Teegenuss

Mittelalterlager

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Moin

Weiß jemand von Euch, ob man im Mittelalter Kräutertees nicht nur als Heilmittel, sondern eventuell als
normales warmes Getränk zu sich nahm?
 
Ich kann dir die Frage natürlich nicht beantworten, aber erlaube mir mal, begründet zu spekulieren:
Man muss immer damit rechnen, dass so profane Dinge, wie Kräuter für den Geschmack in heißes Wasser zu schmeißen in Quellen nicht nachweisbar sind.
Allerdings würde ich die Möglichkeit, dass in botanischen Werken oder auch Hildegard durchaus etwas stehen könnte, nicht ausschließen.
Da wir wissen, dass die Römer Kräuter in den Wein gaben und dass spätmittelalterlichen Quellen zu entnehmen ist, dass allerlei Gewächse (z.B. das fast vergessene Gagel) im Bier landeten, würde ich den das Aufbrühen wohlschmeckender Kräuter in heißem Wasser mindestens für plausibel halten.
 
Das Wort Tee kam erst mit dem Indienhandel im 17.Jh. nach Nord/Mitteleuropa, und etablierte sich rasch. Ob im mediterranen Raum schon früher, weiß ich nicht. Das Wort für Tee in slawischen Sprachen und am Balkan - Cai - kam über arabisch/osmanische Vermittlung - hier weiß @El Quijote sicher mehr.
Dass die Zubereitungsweise - salopp gesagt Grünzeug in heißes Wasser - für ein Getränk ein plötzliches Novum gewesen sei, vermerkt keine Quelle. Daraus kann man schließen, dass ohne den Namen "Tee" allerlei im Sinn von Sud, Aufguss etc üblich und bekannt war, und das sicherlich nicht nur im Sinn von Medizin/Heilgetränk.
 
Schwierige Frage…, vor allem die Unterscheidung zwischen Heilmittel und normalem Getränk. Als Heilmittel waren Kräuterbrühen sicherlich verbreitet. Wurde also bestimmt auch prophylaktisch getrunken, was bereits als Getränk gesunder Menschen gelten kann.(evtl. Hagebuttenbrühe?? Die Beeren waren im MA bekannt.) Auf keinen Fall aber als »Tee« (wie schon von dekumatland angemerkt); siehe auch @ DWDS (ins Deutsche »um die Mitte des 17. Jhs. wohl unter nl. Vermittlung«)

Was die ›Normalität‹ angeht: darf’s auch kalt und alkoholisch sein? Siehe dazu: »Grut (Bier)«, de. Wikipedia.
 
Lies Dir dies mal durch.
Sollte eigentlich umfassend Deine Frage beantworten:
Der Tee im Mittelalter (die-teeseite.de)

Ich bin mir nicht sicher, ob das eine wirklich gute Leseempfehlung ist. Hinter der Seite steht offensichtlich jemand, der Websites zu bestimmten Themen erstellt (was ja absolut legitim ist), wahrscheinlich mit dem Ziel, diese Websites zu verkaufen oder Werbekunden zu generieren. Eine historische Expertise ist das nicht. Ich habe mir nur die Parts zum europäischen MA durchgelesen, die scheinen mir eher klischeebehaftet zu sein:

Wer sich vorstellt, dass in der frühen Neuzeit und im Mittelalter in Deutschland Kräutertee getrunken wurde, der irrt. Denn Kräutertee gehörte damals durchaus nicht zu den klassischen Getränken des alltäglichen Lebens und echter Tee kam erst zu Anfang des 17. Jahrhunderts a. D. nach Europa.
[...]
Was aber tranken die Menschen des Mittelalters überhaupt und gab es Tees? Mit Sicherheit kam den Klöstern bei der Zubereitung von Tee die entscheidende Bedeutung zu. Es waren Größen wie Hildegard von Bingen oder der geheimnisvolle Paracelsus, die mit Kräutertees ihre Kranken behandelten. Außerhalb von Klostermauern und den Behandlungszimmern von Doktoren war es nicht ungefährlich, mit Heilkräutern und Tees zu experimentieren. Die Inquisition hatte ein scharfes Auge auf Heilkundige und viele von ihnen endeten auf dem Scheiterhaufen. Eine Verdächtigung durch einen Mitbürger genügte bereits, um in den Fängen der Inquisitoren zu landen.​

