Straßenbanden in Rom

Hannes

Aktives Mitglied
Hallo liebes Forum,

Ich hätte eine Frage zur Unterwelt und den berüchtigten Straßenbanden in der Stadt Rom.

Ich habe selbst schon ein bisschen recherchiert. Ich hab gelesen dass sich in den Straßenbanden ehemalige Gladiatoren, genauso wie Sklaven, betätigten und die bevorzugte Waffe dieser Straßenkämpfer ein gebogener Dolch, die Sica war.

Was taten diese Straßenbanden?
Es gab doch keinen Drogen oder Waffenschmuggel im alten Rom oder?

Politiker rekrutieren manchmal aus Straßenbanden bzw wurden sie bei politischen Kämpfen eingesetzt sowie bei Milo und Clodius und dessen Tod. Zum Ende der Republik sollen Politiker sogar selbst Schlägerbanden gehabt haben, passierte das öffentlich?

Was weiß man sonst noch über diese Banden?
Was taten sie? Aus welchen Leuten rekrutieren sie sich? Ging Rom auch dagegen vor, oder förderten die reichen und mächtigen diese Banden nur?

Danke für eure Hilfe.
LG Hannes
 
Ich tippe mal darauf, dass Diebstahl und Raubüberfälle recht einträglich gewesen sein könnten. Vielleicht gab es hier und da auch mal eine Entführung oder irgendeine Art der Erpressung (Wir wissen was über dich, was deine Senatorenkollegen bestimmt interessieren würde. Was zahlst du, damit wir still sind?)
 
Da war alles dabei - was auch archäologische Zeugnisse bekunden.

Raub und Diebstahl
Mordaufträge
Erpressung
Entführung mit Lösegeld
Und auch vor allem Schutzgelder - wir beschützen Dich, Deine Familie, Dein Handwerk vor anderen Banden.

Man muss sich vor Augen führen, dass wenn Du am Ufer des Tiber gestanden bist es völlig "normal" war, wenn immer mal wieder ein Leichnam an Dir vorbei getrieben ist.

Nicht vergessen sollte man, dass die Banden nicht nur in der Stadt unterwegs waren, sondern vor allem auch auf den Landstraßen außerhalb der Stadt. Es gibt unzählige "Grabsteine" mit dem Vermerk "Erschlagen von Räubern" - oder ähnlichen Inschriften.

Hier auch ein netter Bericht darüber:
Diebe, Räuber, Totschläger: Kriminalität und Gewalt erschütterten das alte Rom - WELT
 
Man muss sich vor Augen führen, dass wenn Du am Ufer des Tiber gestanden bist es völlig "normal" war, wenn immer mal wieder ein Leichnam an Dir vorbei getrieben ist.
Das soll tatsächlich echt schlimm gewesen sein, zumindest Jahrhunderte später in der Renaissance: Als Juan Borgia, der Sohn von Papst Alexander VI., verschwand, meldete sich schließlich ein Zeuge, der beobachtet hatte, wie nachts eine Leiche in den Tiber geworfen worden war. Als er gefragt wurde, warum er das nicht gleich gemeldet hatte, rechtfertigte er sich damit, dass er das gewohnt gewesen sei.
 
Das soll tatsächlich echt schlimm gewesen sein
Es kommt natürlich immer darauf an, wann und welche Zustände ein der Stadt geherrscht haben. Im Bürgerkrieg Caesar vs. Pompeius - als in der Stadt absolutes Chaos und Anarchie geherrscht hatte - haben natürliche viele das Chaos genutzt sich unliebsamer "Nachbarn" zu entledigen. Andere Kaiser, andere Zeiten dann weitaus weniger, weil die öffentliche Ruhe ausgelobt wurde und man nicht einfach tun konnte was man wollte. Es war also nicht tagtäglich so.

In der Antike kam zu einem bestimmten Zeitpunkt hinzu, dass sich nicht jeder ein Begräbnis leisten konnte.
Das stimmt allerdings - auch "legale" Leichen wurden so natürlich entsorgt.


Irgendwo bei einer antiken Quelle - müsste echt nochmals suchen - wurden sogar mal von "Kanalarbeiten" berichtet, weil Leichen - ähnlich wie bei Holz und Geäst - in einer solchen Menge an einem "Einfluss" vorhanden waren, dass es zu einer Verstopfung und Stauung des (Ab)Wassers gekommen war.
 
