Spätes 19. Jahrhundert in "Deutschland"

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Spätes 19.Jahrhundert in "Deutschland"

Hallo,
ich benötige dringend ausführliche und authetische Informationen (Links etc.) zu der Zeit nach der Märzrevolution 1848 bis zum Beginn des 1.Weltkrieges 1914 in "Deutschland". Also unter anderem Deutsch-Dänischer Krieg, Deutsch-Deutscher Krieg und den Herrschaftsverhältnissen, außerdem zum Norddeutschen und süddeutschen Bund und allen anderen wichtigen außen- und innenpolitischen Vorkommnissen. Wie gesagt ist die Ausführlichkeit und die Authentizität des Materials von höchster Wichtigkeit.
Es würde mich freuen, wenn ich schnelle Resonanz bekommen würde.

Vielen Dank im Voraus.
 
"Zentrales und einziges Organ des Deutschen Bundes war der Bundestag in Frankfurt am Main. Er setzte sich aus den Gesandten der einzelnen Staaten zusammen und stand unter der Präsidentschaft und politischen Führung Österreichs, repräsentiert durch den Außenminister und späteren Staatskanzler Klemens Wenzel Fürst von Metternich. Vorrangiges Ziel Metternichs war die Restauration, die Wiederherstellung bzw. Aufrechterhaltung der alten monarchischen Ordnung. Den aufkeimenden nationalen Bewegungen und liberalen Bestrebungen vor allem im Bürgertum und in der Studentenschaft begegnete der Deutsche Bund auf Betreiben Metternichs mit den Karlsbader Beschlüssen (1819) und den Demagogenverfolgungen. Die Forderungen nach konstitutionellen Verfassungen und Mitwirkung des Bürgertums an der Politik wurden dadurch vorerst weitgehend unterdrückt; nur wenige deutsche Staaten führten in Form von Volksvertretungen Frühformen konstitutioneller Systeme ein.Die industrielle Revolution, von Großbritannien ausgehend, fasste Anfang des 19. Jahrhunderts auch in Deutschland Fuß. Sie brachte neben dem wirtschaftlichen Aufschwung, mit dem der Aufbau eines umfassenden Verkehrs- und Eisenbahnnetzes sowie eines einheitlichen Marktes einherging, auch große soziale Probleme mit sich. Um die wirtschaftspolitische Zersplitterung in Deutschland zu überwinden und wirtschaftliche Hemmnisse und Zölle im Interesse des Wirtschaftsaufschwunges abzubauen, wurde 1834 unter preußischer Führung der Deutsche Zollverein gegründet, dem sich die meisten deutschen Staaten mit Ausnahme Österreichs anschlossen.Durch die Julirevolution von 1830 in Frankreich erhielten die nationalen und liberalen Kräfte in Deutschland neuen Auftrieb. Die zunehmend revolutionäre Stimmung des Vormärz entlud sich schließlich, gefördert von der Februarrevolution in Frankreich, in der Märzrevolution von 1848. Die Märzrevolution führte sowohl im Deutschen Bund als Ganzem wie auch in Österreich zum Sturz des Systems Metternich; der Bundestag des Deutschen Bundes wich 1848 der Frankfurter Nationalversammlung, der ersten demokratisch gewählten verfassunggebenden Nationalversammlung in Deutschland.

