Technologische Grundlagen der Hochseeflotte

delcyros

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Hallo,

ich will an dieser Stelle technologische Grundlagen der Hochseeflotte für den Zeitraum von 1890 bis 1914 diskutieren, da ich bei der Durchsicht anderer Beiträge auf einigen Klärungsbedarf gestoßen bin.
Im Zentrum stehen hier Technologien der Großlinienschiffe, auch wenn anderes in verschiedenen Teilen diskutiert werden mag.

Bevor es um die Details geht muß geklärt werden, welche Stufe Projektil- und Panzertechnologie in diesem Zeitraum einnehmen. Beide gehen eine dynamische Beziehung zueinander ein, die von Konstrukteuren des RMA versucht wird, gewinnbringend auszunutzen.

Krupp hat in der zweiten Hälfte des 19.Jh. eine Reihe von Innovationen erzielt, die die wahrgenommene Kampfstärke der Großlinienschiffe erheblich verbessert hat. Dazu zählen:

[1] in den 60´er Jahren die Entwicklung von Stahlgeschützen mit Hinterlader
(z.Vgl. Armstrong stellte bis 1878 noch Eisenringverstärkte Mantelringgeschütze mit Vorderlader und die Franzosen bis 1875, verstärkte Stahlgußkanonen mit Vorderlader her)
[2] in den 70´er Jahren die ersten oberflächengehärteten Panzer (Gruson) für hemisspherische Landbefestigungstürme und einige schiffstürme (HEIMDALL-Klasse und BRANDENBURG-Klasse). Diese Panzer konnten alle bekannten Geschosse (AP-Kappen gab es noch nicht) zerstören
(z.Vgl. wird in dieser Zeit überwiegend Holz-Eisen oder weiches Eisen als Panzer verwendet)
[3] in den 80´er Jahren werden im mittelkalibrigen Bereich erste Schnelladegeschütze gebaut, neues, raucharmes Pulver erlaubt längere, und damit leistungsfähigere Geschütze zu bauen
[4] um 1890 wird KC-Panzerung entwickelt, ein leistungsfähiger, hochresistenter Panzer, der später in Lizenz weltweit nachgebaut wird
(z.Vgl. wird bis Ende der 90´er Jahre in England Compound- oder Sandwich-Panzer, in Frankreich Nickelstahl und in Amerika Harvey oberflächengehärteter Panzer verwendet)
[5] um 1897 werden balanzierte Türme und mitlaufende Ladeeinrichtungen für Türme hergestellt, was erstmals das schießen und laden in allen Richtungen erlaubt. Die Schußrate der KAISER-Friedrich-III Klasse steigert sich von 1,5 Schuß/min. auf 3 bis 4 (alle 15 bis 20 sekunden)
(z.Vgl. um 1897 brauchte ein amerkianisches 13" Geschütz noch 320 Sekunden (5 Minuten!) zum Nachladen)
[6] um 1902 werden erstmals Kappen eingeführt. Diese Kappen sind aber weich und funktionieren nur bei Einschlägen um 15-20 Grad
[7] 1902 ändert Krupp daraufhin die Abnahmebedingung und fordert von allen Geschossen eine Durchschlagsleistung bei 20 Grad (damit wird gewährleistet, dass angenommen wird die Kappe funktioniert nicht, sie stellt also einen Bonus zur Geschoßleistung dar)
[8] Krupp führt Hochexplosiven Granatfüller ein (Gr.F.88 oder "Lyddite" in engliscer Terminologie), HE-Geschosse sind damit erheblich leistungsfähiger als zuvor
[9] Krupp führt 1907 TNT als Granatfüller für APC Geschosse ein, um die vorzeitige Detonation des Geschosses bei starkem Impaktschock zu vermeiden, gleichzeitig wird ein erster, aber unzuverlässiger Bodenzünder mit Verzögerung eingeführt. Innerhalb der Grenzen der Wikrsamkeit der weichen AP-Kappen (Hadfield-Kopien, es gibt ein Technologietauschabkommen zwischen Hadfield und Krupp in deiser Zet) und auf nahe Distanz wird somit das erste echte APC-Geschoß erzeugt
(z.Vgl. England erst 1918, in Amerika nicht vor 1931)
[10] Krupp ersetzt 1911 die weichen Kappen mit 60kg/mm^2 durch harte Kappen mit 100 bis 120 kg/mm^2, die auch bei Winkeln über 30 Grad regelhaft funktionieren, die APC Geschosse funktionieren jetzt auch bei wesentlich größeren Distanzen. Die Prüfbedingungen für AP-Geschosse sehen jetzt vor, dass ein gegebenes Geschoss bei 500m/s Auftreffgeschwindigkeit und 30 Grad Einschlagwinkel mindestens 1/2 Kaliberstärken KC in zündfähigem Zustand komplett durchschlagen muß
(z.Vgl. in England und Amerika wird bis 1924 der Durchschlag von midestens Kaliberstarken KC-Platten bei rechten Auftreffwinkeln verlangt. England entwickelt aber nach Jütland das mkIIIa GREENBOY APC Geschoß mit harter Kappe und Verzögerungszünder, welches diese moderate Anforderung deutlich übertrifft und ebenfalls 0.5 cal/KC Platten bei sogar 40 Grad und 1800 fps durchschlagen kann)
[11] Krupp verändert KC leicht um 1906 (d.h. Platten die 1910 oder später eingebaut werden), um de größere Frakturbildung zu verhindern (wohl auch weil Konkurrenten wie Midvale mit ihrem eigenen MNC auf den kontinentalen Markt drängen)

