Slawische Mauren - maurische Slawen?

zaphodB.

Premiummitglied
In einem Buch über die Araber in Spanien habe ich ,leider nur in einem Nebensatz ohne nähere Ausführungen erwähnt , gelesen, daß die ostspanischen Taifa-Reiche ,die nach dem Zerfall des Kalifats von Cordoba entstanden teilweise von Slawen beherrscht worden sein sollen-
Nun weiß ich zwar,daß im 7. Jhdt. eine von Neboulos geführte,slawische Armee in byzantinischen Diensten in Kleinasien zu den Arabern übergelaufen ist aber für Spanien ist mir das nicht bekannt.

Könnte es sich schlich um eine felerhafte Übersetzung des arabischen Begriffs der "Saqaliba" handeln - was ja jenach Kontext Soldaten, Palastwachen ,Eunuchen oder Sklaven bedeuten kann oder gab es tatsächlich maurisch-slawische Beziehungen in Spanien und wie sahen die dann aus ?.
 
Dazu müsste man das Buch kenne. Ich würde aber erstmal vermuten, daß in der tat der Name saqaliba rein als Slawe gedeutet wurde
 
Wer auch immer da rumübersetzt hat, es scheint so gewesen zu sein, das Nordleute , Sachsen und andere eben regelrechte Menschenjagden östlich der Elbe durchgeführt haben und diese Menschen dann über Marseille nach Nordafrika verkauften.
Also, das da Slawen in hohe Position in Spanien gekommen sein könnten, ist so abwegig nicht
 
Wobei zum Beispiel der fatimidische Feldherr Dschauhar as-Siqilli (
Dschauhar as-Siqilli ? Wikipedia), also der Sizilianer, ebenfalls den Beinamen as-Saqlabi hatte.
Es scheint häufig eine allgemeine Bezeichnung für Sklaven gewesen zu sein, wobei die Begriffsgleichsetzung Sklaven=Slawen ja zeitweise üblich war.
 
Nach dem Zerfall des Kalifates von Córdoba ist al-Andalus in eine Menge von Kleinkönigreichen zerbrochen, die sogenannten taifas. Córdoba selbst wurde zur "Republik". Es gab dabei drei Fraktionen: arabischer und arabisierter Adel (etwa die 'Abbādiden (Banū 'Abbād) in Sevilla oder die Bakrīden in der Algarve), die Berber, welche anfangs noch die Banū Ḥammūd als neue Kalifendynastie unterstützten, die sich aber vor allem gegen Sevilla nicht durchsetzen konnte. Dazu gehörten einige Kleinkönigreiche im Bereich Cádiz, Málaga und Granada, wobei Sevilla die nach al-Andalus importierten Konflikte zwischen Zanāta und Ṣanhāǧa geschickt ausnutzte (Algeciras und Málaga wurde von den Ḥammūdiden gehalten, mehrere Kleinstädte, wie Ronda und Medina Sidonia von Familien der Zanāta und Granada von den Banū Zīrī, aus der Stammesföderation der Ṣanhāǧa oder Ṣinhāǧa). Nachdem also Sevilla Algeciras erobert hatte und Bādis ibn Zīrī den "Kalifen" in Málaga hatte vergiften lassen, lud al-Mu'tadid ibn 'Abbād die mit ihm verbündeten Zanātafürsten ein, um einen Krieg gegen die Ṣinhāǧa, also die Zīrīden zu führen, verließ dann im Nebel den ḥammām‎ und ließ die Verbündeten darin einmauern und ordentlich anheizen. Die überlebenden Zanāta-Krieger flohen dann nach Granada, wo sie das Heer der Zīrīden auffüllten, Sevilla verleibte sich dagegen die bis dahin von den Zanāta gehaltenen Städte ein.
Im Osten von al-Andalus hatte dann die dritte große Gruppe ihre Machtbasis, die ṣaqāliba, also Slawen. Ob sie ethnisch immer dieser Herkunft hatten, ist unklar, aber in al-Andalus unterschied man zwischen hell- und dunkelhäutigen Sklaven. Die hellhäutigen Sklaven waren die ṣaqāliba, was eigentlich ein Ethnonym ist, die dunkelhäutigen Sklaven waren die 'abīd, das ist der Plural von 'abd ('Diener', 'Knecht', wie in 'Abdallāh, 'Abd-al-Malik, auch hebräisch 'ebed, biblischer Name Ebed Melech ist dasselbe, wie 'Abd-al-Malik). Die ṣaqāliba werden häufig auch unter die Dynastie der 'Āmiriden subsumiert. Letztendlich handelte es sich um die 'āmiridische Funktionselite. Al-Manṣūr (Abū ʿĀmir Muḥammad b. ʿAbd Allāh b. Abī ʿĀmir) war als ḥāǧib (Großwesir) ziemlich skupellos und hatte unter dem Kalifen al-Ḥakam II. seine Machtbasis ausgebaut und den ǧund, das arabische Heer, das sich aus der Bevölkerung rekrutierte (ähnlich europäischer Feudalstrukturen) durch Söldner aus Nordafrika (daher der importierte Konflikt aus Nordafrika zwischen Zanāta und Ṣanhāǧa) und Sklavenarmeen ersetzt. Auch die Verwaltung wurde durch Sklaven übernommen. Als nun al-Ḥakam II. gestorben war, ging al-Manṣūr hin und ließ einige Leute, die seine Macht gefährden konnten, aus dem Weg räumen, z.B. seinen eigenen Schwiegervater, der ein umayyadischer General war. Auch verschiedene Personen aus der Kalifenfamilie, damit er den minderjährigen Hišām investieren konnte. Hišām war bald alkoholabhängig und blieb so zeitlebens eine willfährige Marionette in den Händen al-Manṣūrs und seiner Söhne. Nur der jüngere Sohn überzog das Spiel, indem er Hišām dazu brachte, ihm den Kalifentitel zuzuerkennen. In dieser Situation kam es zum Aufstand der Córdobeser und zum Bürgerkrieg, der als fitna barbariyya, als berberischer Streit in die andalusische Geschichte einging. Das Ende vom Lied war, dass zwar die eigentliche Dynastie der 'Āmiriden nicht mehr Bestand, aber die durch sie eingesetzten
ṣaqāliba als Funktionselite in Heer und Verwaltung weiterexistierten und viele dieser Männer den Namenszusatz al-'Āmirī trugen, so ähnlich, wie wir Jehosef ben Mattitjahu als Flavius Josephus kennen.
Die meisten dieser ṣaqāliba waren entmannt worden, aber nicht alle. So waren die meisten der Ṣaqlabī-Taifas recht kurzlebig. Wir wissen aber z.B. von al-Muğāhid al-'Āmirī, dem König von Dénia, dass er eine christliche Frau und mit dieser einen Sohn hatte. Seine Kollegen, welche in einem Doppelkönigtum über Valencia herrschten (sie waren ursprünglich Beamte, welche für die Wasserversorgung der Stadt zuständig gewesen waren), starben dagegen ohne Nachkommen und Valencia wurde anderweitig erobert. Bei Almería haben wir eine Folge von drei ṣaqāliba, Atlah, Ḫayrān al-'Āmirī und Zuhayr, bei Ḫayrān und Zuhayr nimmt man an, dass sie Brüder waren oder Gefährten. Aber nachdem diese Generation sich biologisch erledigt hatte, war es aus damit.
Außer an dem dynastischen al-'Āmirī erkennt man ṣaqāliba noch daran, dass ihre Namen isoliert wiedergegeben werden (also ohne ein ibn/ben, da es keine Familie/keinen Vater gibt) oder an einer ethnienkennzeichnenden nisba: aṣ-Ṣaqlabī (der Slawe) bzw. den Freigelassenenstatus kennzeichnenden laqab: al-Fata (das würde etwa dem lateinischen libertus entsprechen).
 
