Steinbrüche

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Ich bin über eine weitere Frage gestolpert, die ich nicht ganz klären konnte. Aber vorweg, was ich weiß (oder zu wissen glaube):

- Man hat versucht die Transportwege für Stein kurz zu halten und im Zweifel Wasserwege bevorzugt.

- Im Gegensatz zu heute war damals die (unqualifizierte) Arbeitskraft günstig, aber das Material teuer.

- Mir ist klar, dass für besondere Ware, wie Marmor nochmal ganz andere Antworten herauskämen, mich interessiert aber primär die Grundversorgung mit dem Baustoff Stein.

Aber nun die Fragen: Wenn ich von einem größeren besiedelten Gebiet ausgehe (sagen wir mal Bayern späte Antike/frühes Mittelalter), wie darf ich mir die Versorgung mit Stein als Baumaterial vorstellen? Genauer:

- Welchen "Einzugsbereich" hatte so ein Steinbruch etwa? Ab welcher Entfernung hat man auf Stein für mittelwichtige Gebäude lieber verzichtet und ab welcher Entfernung wird es selbst für ein wichtiges Projekt, wie einen Tempel, eine Festung usw. unrealistisch?

- Kann ich davon ausgehen, dass die meisten Steinbrüche eher klein und Gemeingut waren, also etwas, wo jeder für seinen Bedarf abgebaut hat ohne Fachleute? Also gerade was Dörfer angeht, eher kleine Brüche in Hängen?

- Kamen Fachleute nur gezielt für Großprojekte in Brüche, oder gab es größere Steinbrüche, die tatsächlich immer "bewirtschaftet" wurden und das Material in den Handel ging, welches man nicht selbst brauchte?

: )
 
In unseren Breiten hat man im Frühmittelalter (FMA) so gut wie gar nicht mit Stein gebaut. Holz, Flechtwerk, Lehm und vielleicht Ziegel waren die Mittel der Wahl. Das gilt für Bauernhäuser genauso, wie für kleine Kirchen oder kleine Burgen. Ne Bischofskirche, die wurde vielleicht mal aus Stein gebaut.
In der römischen Antike war der Betrieb einer Mine oder eines Steinbruchs i.d.R. organisiert. Das übernahmen i.d.R. Ritter (equ(it)es), die als sogenannte publicani eine Mine oder einen Steinbruch vom Staat pachteten und diese ausbeuteten.
Im Verlaufe des Mittelalters übernahmen wohl vor allem die Klöster solche Dinge, erst im SpätMA würde ich mit bürgerlich organisierten Steinbrüchen rechnen, dabei aber weniger für das Baugewerbe als vielmehr in Richtung von edleren Steinen (z.B. Onyx/Achat) für die Verarbeitung zu liturgischen Gefäßen.

Wenn es nicht gerade Marmor und ähnliche Gesteinsarten waren, hat man i.d.R. das lokal anstehende Material genutzt. Transport von Stein ist nämlich schwierig, da schwer (Gewicht). Nehmen wir mal Córdoba, im 8. Jhdt. wahrscheinlich die reichste Stadt Europas: Die Moschee dort hat man mit Säulen gebaut, die man aus römischen Gebäuden und Ruinen herführte. Der älteste Teil der Moschee ist mit Säulen gebaut, die verschieden lang waren, um sie alle auf eine Länge zu bringen, senkte man sie daher entweder im Boden ein oder erhöhte sie auf Podeste, die man unter die Säulenbasen mauerte. Erst im 10. Jhdt. hat man, bei der dritten Erweiterung der Moschee eigens dafür Säulen herstellen lassen, die sind in Länge und Breite genormt und aus rotem und schwarzem Granit. Bei der letzten Erweiterung lässt sich dann wieder ein Qualitätsabfall zeigen, die Säulen sind zwar für die Moschee bestellt, aber sie sind nur noch einfarbig und nur noch unregelmäßig rund gebaut. (Sorry, dass ich von Bayern noch Südspanien wechsele, aber ich finde die Baugeschichte der Moschee von Córdoba einfach faszinierend!)

Im SpätMA finde ich die Region um London und Canterbury ganz interessant. Da zumindest Kent, ja gewissermaßen auf einem riesigen Kreidefelsen liegt, findet man in Südengland sehr leicht Silex (Feuerstein); ganze Kirchen in England sind an ihren Außenseiten mit in den Putz gedrückten(?) aufgeschlagenen Feuersteinknollen verkleidet. London selbst liegt außerhalb der Kreidezone, aber auch nach Norfolk hin hat man wieder Kreide. Da die Themse im Oberlauf auch durch Kreide führt, kann ich mir vorstellen, dass man dazu eigentlich nicht weit reisen musste, um an Feuersteinknollen zu kommen, ich nehme an, es reichte, die aus der Themse aufzusammeln.
 
Zum Frühmittelalter wäre noch anzumerken, dass hier als "Steinbrüche" besonders gern römische Ruinen genutzt wurden, wie es am Beispiel Cordoba schon anklang. Die Pfalzkapelle in Aachen ist ein anderes bekanntes Beispiel; hier sollen Säulen sogar aus Ravenna herangeschafft worden sein, wobei man wohl auch im näher gelegenen Trier fündig geworden sein sollte. Es wurden aber auch kleinere Kirchen auf den Fundamenten römischer Gebäude und zum Teil aus deren Material errichtet.

Definitiv verfügten die Ottonen wieder über richtige Steinbrüche im Harz, als sie weitab römischer Baurelikte etwa in Quedlinburg, Gernrode oder Goslar bauten.
 
