Spät- und Jungneolithikum in Altenmarkt/Osterhofen

Bei den Schlitzgruben hänge ich im allgemeinen der von S. Friederich ausführlich zusammengefassten Theorie an, dass es sich um Wildfallen-Systeme handelt. Der Clou daran ist, dass diese Schlitzgruben dann eigentlich NACH Auflassung der Siedlungen angelegt wurden, also wenn ehemals gerodetes Land brach liegt und langsam wieder zuwächst. Ist ja auch heute so, dass die Jägerstände an Lichtungen stehen. Wild findet dort viel junges Pflanzenmaterial zum Knabbern. Das würde erklären, warum meist kaum Funde drin sind - die Siedlung war ja schon wüst gefallen.
Aber sind die Schlitzgruben nicht eigentlich zu schmal für Tierfallen?


Aus der Münchshöfener Siedlung Murr (FS) gibt es glaube ich sogar eine Schlitzgrube mit einem Rehskelett drin. Das müsste man mal 14C-datieren, ob das vielleicht etwas jünger ist als die Münchshöfener Besiedlung.
In dieser Zeistellung müsste die Schwankungsbreite bei 50 bis 80 Jahren liegen. Mir ist zwar einigemaßen klar, wie Archäologen datieren, aber ist die Seriation bei Spät- und Jungpaläolithischen Siedlungen so ausgefeilt, dass man auf Jahrzehnte genau datieren kann? (wenn man nicht zufälligerweise Holzfunde hat, die sich für Dendrochronologische datierungen eignen?
 
Aber sind die Schlitzgruben nicht eigentlich zu schmal für Tierfallen?

Du musst bedenken, dass die Profile ursprünglich quasi Y-förmig waren, also oben breiter/wannenförmig, der schmale Schlitz dann nur im unteren Bereich. Je nach Erosion im Gelände ist heute der obere Teil nur noch mehr oder weniger vollständig erhalten. Es geht darum, dass das Wild reinfällt und mit den Läufen in den schmalen Bereich gerät, dann kommt es nämlich nicht mehr heraus. Viele Schlitzgruben treten in Reihen auf, das würde für eine Art Treibjagd-Methode sprechen. Es mehren sich inzwischen auch Befunde, an denen man noch unten eingerammte Staken oder dgl. feststellen kann. Das würde auch passen. Alternativ wird von Gerbegruben gesprochen, aber da habe ich zu wenig Ahnung, um zu beurteilen, ob das plausibel ist. Ich würde aber Tierhäute in einen Gerbesud einLEGEN und nicht vertikal einHÄNGEN. Oder aber als "Webgruben" für die Gewichte an Gewichtswebstühlen. Das passt aber für mich auch nicht, bis auf Fälle in Zusammenhang mit kleinen Hausgrundrissen.

In dieser Zeistellung müsste die Schwankungsbreite bei 50 bis 80 Jahren liegen. Mir ist zwar einigemaßen klar, wie Archäologen datieren, aber ist die Seriation bei Spät- und Jungpaläolithischen Siedlungen so ausgefeilt, dass man auf Jahrzehnte genau datieren kann? (wenn man nicht zufälligerweise Holzfunde hat, die sich für Dendrochronologische datierungen eignen?
Wir sind hier im Jung-NEOlithikum. Nicht Paläo. Du meinst Kalibration, nicht Seriation, oder? Also, wenn man Glück hat, kommt man mit der 14C-Methode schon auf 50-100 Jahre hin. Es ist halt eine statistische Methode, deswegen hat man immer nur einen Wahrscheinlichkeitsbereich.

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Wir sind hier im Jung-NEOlithikum. Nicht Paläo.
Natürlich meinte ich Neolithikum, nicht Paläolithikum, das war ein Lapsus.

Du meinst Kalibration, nicht Seriation, oder?

Nein, hier meinte ich tatsächlich Seriation, etwa von Keramik. Ich habe das natürlich in einem Zusammenhang mit der C14-Methode geschrieben, weshalb das Missverständnis provoziert war. sorry.