Zusammengefaßt:
um 1880: weiche AP-Vollgeschosse dringen in weiches Eisen ein, werden aber von Nickelstahlpanzer, Compound, oder Grusonpanzer selbst zerstört
um 1890: gehärtete AP-Geschosse (Holtzer) dringen in Compound- und Nickelstahlpanzer ein, werden aber von Harvey und KC zerstört
um 1900: von weichen Kappen geschützte, gehärtete AP-Geschosse dringen in Harvey und bis 15/20 Grad auch in frühem KC-Panzer ein, werden aber von entwickelten KC-Panzer (brit. CA nach 1910, Witkovitz KC, U.S. Midvale class "A" MNC nach 1907 (nur MNC, nicht BNC, BTC, CKC die in dieser Zeit auch produziert werden!) und KC nach 1920 auch bei rechten Winkeln zerstört
um 1910: harte Kappengeschosse dringen in alle Panzer ein
 
[2] in den 70´er Jahren die ersten oberflächengehärteten Panzer (Gruson) für hemisspherische Landbefestigungstürme und einige schiffstürme (HEIMDALL-Klasse und BRANDENBURG-Klasse). Diese Panzer konnten alle bekannten Geschosse (AP-Kappen gab es noch nicht) zerstören
(z.Vgl. wird in dieser Zeit überwiegend Holz-Eisen oder weiches Eisen als Panzer verwendet)

zu diesem Detail: zur "Panzerfrage" im Festungsbau wurde schon Ende der 60er Jahre des 19. Jh. experimentiert (Beschussversuche etc. 1866 in Mainz)

was mich gerade etwas irritiert: ich habe irgendwo gelesen, dass wahrscheinlich der Festungsbau (bzgl. Panzertürmen bzw. gepanzerter Artillerie) von entsprechenden Schutzmaßnahmen bei den Kriegsschiffen beeinflusst oder inspiriert worden sei, aber ich finde die entsprechende Textstelle gerade nicht (ich werde das noch suchen)

eine Zäsur in Sachen Haltbarkeit war sicher auch bei der Marine das Aufkommen von Brisanzmunition nach 1885
 
ich will an dieser Stelle technologische Grundlagen der Hochseeflotte für den Zeitraum von 1890 bis 1914 diskutieren, da ich bei der Durchsicht anderer Beiträge auf einigen Klärungsbedarf gestoßen bin.
Im Zentrum stehen hier Technologien der Großlinienschiffe, auch wenn anderes in verschiedenen Teilen diskutiert werden mag.
Bevor es um die Details geht muß geklärt werden, welche Stufe Projektil- und Panzertechnologie in diesem Zeitraum einnehmen. Beide gehen eine dynamische Beziehung zueinander ein, die von Konstrukteuren des RMA versucht wird, gewinnbringend auszunutzen.

Deine Angaben zur Eröffnung der Diskussion sind leider etwas historisch unstrukturiert. Grundsätzliches zum Panzerschiffbau bzw. Schlachtschiffbau von 1860 bis 1945 - die Basis und der Motor der technologischen Entwicklung war der Wettstreit zwischen dem Geschoß und der Panzerung, unabhängig der Nation, dies sich an dieser Entwicklung im Kriegsschiffbau beteiligte.
Als weitere Basis ist zu beachten, daß vor allem aus technologischer Sicht der Kriegsschiffbau bis zum Ende des 1. Weltkrieges in drei Epochen zu untergliedern ist.

