Todesstrafen / Strafen

flood

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Lese gerade das "Lexikon der merkwürdigen Todesarten", recht interessant!
Was mir auffällt ist, daß die dort beschriebenen Todesstrafen, die im Mittelalter verhängt wurden, teilweise extrem grausam waren. Es bestand anscheinend kein Interesse, den Deliquenten "nur" durch den Tod zu strafen, sondern die im voraus zugefügten Schmerzen scheinen Teil der Strafe gewesen zu sein.
War dem wirklich so?
Gibt es "rechtswissenschaftliche" Richtlinien, oder Äußerungen, aus der Zeit, die diesen Zusammenhang der Strafe belegen (z.B. gab es wohl genau definierte Regeln, wie das Rädern der Opfer zu erfolgen hatte), also das Schmerzen, Erniedrigung und final der Tod als Strafzusammenhang betrachtet wurde? (z.B. Abschreckung)
Oder entsprangen diese Auswüchse einer allgemeinen gesellschaftlichen Rohheit, und damit verbundenen Gier nach Sensationen? Exikutionen wurde anscheinend wie Volksfeste gefeiert.
Kann jemand da ein paar Hintergrund Informationen, bzgl. der gesellschaftlichen Betrachtung der Bestrafung geben? Es geht nicht um Folter!
 
Todesstrafen wurden schon immer so zelebriert, dass viele daran teilnehmen konnten. Die einen sagen, um die abschreckende Wirkung besonders langer und unangenehmer Tode mitzuerleben, die anderen meinen, um zu unterhalten. Die Motivation der Exekutiven uz analysieren dürfte in einem Thema kaum gelingen.
Fakt ist nur, dass schon in der Antike sich die "illustersten" Todesarten ausgedacht wurden. Die Mittagsunterhaltung in der Arena waren Hinrichtungen auf die unterschiedlichste Art.
In allen Nationen und Regionen gibt es Hinrichtungsarten, die einen wirklich erstaunen.

Es wird also weniger speziell an der mittelaltelrichen, europäischen Gesellschaft gelegen haben.
 
Wirklich ein sehr guter Link von Leo. Was ich noch etwas mehr herausarbeiten möchte, sind die Gründe, warum die Vollstreckung der Todesstrafen dermaßen grausam gestaltet war.

Die Bevölkerung des Mittelalters waren überwiegend ungebildete Bauern, die darum bemüht waren, ein gottgefälliges Leben zu führen. Sie waren der Meinung, dass das Leben in eine göttliche Ordnung eingebettet ist, die von Priestern, Bischöfen und auch weltlichen Fürsten überwacht wird.

Die Vorstellung des strafenden Gottes des Alten Testaments war im Mittelalter verbreiteter als die dies verzeihenden Vaters des Neuen Testaments. Lud nun jemand Schuld auf sich, wurde damit die göttliche Ordnung gestört und man musste Gottes Zorn besänftigen, indem man den Delinquenten Buße tun ließ.

Der Teufel stand damals im ewigen Kampf mit Gott. Daraus folgt, dass jemand, der eine Sünde beging, sich von Gott abwandte und auf der Seite Satans stand. Dieser Überwechsel wurde hart bestraft.

Die qualvolle Bestrafung des Schuldigen war auch deshalb notwendig, da sich Gott ansonsten bei der gesamten Gemeinschaft mit Missernten oder Seuchen rächen würde. Um dem vorzubeugen, gestaltete man die Todesstrafe möglichst grausam, um Gott zu zeigen, dass mit der Bestrafung bereist die Rache vollzogen wurde.

Das Schauspiel der Hinrichtungen, zu denen massenhaft Schaulustige herbeiströmten, wirkte in deren Augen als Sieg des Guten über das Böse.

Sicherlich wollte man die Menschen jedoch auch abschrecken. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass Galgen sehr häufig auf Hügeln oder an Straßenkreuzungen errichtet wurden.
 
Zitat:"Die qualvolle Bestrafung des Schuldigen war auch deshalb notwendig, da sich Gott ansonsten bei der gesamten Gemeinschaft mit Missernten oder Seuchen rächen würde. Um dem vorzubeugen, gestaltete man die Todesstrafe möglichst grausam, um Gott zu zeigen, dass mit der Bestrafung bereist die Rache vollzogen wurde. ."

In der Antike war das doch auch schon so. Im gallischen Krieg beschreibt doch Cäsar, das man bei Missernten o.ä. Missetäter geopfert wurden, um die Götter, dessen Ordnung gestört war, zu besänftigen. Und im Falle das keine Übertäter vorhanden waren wurden Unschulige bestraft. Im Grunde lebt dieses "Bild" von der "Wiederherstellung der Ordnung" heute noch in den Köpfen der Menschen.

