Themenwoche "El Cid Campeador" – Donnerstag | Der König: Alfonso VI.

Obwohl Ruy Díaz unter mehreren Königen diente, nehmen wir uns den wichtigsten heraus. Alfons oder Alfonso VI. Er war der zweite Sohn von Ferdinand bzw. Fernando I., der seit dem Tod Sanchos des Großen (Sancho III. Mayor von Navarra) 1035 dreißig Jahre, bis zu seinem Tod 1065 über Kastilien, León und Galicien herrschte. Wie sein Vater Sancho seine drei Reiche (Kastilien-León mit Galicien, Navarra, Aragón) zwischen seinen drei Söhnen aufgeteilt hatte, so teilte nun der Sohn, Fernando, sein Reich in seine drei ursprünglich eigenständigen Herrschaften Kastilien, León und Galicien auf. Kastilien vermachte er auf dem Hoftag zu Coimbra 1064 (die Stadt war gerade erst erobert worden) seinem Ältesten, Sancho, zu dessen Gefolge die kastilischen Vasallen gehörten, eben auch Rodrigo Díaz; León vermachte Fernando seinem Liebling* Alfonso und Galicien seinem Jüngsten, García. Kastilien vermachte er außerdem die Tribute Zaragozas (Saraqusṭa), León die Toledos (Ṭulayṭula) und Galicien die der Königreiche Sevilla (Išbīlīa) und Badajoz (Baṭalyaus). Als Tributeinnehmer waren sie verpflichtet, ihren tributpflichtigen Städten Schutz zu gewähren und so eilte Sancho den Zaragoza regierenden Hūdiden zu Hilfe, als sein Onkel Ramiro die Festung Gra(d)us eroberte. In der Folge kam es zum Krieg der drei Sanchos, denn Sancho von Kastilien versuchte Sancho von Navarra, seinem Cousin, navarresische Besitztümer zu entreißen, Sancho von Aragón kam ihm zu Hilfe, wohl auch um den Tod seines Vaters Ramiro vor Graus zu rächen. Der Krieg der drei Sanchos endete 1067 "unentschieden", die Mutter der drei kastilischen Brüder starb, die nun ihrerseits aufeinander los gingen. Am Ende war es Sancho, der die Oberhand behielt und Alfonso und García mussten in Exil. Bezeichnenderweise gingen sie jeweils zu einer ihrer tributpflichtigen Mächte, García nach Sevilla, Alfonso nach Toledo. Dies geschah 1072. Neun Monate später, im Jahr 1073, wurde Sancho bei der Belagerung der Festung Zamora, die von seiner Schwester Urraca beherrscht wurde, ermordet. Sein Mörder war – so allerdings nur späte Quellen – Bellit Adolfez, auch Vellido Dolfez. Es ist immer eine Verbindung zwischen Alfonso und seiner Schwester angenommen worden. Ramón Menéndez Pidal glaubte, dass Sancho Zamora belagerte, weil hier ein von Alfonso gegen ihn gerichteter Aufstand seinen Ausgang genommen hatte, Zamora habe immerhin auf dem Weg (der Via de la Plata) nach León, der Hauptstadt Alfonsos, gelegen. Alfonso war jedenfalls der Nutznießer am Tod seines Bruders. Bald zwang er die mulūk at-tawā'if ('Kleinkönige', 'Diadochen') die den Bruderkrieg genutzt hatten, sich von ihren Tributzahlungen zu befreien, diese wieder aufzunehmen und es gelang ihm, mittels seines Verbündeten al-Ma'mūn Ibn Dū-n-Nūn, des Königs von Toledo gelang es ihm auch, die Fürstentümer Granada und Valencia unter den Tribut zu zwingen. Die Streitigkeiten der mulūk at-tawā'if nutzte er systematisch aus, um Burgen tief in feindlichem Territorium zu besetzen, um so noch mehr Schutzgelder – parias – zu erpressen. Seit 1079 – in diesem Jahr eroberte er die von Badajoz aus regierte Stadt Coria - nannte Alfonso sich Imperator totius Hispaniae – 'Kaiser des gesamten Spanien' – was man wohl als den Herrschaftsanspruch auch über den muslimischen Anteil der Halbinsel bezeichnen darf. 1079 schickte er den Cid nach Sevilla, die dortigen Tribute einzuholen, im Jahr darauf den Juden ibn Šalīb. Dieser wies den Tribut von al-Mu'tamid wegen des niedrigen Edelmetallgehalts zurück, weshalb er selbst gekreuzigt, seine Bedeckung gefangengesetzt wurde. Als Reaktion darauf besetzte Alfonso die Festung Almodóvar del Río, am Guadalquivir zwischen Córdoba und Sevilla gelegen, brannte die Vorstadtviertel von Sevilla nieder und soll in Tarifa mit seinem Pferd bis zum Bauch ins Meer geritten sein – ein symbolischer Akt um seine Macht über Spanien zu verdeutlichen. Diese Geschichte ist allerdings ein topos der arabischen Literatur. Seine Ritter wurden daraufhin frei gelassen und die Tributzahlungen wieder aufgenommen.
1085, al-Ma'mūn Ibn Dū-n-Nūn war inzwischen verstorben und sein Enkel al-Qādir war von den Toledanern vertrieben worden, eroberte Alfonso, nachdem er al-Qādir erfolglos restituiert hatte, die Stadt. Im Kapitulationsvertrag bestätigte er die Rechte der muslimischen Bevölkerung und setzte den erprobten Gouverneur von Coimbra, den Mozaraber Sisnando Davídiz, als Gouverneur Toledos ein. Der aber konnte sich gegen Königin Constanze und deren Vertrauten, den Cluniazenser Bernard, neuer Erzbischof zu Toledo, nicht durchsetzen, welche in Alfonsos Abwesenheit die Hauptmoschee besetzten und zur Kathedrale umfunktionierten.