Irgendwo bei einer antiken Quelle - müsste echt nochmals suchen - wurden sogar mal von "Kanalarbeiten" berichtet, weil Leichen - ähnlich wie bei Holz und Geäst - in einer solchen Menge an einem "Einfluss" vorhanden waren, dass es zu einer Verstopfung und Stauung des (Ab)Wassers gekommen war.
Hat man nicht in Askalon in der Kanalisation viele Babyleichen gefunden? Mir ist das präsent, weil das in irgendwelchen Dokus immer gerne in Bezug auf den biblisch berichteten aber fiktiven Kindermord von Bethlehem angebracht wird, wo es sich doch eigentlich um die Kanalisation unter einem Bordell handelte, es sich also nicht um ein Massaker handelte, sondern um die fortwährende Entsorgung von Babys. Mir ist leider nicht bekannt, ob die Kinder im Bordell getötet wurden, oder ob sie einfach nicht überlebten.
 
Laut der engl. Wikipedia, sollen es auch kriminelle collegia gegegeben haben, ähnlich wie in der Serie Rom angedeutet:

Collegia could function as guilds, social clubs, or burial societies; in practice, in ancient Rome, they sometimes became organized bodies of local businessmen and even criminals, who ran the mercantile/criminal activities in a given urban region (similar to a rione).

Collegium (ancient Rome) - Wikipedia


Zu dem Zusammenhang von Politik und Straßenbanden:

Milo was an ally of Pompey and of the Optimates. He organized bands of armed slaves, hired thugs and gladiators in opposition to Clodius, who supported Pompey's rival, Julius Caesar, and the Populares. The two opposing factions clashed in the streets of Rome between 57 BC and 52 BC.

Titus Annius Milo - Wikipedia
 
Dieses Bandenwesen im alten Rom war möglich, weil dort bis Augustus keine Polizei existierte und das Militär im Allgemeinen nicht tätig sein durfte. Eigentlich undenkbar, wenn man bedenkt, wie viele Einwohner die Stadt hatte.
 
Hallo liebes Forum,

Ich hätte eine Frage zur Unterwelt und den berüchtigten Straßenbanden in der Stadt Rom.

Ich habe selbst schon ein bisschen recherchiert. Ich hab gelesen dass sich in den Straßenbanden ehemalige Gladiatoren, genauso wie Sklaven, betätigten und die bevorzugte Waffe dieser Straßenkämpfer ein gebogener Dolch, die Sica war.

Was taten diese Straßenbanden?
Es gab doch keinen Drogen oder Waffenschmuggel im alten Rom oder?

Politiker rekrutieren manchmal aus Straßenbanden bzw wurden sie bei politischen Kämpfen eingesetzt sowie bei Milo und Clodius und dessen Tod. Zum Ende der Republik sollen Politiker sogar selbst Schlägerbanden gehabt haben, passierte das öffentlich?

Was weiß man sonst noch über diese Banden?
Was taten sie? Aus welchen Leuten rekrutieren sie sich? Ging Rom auch dagegen vor, oder förderten die reichen und mächtigen diese Banden nur?

Danke für eure Hilfe.
LG Hannes

In diesem Zusammenhang kann ich das hier empfehlen:

Thomas Grünewald Räuber, Rebellen, Rivalen und Rächer-Studien zu Latrones im Römischen Reich

In der Stadt Rom betätigte man sich als Krimineller vor allem in den Bereichen:

-Taschendiebstahl
-Trickbetrug
-Diebstahl/Einbruch
-Schutzgelderpressung
-Raub

Räuberbanden wie etwa die von Bulla Felix einem "römischen Robin Hood" agierten häufig außerhalb der Metropolen und suchten sich entlang der großen Fernstraßen Opfer unter Reisenden, die ohne Geleit reisten oder überfielen Gehöfte, Landsitze wie es Maternus tat, ein Bandit der Obergermanien unsicher machte.
 
Hallo lieber Scorpio, danke für deine Antwort.

Gab es auch stattliche oder private Leute die gegen die Räuberbanden, vorgegegangen sind? Vielleicht nicht nur in der Stadt Rom, sondern sogar auf dem Land oder den Provinzen?