Also die Frage war halt, ob die Seriation so genau ist, dass man Funde so Jahrzehnt genau datieren kann, dass man im Vgl. dazu C14-Daten, die ja eine Schwankungsbreite von 50 bis 80 oder meinetwegen auch 100 Jahren haben so begrenzen kann, denn in 100 Jahren passiert auf einer aufgelassenen Fläche doch mitunter Recht viel, sofern der Mutterboden nicht vollends abgetragen ist
 
Also die Frage war halt, ob die Seriation so genau ist, dass man Funde so Jahrzehnt genau datieren kann, dass man im Vgl. dazu C14-Daten, die ja eine Schwankungsbreite von 50 bis 80 oder meinetwegen auch 100 Jahren haben so begrenzen kann, denn in 100 Jahren passiert auf einer aufgelassenen Fläche doch mitunter Recht viel, sofern der Mutterboden nicht vollends abgetragen ist
Hm, dazu muss ich ausholen. Ich habe 2017 eine Keramikchronologie für MH auf dem altmodischen Weg erstellt, also durch Vergeichen von Fundensembles. Natürlich habe ich das, was dabei herausgekommen ist, mit den verfügbaren 14C-Daten verglichen. Dadurch wurde die Abfolge bestätigt und die "Horizonte", die ich gebildet hatte, wurden auch absolutchronologisch fixiert. Das geht so auf 100 Jahre genau, als Dauer dieser Horizonte. Erst heuer haben wir im Rahmen eine Uni-Übung versucht, diese Chronologie mittels Seriation/Korrespondenzanalyse zu verfeinern, und das ging sogar sehr gut. Eventuell kommt man jetzt auf 30-50 Jahre genau hin (also wenn man die Gesamtdauer durch die Anzahl der Keramikstufen teilt). Hier kommt aber 14 C wieder an seine Grenzen, so genau löst diese Methode kaum auf. Aber sagen wir mal so: wenn die Rehknochen aus Murr mit 14C kalibriert eher um 4300/4250 datieren, ich die Keramik der Siedlung aber mehr so um 4400/3450 datieren würde, dann spricht doch viel dafür, dass die Grube jünger ist als die Siedlung.
 
... Keramikchronologie für MH ....
Für mich ist MH Mühlheim an der Ruhr. Ich bin mir sicher, dass das hier nicht der Fall ist. Ich bin zwar archäologieinteressiert (habe als Student in Grabungen gearbeitet, viel archäologische Literatur gelesen), aber ich bin kein Prähistoriker. Vor historischen Zeiten sind meine Kenntnisse sehr rudimentär, ich habe zwar einen gewissen Überblick über die Neuerungen des Mesolithikums und die Neolithisierung, ein bisschen Ahnung von Bronze- und Eisenzeit, aber ich bin eben Historiker ohne Prä-. Daher ist mir MH kein Begriff.
 
Schlitzgruben: Der Begriff ist ja doch weit verbreitet, und die beschriebenen Schlitzgruben sind keineswegs selten.

@Lukullus hat die Anstregungen beim Bau einer tiefen und schmalen Grube anschaulich beschrieben.

Beim Nachlesen über die bandkeramischen Siedlungen im Amöneburger Becken in Hessen (ich habe 30 Jahre in Marburg-Schröck gewohnt) stieß ich auf diesen Artikel von 1984 über "Schlitzgräbchen" im Lössboden des Kaiserstuhls:

Hier wird in erster Linie die mögliche Verwendung als Gerbgrube betont, rituelle Zwecke werden verneint.

Einige hatten sich ja gewundert warum diese Gruben so unpraktisch schmal waren.
Ich betrachte es ganz anders, von der Arbeitsökonomie her: Diese Gruben sollten und mussten tief sein (das war ja gewollt), und da ist es einfacher wenn sie schmal sind.

In einer Grube zu stehen ist anstrengend, und lebensgefährlich. Das Hauptproblem ist der Aushub: in der Grube stehend muss man ihn herausheben, und das heißt Arbeiten über Kopf. Anstrengend, beengt, unökonomisch. Ziehen von oben ist einfacher als den Aushub nach oben zu wuchten.

Also: ein Zugspaten, oder viel eher ein geeigneter flach zugespitzer Stein (Diabas, Diorit), der an einem Seil (besser noch an 2 Seilen = Zug- und Halteseil) oder an einem langen Stab von oben herab pendelnd die Erde lockert, die dann in einem schmalen länglichen Kasten an Seilen aus der Grube gehoben oder entlang einer Schräge heraus gezogen wird. Das ist viel leichter als ein Arbeiten in der Grube.

 
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Das sehe ich nicht so, wenn jemand in der Grube den Boden lockert und in ein Gefäß, z.B. Ledersack, füllt, ziehen andere den hoch.
In der Grube stehend kann ich dass Erdreich besser lockern, wo oben mit einem Stab ist das mühselig.