Die Debatte um die Verfassung des Staatenbundes wurde bald dominiert von der Auseinandersetzung zwischen Großdeutschen, die auf der Einbeziehung Österreichs in den Staatenbund bestanden, und Kleindeutschen, die einen Staatenbund ohne Österreich unter preußischer Führung forderten. Die Kleindeutschen konnten sich knapp durchsetzen. 1849 verabschiedete die Nationalversammlung eine liberale Verfassung und wählte den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. zum „Kaiser der Deutschen”. Mit der Ablehnung der Verfassung durch die beiden deutschen Großmächte Preußen und Österreich und mehrerer anderer deutscher Staaten und mit der Weigerung Friedrich Wilhelms, die Kaiserkrone anzunehmen, war der Versuch, einen konstitutionellen Nationalstaat zu errichten, und damit die Revolution von 1848, gescheitert.
In der Folge versuchte Preußen ohne Erfolg, die kleindeutsche Lösung in Form eines freiwilligen Staatenbundes doch noch zu verwirklichen. Unterdessen berief der neue österreichische Ministerpräsident Felix Fürst zu Schwarzenberg den alten Bundestag wieder ein und brachte mit russischer Unterstützung Preußen in der Olmützer Punktation 1850 zu einem Verzicht auf seine kleindeutschen Pläne und zur Anerkennung des Bundestages.


Der preußisch-österreichische Dualismus prägte nun zunehmend die Bundespolitik und stand jeglichem Versuch, die Bundesverfassung zu reformieren, hemmend im Wege. Preußen reklamierte, gestützt auf seine militärische und wirtschaftliche Macht, die Führung innerhalb des Bundes, verlor aber zugleich auch die kleindeutsch-preußische Lösung der deutschen Frage nicht aus den Augen. Nach einer Phase der Reaktion war in dem konstitutionell verfassten Preußen unter dem Prinzregenten bzw. König Wilhelm I. (seit 1861) eine liberale Ära eingeleitet worden, die jedoch durch den preußischen Verfassungskonflikt 1862 jäh unterbrochen und durch die Rückkehr zu einer konservativ-obrigkeitsstaatlichen Regierungsweise abgelöst wurde: Die Auseinandersetzung zwischen der liberalen Landtagsmehrheit und der Regierung um die Heeresreform – in erster Linie eine Heeresverstärkung, die die Liberalen mit einer Abschaffung der dreijährigen Dienstpflicht verknüpft wissen wollten – löste Wilhelm I., indem er Otto von Bismarck zum preußischen Ministerpräsidenten berief und ihn die Heeresreform ohne die Zustimmung des Landtages umsetzen ließ.

Ähnlich kompromisslos behandelte Bismarck einen von Österreich eingebrachten Vorschlag zur Reform des Bundes: Den Frankfurter Fürstentag, der im August 1863 die österreichischen Reformvorschläge beraten sollte, ließ er scheitern, indem er zum einen Wilhelm I. von einer Teilnahme abriet und zum anderen für Österreich unannehmbare, weil die preußische Position innerhalb des Bundes stärkende Reformvorschläge einbrachte. Zugleich näherte sich Preußen außenpolitisch u. a. durch die Alvenslebensche Konvention an Russland an, das seit dem Krimkrieg in Konflikt mit Österreich lag.
1864 fanden sich die beiden deutschen Großmächte Österreich und Preußen noch einmal zu einem gemeinsamen Vorgehen zusammen, und zwar gegen Dänemark um die Herzogtümer Schleswig und Holstein. Nach dem 2. Deutsch-Dänischen Krieg, den Preußen und Österreich ohne Beteiligung des Bundes gegen Dänemark geführt und gewonnen hatten, musste Dänemark die beiden Elbherzogtümer abgeben und der gemeinsamen Verwaltung („Kondominium”) durch Österreich und Preußen überlassen.
Bereits im folgenden Jahr teilten sich Österreich und Preußen auf Grund zunehmender Spannungen in der Gasteiner Konvention die Verwaltung – Österreich erhielt Holstein, Preußen erhielt Schleswig –, doch auch diese Regelung hatte nicht lange Bestand. Bismarck, der offenbar seit seinem Amtsantritt die Auflösung des Deutschen Bundes und die Schaffung eines neuen kleindeutschen Staatenbundes unter preußischer Führung anstrebte, ließ unter dem Vorwurf, Österreich habe die Gasteiner Konvention gebrochen, 1866 Holstein besetzen und erklärte, nachdem der Bundestag die Mobilisierung der nichtpreußischen und nichtösterreichischen Truppen beschlossen hatte, am 14. Juni 1866 die Bundesverfassung für aufgehoben.
Mit dieser faktischen Auflösung des Deutschen Bund löste Bismarck den Deutschen Krieg zwischen Preußen und Österreich aus, den Preußen mit seinem Sieg über Österreich bei Königgrätz am 3. Juli 1866 für sich entschied. Im Frieden von Prag am 23. August 1866 musste Österreich der Annexion Schleswigs und Holsteins sowie einiger anderer nord- und mitteldeutscher Territorien durch Preußen zustimmen sowie der Neuordnung Deutschlands in Form des Norddeutschen Bundes, d. h. einem deutschen Staatenbund ohne Österreich.

