Terrorismus - Revolution

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Hallo alle miteinander,
ich bin gerade beim Schreiben meiner Facharbeit und suche Definitionen von Terrorismus und Revolution. Dazu hab ich auch genug gefunden, aber der Unterschied zwischen den beiden ist mir nicht ganz klar geworden. Eigentlich ist ja bei beiden eine Veränderung von etwas Bestehendem das Ziel und wird mit Hilfe von Gewalt verwirklicht. Wo ist also jetzt der Unterschied?! Steht beim Terrorismus eher die Gewalt und bei der Revolution die Veränderung im Vordergrund?
Hoffentlich kann mir jemand helfen.
Liebe Grüße :)
 
Grundsätzlich würde ich mal beides trennen. Eine Revolution - auch eine politische - erfordert nicht zwingend Gewaltanwendung. Wiewohl dies in der Praxis mehrheitlich der Fall ist, sei es von den Revolutionären oder ihren Gegnern ("der herrschenden Clique oder Klasse", "der Konterrevolution").

Terrorismus dagegen hat den Zweck, Schrecken zu verbreiten. (Terror = Angst). Wir haben das vor einiger Zeit sehr ausführlich am Thema Staatsterrorismus diskutiert: http://www.geschichtsforum.de/f80/ist-terror-17246/

Dort haben wir eine Terrorherrschaft von einem repressiven Regime abgegrenzt.
 
Hier sollten auf jeden Fall die Oberbegriffe klar gewählt werden. Revolution ist ein Ereignis oder ein (sehr rascher) Prozess. Beide erscheinen mir nicht als geeignete Kategorien für Terrorismus
 
Hier sollten auf jeden Fall die Oberbegriffe klar gewählt werden. Revolution ist ein Ereignis oder ein (sehr rascher) Prozess. Beide erscheinen mir nicht als geeignete Kategorien für Terrorismus

Wobei es jedoch eindeutige Korrelation beider Inhalte gibt.
Lenins bzw. der bolschewistische Revolutionsbegriff bezog ausdrücklich
den "revolutionären Terror" in die Durchführung der Revolution mit ein.
Das meinte sowohl den inneren Terror im Herrschaftsgebiet , als auch
den Terror im Krieg mit dem weissgardistischen Gegnern.
Das ist nachfolgend wohl in allen als "kommunistischen Revolutionen "
bezeichneten Machtkämpfen praktiziert worden , am deutlichsten wohl
durch die Roten Khmer.
Auf der anderen Seite stehen Beispiele wie Pinochet oder die anderen
südamerikanischen Militärputsche mit ganz ähnlichen Konzepten.

Vielleicht hab ich aber auch zu spät damit angesetzt und schon der
jakobinische Terror 1789 ff muss als Beginn dieses Konzepts eingeordnet
werden. Mich würde mal interessieren , ob man Marat, Danton , Saint Just
und Robespierre von ihren verkündeten politischen Handlungskonzepten
her genau dort wiederfinden kann.
 
Terror lässt sich durchaus nur mit einer Haltung vorstellen, die auf Veränderung auf ist und somit eher revolutionär denn konservativ ist (reaktionär wäre vielleicht wieder möglich).
Gerade wegen dieser inhaltlichen Überschneidungen möchte ich den Unterschied mit dem Oberbegriff herausarbeiten. Brand und Hitze ist auch ähnlich, aber wenn ich eines als Ereignis und eines als Eigenschaft beschreibe, wird der Unterschied deutlich.
 
Ich stelle mir grade selbst die Frage, ob der Sinn von Terror wirklich in jedem Fall die Veränderung eines gegebenen Zustandes ist. Bei manchen terroristischen Anschlägen hat man das Gefühl, dass es längst um den Terror an sich geht und nicht (mehr) um die Erreichung eines Zieles. ME haben viele modernen Terrorgruppen längst ihre ursprünglichen Ziele aus den Augen verloren oder falls diese erreicht wurden "angepasst". Oft genung richteten sich terroristische Aktionen, die einen Truppenabzug erzwingen sollten, nachdem dieser stattgefunden hatte gegen die eigene Bevölkerung, kehrte also das ursprüngliche Ziel vielleicht sogar ins Gegenteil um.

Revolutionen sollen per Definition eine Veränderung bewirken, ob mit oder ohne Gewalt bzw. dem Einsatz von Terror.