Auch sehe ich die technische Umsetzung des Grabwerkzeugs für die schmalen Gruben als nicht so einfach an.
 
Auch sehe ich hier kein echtes Grabungsrisiko, die Gruben haben sich bis heute erhalten!?, also werden auch die wände stabil gewesen sein. In Böden mit hohen Lehmanteil (ab "sandigem Lehm") bleiben die Wände stabil (eigene Erfahrung). Rutschungen sind hier selten/unwahrscheinlich.
Bei "instabilen" Böden ist auch eine sehr schmale Grube nicht/kaum möglich.

Ich sehe die "Schlitzgrubenproblematik" in erster Linie von der praktischen, auf teilweise eigener Erfahrung beruhender Sichtweise.
 
Gehe doch einfach mal davon aus dass die Menschen damals wussten was sie taten. Sie hatten schmale Schlitzgruben, und sie wollten schmale Schlitzgruben.

Wenn Du eine Schlitzgrube von 4 m Länge, 4 m Tiefe und 20 cm Breite in Lehm (Dichte sagen wir mal 2 kg/Liter) aushebst, hast Du 6,4 Tonnen zu heben.

Bei 50 cm Breite sind es
4 x 4 x 0,5 x 2 = 16 Tonnen.
 
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Ja, aber ich frage mich trotzdem wieso, weshalb, warum und wieso so.

Es ist nunmal sehr aufwendig mit "primitivem" Werkzeug und einfachen Materialien solch eine Arbeit zu bewältigen.

Ich negieren hier die Theorien über die Schlitzgruben nicht grundsätzlich, aber für mich passt das irgendwie noch nicht so richtig.
 
Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden, wie gesagt, ich sehe das aus praktischer Erfahrung, die tatsächlichen Motive zur Anlage der Gruben
werden wir vermutlich nicht ganz sicher erschließen können?


Wir haben als Kinder/Jugendliche auch schon "ähnliche" Gruben/Löcher bei uns im Wald gegraben.
 
Wir haben als Kinder/Jugendliche auch schon "ähnliche" Gruben/Löcher bei uns im Wald gegraben.
Die Fundleere meiner Grube wird zukünftigen Archäologen auch Rätsel aufgeben. ;-)

Da die Schlitzgruben zusammen mit den Neolithiker auftritt und die bereits länger eine vollentwickelte Hausbau- und Brunnenbautechnik, inkl. Kasten- oder Röhrenbrunnen, haben. Braucht man sich eigentlich wenig Gedanken um das wie zu machen. Da langt ein Zugspaten aus Holz und Steinwerkzeuge zum lockern des Erdreiches.

Die relative Fundlosigkeit der Gruben, inkl. der Bodenchemie, ist seit hundert Jahren das Problem. Dazu kommt das Bandkeramische Siedlungsplätze auch noch von jüngeren neolithischen Kulturen besiedelt wurden.
 
Wie kommst Du auf 4m Tiefe?

Aus dem o.g. Artikel von W. Struck, "Schlitzgräbchen im Kaiserstuhlgebiet":

"In zahlreichen neolithischen Siedlungen Mitteleuropas finden sich immer wieder gleichartige, auffallende Gruben, die bei einer Länge von bis zu 5 m eine große Tiefe im Verhältnis zur relativ geringen Breite besitzen. Sie machen den Eindruck langer schmaler Schlitze und werden deshalb auch Schlitzgräbchen
genannt." [...]

"Meist liegt die Länge der Gräbchen im gesamten Gebiet zwischen 2 m und 5 m, die Breite beträgt zwischen 0,2 m und 1 m. Da die steilen Lößkuppen starken Veränderungen durch Erosion
ausgesetzt waren, lassen sich keine verbindlichen Aussagen über die ursprünglichen Tiefen machen, doch gibt es immerhin Gräbchen, deren Tiefen noch zwischen 2 m und 4 m lagen. Eine Tiefe von mindestens 2 m kann jedenfalls bei den meisten vorausgesetzt werden.
Bei den besser erhaltenen Gräbchen befindet sich im oberen Teil oft eine deutliche Verbreiterung, was ursprünglich für die meisten zutreffen dürfte (Abb. 2). Ob diese Verbreiterung beim Bau der Gruben angelegt wurde oder erst durch das spätere Einstürzen der Wände entstanden ist, ließ sich noch nicht zweifelsfrei klären, doch ist letzteres wahrscheinlicher."

Die Schlitzgräben liegen innerhalb der Siedlungen.
 
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