Außerdem haben auch die grausamsten Strafen damals schon kaum eine abschreckende Wirkung gehabt, ich kann mich erinnern das irgendein Grieche darüber mal ein Werk verfasst hat und dafür wegen Gotteslästerung aus Athen verbannt wurde.
 
Hey, danke für Eure Beiträge.

rolo: gerade um die Hexenprozesse geht es mir nicht, weil da, wie Lukrezia bemerkt, es sicherlich um die Trennung Gut / Böse oder Satan/Gott geht, und somit der Mensch, als Teil der christlichen Gesellschaft bereits als verloren galt.
Aber auch bei diesen Prozessen gab es Vorschriften wie das "peinliche Verhör" zu verlaufen hatte, ebenso die Hinrichtungsarten waren festgelegt. All das natürlich mit regionalen Unterscheidungen.

Der Link von Leo ist recht gut, gibt aber nur einen kleine Ausschnitt der ganzen zivilisatorischen Tragödie wieder. Da bestehen noch Lücken.....:kratz:

Lukrezia gibt einen recht guten Hinweis (der oben auch direkt verwurstet wurde), aber kann die Grenzüberschreitung durch ein Verbrechen von grundsätzlich gut zu auf jeden Fall böse die Grausamkeiten erklären. Plausibler scheint mir eine Kombination von Ersatzunterhaltung, mangels Alternativen (Markt war auch nicht jede Woche), und der völligen Wertlosigkeit von bäuerlichem Leben. Fast alle Kleinbauern, Tagelöhner etc. waren Leibeigene, und somit Eigentum ihrer Lehensherren, dadurch wurden sie wiederum als Sachen behandelt, mit der nach Gutdünken verfahren wurde.
Aber dies traf auch mehr oder weniger freie Stadtbürger. Hier legt das Kriminalmuseum in Rothenburg o.d. Tauber beredt Zeugniss ab, z.B. Bäcker deren Brotlaibe zu klein waren, oder zu wenig Mehl enthielten, wurden in eiserne Käfige gesperrt und im Fluss versenkt. Nach kurzer Zeit wurde diese wieder heraufgezogen, und die Prozedur wiederholte sich.

Letzendlich kristallisiert sich für mich das Ergebnis auf folgende Schlussfolgerung:
Menschen waren wenig bis nichts wert, zumindest bis zu einem gewissen Stand, es mangelte an Unterhaltung, Geldstrafen waren auch nicht der bringer, also verfiel man auch enorme Grausamkeiten um Unterhaltung und Abschreckung zu erreichen. Als Strafe kann es nicht gelten, da am Ende immer der Tod für den Delinquenten stand.
 
flood schrieb:
Letzendlich kristallisiert sich für mich das Ergebnis auf folgende Schlussfolgerung:
Menschen waren wenig bis nichts wert, zumindest bis zu einem gewissen Stand, es mangelte an Unterhaltung, Geldstrafen waren auch nicht der bringer, also verfiel man auch enorme Grausamkeiten um Unterhaltung und Abschreckung zu erreichen. Als Strafe kann es nicht gelten, da am Ende immer der Tod für den Delinquenten stand.
Kann ich dir nicht zustimmen. Zunächst ist deine Quelle nicht unbedingt seriös. Sicher ein Buch von Unterhaltugnswert, aber mit wenig historischem Hintergrund. Man müsste einzelne Aussagen an Quellen nachprüfen können; da aber hapert es.
 
flood schrieb:
Letzendlich kristallisiert sich für mich das Ergebnis auf folgende Schlussfolgerung:
Menschen waren wenig bis nichts wert, zumindest bis zu einem gewissen Stand

Auch wenn du es vorher in diesem Zusammenhang abgelehnt hattest, bei Hexenverbrennungen in der frühen Neuzeit wurden auch Menschen höheren Standes auf dem Scheiterhaufen hingerichtet. Insofern stimmt deine Schlußfolgerung dahingehend nicht! Auch lassen sich Hexenverbrennungen nicht einfach aus diesem Thema heraushalten, nur weil sie "für die christliche Gesellschaft als verloren galten". Auf den Teufelspakt stand die Todesstrafe, das ist doch deine Anfrage, oder? Im allgemeinen kann man in der Weltgeschichte immer wieder beobachten, dass das einzelne menschliche Leben keinen besonderen hohen Wert hat. Es gibt Leute die soetwas mit der noch nicht vonstattengegangenen Fixierung der Menschenrechte erklären ;)

flood schrieb:
es mangelte an Unterhaltung, Geldstrafen waren auch nicht der bringer, also verfiel man auch enorme Grausamkeiten um Unterhaltung und Abschreckung zu erreichen.