Das setzte eine Ereigniskette in Gang, welche die politische Situation auf der Halbinsel total verändern sollte. Die bisher untereinander verfeindeten mulūk at-tawā'if baten jetzt den Emir der Berberglaubensbewegung der Almoraviden, Yūsuf Ibn Tāšufīn, Lenker einer militärischen Supermacht, um Hilfe. Sevillas Herrscher al-Mu'tamid wird mit den Worten zitiert, er wolle lieber Kamelhirt im Maġrib, als Schweinehirt in Kastilien sein. Yūsuf wollte aber zunächst seine maġribinischen Eroberungen abschließen, weshalb ihn al-Mu'tamid mit seiner Flotte bei der Belagerung der alten Stadt Sabta (aus lateinisch Septima, heute Ceuta) unterstützte.
Als weitere Bedingung für sein Eingreifen verlangte Yūsuf Ibn Tāšufīn die Räumung der Stadt Algeciras (Bucht von Gibraltar), die er als Brückenkopf seiner künftigen Expeditionen nutzte. 1086 versammelten sich die Heere der Almoraviden und einiger mulūk at-tawā'if in Badajoz, Alfonso, der gerade Zaragoza belagerte, eilte dorthin um das muslimische Heer auf dem Weg nach Kastilien aufzuhalten. Ihm wurde hier eine heftige Niederlage beigebracht. Ibn Bassāmüberliefert in seiner ad-Daḫīra den Brief eines auf dem Schlachtfeld anwesenden wazīr, der die Verwirrung am Tag nach der Schlacht deutlich macht: es war zwar klar, dass das muslimische Heer das christliche geschlagen hatte, aber das Schicksal Alfonsos - der überlebt hatte und dem die Flucht gelungen war - war ihnen noch unbekannt.
Die Almoraviden zogen sich nach Marokko zurück - auch sie hatten wohl heftige Verluste zu beklagen (die Quellen sprechen immer nur von einem großartigen Sieg der Almoraviden); Alfonso aber führte seine bisherige Politik fort. Schon 1088 mussten die Almoraviden erneut intervenieren, da einige wenige kastilische Ritter unter dem Befehl des García Jiménez von der Burg Aledo aus, die tief im muslimischen Territorium lag die Königreiche Sevilla, Granada und Almería terrorisierten (das Königreich Sevilla hatte sich allerdings inzwischen - Málaga und Granada nördlich umgehend - bis Murcia ausgebreitet. Die Almoraviden kamen also, um Aledo auszuheben, König Alfonso el Bravo und sein Vasall Ruy Díaz el Cid kamen, um die Belagerten zu entsetzen. Während das Treffen von Alfonso und Rodrigo nicht stattfand, was zu einer erneuten Entzweiung der beiden führte, rückten die Almoraviden bei Nachricht vom heranrückenden Heer Alfonsos ab. Sie hatten erleben müssen, wie zerstritten die mulūk at-tawā'if untereinander waren, und erfahren, wie die Untertanen zu ihnen standen. 'Abdallāh Ibn Buluggīn, als König und Anführer der granadinischen Truppen vor Ort anwesend, schildert in seinen Mudakkirāt sehr eindrücklich die Probleme im muslimischen Lager vor Aledo.
Zwei Jahre später kamen die Almoraviden ein drittes Mal nach al-Andalus. Dieses Mal jedoch nicht, um die andalusischen Kleinkönige vor der kastilisch-leonesischen Expansion zu beschützen, sondern um sie - mit Rückhalt der andalusischen Bevölkerung und der Juristen - abzusetzen. Sie begannen mit den zerstrittenen Brüdern 'Abdallāh und Tamīm Ibn Buluggīn, den Herrschern der Kleinkönigreiche Granada und Málaga. Dann eroberten sie die Königreiche Sevilla, Badajoz und Almería. Dies geschah in den Jahren 1090/91 und veränderte nicht nur die politische Landkarte Andalusiens, sondern auch die der anderen Königreiche. Die verbliebenen muslimischen Königreiche und die christlichen Königreiche wurden durch diese Okkupation näher aneinander gerückt, sie hatten nun einen gemeinsamen Feind - auch Rodrigo Díaz und sein König versöhnten sich für einen kurzen Moment - ein allerletztes Mal. Die Almoraviden sollten nun die letzten zwanzig Lebensjahre Alfonsos nachhaltig bestimmen. Sie konnten zwar nie Toledo zurückerobern, waren aber eine ständige Gefahr. Schließlich gelang es ihnen in der Schlacht von Úcles, im Mai 1108, den ca. 14jährigen Thronfolger Sancho Alfónsez zu töten. Alfonso starb ein Jahr darauf, die Thronfolge ging mangels weiterer männlicher Erben auf seine älteste Tochter Urraca über, die mit dem auch schon verstorbenen Raimund von Burgund einen Sohn hatte, den späteren Alfonso VII.


*Die Forschung ist sich darin einig, dass Alfonso der Liebling Fernandos war – offensichtlich gibt es in der Historia Silense eine entsprechende Stelle – allerdings könnte diese Behauptung auch der Legitimation seiner Herrschaft dienen. Schwachpunkt dieser Argumentation ist, dass zum Zeitpunkt als die Historia Silense verfasst wurde Alfonso längst tot war, eine echte Opposition gegen die Herrschaft seiner Tochter Urraca bzw. gegenüber seinem Enkel Alfons VII. gab es nicht.
 
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