Stellung Bismarcks zur Revolution 1848/49 und zur Klein-/Großdeutschen Lösung?

Glanztaten

Neues Mitglied
Hallo liebe Community,
Ich bin gerade etwas Perplex, welcher Meinung Bismarcks nun ist.

Die erste Frage wäre, warum Bismarck gegen (oder vielleicht doch positiv?) die Revolution von 1848/49 war.. Die Anhänger hatten doch auch das Verlangen nach einer Einheit oder? War das nicht in irgendeiner Weise auch Bismarcks Ziel?

Die zweite Unklarheit ist bei der Tatsache, dass Bismarck als preußischer Gesandter beim Bundestag die Gleichberechtigung mit Österreich bestrebte, dann aber als Ministerpräsident Preußens doch für Kleindeutsche Lösung war...
Warum hatte er da so ein Sinneswandel?

Ich würde mich riesig über eine Antwort freuen! :)

L.G. Glanztaten
 
Bismarck war durch und durch Monarchist und preußischer Junker. Die Vorstellung einer demokratischen Regierungsform, in der die Regierung vom Volke gewählt und die Minister dem Parlament verantwortlich war waren, das für ihm vollkommen unakzeptabel.

Es war während Bismarcks Gesandten ja keineswegs ausgemacht, das dieser je Ministerpräsident wird.
So bemüht er sich in den Jahren 1850 bis 1860 zunächst einmal die Gleichberechtigung am Frankfurter Bundestag mit der anderen deutschen Großmacht Österreich herzustellen. Die Frage de Einheit Deutschlands spielt in den 1850zigern auch keine nennenswerte Rolle. Sie kam erst später wieder aufs Tapet.
 
...Die Anhänger hatten doch auch das Verlangen nach einer Einheit oder? War das nicht in irgendeiner Weise auch Bismarcks Ziel?

Die zweite Unklarheit ist bei der Tatsache, dass Bismarck als preußischer Gesandter beim Bundestag die Gleichberechtigung mit Österreich bestrebte, dann aber als Ministerpräsident Preußens doch für Kleindeutsche Lösung war...
Warum hatte er da so ein Sinneswandel?...

Zu Deiner ersten Frage hat w.o. mein Mitdiskutant Turgot geschrieben, um es auf den Punkt zu bringen, eine "Paulskirchen-Lösung" kam in Bismarcks Wertesystem nicht vor.

Zu Deiner zweiten Frage, m.E. war die Olmützer Punktation und somit das Scheitern der Unionspläne Preußens 1850 entscheidend für die politische Orientierung Bismarcks auf die "kleindeutsche Lösung".

Noch ene Anmerkung am Rande, der Deutsche Zollverein, zeichnete auf ökonomischen Gebiet, ganz unspektakulär, aber sehr effizient, die "kleindeutsche Lösung" vor.

M.
 
Bismarck hatte aus seiner Gesandtenzeit in Frankfurt die Erkenntnis mitgenommen, das eine großdeutsche Lösung nicht machbar war, da Österreich immer auf seine Vormachtstellung pochen würde, der Deutsche Bund war für Österreich vollkommen ausreichend und man instrumentalisierte diesen gern für sei Zwecke.
 
Die zweite Unklarheit ist bei der Tatsache, dass Bismarck als preußischer Gesandter beim Bundestag die Gleichberechtigung mit Österreich bestrebte, dann aber als Ministerpräsident Preußens doch für Kleindeutsche Lösung war...
Warum hatte er da so ein Sinneswandel?

Ist das ein Sinneswandel? In meinen Augen nicht. Bismarck wollte Preussen auf Augenhöhe mit Österreich haben. 1848 vielleicht noch mit der Großdeutschen Lösung, nur wie hätte das gehen sollen. Der Kaiser von Österreich nur ein König im Deutschen Reich? Das konnte aus Sicht der Österreicher auf keinen Fall sein.
Also blieb nur die Kleindeutsche Lösung, das einzige Problem war der Preussische König, Wilhelm I. . Er wollte nun mal kein Kaiser werden. Also wurde die das Kaisertum erst einmal umschifft. Und freie Bahn bekam Bismarck 1862, als er Preussischer Ministerpräsident wurde.

Apvar
 
Wilhelm wollte, wenn schon Kaiser der Deutschen werden, aber nicht Deutscher Kaiser.

Österreich hatte nach der Revolution, die man nur mit Hilfe der Russen niederschlagen bekommen hatte, reichlich Probleme. Olmütz verschaffte hier nur ein wenig Zeit. Die wirtschaftliche Rückständigkeit Österreichs, die zentrifugalen Tendenzen bedingt durch die 15 Nationalitäten und das fehlende integrative Element. Zusammengehalten wurde Österreich nur durch den Kaiser. Österreich fiel im Zeitalter der Industrialisierung in den immer wichtiger werdenden Faktoren wie Roheisenerzeug, Kohleförderung, Eisenbahn, Einsatz von Dampfmaschinen etc. immer mehr hinter Preußen zurück. Die Staatsschuld Österreichs war sechsmal so hoch wie die von Preußen. Die Revolution und das Streben nach einen einheitlichen Nationalstaat mit freiheitlicher Verfassung und allgemeinen Wahlrecht waren für Österreich pures Gift. Österreichs Prestige als mitteleuropäische Ordnungsmacht hatte eine ziemliche Delle bekommen. Veränderungen waren unerwünscht. Das wurde auch durch das Silvesterpatent vom Dezember 1851 sehr deutlich. Franz Joseph kassiert die gerade gewährte Verfassung wieder ein.
 
Veränderungen waren unerwünscht. Das wurde auch durch das Silvesterpatent vom Dezember 1851 sehr deutlich. Franz Joseph kassiert die gerade gewährte Verfassung wieder ein.

Das würde ich etwas anders beurteilen, ich würde meinen, dass man sich durch den neoabsolutistischen Regierungsstil und Franz Josephs sehr kirchenfreundliche Politik in der Anfangszeit seiner Regierung nach außen hin reaktionärer gebärdete, als man in Österreich eigentlich war.
Und damit hat man sich sehr wahrscheinlich einen Bärendienst erwiesen.

Die Probleme, die du ansprichst, sind, wie ich das sehe auch in gewisser Weise ein Transformationsphänomen insoweit, als dass Österreich vor dem Problem stand, dass die großen sozialen Umwälzungen der Bauernbefreiung und der frühindustriellen Periode mit der aufkommenden Nationalitätenproblematik zusammenfielen.
Und eben mit dem Versuch Österreich zentralistisch zu regieren.
 
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