1860 – 1880 Panzerschiff Ära (Übergang von Segel- zum dampfbetrieben Panzerschiff)
1880 – 1906 Vor- Dreadnought Ära (Einheitslinienschiffe)
1906 – 1918 Dreadnought Ära (Großkampflinienschiffe)

Damit können die größten Technologiesprünge auch im Bezug auf Bewaffnung und Panzerung klarer definiert werden.

Die Angaben von Dir beziehen sich auf den Zeitraum der preußischen Marine bzw. des Norddeutschen Bundes bis zur kaiserlichen Marine.
Kleiner Hinweis am Rande: Die Hochseeflotte an sich war der aktive Teil der kaiserlichen Marine, so genannt von 1907 -1918.

Was möchtest Du nun genau diskutieren?

OT: Und an dekumatland, der Festungsbau unterscheidet sich in allen wesentlichen Grundzügen zum Kriegsschiffbau. Einzig die Waffen (Geschütze) waren mitunter identisch. Aber das gehört eigentlich nicht hierher.
Ein Schiff benötigt völlig andere Grundlagen, als Geschützplattform zu fungieren, als das an Land der Fall wäre …;)
 
OT: Und an dekumatland, der Festungsbau unterscheidet sich in allen wesentlichen Grundzügen zum Kriegsschiffbau. Einzig die Waffen (Geschütze) waren mitunter identisch. Aber das gehört eigentlich nicht hierher.
Ein Schiff benötigt völlig andere Grundlagen, als Geschützplattform zu fungieren, als das an Land der Fall wäre …;)
schon klar - mich hat nur erstaunt, woran ich mich erinnert habe (ich such das noch und zitiers dann)
 
Zusammengefaßt:
um 1880: weiche AP-Vollgeschosse dringen in weiches Eisen ein, werden aber von Nickelstahlpanzer, Compound, oder Grusonpanzer selbst zerstört
um 1890: gehärtete AP-Geschosse (Holtzer) dringen in Compound- und Nickelstahlpanzer ein, werden aber von Harvey und KC zerstört
um 1900: von weichen Kappen geschützte, gehärtete AP-Geschosse dringen in Harvey und bis 15/20 Grad auch in frühem KC-Panzer ein, werden aber von entwickelten KC-Panzer (brit. CA nach 1910, Witkovitz KC, U.S. Midvale class "A" MNC nach 1907 (nur MNC, nicht BNC, BTC, CKC die in dieser Zeit auch produziert werden!) und KC nach 1920 auch bei rechten Winkeln zerstört
um 1910: harte Kappengeschosse dringen in alle Panzer ein

Hallo delcyros,

erstmal: Willkommen im Forum.:winke:

zum Einstieg in die Diskussion habe ich drei Nachfragen, die in diesem schön aufgerissenen Kontext der Entwicklungen von Panzerung, Geschossen und (mittelbar) Kaliber die Dynamik mit bestimmt haben:

- welche Kampfentfernungen wurden in den angerissenen Zeiträumen tatsächlich unterstellt (wichtig für die "Winkelfrage")

- welche Konsequenz ergab sich für die Kaliberwahl insbesondere ab 1906

- welche Bedeutung hatte danach die Entwicklung der Feuerleitung?
 
Vielen Dank Silesia.

Zuerst nocheinmal zur Präzisierung des Thema´s, da dies von Köbis17 angesprochen wurde.

Es geht hierbei inhaltlich um die der Hochseeflotte in der von ihm dargelegten Definition zugrundliegenden technologischen Entwicklungen. Diese datieren z.T. wesentlich vor den Flottengestzen, so dass ihre Dynamik -m.E. nur in einem weiteren chronologischen Rahmen sinnvoll ermessen werden kann.

- welche Kampfentfernungen wurden in den angerissenen Zeiträumen tatsächlich unterstellt (wichtig für die "Winkelfrage")
In der Tat, diese Frage ist sehr wichtig. Um 1902 bis einschließlich 1904 werden als effektive Kampfentfernungen solche von 20 bis 60hm angestrebt und noch nach Tsushima glaubt Tirpitz nicht an effektive Kampfentfernungen jenseits von 100hm.
Entscheidend für die Definition der effektiven Kampfentfernung wird in dieser Zeit neben artilleristischen, Beobachtungstechnischen, und Feuerleittechnischen Innovationen auch die Torpedowaffe, die mit der Steigerung der Torpedoreichweite immer größere Abstände erzwingt.

