Sprachen der Königshäuser in der FNZ, insbesondere Tudor

So umfangreich sind die Dialoge in französischer Sprache auch wieder nicht, mit Anfängerkenntnissen kann man eigentlich alles verstehen in Krieg und Frieden. Längere Passagen lässt Tolstoi nur Napoleon Französisch sprechen, die russischen Charaktere zitieren französische Redewendungen, Phrasen, manchmal auch ziemlich banale Allgemeinplätze. Wie heute manche Zeitgenossen vorzugsweise (D)Englisch parlieren, so taten das in der aristokratischen Moskauer Gesellschaft manche vorzugsweise in Französisch, und wenn auch sicher nicht jeder russische Aristokrat perfekt Französisch konnte, so hatte doch die überwiegende Mehrheit Grundkenntnisse in Französisch.
Als ich mich das erste Mal an Tolstoi heranwagte, konnte ich noch kein Französisch, und da hat es mich geärgert, wenn ich Passagen überlesen musste. Eigentlich mag ich es nicht, wenn ein Autor eine Fremdsprache zitiert, deren Kenntnis nicht bei allen Lesern vorausgesetzt werden kann. Als ich de Quinceys Confessions of an English Opiumeater oder Stephan Zweigs Marie Antoinette-Biographie das erste Mal las, die ich sonst beide sehr schätze, habe ich es als bildungsbürgerliche Gespreiztheit empfunden, wenn dieser altgriechisch, der andere französische Couplets über die angebliche Impotenz Ludwig XVI. zitierte, ohne in einer Fußnote eine Übersetzung hinzuzufügen.

Bei Tolstoi erhöhen aber die französischen Zitate die sprachliche Vielschichtigkeit und Authentizität des Werks, jedenfalls empfinde ich es heute so.

Die in Tolstois Krieg und Frieden porträtierte Moskauer Aristokratie bzw. deren Nachkommen, die seinen Roman lasen, hätte allerdings die Verlegenheit, die ich bei meiner ersten Lektüre von Krieg und Frieden hatte, wohl nicht gehabt, denn soviel Französisch, dass sie keine Übersetzung brauchten, konnten die.

Kutusow, der immer bei Lagebesprechungen einnickt, hat ein Faible für die Trivialromane einer damals bekannten französischen Autorin.
 
Zum Thema fällt mir ein Bonmot ein, das Karl V. zugeschrieben wird. Belegen kann ich es aber leider nicht:
"Ich spreche spanisch zu Gott, italienisch zu den Frauen, französisch zu den Männern und deutsch zu meinem Pferd."

Das Zitat ist wohl authentisch, jedenfalls nimmt Jonathan Swift in seinem Roman "Gullivers Reisen" Bezug darauf. Der Antiheld Lemuel Gulliver beschreibt im vierten Band die Sprache der vernunftbegabten Pferde und stellt fest, dass sie am meisten der deutschen Sprache ähnele, aber melodischer sei, und Swift zitiert darauf das Zitat von Karl V.
 
Das englische Königshaus hatte m. W. noch bis Ende des 18. Jh. noch den Titel des "Roi de France". Vor Urzeiten hatten wir das auch schon mal (Neben-)thema hier in einem Thread gehabt. Dies wird wahrscheinlich auf Eleonore von Aquitanien zurückgehen, so dass die Tudors wohl auch diesen Titel geführt haben dürften. Der Titel hatte natürlich mit der tatsächlichen Ausübung des Königamtes nichts zu tun. Ob die jeweiligen Könige von Frankreich (in London) Französisch sprachen oder zumindest Kenntnisse im Französischen hatten, ist natürlich auch noch eine andere Frage.


Ist zwar vor der FNZ, interessiert aber vllt. trotzdem jemanden
Mittelenglisch – Wikipedia

s. hierzu den ausführlicheren Artikel in der englischen Wikipedia: Anglo-Norman language - Wikipedia .

Zwar nicht am Königshof, aber am Gerichtshof hielt sich das Französische (bzw. eine Variante) noch bis 1731:

Law French - Wikipedia

Allerdings war dieses Französisch ab dem 13. Jh. wohl nicht mehr mündlich im Gebrauch, sondern nur noch in schriflicher Form.


Das Zitat ist wohl authentisch, jedenfalls nimmt Jonathan Swift in seinem Roman "Gullivers Reisen" Bezug darauf. Der Antiheld Lemuel Gulliver beschreibt im vierten Band die Sprache der vernunftbegabten Pferde und stellt fest, dass sie am meisten der deutschen Sprache ähnele, aber melodischer sei, und Swift zitiert darauf das Zitat von Karl V.

Gullivers Reisen ist von 1726, damit gut 160 Jahre nach dem Tod Karls V. entstanden. Dann wäre dieses Zitat, unabhängig davon, ob authentisch oder angedichtet, schon damals mit Karl V. verbunden gewesen sein.
 