Abschreckung ja, bei der weiteren Schlußfolgerung solltest du unbedingt darauf achten deine heutige soziokulturelle Determinierung nicht auf Menschen zu übertragen die zu einer anderen Zeit gelebt haben. Woher hast du die Annahme, dass ein schwerarbeitender mittelalterlicher Mensch sich langweilte? Hatte der überhaupt die Zeit dazu?

flood schrieb:
Als Strafe kann es nicht gelten, da am Ende immer der Tod für den Delinquenten stand.

Wenn der Tod keine Strafe sein sollte, was dann bitte? Etwa Erlösung? :confused:

Gruß

Marbod
 
Fast ja! Denn dei Strafen, die manauf Erden schon erhielt blieben einem im Jenseits erspart, so kam es wirklich zur skurillen Idee die Marter und den Tod als Akt des Mitleids zu sehen.
In einem Rechtsseminar hat unser Prof. einmal mittelalterliche Gerichtsakten aus unserer Stadt, über so ein Urteil vorgelesen, aus denen diese Haltung hervor ging.
 
Marbod schrieb:
Auch wenn du es vorher in diesem Zusammenhang abgelehnt hattest, bei Hexenverbrennungen in der frühen Neuzeit wurden auch Menschen höheren Standes auf dem Scheiterhaufen hingerichtet. Insofern stimmt deine Schlußfolgerung dahingehend nicht! Auch lassen sich Hexenverbrennungen nicht einfach aus diesem Thema heraushalten, nur weil sie "für die christliche Gesellschaft als verloren galten". Auf den Teufelspakt stand die Todesstrafe, das ist doch deine Anfrage, oder? Im allgemeinen kann man in der Weltgeschichte immer wieder beobachten, dass das einzelne menschliche Leben keinen besonderen hohen Wert hat. Es gibt Leute die soetwas mit der noch nicht vonstattengegangenen Fixierung der Menschenrechte erklären ;)



Abschreckung ja, bei der weiteren Schlußfolgerung solltest du unbedingt darauf achten deine heutige soziokulturelle Determinierung nicht auf Menschen zu übertragen die zu einer anderen Zeit gelebt haben. Woher hast du die Annahme, dass ein schwerarbeitender mittelalterlicher Mensch sich langweilte? Hatte der überhaupt die Zeit dazu?



Wenn der Tod keine Strafe sein sollte, was dann bitte? Etwa Erlösung? :confused:

Gruß

Marbod
Hey!

Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, dass das was ich geschrieben habe stimmt. Es war nur der Versuch die Antworten der anderen zusammenzufassen, und vielleicht eine Richtung aufzuzeigen. ;)

Natürlich stellt der gewaltsame Tod eine Strafe für jeden Menschen dar, vielleicht auch Lebewesen. Es ist nur fraglich ob dies überhaupt von Aussenstehenden so wahrgenommen wurde, wenn dem Opfer vorher unsägliche Qualen angetan wurden.
z.B. kam es wohl vor, dass der Henker beim Rädern von den Angehörigen des Opfers bestochen wurde, so dass das Opfer vor der Tortur entweder mit einem gezielten Stoss auf den Kopf oder Hals getötet, oder vorher erdrosselt oder erstochen wurde.
Somit ist der Tod in diesem Fall ein Gnaden- und Ehrerweis, wie Du sagst aus heutiger Sicht eher zweifelhaft.

Auch Grüsse
 
Also ich weiß ja das man den Frauen oft die Brüste zerissen hat als Strafe aber was hat man denn den Männern angetan?
 
AngelEye schrieb:
Also ich weiß ja das man den Frauen oft die Brüste zerissen hat als Strafe aber was hat man denn den Männern angetan?


Die Foltermethoden waren breit gefächert. Da kamen die Männer sicherlich nicht "zu kurz". Es ist erstaunlich, welche Grausamkeiten sich das menschliche Gehirn ausdenken kann. Einige Beispiele werden in dem Link von Leopold genannt.

Hier noch zwei Links:

http://homepages.compuserve.de/lapisexilis/indexb.html

http://www.lehnswesen.de/page/html_strafrecht.html
 
flood schrieb:
Es bestand anscheinend kein Interesse, den Deliquenten "nur" durch den Tod zu strafen, sondern die im voraus zugefügten Schmerzen scheinen Teil der Strafe gewesen zu sein.
War dem wirklich so?
Gibt es "rechtswissenschaftliche" Richtlinien, oder Äußerungen, aus der Zeit, die diesen Zusammenhang der Strafe belegen (z.B. gab es wohl genau definierte Regeln, wie das Rädern der Opfer zu erfolgen hatte), also das Schmerzen, Erniedrigung und final der Tod als Strafzusammenhang betrachtet wurde? (z.B. Abschreckung)
Oder entsprangen diese Auswüchse einer allgemeinen gesellschaftlichen Rohheit, und damit verbundenen Gier nach Sensationen? Exikutionen wurde anscheinend wie Volksfeste gefeiert.
Kann jemand da ein paar Hintergrund Informationen, bzgl. der gesellschaftlichen Betrachtung der Bestrafung geben? Es geht nicht um Folter!
Mit genau dieser Frage hat sich der französische Philosoph Michel Foucault befasst (+1984):

