Stammesverhältnisse vor Solon

krischan

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Moin,
ich bin eher zufällig über das Forum gestolpert, auf der Suche nach den frühgriechischen Verhältnissen.

Die Reformen Solons und Kleisthenes waren notwendig geworden wohl, weil Mißstände und Schuldknechtschaft uberhand genommen hatten. War das ein Ergebnis der Kriege Athens, Thebens und Spartas?

Im Zusammenhang mit der Erforschung agnatischer Gesellschaftsverhältnisse interessieren mich vor allem die Gründe warum sich das alte Stammesrecht so negativ entwickelt hatte, das die Macht des Adels gebrochen werden mußte.
Ursprünglich dürfte dieser "Adel" nur eine Art Sippenvorstand gewesen sein. Für Griechenland muß sich diese Vorsteherschaft negativ und machtanhäufend entwickelt haben. Vielleicht aufgrund äußerer Bedrohung.

(Die Einführung "Anfänge der griechischen Geschichte" hab ich gelesen).


Grüße, krischan
 
Die Abhängigkeit der unteren Schichten entstand wohl aus mehreren Faktoren. Im 8. und 7. Jahrhundert vor Christus gab es einen starken Bevölkerungszuwachs in Griechenland. Fast gleichzeitig dazu sorgten klimatische Veränderungen zu Dürreperioden und Hungersnöten. Da nach altem Brauch das Erbe unter den Söhnen zu gleichen Teilen aufgeteilt wurde, verkleinerte sich der Grundbesitz bei armen Bauern recht schnell, so das man nicht selbstständig wirtschaftlich Leben konnte und sich daher von anderen Leuten Land leihen mußte. Gepaart mit der Bevölkerungsexplosion und den klimatischen Änderungen führte das wiederum dazu, dass sich rasch sehr viele in die Abhängigkeit von wenigen begeben mussten. Und hier setzen die Gesetze Solons ein.

Oder zielt die Frage noch auf die Homerische Zeit ab also das 9. und frühe 8.Jahrhundert?
 
Moin,
Im Zusammenhang mit der Erforschung agnatischer Gesellschaftsverhältnisse interessieren mich vor allem die Gründe warum sich das alte Stammesrecht so negativ entwickelt hatte, das die Macht des Adels gebrochen werden mußte.

Für die nichtadligen Schichten der griechischen Bevölkerung bedeutete die Ablösung des Königtums durch die selbstständigen örtlichen Adelsgruppen eher eine Verschlechterung. Die Literatur der Zeit bezeugt die rücksichtslose Machtausnutzung und Unterdrückung der Schwachen durch den Adel. Die Unfreiheit der bäuerlichen Bevölkerung nahm zu, viele gerieten in Schuldknechtschaft. Gleichzeitig erlebte aber die Wirtschaft einen starken Aufschwung und mit wachsendem Wohlstand entfalteten sich ein selbstständiges Handwerk und der Handel. In diesem Gefolge kam es zu sozialen Umwälzungen, die schließlich zum Sturz der Adelsherrschaft und zum Aufstieg breiterer Schichten - besonders der Bauernschaft - führten.

Einer der zentralen Gründe für die Ablösung des Adels lag in den Veränderungen des Heerwesens. Als Eisen die Bronze zu ersetzen begann, konnten sich neben dem Adel auch die weniger Reichen die Vollbewaffnung leisten, da Eisen auch in Griechenland nicht selten ist und billiger war als Bronze. In der Mitte des 8. Jh. wurde der Kriegswagen durch das Reitpferd ersetzt, in der 1. Hälfte des 7. Jh. trat an die Stelle des adligen Einzelkämpfers die geschlossene Phalanx schwerbewaffneter Hopliten, wo der Einzelne nicht mehr hervortrat. So gewannen auch die Bauern militärische Bedeutung und erhoben Anspruch auf politische Rechte.

Die Ablösung des Adels hat also wenig mit innergriechischen Machtkämpfen zwischen einzelnen Poleis zu tun. Vielmehr sind es soziale und ökonomische Umwälzungen, die diesen Prozess bewirkten.
 
Hi,
ich schreibe gerade an einem Artikel. Ich kenne mich in der griechischen Frühzeit allerdings nicht so gut aus.
Meine Arbeitshypothese lautet: Während der Einwanderung von Stämmen ins heutige Griechenland waren die Gesellschaftsstrukturen noch nach Gentilen / Lineages geordnet. (Die Die Aristokratie (als Sippenvorstände) wurde zu dieser Zeit vermutlich noch gewählt.
Zwischen diesen Verhältnissen und Solons Reformen muß sich die alte Gentilordnung in erbliche Führerschaften und die Gesellschaft sich als Ganzes stark verändert haben.


Ähnliches findet man in Rom, allerdings viel später: die Entmachtung der aristokratischen comitia curiata und Einführung der comitia centuriata. Das Volk wurde, simpel gesagt, nicht mehr nach Sippen (Kurien) eingeteilt, sondern nach Hundertschaften. Ehrenberg (Der Staat der Griechen) erzählt ähnliches schon aus dem frühen Griechenland, wo Zuteilungen von Neubürgern nicht nur an Phyle und Phratrie gingen, sondern auch an Dreißigschaften und Rotte. - Militärische Einteilungen, die nicht mehr auf verwandtschaftlichen Bindungen beruhten.

Die Frage nach den Gründen dieser Veränderungen führen zum einen zu den Einwanderungen von Neubürgern die nicht in die Verwandtschaften aufgenommen (adoptiert) werden konnten. Zum anderen begünstigte in Rom die äußere Bedrohung durch die Kelten (war eine geradezu römische Phobie) die Einteilung des Volkes in bestimmte, nicht verwandtschaftliche Klassen.
Die Folge war nicht nur die Hierarchisierung der Gesellschaft, auch die Zementierung erblichen Adels als Beteilligte in Regierungsformen. (comitia curiata).

In Griechenland bin ich nun auf eine sehr ähnliche Umstrukturierung in Klassen gestoßen, die nicht mehr (oder nur teilweise) verwandtschaftlich organisiert waren. Außerdem gab es äußere Bedrohungen: Erst Theben und Sparta, später die Perserkriege.
Die zeitliche Zuordnung macht mir noch Schwierigkeiten, auch die Entwicklung der Boulé und des Areopag.

Ein weiteres sind die Siedlungsformen, die im Widerspruch zur „personalen“ Ordnung des Stammes stehen. (Ehrenberg)

Wenn ich in dem Vergleich zu Rom in etwa richtig liege, dann sollte man in der Frühzeit Griechenlands zum einen äußere Bedrohungen und zum anderen wesentliche Einwanderungen Volksfremder finden, die die Veränderungen von der stammesrechtlichen Gesellschaftsstruktur zu einer erblich werdenden Adelsschicht rechtfertigen – wodurch sich wiederum letztlich die Reformen Solons und die Einführung der antiken Demokratie erklären ließen.

Der Hinweis auf die ökonomischen Ursachen (Besitzstände) ist ganz vielversprechend.



[FONT=&quot]Grüße, krischan[/FONT]
 
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