Sommerlager des Varus

Dieses Thema im Forum "Das Römische Reich" wurde erstellt von Wittekind, 10. Januar 2006.

  1. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Du weißt aber schon, dass Florus, der ja vor allem mit Livius' ab urbe condita arbeitete und die darin überlieferte Geschichte in seinem Werk nach Gutdünken veränderte, als sehr unzuverlässiger Zeuge gilt?
     
  2. wydmond

    wydmond Neues Mitglied

    Anreppen existierte 9 n.Chr. nicht mehr


    Anreppen war vor 9 n.Chr. bereitts aufgelassen, jedoch wurde von Kühlborn östlich, exakt Richtung Neuhaus, auf über 700 m. eine Römerstraße ausgegraben.
    Übrigens hat Drusus, nachdem er sich aus Arbalo befrreit hatte, den Cheruskern ein Kastell "vor die Stirne" gesetzt. Das kann sich nur auf einen Platz unmittelbar westlich vom Osning, der damals die Chersuker nach Westen begrenzte, handeln. Erneut ein Argument für Aliso in Neuhaus.
    Ich empfehle insbesondere die Lektüre von Hans Delbrück zur Lage von Aliso. es hatten aber auch Klostermeier, Mommsen, Höfer, Liese, Bökemeier, Oppitz u.a. Aliso in Neuhaus lokalisiert.
    Gewässerkundler tun aber genau das, Vorstufen von Gewässernamen u.a. zu analysieren. Hier empfehle ich die Lektüre von Paul Höfer. Außerdem ist sehr wohl der Flussname "Elison" als "Alisan" (urwestgermanisch für "Erlen") lange später bezeugt im Flurnamen "Ilasan", der nach Metatese aus "Alisan" in der "Vita Meinwerkii" im Jahre 1036 bezeugt wird.
     
  3. Ravenik

    Ravenik Aktives Mitglied

    Wo soll das bei Velleius stehen? Eine ähnlich lautende Stelle finde ich nur bei Florus.
     
  4. salvus

    salvus Aktives Mitglied

    Warum das ein Argument für Aliso in Neuhaus sein sollte, erschließt sich mir nicht.

    Spuren der Römerstrasse finden sich nicht nur in Anreppen. Auch in Haltern gibt es entsprechende Hinweise. Archäologisch gesehen muß man davon ausgehen, daß es eine entsprechende Strasse entlang der Lippe gegeben hat. Das war nunmal ein wichtiger Verbindungsweg für die Römer. Da die Lippe auch an Neuhaus vorbeifließt muß auch diese Strasse dort entlangeführt haben. Dies deutet aber nicht auf ein Lager in Neuhaus hin.
     
  5. Carolus

    Carolus Aktives Mitglied

    Ich bin in der Sache auf einen weiteren Artikel gestoßen, der die Arbeit des o. g. Amateurarchäologen in der gleichen Gegend zum Inhalt hat:

    OETINGHAUSEN: Varus’ letztes Lager vor dem Untergang | Neue Westfälische: Zeitung, Tageszeitung für Herford, Hiddenhausen, Vlotho, Elverdissen, Stedefreund - Neue Westfälische - Herford

     
  6. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Achtung, nicht das letzte Marschlager mit dem Sommerlager verwechseln.
     
  7. Carolus

    Carolus Aktives Mitglied

    richtig, das habe ich ganz übersehen...

    Die Meldung als solche finde ich derzeit ein wenig abstrus:

    1. Es wird von einem nicht datierbaren Brandgräberfeld aus der Antike gesprochen. Wie konnte man dieses "Brandgräberfeld" denn in die Antike datieren? Was wurde überhaupt an Befunden festgestellt? Hat man nur eine Ascheschicht gefunden, die dann zu einem Brandgräberfeld erklärt wurde?
    2. Die beiden Münzhorte aus dem 2. und 4. Jhrdt. werden zu "Weihehorten" erklärt. Wieso? Stand das dabei?
    3. Wo bitte ist "der einzig erhaltene Monument der Varusschlacht"? Geht er davon aus, daß aufgrund des nicht datierbaren Brandgräberfeldes dort das erste Marschlager war? Wenn am Ort des ersten (vermuteten siehe 1.) Marschlagers im Kontext einer germanischen Siedlung Münzhorte gefunden werden, werden diese zu Weihehorten (siehe 2.) definiert, wird dann aus dem Ort ein "Monument der Varusschlacht" mit Verehrungscharakter?
    Wenn ich nur nach den Informationen des Artikels gehe, ist die Faktenlage relativ dünn und es werden verschiedene Befunde zu einer spekulativen Theorie zusammengefaßt. Vielleicht stimmt ja die Theorie (dann hätten wir eine archäologisch interessante Entdeckung).
     