Ich würde aber auch den Hauptunterschied zwischen beiden Begriffen in der Gewaltanwendung suchen, wie es meine Vorredner auch schon dargestellt hatten.
 
gegen die eigene Bevölkerung, kehrte also das ursprüngliche Ziel vielleicht sogar ins Gegenteil um.
Das Ziel eines Terroraktes ist nicht ein militärisches, sondern zielt, wie der Name schon sagt, auf die Befindlichkeit der Menschen, mit dem Ziel, eine Meinung zu bilden.

Der Anschlag auf das WTC ist ein Paradebeispiel. Die militärische Wirkung selbst war natürlich null, aber sie schuf die Meinung, dass die USA nun militärische Aktionen im Mittleren Osten durchzuführen hätten. Diese waren ebenfalls militärisch sinnlos, aber letztlich bewirkten sie die Meinung in der islamischen Welt, dass man sich nun gegen den Feind zusammenschließen müsse - was das eigentliche Ziel der Urheber war.
 
Das Ziel eines Terroraktes ist nicht ein militärisches, sondern zielt, wie der Name schon sagt, auf die Befindlichkeit der Menschen, mit dem Ziel, eine Meinung zu bilden.

Der Anschlag auf das WTC ist ein Paradebeispiel. Die militärische Wirkung selbst war natürlich null, aber sie schuf die Meinung, dass die USA nun militärische Aktionen im Mittleren Osten durchzuführen hätten. Diese waren ebenfalls militärisch sinnlos, aber letztlich bewirkten sie die Meinung in der islamischen Welt, dass man sich nun gegen den Feind zusammenschließen müsse - was das eigentliche Ziel der Urheber war.

Ich hatte bei meinen Überlegungen an solche Konfliktherde wie den Irak oder auch Somalia 1993 gedacht, wobei letzteres ein eher schlechtes Beispiel ist. Im Nahen Osten wird der Terror nicht enden, auch nicht, wenn alle westlichen Truppen abgezogen sind, dann werden aller Wahrscheinlichkeit nach ethnische Konflikte losbrechen, die schon seit langer Zeit schwelen.

Aber du hast vollkommen recht mit deinen Ausführungen. Im Falle des WTC haben die Terroristen ihr perfides Ziel tatsächlich erreicht, da sich die USA in einen sinnlosen Krieg haben zwingen lassen. Aber wie oft hat diese Stimmungsmache den geklappt? Die RAF erzeugte die meisten Sympathien und die stärkste Verunsicherung auf staatlicher Seite durch die Selbstmorde in Stammheim und nicht während der heißen Anschlagsphase.
 
Klaus: Das Ziel eines Terroraktes ist nicht ein militärisches, sondern zielt, wie der Name schon sagt, auf die Befindlichkeit der Menschen, mit dem Ziel, eine Meinung zu bilden.

Provokation durch einen Terrorakt, und die Provozierten schlagen in größerem Umfang zurück, vielleicht begleitend durch Repressionen gegen die Zivilbevölkerung, was zu einer Solidarisierung mit den Terroristen führt, siehe menschliche Schutzschilde, bzw. Waffendepots in dicht besiedelten Gebieten.
Anders können Terroristen auch nichts erreichen, denn wenn das von ihnen bekämpfte Regime ähnliche Standpunkte vertritt, geht ihnen die Luft aus.
Da erwähne ich nur mal die Muslimbruderschaft und Nasser in Ägypten, bzw. Qutb., in den Siebzigern, obwohl der eher ein Nationalist war.
 
Bei "Revolution" fällt den meisten Menschen die französische oder amerikanische ein, beide blutig und kriegerisch. Revolution an sich bedeuted aber nur "Veränderung". Ein Revolutionär kann auch ein guter Wissenschafter sein, der eine eben revolutionäre Methode zur Optimierung zwischenmenschlicher Beziehungen erarbeitet hat, oder ein Staatschef, der so tolle "Reformen" einführt, dass sein ganzes Land innert einiger Jahrzehnte vom armen Agrarstaat zum reichen Industriestaat wird.