Der Fallwinkel bei solchen Kampfentfernungen ist ausgesprochen niedrig, aber nicht unwesentlich. Bedacht werden muß, dass die ersten ballistischen Hauben bei Marinegeschosse nicht vor 1907 eingebaut werden (es handelt sich dabei m 7crh Hauben amerikanischer 12" und 8" APC-Geschosse) und dass daher die Ballistik von Seezielgeschützen nicht mit der von 1914-18 verglichen werden darf. Auch muß bedacht werden, dass in der Zeit des Einheitslinienschiffes nicht die Hauptartillerie entscheidend ist, sondern die Schnelladegeschütze der Sekundärartillerie, die in ihren kleineren Kaliberns (4" bis etwa 7") bereits die Grenze der Wirksamkeit weicher Kappen um 100hm erreichen.
Schließlich darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass der Einschlagwinkel sich aus einer vertikalen (=Fallwinkel) UND einer horizontalen (=Lage zum Ziel) Komponente zusammensetzt, so dass bei einer Lage von 1Dez zum Ziel oder davon abweichend die Grenze der Wirksamkeit selbst schwerer, weich gekappter Kaliber gegen KC Panzerung auf Distanzen erreicht wird, die in dieser Zeit als "effektiv" angesehen werden.
Die originale Krupp 1911 Spezifaktion wonach 0.5cal/KC bei 30 Grad und 500m/s in voll zündfähigem Zustand durchschlagen werden müssen resultiert aus der Erkenntnis, dass der Winkel ein räumliches und kein zweidimensionales Phänomen ist. Das ist schon daran erkennbar, dass keines der bis 1918 eingebauten primären Seezielgeschütze einen Fallwinkel von 30 Grad erreichen kann (Höchste Erhöhung ist 20 Grad, was mit "nur" 25 bis 27 Grad Fallwinkel bei maximaler Entfernung korelliert, die meisten Geschütze hatten bis Jütland aber nur 13,5 Grad Rohrerhöhung was mit weniger als 20 Grad Fallwinkel korreliert).
Insofern ist eine Beschränkung der Durchschlagseffektivität durch weiche Kappen auf 15 bis max. 20 Grad Winkelbeschuß durchaus als signifikanter Nachteil zu werten (Briten bis Kriegsende, Japaner bis 1924 und Amerikaner sogar bis 1931), unabhängig vom Fallwinkel, da der tatsächliche Einschlagwinkel durch Variieren der Lage zum Ziel jederzeit vom Kommandanten gewählt werden kann.

- welche Konsequenz ergab sich für die Kaliberwahl insbesondere ab 1906
Die Steigerung der Kampfentfernung hat eine Reihe von Konsequenzen. Die wichtigste wird die Devaluierung der Sekundärartillerie darstellen, die nunmehr keine APC Munition sondern auschließlich HE oder CP erhält. Der Ansatz mit mittleren Kalibern durch die dünnere Panzerung der Wasserlinie vorne und hinten oder durch den ausgedünnten Zitadellpanzer zu kommen wird aufgegeben.
Nur großkalibrigen Geschossen wird ein durchdringen mittelstarker Panzerungen auf größere Distanz zugetraut (ungefähr halbe Kaliberstärke).
Bis in den Weltkrieg hinein werden aber noch von beiden Seiten überwiegend HE und Common auf sehr große Distanz verschossen (SMS LÜTZOW gegen HMS LION!), da man immernoch nicht davon überzeugt ist, dass APC die schwersten Panzer auf sehr große Entfernungen erfolgreich durchschlagen kann.
Dies muß als Erbe der Prä-Dreadnought Periode verstanden werden. In dieser Zeit werden Aufbauten, Rumpf und Schiff von einer Vielzahl mittlerer und schwerer Kaliber auf mittlere Distanz beschädigt, In-Brand-gesetzt oder durchschossen. Ziel ist es den Gegner die Fähigkeit des effektiven Beschusses zu rauben. Nur dann wird die Distanz nochmals verringert und mit wenigen, wohlgezielten Schüssen auf der Wasserlinie mit AP-Geschossen soll der Gegner versenkt werden.
So ein wenig erinnert das an Dinosaurier. Groß, kräftig und schwer gepanzert aber nur mit rudimentären Sinnen der Umweltwahrnehmung versehen...