Der Norddeutsche Bund war bereits am 18. August 1866 auf Initiative Bismarcks von 17 norddeutschen Staaten und Preußen als der Führungsmacht gegründet worden. Das Königreich Sachsen schloss sich dem Norddeutschen Bund wenig später an, und die süddeutschen Staaten näherten sich durch Bündnisse dem Norddeutschen Bund an. Der vollständige Beitritt der süddeutschen Staaten war dann auch bereits in der Verfassung des Norddeutschen Bundes vorgesehen, die der aus allgemeinen und gleichen Wahlen hervorgegangene Norddeutsche Reichstag am 16. April 1867 verabschiedete. Des Weiteren stand laut der Verfassung Preußen das Bundespräsidium zu sowie die Verantwortung für die Außenpolitik und das Heer; dem preußischen Ministerpräsidenten, also Bismarck, wurde das Amt des Bundeskanzlers übertragen.

Die Außenpolitik des Norddeutschen Bundes wurde vom zunehmend gespannten Verhältnis zwischen Preußen und Frankreich unter Napoleon III. dominiert. Nachdem Frankreich durch Preußen außenpolitisch bereits weitgehend in die Isolierung getrieben worden war, genügte schließlich die von Bismarck forcierte diplomatische, vor allem auch aus Prestigegründen geführte preußisch-französische Auseinandersetzung um die Kandidatur des Prinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen, eines entfernten Verwandten Wilhelms I., für den spanischen Thron, um die preußisch-französischen Spannungen eskalieren zu lassen.

Unmittelbarer Anlass für die französische Kriegserklärung an Preußen im Juli 1870 und den Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieg war die so genannte Emser Depesche, ein von Bismarck bewusst scharf und verfälschend umformulierter Bericht über eine Unterredung zwischen Wilhelm I. und dem französischen Botschafter zur Entschärfung der Thronkandidatur-Krise. Die Wirkung der Emser Depesche – die Kriegserklärung Frankreichs – war von Bismarck gewollt. Die Kriegserklärung Frankreichs wiederum hatte zur Folge, dass sich auch die süddeutschen Staaten auf die Seite Preußens stellten.

Im November 1870 traten Bayern, Württemberg, Hessen und Baden dem Norddeutschen Bund bei; am 10. Dezember 1870 beschloss der Reichstag des Norddeutschen Bundes die Umbenennung des Bundes in Deutsches Reich, und am 18. Januar 1871 wurde im Schloss zu Versailles Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser proklamiert. Damit war die deutsche Einigung im Sinne Bismarcks – kleindeutsche Lösung mit preußischer Hegemonie – vollendet. Am 21. März 1871 kam erstmals der neue Reichstag zusammen, und am 16. April 1871 trat die neue Reichsverfassung in Kraft, eine modifizierte und erweiterte Fassung der Norddeutschen Bundesverfassung. Der einzige verantwortliche Reichsminister im Deutschen Kaiserreich war der Reichskanzler, der vom Kaiser ernannt wurde und fast immer auch zugleich preußischer Ministerpräsident sowie Staatssekretär des Auswärtigen war, 1871 also erneut Bismarck.