Mittelalterliches Strafrecht war ja eigentlich noch viel länger in Kraft, bis zum Zeitalter der Bürgerlichen Revolution Ende des 18. Jhds. (die letzten Haxenverbrennungen in der Schweiz und Polen waren in den 1780ern!)
Das interessante ist dann, wie sich die Methoden der Bestrafung in wenigen Jahrzehnten (bis Anfang des 19. Jhds.) ändern: von der bekannten mittelalterlichen Grausamkeit zu den Gefängnissen unserer Tage.
Man kann das aus der unterschiedlichen Organisation von Macht ableiten. Bis ins 18. Jhd. Könige von Gottes Ganden, die von einer höheren Macht zur Herrschaft über ihre Untertanen eingesetzt sind.
Mit der Aufklärung und der Französischen Revolution dann das Prinzip der Volkssouveränität: Regierungen werden vom Volk gewählt und abgewählt, Parlamente vertreten das Volk.

Daraus folgt die unterschiedliche Form der Bestrafung. In der Monarchie von Gottes Gnaden wendet sich jeder Verbrecher gegen die Ordnung, damit gegen den König.Der König, bzw. dessen Stellvertreter, der Henker, demonstriert dann die Macht Königs an dem Deliquenten. So ließe sich der Vorführeffekt der Hinrichtungen erklären. Nicht der Tod ist das wesentliche Ziel, sondern die Hinrichtung.

Anders im bürgerlichen Zeitalter. hier wendet sich der Brecher nicht mehr gegen den von oben eingesetzten König, sondern gegen das Volk insgesamt, er stellt sich außerhalb der Gesellschaft- und wird ins Gefängnis eingesperrt. Wenn hingerichtet, dann effizient, rational und schnell (z.B. Einführung der Guillotine, Erschießung)

(dazu auch: "Überwachen und Strafen")
 
Bin auf eine Seite gestoßen auf der jemand einige Stellen des Buches zusammengestellt hat:
Foucault-Ziatate aus "Überwachen und Strafen" z.B.

Foucault schrieb:
S. 71: Man muß die Marter in ihrer Ritualisierung bis ins 18. Jahrhundert als politischen Faktor verstehen. Sie fügt sich logisch in ein Strafsystem ein, in welchem direkt oder indirekt der Souverän selbst Anklage erhebt, das Urteil fällt und die Strafen vollstrecken läßt, da über das Gesetz er selbst durch das Verbrechen angegriffen worden ist. In jedem Verbrechen steckt ein crimen majestatis, und noch im geringsten Verbrecher ein kleiner potentieller Königsmörder.
 
Zweifellos war die vormoderne Justiz aus heutiger Sicht grausam. Doch Kummulierungen von Hinrichtungen, verschärfende, entehrende Praktiken waren nicht Ausdruck einer spontanen Willkür. Es handelte sich um spiegelnde Strafen, die Bezug nahmen auf das Delikt: Feuertod für Brandstifter, Abschneiden der Hand eines Eidbrüchigen, etc. Es ging nicht um Besserung des Delinquenten, Gefängnisse gab es nicht und polizeiliche Kontrolle war undurchführbar. Die Hinrchtungsrituale waren vorgegeben und konnten nicht willkürlich geändert werden, sonst hätten sie keinen Sinn ergeben. Die Hinrichtung, das "Fest der Martern" stellte den gebrochenen Rechtsfrieden wieder her. Der Delinquent mußte auch stellvertretend das "Theater des Schreckens" erleiden, stellvertretend für alle Täter, die wie man wußte, niemals erwischt wurden.
Die vormoderne Justiz war sicher grausam, doch sollte man nicht vergessen, daß sie auch Mitleid mit dem "Armen Sünder" kannte. Oft wurden die Strafen gar nicht konsequent angewandt oder vollstreckt. Sicher, man folterte den Delinquenten, aber man hätte ihn nicht 10 Jahre in der Todeszelle schmoren lassen.
#Ich kann mich nur Fugger anschließen und jedem empfehlen Michel Foucauts Buch zu lesen, es ist ein Standardwerk
Literatur: Foucault Überwachen und Strafen, die Geburt des Gefängnisses, Richard van Dülmen "Theater des Schreckens" G. Gadbruch/H. Gwinner Geschichte des Verbrechens
 
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