- welche Bedeutung hatte danach die Entwicklung der Feuerleitung?
...von Brooks & Padfield an anderer Stelle ausführlich dargestellt. Lesenswert.
 

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Hallo Delcyros

Die technische Entwicklung der Hochseeflotte war ja nicht nur Geschütztechnischer Natur. Die Panzerung hat sich ja auch weiterentwickelt, Und nicht zu vergäßen die Antriebstechnik in form neuer Kessel, verbesserter Dampfmaschinen und hin zum Turbinenantrieb.
Deshalb meine Frage: Möchtest Du ein besonderes Augenmerk auf die Artillerie legen,oder geht es Dir im allgemeinen um die Entwicklung der Hochseeflotte?

Apvar
 
Das ist völlig richtig. Leider bin ich selbst nicht sehr firm in den Fragen der Antriebstechnologie. Ich habe einige Literatur zu Föttinger hydraulischen Getrieben aber furchtbar wenig zur Kessel-technologie oder den verwandten Turbinen.
Hydrodynamisch gibts es auch einige bemerkenswerte Innovationen der Schiffsform in diesem Zeitraum und das Thema wäre dankbar und offen für Beiträge, die auch diese Frage abdecken können.
 
Nur großkalibrigen Geschossen wird ein durchdringen mittelstarker Panzerungen auf größere Distanz zugetraut (ungefähr halbe Kaliberstärke).Bis in den Weltkrieg hinein werden aber noch von beiden Seiten überwiegend HE und Common auf sehr große Distanz verschossen (SMS LÜTZOW gegen HMS LION!), da man immernoch nicht davon überzeugt ist, dass APC die schwersten Panzer auf sehr große Entfernungen erfolgreich durchschlagen kann.

Dank auch für die interessanten technischen Ergänzungen. :winke:

Das Zitat oben macht auch deutlich, dass die Perzeption der technischen Entwicklung mit der theoretischen Basis nicht Schritt halten konnte.

Die Frage ist demnach auch, welche politischen-militärischen-ökonomischen Folgerungen aus diesen Technologiesprüngen (und ihrer zT abweichenden Wahrnehmung?) resultierten.
 
...
OT: Und an dekumatland, der Festungsbau unterscheidet sich in allen wesentlichen Grundzügen zum Kriegsschiffbau. Einzig die Waffen (Geschütze) waren mitunter identisch. Aber das gehört eigentlich nicht hierher.
Ein Schiff benötigt völlig andere Grundlagen, als Geschützplattform zu fungieren, als das an Land der Fall wäre …;)

Einspruch!

Normalerweise sind das zwar zwei völlig verschiedene Felder, nach 1861 wurde aber der Festungsbau auf Grund der Erfahrungen des Krimkrieges und der Panzerschiffe im Amerikanischen Bürgerkrieg durch diese stark beeinflusst.
Eigentlich benötigte man in Landfestungen keine Panzertürme, man war jedoch durch die Unempfindlichkeit der Panzerschiffe beeindruckt und begann damit herumzuexperimentieren. Der deutsche Konstrukteur Maximilian Schumann war 1862 nach England gereist und hatte die Türme von Coles studiert die dieser für Panzerschiffe dort baute und der auch eine Panzerkuppel für das Seefort von Antwerpen entwarf.
Die Erkentnisse Schumanns flossen in den Entwurf seiner Panzerforts, die dann von Grusson ausgeführt wurden und vom Preussischen Militär 1868 in Tegel ausgiebig getestet wurden. Die Erkenntnisse daraus flossen dann wieder umgehend in den Bau von Artilleriekuppeln für Schlachtschiffe zurück.
Gerade in diesen Jahren beeinflussten sich beide Felder sehr stark. Die Brisanzkrise trug auch sehr stark dazu bei, da bis zur vollen Entwicklung des Stahlbetons, die Panzerungen aus Stahl der einzige wirksame Schutz war.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Frage ist demnach auch, welche politischen-militärischen-ökonomischen Folgerungen aus diesen Technologiesprüngen (und ihrer zT abweichenden Wahrnehmung?) resultierten.

Eine gute Frage, auf die ich keine pauschale Antwort geben kann. ich denke aber es mag wichtig sein, dass die Entwicklung nicht synchron verlief. D.h. dass wir nicht zur gleichen zeit überall einenWechsel von Harvey zu KC Panzerung, oder von weichen zu harten Kappen erkennen können.