Den Deutsch-Französischen Krieg hatten die Deutschen unter preußischer Führung bereits mit der Schlacht bei Sedan am 1. September 1870 weitgehend für sich entscheiden; vollendet wurde der deutsche Sieg durch die Kapitulation von Paris am 28. Januar 1871. Im Frankfurter Frieden vom 10. Mai 1871 musste Frankreich Elsass und Lothringen abtreten, die als Reichslande mit verfassungsrechtlicher Sonderstellung in das Deutsche Reich eingegliedert wurden.

Nach der Reichsgründung und dem Sieg im Deutsch-Französischen Krieg erklärte Bismarck die deutschen, d. h. primär seine eigenen deutschlandpolitischen Ziele für erreicht und Deutschland für „saturiert” und suchte nun vordringlich die neue Großmacht Deutsches Reich in das europäische Mächtesystem zu integrieren, ohne es zu destabilisieren, d. h. im Sinne der Wahrung der Sicherheit und des Friedens sowie der jeweiligen Interessen das europäische Kräftegleichgewicht aufrechtzuerhalten. 1873 brachte er den informellen Dreikaiserbund zwischen Deutschem Reich, Österreich, bis vor kurzem noch der größte Rivale Preußens in der Reichspolitik, und Russland, das mit Österreich hinsichtlich des Balkans in Konflikt gelegen war und latent immer noch lag, zustande.

Durch den Berliner Kongress, auf dem sich Bismarck als „ehrlicher Makler” in der Balkanfrage betätigte, kam es jedoch wieder zu Irritationen zwischen Deutschem Reich und Russland sowie Österreich und Russland; der Dreikaiserbund wurde schwer erschüttert. 1879 schloss Bismarck daher als Ausgleich mit Österreich den Zweibund, ein gegen Russland gerichtetes Defensivbündnis, das 1882 um Italien zum Dreibund erweitert wurde. 1881 gelang Bismarck mit der Errichtung des Dreikaiserbündnisses als Neuauflage des Dreikaiserbundes ein relativer Ausgleich der russisch-österreichischen Beziehungen; Bismarck strebte damit in erster Linie die Beruhigung der Situation auf dem Balkan an.



Mitte der achtziger Jahre scheiterte das deutsch-österreichisch-russische Bündnis jedoch endgültig an der Balkanfrage; 1887 schloss Bismarck daher den Rückversicherungsvertrag mit Russland, der beide Seiten zur Neutralität im Kriegsfall verpflichtete. Über die Mittelmeerentente von 1887 zwischen Großbritannien, Italien und Österreich näherte sich auch Großbritannien dem Dreibund und damit dem Kaiserreich an. Somit stand das Deutsche Reich mit allen europäischen Großmächten außer Frankreich in Bündnisbeziehungen.

Obwohl er das Deutsche Reich territorial für saturiert hielt und den Erwerb von Kolonien für das Deutsche Reich zunächst ablehnte, leitete Bismarck doch in den frühen achtziger Jahren u. a. auf innenpolitischen Druck hin eine behutsame, die Interessen der anderen europäischen Kolonialmächte, vor allem Großbritanniens, respektierende Kolonialpolitik ein, die u. a. zum Erwerb der Schutzgebiete Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia), Togo, Kamerun und Deutsch-Ostafrika sowie Deutsch-Neuguineas, des Bismarck-Archipels und der Marshall Islands führte.