Zb. Das Militär oder private Großgrundbesitzer oder Kopfgeldjäger bzw Räuberjäger? Gab es sowas?
 
Hallo lieber Scorpio, danke für deine Antwort.

Gab es auch stattliche oder private Leute die gegen die Räuberbanden, vorgegegangen sind? Vielleicht nicht nur in der Stadt Rom, sondern sogar auf dem Land oder den Provinzen?

Zb. Das Militär oder private Großgrundbesitzer oder Kopfgeldjäger bzw Räuberjäger? Gab es sowas?

Ja, das gab es.

In den östlichen Provinzen gab es Irenarchen oder Nykostragen, die von den Statthaltern für die Kriminalitätsbekämpfung legitimiert wurden. Diese wiederum konnten sogenannte Diogmiten (Diogmitai) ernennen.

Diese diogmitai wird man sich durchaus als so etwas wie Kopfgeldjäger vorstellen dürfen, die gesuchte Banditen fingen oder umbrachten. In Provinzen, in denen Militär stationiert war, wurden häufig auch Soldaten zur Bandenbekämpfung eingesetzt. Die Bande des Bulla Felix fiel anscheinend nicht in den Zuständigkeitsbereich des Stadtpräfekten, sondern in den des Kommandeurs der Prätorianer, der sich große Mühe gab, Bulla Felix zu fassen, der mehrfach, auch mit Verkleidungen, seine Gegner verulkte.

Vielerorts aber mussten die Städte zur Selbsthilfe greifen. Sie versammelten waffenfähige Männer und stellten so etwas wie Suchtrupps, Posses auf. So lobte der Kaiser Commodus 190 in einem Brief die Bürger von Bubon in Lykien, weil sie gegen eine Räuberbande vorgingen. In Asia gab es unter Antonininus Pius nur 10 Irenarchen und Nykostrategen, so dass die Bürger häufig zur Selbsthilfe greifen mussten.

Interessant ist in diesem Zusammenhang ein älterer Thread etwas ausführlicherer Thread im GF: "Banditen, Piraten und Lokaldynasten- Roms Wilder Osten". In dem Thread finden sich auch Literaturverweise. Zwar relativ kurz, aber recht informativ geht auch dieser Autor auf das Thema ein:

Franz Ausbüttel, Die Verwaltung des Römischen Reichs von Augustus bis zum Ende des Weströmischen Reichs (Kapitel Innere Sicherheit).
 
Dieses Bandenwesen im alten Rom war möglich, weil dort bis Augustus keine Polizei existierte und das Militär im Allgemeinen nicht tätig sein durfte. Eigentlich undenkbar, wenn man bedenkt, wie viele Einwohner die Stadt hatte.

In seiner Romrede (99 ff.) lobt der Rhetor Aelius Aristides den Wohlstand und Frieden der Pax Augusta, zu deren Segnungen auch gehörte, dass im Reich Frieden herrschte und man ungefährdet reisen konnte wohin man wollte.

Ähnlich hatte sich vor Aristides schon Velleius Paterculus (2, 124.3) geäußert, als er behauptete, dass die Pax Augusta jeden Winkel des Erdkreises befriedet und von der Angst vor Räuberbanden befreit habe.

Mit den Zuständen von Anarchie und mit Freibeuter-Kolonien wie unter den kilikischen Piraten hatte die Pax Augusta tatsächlich aufgeräumt, aber natürlich gab es auch weiterhin Piraten, und auch größeren Räuberbanden gab es in fast allen Provinzen, und einige Banditen sind uns heute noch bekannt.

Cassius Dio schrieb recht ausführlich über Bulla Felix, der als edler Räuber beschrieben wird.

Gebiete wie das Nildelta, die Berge Siziliens oder die Topographie des Taurusgebirges boten Banditen ein Refugium. Im 4. Jahrhundert sahen sich die Kaiser gezwungen, weiten Teilen der Bevölkerung in Kampanien, Kalabrien und Apulien den Gebrauch von Pferden einzuschränken, um Raubüberfälle einzuschränken. Selbst die unmittelbare unmittelbare Umgebung Roms war nicht mehr sicher.
 
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