In Amerika war man in den 90´er Jahren nicht in der Lage ein Schnelladegeschütz im mittleren Kaliberbereich zu bauen, weswegen dann Pre-Dreadnoughts auch noch später mit 8" Sekundärartillerie konstruiert wurden. Der Erfolg dieser Geschütze in der Seeschlacht bei Santiago ist dann auch noch zum Anlaß genommen worden, bei dieser obsoleten Armierung zu bleiben, statt den Sinn von Schnelladegeschützen, die Hochbrisanzmunition auf mittlere Entfernung verschießen wirklich zu erkennen.

England hatte bei Doggerbank und im Krieg generell das "Problem", dass ihre APC Granaten zwar einen hochbrisanten Füller und einen Verzögerungszünder hatten, dass aber der Füller zu schocksensibel war und dazu neigte frühzeitig zu detonieren, und dass die Kappe der Geschosse zu weich war und generell nur bei Einschlagwinkeln unter 15 Grad verläßlich war (15" Treffer mittig auf 260mm Barbette von SMS DERFFLINGER aus ca. 100hm Entfernung, ohne Lagewinkel) und auch dass nur bei kurzen Entfernungen, da die Wirksamkeit weicher Kappen auch noch abhängig von der Einschlaggeschwindigkeit war, was dazu führte, dass bei großen Distanzen diese Projektile generell zerbrachen (Vgl. 15" Treffer aus großer Distanz auf die Turmfront von SEYDLITZ mit nahezu 0 Grad Auftreffwinkel (Fallwinkel stimmt mit Plattenneigung überein).

All das konnte man natürlich nicht wissen, zumahl sich in Nationen, die länger mit weichen Kappen herumexperimentierten (England, USA), viel Aufwand in die Entwicklung besonders zäher KC-Panzer gesteckt wurde, die die Kappe auch bei rechten Winkeln und hohen Geschwindigkeiten zerstörten (also unter fr die Kappe günstigsten Bedingungen). Auf die Spitze getrieben hat diese Fehlentwicklung die Midvale-company in den Staaten, welche im Versuch auch die verbesserten Midvale-Unbreakable APC mit großer, aber weicher Kappe zu zerstören die Tiefe der oberflächenhärtung so stark erhöhten, dass der Panzer beim Einschlag großkalibriger Geschosse schlechteren ballistischen Schutz aufwies als Harvey CA, was -gemessen an den Maßstäben von 1922 als richtig schlecht angesehen werden muß...
 
Es geht hierbei inhaltlich um die der Hochseeflotte in der von ihm dargelegten Definition zugrundliegenden technologischen Entwicklungen. Diese datieren z.T. wesentlich vor den Flottengestzen, so dass ihre Dynamik -m.E. nur in einem weiteren chronologischen Rahmen sinnvoll ermessen werden kann.

Also erstmal freue ich mich natürlich auch über jeden neuen Diskutanten zum Thema Marine.
Aber das o.g. Zitat bzw. deinen Satz, verstehe ich nicht.

Wenn es Dir um die Problematik der Geschoßverteilung, Distanz, Geschoßentfernung im Zusammenhang mit der Wirkung am Ziel geht, haben wir hier schonmals darüber angefangen, zu diskutieren:

http://www.geschichtsforum.de/f62/technische-berlegenheit-der-hochseeflotte-25918/

Ansonst finde ich das Durcheinander mit Infos zu Geschoßwirkung in Wechselwirkung der Panzerung von Schiffen der 1890iger bis hin zu den den 1920iger Jahren sehr schlecht sortiert. Immerhin sollte bei solch einer Betrachtung der chronologische historische Kontext eine wichtige Rolle spielen.

Darf ich fragen, woher Du so dein hier dargestellten Wissen beziehts?

Vielen Dank im Voraus.
 
Zudem, bei der Geschoßwirkung in der Vergrößerung der Gefechtsentfernung kam das Problem auf, dass der vertikale Panzerschutz immer wirkungsloser wurde und der horizontale Panzer mit steigender Gefechtsentfernung an Wichtigkeit gewann. Wichtig sind auch die verschiedenen Konzeptionen der Panzerung von Kriegsschiffen, vor allem in der Periode ab 1890, mit der Möglichkeit veredelte Stahllegierungen (Nickelstahl) zu verwenden, was durch eine gleichzeitige Gewichtsreduzierung aber besseren Panzerschutz neue Möglichkeiten offen lies. Hinweis z.B. auf die amerikanische Variante der - Alles oder Nichts - Panzerung.

