Mir ist zumindest aus dem europäischen Mittelalter auf Anhieb nicht bekannt, dass Kronprinzen oder Söhne von Herrschern im Allgemeinen ein Leben im "goldenen Käfig" geführt hätten. Sobald sie das ritterbürtige Alter erreichten und mündig wurden konnten sie jederzeit ausziehen, oder wurden von ihren Vätern an Herrschersaufgaben herangeführt.
Beispiele sind mir besonders aus Frankreich vertraut, die da wären:
Ludwig VI., der als Kronprinz ein distanziertes Verhältnis zu seinem Vater Philipp I. wegen dessen zweiter Ehe pflegte. Sobald er die Schwertleite erhalten hatte, fing er an die Familie seiner Stiefmutter zu befehden, wie auch den anglo-normannischen König Heinrich I. Beauclerc.
Ludwig VIII., der die längste Zeit seines Lebens Kronprinz war. In dieser Zeit ging er zwei Mal auf den Kreuzzug gegen die Albigenser nach Südfrankreich. Er befehdete den Grafen von Flandern im Streit um sein mütterliches Erbe, die Grafschaft Artois. 1214 schlug er die Schlacht von Roche-aux-Moines und ab 1216 unternahm er eine Invasion Englands, die ihm dort beinahe die Königskrone einbrachte, wie Wilhelm dem Eroberer über hundert Jahre zuvor.
Söhne von Königen und natürlich auch von Fürsten wie Herzögen und Grafen konnten natürlich noch zu Lebzeiten ihrer Väter Herrschaft ausüben, entsprechend den Regeln der feudalen Ständeordnung des Mittelalters. Als Ehemänner reicher Erbinnen konnten sie als Herren derer Besitzungen walten, oder durch ein Erbe mütterlicherseits, oder durch ihre Väter mit einer Herrschaft apanagiert. Ein Paradebeispiel ist der Prinz Alfons von Poitiers, der als Apanage die Grafschaft Poitou und als Ehemann die Grafschaft Toulouse besaß und fast wie ein Vizekönig gleich über große Teile Südfrankreichs herrschte.