Das englische Königshaus hatte m. W. noch bis Ende des 18. Jh. noch den Titel des "Roi de France". Vor Urzeiten hatten wir das auch schon mal (Neben-)thema hier in einem Thread gehabt. Dies wird wahrscheinlich auf Eleonore von Aquitanien zurückgehen, so dass die Tudors wohl auch diesen Titel geführt haben dürften. Der Titel hatte natürlich mit der tatsächlichen Ausübung des Königamtes nichts zu tun. ...
Der Anspruch der englischen Könige, auch Könige von Frankreich zu sein, wurde 1820 aufgegeben. Im "Hundertjährigen Krieg" ging es um diesen Anspruch.
...Der Titel hatte natürlich mit der tatsächlichen Ausübung des Königamtes nichts zu tun. Ob die jeweiligen Könige von Frankreich (in London) Französisch sprachen oder zumindest Kenntnisse im Französischen hatten, ist natürlich auch noch eine andere Frage...
Da hast du zweifellos Recht, obwohl speziell in diesem Fall Sprachkenntnisse den Herrschaftsanspruch vllt. schon hätten unterstützen können. Ansonsten interessierte die Herrschenden die Sprache ihrer Untertanen herzlich wenig, wie oben schon an den Normannen und ersten Hannoveranern in England gezeigt wurde. Es gab auch mal einen deutschen König aus England, Richard von Cornwall, und zwar ganz offiziell und nicht nur nominell und selbsternannt. Dass der (mittelhoch- oder -nieder)deutsch konnte, bezweifle ich.

Um Sprachkenntnisse zu erwerben, braucht es auch die entsprechenden intellektuellen Fähigkeiten. Die kann man auch bei der selbsternannten Elite des Adels nicht selbstverständlich voraussetzen.
 
Der Anspruch der englischen Könige, auch Könige von Frankreich zu sein, wurde 1820 aufgegeben. Im "Hundertjährigen Krieg" ging es um diesen Anspruch.

Irgendwo hatten wir das schon mal gehabt, wie, warum und bis wann der Titel "Roi de France" auch "outre-manche" verwendet wurde. Ich habe das auf die Schnelle nicht finden können, dafür aber diesen Beitrag von Lafayette II:


Und da findet sich auch etwas zu dem "King of France":

Royal Styles and Titles in England and Great Britain

Danach war der Titel von 1340 bis 1800 Teil der Titulatur.

Solche Titel ohne eigentlichen Inhalt sind zumeist langlebig, so hatten doch auch die Kaiser der k. u. k. Monarchie den Titel des Königs von Jerusalem. Ob der letzte Thronfolger Otto von Habsburg, der 2011 verstorben ist, diesen Titel noch führte, ist mir nicht bekannt. Jerusalem selber ist übrigens 1187 gefallen. Und sogar der römische Kaisertitel liegt noch in den Händen des derzeitigen Königs von Spanien Felipe VI. Einer seiner Amtsvorgänger konnte ihn im 16. Jh. von dem Thronerben von Konstantinopel "gebraucht" erwerben.
 
Zu den Sprachkenntnissen Karls V. behauptet die ADB folgendes:
"K. lernte nur sehr wenig lateinisch und spanisch; er sprach nur wenige Worte deutsch, nicht einmal im Vlämischen wußte er sich gewandt auszudrücken."
"Die Spanier bemerkten, daß er von den niederländischen Großen allzusehr abhängig, daß er noch nicht einmal spanisch zu sprechen gelernt habe."

ADB:Karl V. (Kaiser) – Wikisource

Karl hielt einmal in Rom in Anwesenheit des französischen Königs (mit dem er im Clinch lag) eine Rede an den Papst. Der französische König beschwerte sich, dass er diese auf spanisch und nicht französisch hielt.
 
Im "Spiegel" stand einmal ähnliches wie in der ADB und auch der Spruch von @Ugh Valencia, allerdings mit der Einschränkung, dass K. das gesagt haben soll.
In Bezug auf den "Gulliver" sollte man vllt. bedenken, dass es sich um eine satirische Utopie handelt, und der Ausspruch ist vllt. Teil der Gegenwelt.
 
Zu den Sprachkenntnissen Karls V. behauptet die ADB folgendes:
"K. lernte nur sehr wenig lateinisch und spanisch; er sprach nur wenige Worte deutsch, nicht einmal im Vlämischen wußte er sich gewandt auszudrücken."
"Die Spanier bemerkten, daß er von den niederländischen Großen allzusehr abhängig, daß er noch nicht einmal spanisch zu sprechen gelernt habe."

ADB:Karl V. (Kaiser) – Wikisource
Das gilt aber hauptsächlich für die ersten Jahre in Spanien.

Karl hielt einmal in Rom in Anwesenheit des französischen Königs (mit dem er im Clinch lag) eine Rede an den Papst. Der französische König beschwerte sich, dass er diese auf spanisch und nicht französisch hielt.

Da darf man ruhig etwas quellenkritisch sein. Die Anekdote ist durch keinen der Anwesenden überliefert, sondern durch einen frz. Bischof, der selber zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal flüssig war:

Pierre de Bourdeille, dessen Glaubwürdigkeit gering einzuschätzen ist, weil er ein Faible für Anekdötchen hat und außerdem selbst erst vier Jahre nach dem Ereignis geboren wurde, berichtet über ein Ereignis am 17. April 1536 am päpstlichen Hof. Der französische Botschafter, Bischof von Mâcon unterbricht Karl V., weil dieser auf Spanisch spricht. Dieser darauf zum Bischof: "Señor obispo, entiéndame si quiere, y no espere de mi otras palabras que en mi lengua española, la cual es tan noble que merece ser sabida y entendida de toda la gente cristiana. - Herr Bischof verstehen Sie mich, wenn Sie wollen und erwarten Sie keine anderen Worte von mir, als in der spanischen Sprache, welche so edel ist, dass sie es verdient, dass sie von allen Christenmenschen gekannt und verstanden wird"
 
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