοί τε καὶ Χάττοι καὶ Γαμαβρίουιοι καὶ Χαττουάριοι: πρὸς δὲ τῷ ὠκεανῷ Σούγαμβροί τε καὶ Χαῦβοι καὶ Βρούκτεροι καὶ Κίμβροι Καῦκοί τε καὶ Καοῦλκοι καὶ Καμψιανοὶ καὶ ἄλλοι πλείους. ἐπὶ ταὐτὰ δὲ τῷ Ἀμασίᾳ φέρονται Βίσουργίς τε καὶ Λουπίας ποταμός, διέχων Ῥήνου περὶ ἑξακοσίους σταδίους, ῥέων διὰ Βρουκτέρων τῶν ἐλαττόνων.​
Allerdings gibt es dort dann die seltsame Angabe, dass Weser und Ems in dieselbe Richtung, wie die Lippe flössen. Da ist Strabo falsch informiert.
 
Tacitus schreibt in der Germania, dass die Brukterer "jetzt" (nunc, 98 n. Chr.) ausgerottet seien. 60.000 seien dahingemetzelt worden:

super sexaginta milia non armis telisque Romanis, sed, quod magnificentius est, oblectationi oculisque ceciderunt.​
Einige Jahrzehnte früher (15 n. Chr.) sieht es noch anders aus. Da leben die Bructerer zwischen Rhein, Ems und Lippe: Caecina soll durch das Gebeit der Brukterer zur Ems marschieren, um dort auf Germanicus zu treffen, danach geht es gemeinsam durch das Gebeit zwischen Ems und Lippe bis zu den letzten Brukterern:

et ne bellum mole una ingrueret Caecinam cum quadraginta cohortibus Romanis distrahendo hosti per Bructeros ad flumen Amisiam mittit, [...] Bructeros sua urentis expedita cum manu L Stertinius missu Germanici fudit; interque caedem et praedam repperit undevicesimae legionis aquilam cum Varo amissam. ductum inde agmen ad ultimos Bructerorum, quantumque Amisiam et Lupiam amnis inter vastatum,​
Im Jahr 56 erwähnt Tacitus die Brukterer dann als Teil einer Koalition aus Stämmen, die von den Ampsivariern geschmiedet worden sei, aber unter dem Eindruck des römischen Heers auseinanderbrach, mit der Folge, dass die Ampsivarier aus ihren Sitzen vertrieben wurden. Auch hier sind die Brukterer noch in Nähe zum Rhein zu sehen, da Tacitus die Rheinanrainer namentlich nennt und dann noch weitere, weiter abgelegene Stämme nennt, die er aber nicht namentlich aufführt.
Dann - im Bataveraufstand 69/70 - spielen sie wieder eine Rolle, aber lediglich bei der Erwähnung der Seherin Veleda grenzt Tacitus in den Historien die Siedlungsgebiete ein: Die Germanen bringen das erbeutete Flagschiff der römischen Rheinflotte die Lippe hoch zu Veleda.
 
Allerdings gibt es dort dann die seltsame Angabe, dass Weser und Ems in dieselbe Richtung, wie die Lippe flössen. Da ist Strabo falsch informiert
Das könnte man erklären, wenn man statt "fließen" den Begriff "verlaufen" nimmt.
Über Ems, Lippe und Weser (= Werra) kommst Du flussaufwärts grob in Richtung Osten (Lippe) und Südosten (Werra, Ems).

Strabon hatte vielleicht die Information, dass man flussaufwärts über Lippe, Ems und Weser die selbe Region erreichte.

Und dies entsprach ja auch dem taktischen Vorgehen der römischen Truppen unter Drusus und Germanicus, getrennte Aufmarschwege zu nehmen und die Flußsysteme für die Logistik und Versorgung zu nutzen.
 
Das könnte man erklären, wenn man statt "fließen" den Begriff "verlaufen" nimmt.
Über Ems, Lippe und Weser (= Werra) kommst Du flussaufwärts grob in Richtung Osten (Lippe) und Südosten (Werra, Ems).

Strabon hatte vielleicht die Information, dass man flussaufwärts über Lippe, Ems und Weser die selbe Region erreichte.