Terrorismus hingegen hat nichts mit friedlichen Lösungen gemein. Auch wenn es sich um sogenannten "Telefonterror" handelt, er ist immer mit Agression und Anfeindung gepaart.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wo habe ich es noch gelesen? Bei James Clavalls Shogun, oder bei T.E. Lawrence (Lawrence von Arabien)? Ein Rebell ist ein Terrorist, der Erfolg hatte... oder so ähnlich? Oder, es ist kein Hochverrat, wenn man Erfolg hatte...?
 
Ein gutes Beispiel ist die islamische Revolution im Iran.
Der schiitische Ayatollah hatte genau dieselben Gedanken wie Maududi in Indien oder Qutb in Ägypten, konnte sich aber auf weite Teile der Bevölkerung inklusive Studenten und Arbeiter verlassen, was den späteren "Terroristen" fehlte.
Die verschiedenen islamistischen Organisationen konnten sich nie eine feste Basis in der Bevölkerung schaffen, weil sie zu rückschrittlich waren oder teils sogar der Bevölkerung selber Schuld an der Unterdrückung gaben, weil diese passiv das Regime unterstützte, indem es nichts tat.
Den "Terroristen" in dem Sinne bleibt nichts anderes als Gewalt.
 
Nochmal kurz von meiner Seite ein Vorschlag zur Unterscheidung.

Es gibt grob zwei Sorten von Terror, nämlich 1) Terrorherrschaft oder Staatsterror (die systematische und gewaltsame Unterdrückung der Bevölkerung von seiner Elite). Da kommt das Wort auch her, soweit ich weiß. Das Wort kam zum 1. Mal prominent bei den Jakobinern vor, die Terror als Herrschaftsstrategie geprägt haben. Das wurde hier im Thread ja schon ausreichend beleuchtet.

Dann gibt es die Sorte, die heute am bekanntesten ist, nämlich 2) Terror als Taktik. Das meint in der Regel einen Terror-Akt (eine einzelne, isolierte militärische Aktion oder eine Serie derselben). Terrorakte zielen wie oben schon beschrieben, primär auf die Verbreitung von Angst und Unsicherheit ab. Hier sind es meistens kleine Gruppen, die gegen einen übermächtigen Gegner angehen, oft die eigene Regierung oder eine hegemoniale Macht. Daher hat man hier auch oft ein Definitionsproblem, weil das Wort "Terrorismus" in sich bereits wertend ist. Terroristen selbst bezeichnen sich oft als "Freiheitskämpfer" oder ähnliches, und werden in der Regel auch von einer bestimmten "Zielgruppe" so gelesen. Terrorismus zielt in dieser Form nicht nur auf den Schaden und die Verunsicherung des Gegners ab, sondern auch darauf, eine dritte Gruppe auf die eigene Seite zu ziehen. Wegen dieser doppelseitigen Absicht werden meist symbolische Ziele angegriffen.

Was diese beiden Terrordefinitionen vereint und damit von der Revolution trennt, ist die Tatsache, dass beim Terror viele durch wenige Schaden erleiden. Revolution hingegen, im politischen Sinn jedenfalls, ist ein Aufstand der vielen gegen die wenigen, wobei "die wenigen" immer die Machthaber sind. Außerdem ist eine Revolution per Definition erfolgreich, ansonsten verwendet man eher die Worte "Aufstand", "Rebellion" oder sowas in der Art. Kurz gesagt, Revolution bezeichnet einen Wendepunkt. Eine Elite und/oder Regierungsform ersetzt binnen kürzester Zeit eine andere.

Was übrigens Irak und Somalia angeht, die beiden muss man auch nochmal unterscheiden. Im Irak haben wir eine Regierung bzw. eine Besatzungsmacht, gegen die gekämpft wird - hier dienen Anschläge also gezielt dazu, diese herrschende Macht zu schwächen. Von Seiten der USA aus z.B. kann man also durchaus von Terrorismus sprechen... wie gesagt, der Begriff ist an sich schon wertend, deswegen sollte man generell immer dazu sagen, wer ihn verwendet. Terrorismus im Sinne von Terror-Akt kann immer auch positiv als Teil eines Freiheitskampfes o.ä. gedeutet werden, das ist das Schwierige an jeder Definition des Begriffs.