  8. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Es ist halt eine Zeitungsmeldung in einem Lokalblättchen, kein wissenschaftlicher Aufsatz.

    Brandgräber sind vorchristlich, da im Christentum die Auferstehung des Leibes propagiert wird.
    Ganz unabhängig vom Christentum kommt zudem ab dem 3. Jhdt. die Mode der Körperbestattung (Reihengräber) auf, d.h. Brandgräberfelder sind i.d.R. älter. (UFGler mögen mich ggf. korrigieren).
    Brandgräberfelder sehen i.d.R. so aus, dass es dort kleine Niederlegungen von Asche gibt, manchmal auch Urnen (die Keramik hilft wiederum bei der Datierung). Reste von Beigaben (z.B. Schmuck) oder Zähnen, Knochensplitter etc., zudem alles außerhalb eines Siedlungskontextes machen Brandgräberfelder als solche identifizierbar.

    Wie man allerdings unter der Voraussetzung, dass "ein antikes Brandgräberfeld [...] gut 400 Meter nördlich auf dem Areal des vermuteten Lagers" zwar nachweisbar ist, aber "wegen der starken Zerstörung durch den Ackerbau [...] nicht klar datierbar" zu einer solchen Aussage ("Es müssen dort hunderte Menschen, und zwar zeitgleich, verbrannt und beerdigt worden sein." ) kommen kann, ist mir schleierhaft.

    Das ist ein Zirkelschluss Genreiths. Die angeblichen Weihehorte "beweisen", dass es hier ein germanisches Monument zur Erinnerung an die Varusschlacht gegeben habe, wohingegen klar ist, dass es sich nur um "Weihehorte" handeln kann, weil es ja der Ort der Varusschlacht ist.
    Um tatsächlich zu beweisen, dass es sich um Weihehorte handelte, müsste man schon klar machen, wo die Horte niedergelegt waren. Wenn sie in einem See oder Sumpf niedergelegt worden wären, wäre es sehr wahrscheinlich, dass es sich tatsächlich um Zeugnisse ritueller Niederlegungen handelte. An anderen Orten spricht mehr für Krisenhorte, die nicht mehr gehoben wurden.

    So sieht's aus.


    Wenn du den Begriff Theorie durch These ersetzt, stimme ich mit dir überein.
     
  9. salvus

    salvus Aktives Mitglied

    Hallo:winke:

    1.
    Es ist kein wissenschaftlicher Aufsatz! :winke:

    2.
    Es ist eine Zeitungsmeldung! :winke:

    3.
    Die NW ist kein "Blättchen" sondern die auflagenstärkste Zeitung im Raum Ostwestfalen-Lippe. :motz:

    Soviel Zeit muß sein...

    Gruß aus OWL also aus der Region, wo die Varusschlacht wirklich stattfand!!
    Ich suche lediglich nur noch nach Beweisen...:fs:
     
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  10. Carolus

    Carolus Aktives Mitglied

    ich bin in der Angelegenheit noch auf ein paar weitere Informationen zu den Thesen von Herrn Genreith gestoßen:

    http://www.stadtfuehrung-herford.de/downloads/schreiber_roemer.pdf

    Laut der Seite geht Herr Genreith von den Fundstellen frühkaiserzeitlicher Münzen in Westfalen aus, leitet aus diesen den Weg der römischen Truppen ab und vermutet das Sommerlager im Bereich Hameln, Lügde, Hildesheim. Bei Bad Salzufeln wird aus den (Münz-)Funden eine Teilung des römischen Heeres nach einem ersten Gefecht abgeleitet, während der Rest des Heeres nach Kalkriese in den Untergang marschiert. Auf der Verbindungslinie zwischen Bad Salzufeln und Kalkriese werden dann Marschlager vermutet und Hr. Genreith versucht, sie zu lokalisieren.


