Todesfälle in der Hitlerjugend

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Gast

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Hallo Geschichtsfreunde,
ich habe gerade in der Schule Hitler-Jugend.
Wir haben folgenden Text durchgenommen:

Unfallstatistik
Von den 649 Todesfällen der Hitler-Jugend entfallen auf die verschiedenen Unfallarten:


Anzahl in Prozent
Tod durch Ertrinken 139 21
Tod durch Verkehrsunfall 257 40
Tod durch Sportunfall 43 6,6
Tod beim Geländespiel 14 2,2
Tod durch Erkältung 35 5,5
Tod durch Schußwaffe 27 4

Die vorstehende Unfallstatistik umfaßt die Todesfälle, die sich in der Zeit vom 1. 4. 1933 - 1. 8. 1939 in der HJ ereignet haben und in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem HJ-Dienst stehen. Ich bitte, besonders auf die hohe Zahl der Verkehrsunfälle zu achten. Hierbei ist allerdings zu bemerken, daß die Schuld in diesen Fällen nicht bei den HJ-Dienststellen lag. Trotzdem muß durch Belehrung der Jugend versucht werden, diese Zahlen, die durch den Leichtsinn einzelner bedingt sind, zu drücken.


Aber was bedeutet "ursächlicher Zusammenhang"?
Wäre nett wenn ihr mir helfen könntet. Schon mal vielen Dank!
 
Das heißt, dass die Unfälle während des "Dienstes" bzw. anlässlich von Veranstaltungen der HJ geschehen sind. Das ist vergleichbar zum Arbeitsunfall im Arbeitsleben zu sehen. Private Unfälle sonstwo sind also in der Statistik nicht enthalten.
 
Ursächlicher Zusammenhang (oder gleichbedeutend: Kausalität) ist ein Begriff aus der "Juristerei".

Mann kann es in etwa übersetzen mit: "Wurde verursacht durch".

Zu Beachten ist, dass es juristisch verschiedene Ursachenbegriffe gibt:

Ursache im Sinne der Äquivalenztheorie oder Bedingungstheorie:

Danach ist Ursache alles, was nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass auch der Erfolg (die Auswirkung oder das Ergebnis) nicht eingetreten wäre. Wenn Person A bei einem HJ-Ausflug ertrunken ist, dann ist der Ausflug Ursache in diesem Sinne, denn ohne den Ausflug wäre A nicht zu der Zeit an der Stelle gewesen und hätte folglich nicht ertrinken können.

Ursache im Sinne der Adäquanztheorie:

Zusätzlich zu den obigen Voraussetzungen muss auch noch ein gewisser sachlicher Zusammenhang zwischen der Ursache bestehen, d. h. es muss (vereinfacht und laienhaft ausgedrückt) auch angemessen sein, eine bestimmte Ursache in Betracht zu ziehen, z. B. um zivilrechtliche Ansprüche geltend zu machen. Wenn im obigen Beispiel ein Vorfahre des im 30-jährigen Krieg vor den Schweden flüchten musste und auf der Flucht seine spätere Ehefrau und Mutter seiner Kinder kenngelernt hat, dann ist der 30-jährige Krieg auch eine Ursache im Sinne der Bedingungstheorie für das Ertrinken des A. Denn ohne den Krieg hätte es die Familie des A nicht in der Zusammensetzung gegeben, A wäre nie geboren worden und hätte auch nicht ertrinken können. Trotzdem würde wohl keiner auf die Idee kommen, Gustav-Adolf oder Wallenstein für den Tod des A verantwortlich zu machen ;).

Theorie der rechtlich wesentlichen Ursache:

Dies ist die Theorie, die in der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland Anwendung findet, um das Beispiel mit dem Arbeitsunfall aufzugreifen.

Jeder "Erfolg" hat eigentlich immer mehrere Ursachen, die man gar nicht immer alle genau herausfinden kann. Es werden also nur solche Ursachen betrachtet, die rechtlich wesentlich, also nicht nur unwesentliche (zu vernachlässigende) Teilursachen sind.

Wenn A also wieder ertrinkt, dann ist der Ausflug z. B. dann wesentliche Ursache, wenn das Schwimmen Teil des Ausflugs ist oder evtl. den Teilnehmern eine freie Zeit zur eigenen Verfügung eingeräumt wird. Wenn A eigentlich an einem Marsch teilnehmen sollte, sich aber abseilt und lieber schwimmen geht, dann ertrinkt er zwar bei dem Ausflug, aber nicht unbedingt infolge des Ausflugs. Die allein wesentliche Ursache ist dann der Entschluss des A, zu schwimmen, obwohl das mit dem Ausflug eigentlich nichts zu tun hat, sondern sich nur anlässlich des Ausflugs die Möglichkeit bietet. (Auch heute reicht es für die Annahme eines Arbeitsunfalls nicht aus, dass es sich während der Arbeitszeit ereignet).

Fazit: Will man beurteilen, wie ein ursächlicher Zusammenhang festgestellt werden soll, dann muss man sich zuerst Gedanken machen, welchen Ursachenbegriff man verwendet bzw. welcher sinnvollerweise zu verwenden ist oder einer vorliegenden Statistik zugrunde liegen könnte.

Viele Grüße,

Cephalotus
 
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