Die Innenpolitik Bismarcks war zunächst vergleichsweise liberal und wurde im Reichstag und im preußischen Abgeordnetenhaus von den Liberalen mitgetragen, und zwar sowohl die von der Idee des Freihandels geprägte Wirtschaftspolitik, als auch die Politik des so genannten Kulturkampfes gegen die katholische Kirche und das, was man als ihr politisches Organ ausmachte, die Zentrumspartei. Der liberale Kurs und die Zusammenarbeit mit den Liberalen fanden jedoch nach dem wirtschaftlichen Einbruch im so genannten Gründerkrach von 1873, der auf die wirtschaftliche Hochblüte der Gründerjahre gefolgt war, sukzessive ihr Ende. Bismarck schlug nun einen konservativen, gegen Liberalismus und Parlamentarismus gerichteten innenpolitischen Kurs ein, der sich u. a. im Sozialistengesetz von 1878 und der Einführung von Schutzzöllen 1879 zum Schutz vor allem der preußischen Landwirtschaft und Industrie und deren konservativer Vertreter manifestierte. Die mit dem Sozialistengesetz intendierte Schwächung bzw. Zerschlagung der drei Jahre zuvor gegründeten Sozialistischen Arbeiterpartei gelang jedoch nicht; stattdessen wurde die Arbeiterschaft zunehmend dem Staat entfremdet, woran auch die 1883 eingeleitete, international vorbildliche Bismarck’sche Sozialgesetzgebung wenig ändern konnte.

1888 starb Wilhelm I.; ihm folgte sein Sohn Friedrich III. auf den Thron, der Hoffnungsträger des liberalen, reformorientierten Bürgertums. Friedrich, bereits bei der Thronbesteigung todkrank, starb nach nur 99 Tagen Regierungszeit; sein Nachfolger im so genannten Dreikaiserjahr wurde sein Sohn Wilhelm II.


Mit dem Regierungsantritt Wilhelms II., besonders nach der Entlassung Bismarcks – der Grund waren unüberbrückbare Differenzen zwischen Kaiser und Kanzler – und der Berufung Leo von Caprivis zum Reichskanzler 1890, setzte innen- und außenpolitisch ein „Neuer Kurs” ein. Außenpolitisch manifestierte sich der neue Kurs zunächst in der Nichtverlängerung des Rückversicherungsvertrags mit Russland 1890, woraufhin Russland 1894 eine Militärkonvention mit Frankreich einging, die wiederum die Verstärkung des deutschen Heeres nach sich zog. Das Deutsche Reich stand nun zwischen Frankreich und Russland und musste im Kriegsfall mit einem Zweifrontenkrieg rechnen – eine Situation, die Bismarck mit seinem Bündnissystem zu vermeiden versucht hatte.

Die Annäherung an Großbritannien, die das Deutsche Reich nun sinnvollerweise hätte suchen müssen, unterblieb weitgehend; stattdessen baute es auf eine Politik der Stärke, die davon ausging, dass vor dem Hintergrund der britisch-französischen Spannungen hinsichtlich der Kolonien und dem französisch-deutschen Gegensatz Großbritannien von sich aus die Annäherung an das Deutsche Reich suchen müsse. Nach einer Phase der Entspannung des deutsch-britischen Verhältnisses, die u. a. in dem Helgoland-Sansibar-Vertrag von 1890 zum Ausdruck kam, gerieten die beiden Mächte zunehmend in Gegensatz zueinander, verursacht u. a. durch Deutschlands undiplomatische und aggressive Kolonial- und Weltpolitik, durch die es sich als gleichberechtigtes Mitglied in die Reihe der großen Kolonialmächte einzureihen suchte: Um die Jahreswende 1895/96 nahm Wilhelm II. offen Partei für die Buren und gegen Großbritannien, ab 1898 vertiefte er die Beziehungen zum Osmanischen Reich und handelte mit den Osmanen u. a. den Bau der Bagdadbahn aus, womit er erneut britische Interessensphären verletzte, und schließlich rüstete das Deutsche Reich auf Betreiben verschiedener Interessenverbände und des Admirals Alfred von Tirpitz seine Kriegsflotte massiv auf, was Großbritannien als Bedrohung erscheinen musste.