    Hier ist ein weiterer Link zu den o. g. Goldmünzen in Hiddenhausen (die aber nicht aus augusteischen Zeit stammen):

    http://www.stadtfuehrung-herford.de/downloads/goldmuenzenfund.pdf



    Tja, ich sage mal: das ist alles spekulativ, aber interessant. Ich bin neugierig, ob und was Herr Genreith noch alles finden wird (und wünsche ihm viel Glück dabei).
     
  11. Werner2009

    Werner2009 Neues Mitglied

    Varus und Hedemünden

    Schönen Tag in die Runde,

    habe die Beiträge zum Römerlager auf dem Burgberg bei Hedemünden mit Interesse gelesen.
    Meine Überlegungen gehen dahin, dass es sich bei diesem Lager um das Sommerlager der Legionen des Varus im Jahre 9 n. Chr. handeln dürfte.
    Eine genauere Darstellung dieser Überlegungen kann in Internet nachgelesen werden:

    Varus-Sommerlager.npage.de

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  12. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Der Münzhorizont spricht für eine Auflassung Hedemündens schon vor der Zeitwende.
     
  13. salvus

    salvus Aktives Mitglied

    Soviel ich weiß nimmt Grote an, daß der Platz wesentlich länger genutzt wurde, also auch 9 n. Chr. vieleicht sogar noch (oder wieder?) bei den Germanicus Feldzügen. Belegbar ist dies wohl aber (noch) nicht.
     
  14. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Solange der Münzhorizont oder andere archäologische Befunde (etwa Dendrodatierung) nicht entsprechende Indizien dafür liefern, halte ich deartige Spekulationen für nutzlos, Grote hin oder her. Nicht die Autorität sondern das Argument zählt.
     
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  15. jchatt

    jchatt Aktives Mitglied

    Zur Münzproblematik mal ein Zitat von Herrn Kühlborn:

    "Im gegenwärtigen Chronologiegerüst gilt für das Hauptlager Haltern das Enddatum 9 n. Chr. Die jüngste Terra Sigillata des Hauptlagers Halter steht zugleich für das jüngste keramische Materila aus der Epoche der Germanenkriege. Ähnliches scheint auch für die Münzen zu gelten. Es gibt also weder für den westfälischen noch für den niedersächsischen Raum einen archäologischen Fundhorizont, der eindeutig über das Ende von Haltern (9 n. Chr.) hinausgeht..... Entscheident ist die Frage: Was führten die Soldaten in den Jahren 10 bis 16 n.Chr. bei sich, was konnte tatsächlich in den Boden gelangen ?"

    Ich denke die Problematik hat auch Einfluss auf die Datierung Hedemünden.

    Gruss
    jchatt
     
  16. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Das will ich in Abrede stellen: der Münzhorizont Haltern/Kalkriese ist ein ganz anderer als der von Hedemünden. Der Münzhorizont Haltern/Kalkriese hat die Schlussmünze 2 n. Chr. Die Datierungen der Gegenstempel (VAR, IMP mit Litus, CVAL) sind strittig, einige meinen, sie seien spätaugusteisch, andere sprechen von frühtiberisch, was den Varus- und den Germanicushorizont unterscheiden würde.
    Der Horizont von Hedemünden ist aber viel älter als der von Haltern/Kalkriese. Insofern hat die Problematik überhaupt keine Auswirkung auf Hedemünden - es sei denn, man könnte für Hedemünden eine Schlussmünze 2 n. Chr. beibringen. Dann wäre alles wieder offen.
     
  17. jchatt

    jchatt Aktives Mitglied


    Das Hedemünden wahrscheinlich älter als Haltern/Kalkriese ist glaube ich auch. Aber das Zitat zeigt doch, dass bei der blossen Datierung über die Münzen noch ein grosses Fragezeichen hängt.
    Der Wiederspruch von Haltern (5 Varuslegionen haben in drei Jahren mehr verloren als 8 Germanicuslegionen in 6 Jahren )kann möglicherweise nur aufgelöst werden, indem man die jetzt übliche Datierung relativiert, die von einem homogenen gleichbleibenden Münzverlust und sofortigen Münzumlauf nach Prägung ausgeht.

    Gruss
    jchatt
     
  18. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Das Problem des Münzhorizontes Haltern/Kalkriese ist ein anderes, und daran hängen sich die Kalkriese-Kritiker immer auf: Es gibt keinen Unterschied zwischen dem spätaugusteischen und dem frühtiberischen Münzhorizont. Ob 9 n. Chr. oder 16 n Chr. lässt sich anhand des Münzhorizontes nicht unterscheiden. Sehr wohl aber 15 v. Chr und 2 n. Chr.
     