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Seine Kollegen, welche in einem Doppelkönigtum über Valencia herrschten (sie waren ursprünglich Beamte, welche für die Wasserversorgung der Stadt zuständig gewesen waren), starben dagegen ohne Nachkommen und Valencia wurde anderweitig erobert.

Ihr Amt war das des Ṣāḥib as-Sāqiyah, wörtl. des Herrn der Wasserleitung. Literatur zu diesem speziellen Fall bei Thomas F. Glick, Irrigation and society in medieval Valencia, Harvard University Press 1970 und online in der Library of Iberian Resources Online, LIBRO. Title Catalog, The Library of Iberian Resources Online
 
vielen Dank für die ausführliche Darstellung,El Q.
Wenn ich das also richtig verstanden habe, waren die ṣaqāliba also keine Slawen im ethnischen Sinne, sondern eine aus dem Sklavenstand hervorgegangene Krieger-und Beamtenschicht ,die nach dem Niedergang der Amiriden auf lokaler Ebene die Macht übernahm.
 
vielen Dank für die ausführliche Darstellung,El Q.
Wenn ich das also richtig verstanden habe, waren die ṣaqāliba also keine Slawen im ethnischen Sinne, sondern eine aus dem Sklavenstand hervorgegangene Krieger-und Beamtenschicht ,die nach dem Niedergang der Amiriden auf lokaler Ebene die Macht übernahm.

Du kannst schon davon ausgehen, dass die aqāliba Sklaven europäischer, meist slawischer Herkunft waren (man denke auch daran, dass die Ottonen Osteuropäer als Sklaven u.a. nach al-Andalus verhandelten). Genau sagen kann man das allerdings nicht, da die überlieferten Eigennamen Namen sind, welche ihnen im Rahmen ihrer Erziehung und Ausbildung als Soldaten oder Funktionäre erst gegeben wurden, arabische Namen. Anhand der Namen können wir also nicht nachvollziehen, ob ein Ṣaqlabī vielleicht ein Franke, ein Sache, ein Bretone oder ein Wende war. Der Begriff des Ṣaqlabī bzw. der aqāliba ist zumindest auf herkunftsweisende Äußerlichkeiten bezogen, anders als bei den 'abīd, deren Funktionsbezeichnung von dem Verb 'abada, 'dienen', 'anbeten' abgeleitet ist.
 