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Hallo

Im Rheinland wurde unter anderem auch die Wssserleitung von der Eifel nach Köln fleißig als Rohstoff genutzt,incl. im Spätmittelalter deren Kalksteinablagerungen (Sinterkalk) innerhalb der Wasserleitung.Ein Steinbruch, aus römischer Zeit, der auch wieder in otton. Zeit benutzt wurde,ist der Drachenfels.

mfg
schwedenmann
 
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@ El Quijote

Da habe ich also Steinbrüche als etwas viel zu gewöhnliches eingeschätzt. Danke für die Klarstellung und auch für die Abschweifung nach Spanien und Britanien - ich finde sowas immer sehr interessant! : )



@ Divico

Ein guter Punkt. An den gängigen Raubbau aus Ruinen hatte ich garnicht gedacht. ^^"



@ Schwedenmann

Danke für die Ergänzung.
 
Nochmal nachgefragt, wegen der Entferungen:

Wie viele km ungefähr durfte ein Streinbruch maximal von der Baustelle entfernt sein, damit der Transport realistisch ist?
Ich würde jetzt von maximal(!) 20km ausgehen - ist das halbwegs korrekt? ^^"
 
Auch das würde ich nicht pauschalisieren. Es kommt bei solchen Dingen auf viel Faktoren an:
- nur Land- oder auch Schiffstransport möglich?
- Art und Beschaffenheit des Steins? Seine Verfügbarkeit?
- Finanzkraft und Willen des Bauherren
- Zweck des Baus - gilt sowohl bei irdisch-profanen Bauten als auch solchen, die "transzendente Zwecke" verfolgten

Für einen Kaiserpalast, einen Tempel, eine Pyramide oder eine Kathedrale musst du andere Parameter anlegen, als für eine steinerne Stadtmauer. Wenn ich Carraramamor benötige, um meine Palastwände zu verkleiden, dann bekomme ich den in der Toskana (es sei denn, ich verwende Spolien, also nutze Marmor aus Altbauten sekundär). Die Marmorplatten sind vergleichsweise leicht, sie müssen nicht tragen, werden nur an die Wände aufgebracht, um das tragende Mauerwerk zu verblenden. Anders sieht das bei Marmorsäulen aus. Oder Granit oder Konglomeratgestein, Dolomit, Basalt, Sand- oder Kalkstein. Catania in Sizilien oder Bosra in Syrien sind aus Basalt gebaut, weil das der vorwiegend vorliegende Stein in den jeweiligen Regionen war. An Nord- und Ostsee baute man (in der Gotik) aus Ziegeln, was uns den Begriff der Backsteingotik beschert hat.
In eine Stadtmauer werde ich eher kein Marmor verbauen (höchstens mal vereinzelt als Zierstreifen, wenn ich richtig viel Geld habe und das auch zeigen will oder aber, wenn ich richtig wenig Geld habe und eine Ruinenstadt in der Nähe, vereinzelt als Spolien).
Für (einen) Gott werde ich aber vielleicht andere Leistungen vollbringen, als für eine Scheune. Während ich letztere eher - wenn ich nicht eh viel Holz und Lehm verwende - eher aus anstehendem Stein und herumliegendem Bruch baue, werde ich für ein Megalithgrab oder eine Kathedrale mich mehr ins Zeug legen. Schließlich will ich der höheren Entität, die womöglich über mein dies- oder jenseitiges Schicksal bestimmt - do ut des - wohlgefallen.
 
Ja, mein Fehler, ich hätte das genauer ausführen sollen. ^^"

Ich dachte primär an "einfache" Befestigungsbauten ohne irgendeinen repräsentiativen Zweck. Also sagen wir mal eine Stadtmauer oder einen Bergfried. Ab welchem Abstand zu einem Steinbruch müsste man davon ausgehen, dass eher ein hölzernen Turm gebaut wurde, weil es sonst einfach unwirtschaftlich wurde?
Also, ohne jetzt irgendwelche speziellen Umstände anzunehmen, sondern einen geschätzen Durchschnittswert.
 
Also, ohne jetzt irgendwelche speziellen Umstände anzunehmen, sondern einen geschätzen Durchschnittswert.
Zwei Beispiele: Als die Stadt Bern nach dem Großen Stadtbrand von 1405 aus Sandstein wieder aufgebaut wurde, stammte das Material vom Gurten und aus Ostermundigen, jeweils etwa aus 5 km Entfernung von der Altstadt. Als in der Neuzeit das barocke Dresden erstand, kam der verwendete Sandstein aus teils mehr als 30 km Entfernung — allerdings konnte man hier bequem die Elbe zum Transport nutzen.

Mittelalterliche Höhenburgen wurden im Idealfall aus dem direkt anstehenden Gestein errichtet, das oft ohnehin abgetragen werden musste, etwa um ein Plateau zu schaffen. Auch bei dem aktuellen Burgbauprojekt Guédelon wird der Baustein zumindest zum größten Teil direkt neben der Baustelle abgebaut.
 
Bei mir in der Nähe gibt es Duderstadt die ihre Stadtmauer aus dem circa 5km entfernten Steinbruch aus Breme errichtet hat.
 
Von den römern in unseren Breiten gibt es mehrere Steinbrüche, u.a. bei Neustadt a-d-Weinstr,, am Donnerberg, am Felsberg bei Reichnbach/Odw oder bei Miltenberg
diese steinbrüche wurden z-T- bis ins Mittelalter hinein betrieben und die Steine wurden bis nach Mainz,Worms und Speyer verbracht,wo sie dann verbaut wurden
 
@ zaphodB und @ Lukullus (den römischen Feldherren musste ich googeln, klang für mich nach Borg ^^")

Danke für die zusätzlichen Informationen! : )
 
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