Und dies entsprach ja auch dem taktischen Vorgehen der römischen Truppen unter Drusus und Germanicus, getrennte Aufmarschwege zu nehmen und die Flußsysteme für die Logistik und Versorgung zu nutzen.
Ich schätze durchaus problemlösende Ansätze. Auf der anderen Seite bin ich stets skeptisch gegenüber Versuchen, Angaben aus Quellen mit der Wirklichkeit zu harmonisieren. Strabo schreibt ja in diesem Zusammenhang auch, dass die Lippe 600 Stadien (+/- 106 km) vom Rhein entfernt gewesen sei. Er schreibt nicht, sie sei 600 Stadien lang (tatsächlich liegen zwischen Wesen und Bad Lippspringe 150 km ~ 900 Stadien). sondern 600 Stadien vom Rhein entfernt (διέχων Ῥήνου).
Strabo erklärt auch vier, fünf Sätze früher, warum alle Flüsse nach Norden fließen: Weil das Land nach Süden hin ansteigt. Somit müssen wir einfach feststellen, dass er sich Germanien als "schiefe Ebene" vorstellt, in der alle Flüsse nach Norden fließen, dass die Lippe nach Westen fließt, hat in dieser Vorstellung keinen Platz.

μετὰ δὲ τοὺς παραποταμίους τἆλλά ἐστιν ἔθνη τὰ μεταξὺ τοῦ Ῥήνου καὶ τοῦ Ἄλβιος ποταμοῦ, ὃς παράλληλός πως ἐκείνῳ ῥεῖ πρὸς τὸν ὠκεανόν, οὐκ ἐλάττω χώραν διεξιὼν ἤπερ ἐκεῖνος. εἰσὶ δὲ μεταξὺ καὶ ἄλλοι ποταμοὶ πλωτοὶ - ὧν ἐν τῷ Ἀμασίᾳ Δροῦσος Βρουκτέρους κατεναυμάχησε - ῥέοντες ὡσαύτως ἀπὸ νότου πρὸς βορρᾶν καὶ τὸν ὠκεανόν.
 
Danke für die Antworten. Erwartbar war, daß es nicht genau abgrenzbar ist.Muß ich weitersuchen bzw. lesen.
Wen es interessiert:Habe damals in Kalkriese einige Fotos gemacht(1992)
 

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Danke Sepiola. Es ist natürlich klar, wohin die Frage ging.....wo eben die äußersten Gebiete liegen. Als ich begann, mich damit zu beschäftigen, schauten viele Autoren nur Richtung Ende Westfälische Bucht, Eggegebirge, Senne etc. Das Bestimmung des Siedlungsgebietes läßt den Westen außer Acht, der äußerste Norden sowie Süden scheiden wohl aus. Da ich Münsteraner bin, liege ich wohl mitten im Gebiet.
Sehr problematisch wird es, je mehr ich gen Westen schaue. Das sind bisher meine Überlegungen gewesen.
 
Es ist natürlich klar, wohin die Frage ging.....wo eben die äußersten Gebiete liegen.
Eigentlich steht bei Tacitus ad ultimos Bructerorum - ultimos kann verschieden übersetzt werden. Es ist eigentlich der Superlativ von ulter ('jenseitig') und kann mit 'am weitesten entfernt' aber auch 'zuletzt' übersetzt werden (in anderen Kontexten auch der älteste oder der jüngste...:confused:*) .
Die äußersten Brukterer sind gewissermaßen die am weitesten entfernten Brukterer - als Referenzgröße der Rhein, also die am weitesten östlich siedelnden Brukterer.
Man kann es aber auch als die Brukterer auf der jenseitige Seite des Flusses - also der Ems - interpretieren. Oder aber bis zu den "letzten Brukterern", ohne, dass damit eine geographische Richtung gemeint wäre: Sie wurden alle niedergmacht, bis auf den letzten Mann.
Gemeinhin wird die Stelle als "am weitesten entfernt" interpretiert. Also vermutlich zwischen Weser und Oberläufen von Ems und Lippe. Aber das ist nicht zwingend.


*ich ahne, dass Ravenik und Sepiola Protest einlegen werden
 
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