  19. Lucio Cinico

    Lucio Cinico Neues Mitglied

    Auch wenn ich mit meinem Beitrag nichts zum Sommerlager des Varus beitragen kann, möchte ich aber hiermit noch etwas zur Datierung der Lager und Posten des Hedemündener Komplexes loswerden. Wie hier schon richtig gesagt ist man beim Lager1 im Bereich 7v.Chr.. Doch schon der nächste nordöstliche Posten bietet Funde bis in tiberische Zeit.
    Die weiteren neu gefundenen Posten zwischen Leine und Werra lassen sich sogar in die Zeit um/kurz nach 200 n.Chr. datieren.

    Ich nehme mal an die Funde vom nächsten nordöstlichem Posten lassen die Herren annehmen, daß das Lager auch noch unter Varus belegt war.


    Mit freundlichen Grüßen, Lucio Cinico!
     
  20. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    In der Tat klingt das erst mal ganz gut Schellerten aus Scelerata abzuleiten. Germanisches [sk] ergibt regelmäßig deutsches [ʃ⁠] und da wir uns im ursprünglich niederdeutschen Sprachraum befinden, verwundert es nicht einmal, dass das [rt-Vokal] nicht zu [rz] wurde.
    Allerdings ist es in der Regel so, dass römische Flektionsendungen bei deutschen Namen verschwinden:
    Coloni|a > Köln (wer einwenden will, warum es denn Köln und nicht *Koloni lautet, 1. weil der Akzent beim ersten -o- lag, 2. wegen der regressiven i-Umlautung, wegen der auch die germanischen „-jan-Verben“ im Deutschen solche mit Umlaut sind.
    Juliac|um > Jülich
    Tolbiac|um > Zülpich
    Trever|is > Trier
    Castra Regin|a > Regen-s-Burg
    Bonn|a > Bonn
    Es wäre also verwunderlich, wenn Schellerten von Scelerata käme, woher die Endung -en rührte. Wir müssten eher *Schellert erwarten (ggf. auch, je nach Wortakzent auch - oder vielleicht sogar wahrscheinlicher (Paenultimagesetz) - *Schellerat (andere Varianten, die eines der -e- ausfielen ließen, wären für Deutsche unaussprechbar).
    Also aus linguistischen Gründen liegt ein begründeter Zweifel vor, dass Scelerata die Urform von Schellerten ist; gleichwohl ist zuzugeben, dass die nicht zu leugnende Namensähnlichkeit subjektiv Klarheit zu verschaffen scheint.
    Frühe Namensformen sind hier irrelevant, der Erstbeleg aus dem 13. Jhdt. lautet Schellerthe (der mag subjektiv sogar als noch näher an Scelerata empfunden werden). Im Jahr 1244, also 1253 Jahre nach Drusus‘ Tod, haben wir den Erstbeleg für Schellerthe. Hier muss auch den Nichtlinguisten mindestens ein Zweifel beschleichen.

    Aber schon Hans Dobbertin, der Schellerten als mutmaßliche Lokalisierung Sceleratas populär machte, wusste um das wichtigste Argument gegen die Identifikation Schellertens mit Scelerata. Den Quellbach Schelle, der auch im Straßennamen „An der Schelle“ vorkommt. Schellerten war als „das Dorf am Bach Schelle“. In Starb Drusus in Schellerten? In: Heimatland, 6:1986, S. 189-190 macht er selbst auf diesen Bach aufmerksam und versucht hier ein Zusammenfließen des damals schon existenten Namens Schelle (ein Bach von wenigen Metern Länge, etwa 300, hier kann also die Regel vom hohen Alter von Fließgewässernamen nicht herangezogen werden) mit dem lateinischen Scelerata zu begründen. Im Prinzip wusste er also bereits, dass er falsch lag und wollte so offenbar Hinweisen auf die Schelle in möglichen Widerlegungen seiner Deutung schlicht zuvorkommen.

    Zusammengefasst:
    Historisch: es liegen 1253 Jahre zwischen Scelerata und der Ersterwähnung von Schellerten/Schellerthe 1244
    Linguistisch: Woher kommt die Endsilbe? Paenultimagesetz
    Archäologisch: es gibt archäologische Funde, aber nix römisches
    Onomastik/Toponymie: Schellerten liegt an der Schelle
     

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