Zunächst einmal ist zu fragen, womit die apodiktische Behauptung begründet ist, dass Kräuteraufgüsse nicht zu den Getränken des Alltags gehörten.
Bei dem zweiten Abschnitt wird explizit die Inquisition angesprochen. In Verbindung mit verfolgten Kräuterkundigen klingt implizit die Hexenverfolgung an. Unter historischen Laien ein ebenso verbreitetes wie wirkmächtiges Klischee, dass alte weise, kräuterkundige Frauen bevorzugt als Hexen verfolgt worden seien.
Nun, die Inquisition befasste sich nicht mit Kräuterkundigen, sondern mit Häresien. Im Mittelalter hauptsächlich in Südfrankreich und Norditalien.
Ich bin nun absolut kein Experte für Hexenverfolgung, die ein hauptsächlich mitteleuropäisches und nicht mittelalterliches, sondern frühneuzeitliches Phänomen war, aber dass irgendwo in Prozessakten die Rede davon war, dass ein Delinquent der Kräuterkunde bewandert gewesen sei, ist mir auch noch nicht untergekommen. Es geht um Schwarze Magie, den Bund mit dem Teufel und derlei. Ziel der Hexenverfolgungen waren entgegen volkstümlicher Vorstellungen weder rothaarige noch alte weise Frauen, sondern oft Leute, bei denen etwas zu holen war. Oder wo persönliche Ränke eine Rolle spielten.

Hier liegt auch ein Durcheinander der Begrifflichkeit Inquisition vor. Inquisition ist zunächst einmal ‚Befragung‘. Wenn wir von der Inquisition sprechen, dann meinen wir aber in der Regel nicht die ‚Befragung‘, sondern Inquisitionsbehörden. Diese waren kaum mit Hexenverfolgung befasst. In Rom hatte die Inquisition verfügt, dass jede der Hexerei verdächtige Person ärztlich untersucht werden solle. Im Kirchenstaat (also ungefähr Mittelitalien) sind ganze vier Personen als Hexen verurteilt worden.
Die Inquisition des Mittelalters befasste sich hauptsächlich mit Katharern und ähnlichen Gruppierungen, die spanische Inquisition mit dem selbstgeschaffenen Problem, dass man Juden und Muslime erst zur Auswanderung oder Konversion gezwungen hatte, um den Konvertiten dann zu misstrauen.

Die Hexenverfolger stammten teilweise (die protestantischen Hexenverfolger natürlich nicht) aus den Reihen der Inquisitoren und bedienten sich der Befragungsmethoden (= Inquisition), dementsprechend ist eine gewisse Begriffsverwirrung verständlich.

Ich habe den Eindruck, dass der Verfasser des obigen Textes versucht hat, das Klischee von der verfolgten alten, weisen, kräuterkundigen Frau und die Fakten über kräuterkundliche Schriften (Hildegard, Paracelsus) miteinander zu harmonisieren versucht. Daraus wird dann die Darstellung, dass Kräuterkunde im Kloster normal gewesen sei, aber außerhalb der Klostermauern „nicht ungefährlich“.

Unterstützt werden solche Klischees sicher durch den Hexenhammer, der stark misogyn ist und in dem Kräuter hin und wieder erwähnt werden als Hilfsmittel zur Empfängnisverhütung oder Eindämmung der sexuellen Lust bei Männern oder Frauen.
 
Moin

Ich wollte hier kein neues Fass aufmachen, sondern nur wissen, ob jemand von Euch Quellen hat, die bezüglich des von mir angefragten Themas, irgend ein neues Licht auf die Sache werfen. Ich kenne fast alle Wikiquellen.
 