Auch spielten die neue Schießverfahren eine wichtige Rolle (Stichwort Salvenfeuer und Eingabeln), sowie die Elevation der Geschütze um entsprechende Gefechtsenfernungen zu erreichen und der Zusammenhang zwischen Rohrlänge und der Mündungsgeschwindigkeit.

Dabei sind die Geschoßarten nur dann wertvoll auswertbar, wenn alle Parameter der Wechselwirkung des Geschoß und der Panzerung betrachtet werden können.
 
Zuletzt bearbeitet:

OT: Ebenfalls Einspruch, der Aufbau der Geschütztürme nach den Mustern der einflußreichen Konstrukteure bis in die 1870iger Jahre, war für den Schlachtschiffbau eine Sackgasse. Die Zukunft lag bei der Barbette, anfangs offen, später mit Panzerschutz, als Haube ....Der Geschützturm war somit nicht der Kern der Geschützanlage!

:winke:
 
In Amerika war man in den 90´er Jahren nicht in der Lage ein Schnelladegeschütz im mittleren Kaliberbereich zu bauen, weswegen dann Pre-Dreadnoughts auch noch später mit 8" Sekundärartillerie konstruiert wurden.
Du meinst, man wollte nicht bzw. hatte eine andere Doktrin, bzw. zu dem Zeitpunkt keine wirkliche alternative. Technologisch dürfte das für die USA an sich kein Problem gewesen sein, oder?
http://www.geschichtsforum.de/491061-post40.html
nach: Reilly/Scheina: American Battleships 1886-1923 - Predreadnought Design and Construction

England hatte bei Doggerbank und im Krieg generell das "Problem", dass ihre APC Granaten zwar einen hochbrisanten Füller und einen Verzögerungszünder hatten, dass aber der Füller zu schocksensibel war und dazu neigte frühzeitig zu detonieren, und dass die Kappe der Geschosse zu weich war und generell nur bei Einschlagwinkeln unter 15 Grad verläßlich war (15" Treffer mittig auf 260mm Barbette von SMS DERFFLINGER aus ca. 100hm Entfernung, ohne Lagewinkel)
Auch hier: technologisch an sich "top", es haperte aber an der Umsetzung resp. vorher an empirischen Erkenntnissen? Ich habe so etwas von Burt und Roberts in Erinnerung, muss ich aber nachschlagen.
 
Zuletzt bearbeitet:
OT: Ebenfalls Einspruch, der Aufbau der Geschütztürme nach den Mustern der einflußreichen Konstrukteure bis in die 1870iger Jahre, war für den Schlachtschiffbau eine Sackgasse. Die Zukunft lag bei der Barbette, anfangs offen, später mit Panzerschutz, als Haube ....Der Geschützturm war somit nicht der Kern der Geschützanlage!

:winke:
Sackgasse oder nicht, in dieser Zeit gab es ein starke wechselwirkung zwischen Geschütztürmen für Schiffe und für Festungen.




Also erstmal freue ich mich natürlich auch über jeden neuen Diskutanten zum Thema Marine.
Hatte ich mir schon gedacht, dass Du und Silesia euch über einen neuen technischen Mitduskutanten freut. Auch wenn man ihn erst einmal etwas Methodik einbleuen muss. =)
 
Du meinst, man wollte nicht bzw. hatte eine andere Doktrin, bzw. zu dem Zeitpunkt keine wirkliche alternative. Technologisch dürfte das für die USA an sich kein Problem gewesen sein, oder?
http://www.geschichtsforum.de/491061-post40.html
nach: Reilly/Scheina: American Battleships 1886-1923 - Predreadnought Design and Construction

Mr. Norman Firedman ist da ganz anderer Ansicht. Tatsächlich war die amerikanisch Geschützindustrie nicht dazu in der Lage ein gutes Schnellfeuergeschütz vor 1900 zu liefern, das 8" war ursprünglich die Notlösung. Auch wurden alle Geschosse bis etwa 1905 (1906 Einführung von explosive D) nur mit Schwarzpulver befüllt, sehen wir einmal von Experimenten in Indean Heads ab.
 
Zudem, bei der Geschoßwirkung in der Vergrößerung der Gefechtsentfernung kam das Problem auf, dass der vertikale Panzerschutz immer wirkungsloser wurde und der horizontale Panzer mit steigender Gefechtsentfernung an Wichtigkeit gewann. Wichtig sind auch die verschiedenen Konzeptionen der Panzerung von Kriegsschiffen, vor allem in der Periode ab 1890, mit der Möglichkeit veredelte Stahllegierungen (Nickelstahl) zu verwenden, was durch eine gleichzeitige Gewichtsreduzierung aber besseren Panzerschutz neue Möglichkeiten offen lies. Hinweis z.B. auf die amerikanische Variante der - Alles oder Nichts - Panzerung.