Folge dieser deutschen Außenpolitik war die britisch-französische Annäherung in der Entente cordiale von 1904, die 1907 um Russland zur Tripelentente erweitert wurde. Die beiden Marokkokrisen (1905 und 1911), die durch Deutschlands Versuch, die Einflussnahme Frankreichs in Marokko zurückzudrängen, verursacht worden waren, trieben auf der einen Seite das Deutsche Reich außenpolitisch noch weiter in die Isolation, stärkten auf der anderen Seite die Entente cordiale bzw. die Tripelentente. Das deutsch dominierte Gegenbündnis, der Dreibund, verlor dagegen durch die inneren Schwierigkeiten Österreich-Ungarns sowie die Annexionskrise und die wenig eindeutige Haltung Italiens an Autorität und Stärke.

1912 unternahm Großbritannien mit der Haldane-Mission einen letzten deutsch-britischen Verständigungsversuch, der jedoch an der unnachgiebigen Haltung Deutschlands in Bezug auf seine Flottenrüstung scheiterte. Verschärft wurde die Krisensituation zwischen den beiden Bündnissystemen in Europa durch die Balkankriege 1912/13, die die Interessensphären der beiden Bündnisse berührten und die Lage in Europa weiter destabilisierten. Die Situation eskalierte schließlich in der auf das Attentat von Sarajevo folgenden Julikrise 1914, während der das Deutsche Reich noch vergeblich versuchte, die Tripelentente zu sprengen und die „Einkreisung” zu durchbrechen, und sie mündete in den 1. Weltkrieg.


In der Innenpolitik suchten Wilhelm II. und seine Kanzler zunächst dem durch die fortschreitende Industrialisierung bedingten gesellschaftlichen Wandel gerecht zu werden, u. a. durch die Fortführung der Sozialgesetzgebung und durch die Aufhebung des Sozialistengesetzes 1890. Die Versöhnung zwischen Arbeiterschaft und Staat und die Eindämmung der Sozialdemokratie gelang jedoch auch Wilhelm II. nicht, so dass er bald wieder zu einer repressiven Politik nach Bismarck’schem Vorbild zurückkehrte. Parlamentarisierung und Demokratisierung des Deutschen Reiches stagnierten; die Politik im Deutschen Reich – sowohl Innen- wie Außenpolitik – wurde vielmehr lange Jahre durch das „persönliche Regiment” des Kaisers geprägt.

Dementsprechend standen auch die Reichskanzler Caprivi (1890-1894) und Hohenlohe-Schillingsfürst (1894-1900) weitgehend in seinem Schatten. Bernhard von Bülow (1900-1909) scheiterte, obwohl er ab 1906 eine konservativ-liberale Mehrheit im Reichstag, den so genannten Bülow-Block, hinter sich hatte, auf Reichsebene mit der Umsetzung einer Finanzreform und in Preußen mit der Reform des preußischen Dreiklassenwahlrechts. Erschüttert wurde Bülows Stellung zusätzlich durch die Daily-Telegraph-Affäre; 1909 trat er zurück. Mehr noch als Bülows Stellung untergrub die Daily-Telegraph-Affäre jedoch die Stellung des Kaisers und schränkte vor allem dessen „persönliches Regiment” ein.

Die durch die Affäre ausgelöste Verfassungskrise wurde jedoch ebenso wenig zu einer umfassenden Verfassungsreform genutzt wie die Zabern-Affäre 1913, die die Abhängigkeit der Regierung vom Militär offenbarte. Die Parlamentarisierung des politischen Systems im Deutschen Reich blieb nach der Daily-Telegraph-Affäre in Ansätzen stecken, und der Versuch der SPD, seit 1912 stärkste Reichstagsfraktion, den Reichskanzler Bethmann Hollweg (1909-1917), Bülows Nachfolger, auf Grund seiner Beteiligung an der Zabern-Affäre zu stürzen und den Weg zur Parlamentarisierung des Systems freizumachen, scheiterte mangels Unterstützung."

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