Falls es Dir hilft:

Mortimer, Ian, The Time Traveller's Guide to Medieval England. A Handbook for Visitors to the Fourteenth Century, New York 2008

verliert im Kapitel "What to Eat and Drink" kein Wort über Kräutertees oder ähnliche Getränke. Die Landbevölkerung trinkt Ale, seltener Cidre und, wenn niemand die zubereiten kann, dann halt Wasser, bevorzugt Regenwasser aus der Zisterne. Je wohlhabender man dann in Stadt, Adel oder Kloster wird, umso mehr wird auch Wein getrunken.
 
Falls es Dir hilft:

Mortimer, Ian, The Time Traveller's Guide to Medieval England. A Handbook for Visitors to the Fourteenth Century, New York 2008

verliert im Kapitel "What to Eat and Drink" kein Wort über Kräutertees oder ähnliche Getränke. Die Landbevölkerung trinkt Ale, seltener Cidre und, wenn niemand die zubereiten kann, dann halt Wasser, bevorzugt Regenwasser aus der Zisterne. Je wohlhabender man dann in Stadt, Adel oder Kloster wird, umso mehr wird auch Wein getrunken.
Kräuter sammelt man halt und schmeißt sie ggf. in den Kessel überm Feuer. Oder auch nicht. Darüber gibt es i.d,R. keine schriftlichen Quellen, weil wer sollte im Mittelalter über derlei profane Dinge schreiben?
 
Bis wann lässt sich das arabische Faible für Pfefferminztee zurückverfolgen? Sollten die früh genug dran gewesen sein: könnte der dann über Kreuzzüge oder Al Andalus in Europa eingeführt worden sein?
 
Ich wollte hier kein neues Fass aufmachen, sondern nur wissen, ob jemand von Euch Quellen hat, die bezüglich des von mir angefragten Themas, irgend ein neues Licht auf die Sache werfen. Ich kenne fast alle Wikiquellen.
Klingt irgendwie erschöpft von der Recherche… ;) Demnach ist Dir das Anliegen ja wichtig. Aber Literatur zu finden, in dem etwa steht: Ja, man trank im MA Kräuteraufgüsse auch ohne krank zu sein, wirst Du wohl kaum finden, weil's einfach zu naheliegend ist.
Was ich geschrieben habe bzgl. dem prophylaktischen Genuss von Kräuterbrühen, resp. -aufgüssen, würde ich mir an Deiner Stelle doch durch den Kopf gehen lassen. Schließlich soll auch Tee bei den Chinesen als »Medizin« gegolten haben. Solltest Du irgendwelche Kräuter finden, die bspw. als potenzsteigernd galten oder ein langes Leben versprachen, kannst Du mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Aufgüsse getrunken wurden, ohne gesundheitliche Probleme zu haben.

Was Wikipedia angeht, hier also noch ein Link, den Du womöglich ja kennst: “List of florilegia and botanical codices”, en. Wikipedia. Fröhliche Kräutersuche… :D
 
THX

Ich bin Gärtner, mit den meisten Pflanzen kenne ich mich recht gut aus. Ja, ich persönlich denke allerdings nicht, das Kräutertees jeden Tag getrunken wurden, allein, die dafür benötigte Menge anzubauen/zu kultivieren/zu sammeln
ist schon eine eigene Nummer. Ob dafür die Arbeitszeit wirklich reichte? Es geht ja hier in erster Linie auch um die Stadtbevölkerung im Spämi.. Außerdem war ja der Bier und Weinkonsum recht groß, wobei es sich hier dann wohl eher um geringere Alkoholgehalte handelte!?
 
Ich denke, wir können mit Kräutertee übersetzen, wenn wir Kräutertee sagen würden. Oder auch Tee. Denn auch unser Kräutertee ist kein Tee, wird aber so genannt. Oder Aufguss, wenn wir Aufguss sagen. Eine Übersetzung gibt ja nicht die etymologische Entsprechung des Worts der Ursprungssprache wieder, sondern stellt eine möglichst sinngemäße, 'treffende' Beschreibung in der Zielsprache dar.

Bei etymologischen Entsprechungen wäre auch zu benennen, was genau gemeint war.

Pierre Riché erwähnt als Getränke nur Wein, Obstwein, Bier und Wasser, Otto Borst ebenso.