Du kannst schon davon ausgehen, dass die aqāliba Sklaven europäischer, meist slawischer Herkunft waren (man denke auch daran, dass die Ottonen Osteuropäer als Sklaven u.a. nach al-Andalus verhandelten).
erstmal Danke für deine klasse Beiträge zur spanischen Geschichte!

Ich habe das "meist" im Zitat markiert: kann man das wirklich so generalisieren? Wenn ich da an das prominente "Sklavengirl" Balthild denke, die es zur Merowingerkönigin brachte und keine Slawin war... Also die Frage, ob es aus merowingischer, karolingischer und ottonischer Zeit Quellen dazu gibt, dass der mitteleuropäische Sklavenhandel meist geraubte Slawen verhökerte? Irgendwie kollidiert das mit den slawischen Reichsgründungen des frühen Mittelalters, die sich ja zeitweise als recht stabil erwiesen (und sich vermutlich nicht so ohne weiteres Leute rauben ließen)
 
War es für Christen nicht verboten andere Christen zu versklaven? Wenn man davon ausgeht, dass zu karolingischer oder ottonischen Zeit die meisten Slaven keine Christen waren, wären diese für "fränkische" Sklavenjäger doch die naheliegendste Beute gewesen.

Heidnische Normannen dürften sich einerseits wenig um ein christliches Verbot gekümmert haben, andererseits dürfte ein Christ einen gefangenen Wikinger bedenkenlos in die Sklaverei verkauft hätte haben können.
(seltsame Konjunktive, entschuldigt es ist spät in der Nacht.)
 
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Magdeburg war eines der großen Zentren des europäischen Sklavenhandels in dieser Zeit.
ja, bei Magdeburg liegt nahe, dass man sich bei den slaw. Nachbarn die Sklaven holte - aber wenn Magdeburg nur eines der großen Zentren war, wer waren die anderen und "was" wurde dort "verkauft"? und welche Quellen informieren uns über das Ausmaß des frühmittelalterlichen Sklavenhandels?

evtl. könnte ein eigener Faden zum europäischen Sklavenhandel des Frühmittelalters eingerichtet werden?

ganz allgemein: irgendwie kollidieren für mich die erfolgreiche slawische Landnahme und die Aussage, dass der europäische Sklavenhandel meist Slawen veräusserte.
 
evtl. könnte ein eigener Faden zum europäischen Sklavenhandel des Frühmittelalters eingerichtet werden?
http://www.geschichtsforum.de/f37/sklavenhandel-vornehmlich-j-discher-hand-31779/
http://www.geschichtsforum.de/f77/milit-rsklaven-sklavensoldaten-9937/

ganz allgemein: irgendwie kollidieren für mich die erfolgreiche slawische Landnahme und die Aussage, dass der europäische Sklavenhandel meist Slawen veräusserte.

In einem anderen Thread spricht ravenik ein tschechisches Verbot an, Tschechen als Sklaven zu verkaufen.
 
ja, bei Magdeburg liegt nahe, dass man sich bei den slaw. Nachbarn die Sklaven holte - aber wenn Magdeburg nur eines der großen Zentren war, wer waren die anderen und "was" wurde dort "verkauft"? und welche Quellen informieren uns über das Ausmaß des frühmittelalterlichen Sklavenhandels?

ganz allgemein: irgendwie kollidieren für mich die erfolgreiche slawische Landnahme und die Aussage, dass der europäische Sklavenhandel meist Slawen veräusserte.

Als Sklaven wurden meist die "Ungläubigen" verkauft, oder jedenfalls das, was die jeweilige Religionsgemeinschaft dafür hielt. Während die heidnischen Wikinger noch jeden in die Sklaverei verkauften, dessen Geschlecht und Zustand Gewinn versprach, wandelte sich das Bild in Mitteleuropa nach erfolgter christlicher Missionierung. Da Christen keine Christen in die Sklaverei verkaufen durften, wurden im Reich der Ottonen die noch heidnischen westslawischen Stämme zum Objekt der Sklaverei. Daran beteiligten sich eifrig auch die Dänen. Viele heidnische Slawen gerieten so u.a. ins maurische Spanien. Andere Slawen wurden von den Fürsten der Kiewer Rus gefangen und gelangten ins Kalifat von Bagdad und andere islamische Reiche des Orients.

Als die osteuropäischen Slawen endgültig zum Christentum bekehrt waren, versiegte diese Quelle allmählich. Stattdessen verlagerte sich der Sklavenhandel in die italienischen Seerepubliken, wo vor allem auf Piratenfahrtenfahrten und Kriegszügen erbeutete Moslems auf den Sklavenmärkten verkauft wurden. Umgekehrt geschah natürlich in den islamischen Staaten das gleiche mit christlichen Sklaven.

Da die Kirche Christen den Handel mit christlichen Sklaven verboten hatte, verfiel man auf die heuchlerische Idee, sich christlich-orthodoxer Sklaven zu bemächtigen, denen man den "wahren" christlichen Glauben nicht zugestand. Und so gelangten auch Orthodoxe oder Menschen anderer christlicher Bekenntnisse auf christliche Sklavenmärkte.
 
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