Somalia hat im Gegensatz zum Irak schon seit 1991 keine funktionale Regierung mehr gehabt, zumindest keine für ganz Somalia, und schon gar keine, die ein Monopol auf Gewaltanwendung hätte. Es gibt in erster Linie Warlord-Franktionen, die ständig und erbittert miteinander um Dominanz und Überleben kämpfen. Wenn jetzt einer von denen beim anderen ein Selbstmordattentat verüben würde, würde man es wohl weniger als Terrorismus bezeichnen, sondern eher als, nun ja, Krieg. Wenn eine Fraktion von denen die Bevölkerung unterjocht und misshandelt, dann würde man es meist auch eher nicht als Terrorherrschaft bezeichnen, sondern, zum Beispiel, als Kriegstaktik (etwa Plünderungen zur besseren Versorgung der eigenen Truppen; es gibt auch viele Autoren, die darauf hinweisen, dass Massenvergewaltigungen zunehmend als Kriegstaktik betrachtet werden. Das zielt darauf ab, dass das soziale Gefüge der Gegner wegen "verschmutzter" Frauen dauerhaft geschädigt wird, was besonders in traditionellen Gesellschaften eine Rolle spielt).

Damit will ich jetzt nicht alle Regionen über einen Kamm scheren - im Somaliland und Puntland gibt es durchaus Formen von Regierungsbildung. Die haben aber auch kein Gewaltmonopol. Beispiel: die Piraten vor Somalia haben meistenteils ihre Basen in Puntland, ohne dass die Regierung etwas tun kann (sofern sie das will, manche sind auch einfach bestochen).

Um aufs Thema zurückzukommen, was ich mit Somalia sagen will ist das: Terrorismus erfordert auf die eine oder andere Weise die Existenz einer unbestrittenen Übermacht, in der Regel eine militärisch-staatliche Übermacht. In Somalia sind die Dinge zu fragmentiert, um das behaupten zu können, deswegen ist der Begriff "Terrorismus" hier einfach nutzlos. Ganz allgemein "Warlordism" klingt für meine Ohren besser.
 
Im Irak haben wir eine Regierung bzw. eine Besatzungsmacht, gegen die gekämpft wird - hier dienen Anschläge also gezielt dazu, diese herrschende Macht zu schwächen.

Wobei die Anschläge hauptsächlich gegen Gruppierungen der eigenen Bevölkerung gerichtet sind: Shi'iten, Christen, westlich orientierte oder regierungsstützende Sunniten etc. Deshalb sind besonders beliebte Anschlagsziele shi'itische Feiern, christliche Kirchen, Märkte, Polizeischulen, oder Orte des Ausspanns.

Aber das ist Tagespolitik.
 
Dies ließe sich in Kombination mit
Terrorakte zielen wie oben schon beschrieben, primär auf die Verbreitung von Angst und Unsicherheit ab.
ja als weiteres Merkmal von Terrorismus fassen:
Der große Gegner wird indirekt geschwächt, indem man Unbeteiligte verängstigt und somit Druck in der Bevölkerung aufbaut.
 
Hier noch ein interessanter Artikel zum Thema von Herfried Münkler, aus dem ich ein paar Sätze zitieren möchte:

Das Einzige, was allen Formen terroristischer Gewalt gemeinsam ist, ist die Orientierung an den psychischen und weniger an den physischen Folgen der Gewalt [...]

Etwas vereinfacht lässt sich zwischen einem nationalrevolutionär-ethnoseparatistischen und einem sozialrevolutionären Terrorismus unterscheiden. Beispiele für ersteren Typus waren in Europa zuletzt die IRA und die ETA, während für letztgenannten Typus die Brigate Rosse in Italien oder die Rote Armee Fraktion (RAF) in Deutschland stehen. Als Drittes lässt sich ein vigilantistischer Terrorismus unterscheiden, für den der Ku-Klux-Klan in den USA ein Beispiel ist: Hier soll der Schrecken nicht dem Umsturz, sondern der Erhaltung der bestehenden Strukturen dienen. [...]

War der klassische Terrorismus eine Form der Gewalt, die sinnvoll unter dem Rubrum der Revolutionstheorien verbucht wurde, so ist der neue transnationale Terrorismus eher dem Feld der Kriegstheorien zuzuschlagen. Jedenfalls handelt es sich dabei um eine Strategie, deren Erfolg nicht davon abhängig ist, dass ein "zu interessierender Dritter" auf eine bestimmte Weise reagiert. [...]

Der ganze Artikel ist zu finden unter: : Das Chamäleon Terrorismus - taz.de
 
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