Pfefferminze gab es noch nicht. Diese hybride Kreuzung wurde 1696 durch John Ray entdeckt. Pfefferminze – Wikipedia

Da es im Winter nicht regelmäßig zu Scorbutausbrüchen kam und Hagebutten neben Sauerkraut und Grünkohl zu den wichtigsten heimischen Vitamin C Lieferanten für den Winter gehören, ist zu vermuten, dass Hagebuttentee getrunken wurde, es nur, wie El Quijote schreibt, nicht erwähnt ist..
 
Bis wann lässt sich das arabische Faible für Pfefferminztee zurückverfolgen? Sollten die früh genug dran gewesen sein: könnte der dann über Kreuzzüge oder Al Andalus in Europa eingeführt worden sein?
Das scheint ein sehr maġribinisch zu sein. In Marokko bekommst du Pfefferminztee überall, in Ägypten ist britischer Schwarztee quasi monopolisiert, du bekommst quasi keinen anderen Tee als den Schwarztee einer bekannten britischen Marke, zumindest war das bei meinem bisher einzige Ägyptenbesuch so, wo ich sehr enttäuscht war, über den Tee. Auch in der Levante Israel/Palästina, Jordanien, Syrien und Libanon war Pfefferminztee nicht zu bekommen (obwohl ich in Apameia einen Bauern mir Pfefferminz auf dem Moped gesehen habe).
 
Die Pfefferminze ist ein recht spät bekannter Hybrid.

Die vielen Varietäten der marokkanischen oder Nanaminze bzw. der Krausen Minze Mentha spicata var. crispa wachsen wild z.B. auch auf den kanarischen Inseln.
Ich habe krause Minze und wildes Basilikum schon auf einem Camino real in etwa 1.100 bis 1.400 m Höhe gefunden (obwohl das auch auch von Händlern auf dem Fußweg zum städtischen Markt verloren und verwildert sein könnte).
Aber: der Tee wurde früher wohl frisch als Pflanze und nicht mit getrockneten Blättern aufgegossen.
Brennesseltee ist ja auch überall verfügbar.
 
Das scheint ein sehr maġribinisch zu sein. [...] Auch in der Levante Israel/Palästina, Jordanien, Syrien und Libanon war Pfefferminztee nicht zu bekommen (obwohl ich in Apameia einen Bauern mir Pfefferminz auf dem Moped gesehen habe).
Spannend. Ich war vor vielen Jahren mal bei einer Behörde in Katar. Die hatten dort im Innenhof ihres Gebäudes einen Kuchengarten (süß, die Rechtschreibekorrektur, gemeint ist ein Küchengarten), in dem ausschließlich Pfefferminze für Tee gezogen wurde. Da habe ich wohl zu leichtfertig verallgemeinert.
 
Ich neige auch der Ansicht von Mashenka und El Quijote zu, nach der die Idee einfach zu naheliegend war, als dass man sie nicht wenigstens in einigen Regionen verfolgt hätte. Kräuter wird man ja in aller Regel gesammelt und getrocknet haben, um sich für Krankheiten zu wappnen. Da ein Teil der Nahrung noch immer im Wald gesammelt wurde, dürfte das auch keinen besonderen Verlust an Arbeitskraft mit sich gebracht haben, zumal man dazu beispielsweise eine ältere Person und ein Kind beauftragen konnte.

Meine Schwester und ich bekamen Kamillentee als Kinder nur bei Krankheiten zu trinken, aber natürlich war uns klar, dass man ihn auch als normales Getränk hätte konsumieren können. Auch im Mittelalter werden Geschmäcker verschieden gewesen sein, so dass irgendjemand den gesundmachenden Sud vermutlich auch einfach mal so zu sich genommen haben dürfte.

Als Sekundärliteratur könnte ich von Ernst Schubert das Werk "Alltag im Mittelalter" empfehlen. Es ist schon eine Weile her, dass ich es gelesen habe, aber er geht darin auch recht viele Details ein; vielleicht erwähnt er also auch den Tee oder einen Kräutersud.
 
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