Im uns interessierenden Zeitraum wird die Bedeutung von horizontaler Panzerung in der Literatur leider deutlich überschätzt. Es gab praktisch keine Geschosse, welche in der Lage waren einen Nutzen aus den dünnen Deckspanzern zu ziehen. Dazu bedarf es verzögerungsgezündeter AP Granaten (eine Kappe wäre beim Durchschlag homogener Panzerung-, anders als beim KC Treffer, nicht nötig). Diese wurden zwar zuerst von Krupp und Skoda 1911 eingeführt, aber deren Geschütze besaßen eine zu geringe Rohrerhöhung um tatsächlich gegen Deckspanzer Wirkung zu erzielen. Was es gab waren experimentelle MÖRSER und sog. "DECKSTORPEDO´s" (letztere nur von den amerikanern in Küstenbatterien eingesetzt, erstere auch im russisch-japanischen Krieg zur Beschießung der Flotte in Port Arthur erfolgreich verwandt), keines dieser Waffen wurde aber von Kriegsschiffen operationell eingesetzt.
Die Vergrößerung der Gefechtsentfernung vor 1914 stellt wirklich keine Rechtfertigung für erhöhten Deckspanzer dar. Kein Bodenzünder im 1.WK und nur sehr wenige im 2.WK. funktionieren bei Einschlagwinkeln von 70 Grad und mehr, aber dieser Fallwinkel wird von vielen SK im ersten WK gar nicht erst erreicht.

Auch das amerikanische all-or-nothing-Schema, welches erst mit der NEVADA-Klasse eingeführt wird kann nicht, wie oft angenommen wird, überzeugend mit den erhöhten Kampfentfernungen erklärt werden. Wie auch? NEVADA´s primäre Geschütze hatten eine maximale Rohrerhöhung von nur 15 Grad und feuerten bis 1931 keine Verzögerungsmunition. Sie waren gar nicht in der Lage einen in zwei Ebenen gestaffelten Deckspanzer, egal wie dünn zu durchschlagen.
Die Anordnung der Panzerung mit einem starken Seitenpanzer und einem horizontalen Deckspanzer ohne Böschungen ist auch nichts neues (Vgl. alte KAISER-Klasse) und innerhalb eines Rahmen, wo noch häufig HE und CP verschossen werden darf die Nützlichkeit einer solchen Anordnung auch hinterfragt werden.

Im deutschen kriegsschiffbau ist Deckspanzerung in dieser Periode kein wirkliches Panzer- sondern Konstruktionsmaterial, hinsichtlich der Festigkeit und Zähigkeit kaum stärker als Schiffbaustahl III. Qualität 420 Stahl mit seiner überlegenen Zähigkeit, wurde dagegen nur dort verwandt, wo direkter ballistischer Schutz notwendig war, etwa bei den Decken von Kommandotürmen, SA-Türmen oder über der Ruderanlage, nicht jedoch beim Wetter- oder Hauptpanzerdeck.
Der recht dünne und vergleichsweise weiche Krupp Homogenstahl in den Decks war stark genug um Projektile ohne sichere Zündverzögerung zum detonieren zu bewegen wenn sie steil durchschlagen, bzw. so dünn und elastisch, dass schwere Projektile bei den in Frage kommenden, sehr flachen Winkeln abgewiesen werden (Trampolineffekt bei unter 0,15 kaliberstarken Platten). Eventuelle Geschoß- und Trümmerteile wären dann von dem etwa zwei Decks tiefer ligenden Hauptpanzerdeck aufgefangen worden, soweit die Theorie.

Um da durch zu kommen braucht es schon Fallwinkel von mindestens 25 Grad, was mit den 38cm der BAYERN Klasse bzw. den 35,6cm der TENNESSEE-Klasse theoretisch möglich wird, letztere fallen zwar steiler, haben aber wieder keine Zündverzögerung, und sind damit unwirksam.

Tatsächlich ist die Vergrößerung der Reichweite, Verbesserung der Geschosse und die damit einhehrgehende zwingende Verstärkung des horizontalen Panzerschutzes ein besonderes Phänomen der Zwichenkriegszeit und gehört damit nicht mehr in den Rahmen dieser Diskussion.
 
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