Todesurteile in der Weimarer Republik

Dernburg

Mitglied
Hallo,
ich habe eine kurze Frage:

Ist bekannt wieviele Todesurteile in der Weimarer Republik
gefällt wurden, und wieviele davon vollstreckt wurden.

Lag das Begnadigungsrecht ausschließlich beim Reichspräsidenten?
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Dernburg schrieb:
...Ist bekannt wieviele Todesurteile in der Weimarer Republik
gefällt wurden, und wieviele davon vollstreckt wurden.
Lag das Begnadigungsrecht ausschließlich beim Reichspräsidenten?

Meinst du allgemein Todesurteile oder politische Urteile?
Zu Letzteren würde ich dir die Lektüre von "Politische Justiz 1918-1933" von Heinrich Hannover empfehlen.
Infos zur politischen Justiz in der W. R. findest du u.a. hier
http://www.lsg.musin.de/Geschichte/wr/Weimarer_Republik_Projekt/Justiz.htm
Über Todesstrafen allgemein findest du wahrscheinlich etwas bei Richard J. Evans "Die Todesstrafe in der deutschen Geschichte", Oxford University Press 1996.
 
Zuletzt bearbeitet:
Klaus P. schrieb:
Über Todesstrafen allgemein findest du wahrscheinlich etwas bei Richard J. Evans "Die Todesstrafe in der deutschen Geschichte", Oxford University Press 1996.

So ist es. Die deutsche Übersetzung heißt korrekt:

Richard J. Evans, Rituale der Vergeltung - Die Todesstrafe in der deutschen Geschichte 1532-1987, Berlin 2001

Ich habe versucht, mich hier ein wenig schlau zu machen; leider sind die Zahlenangaben nicht ganz leicht dem 1312 Seiten starken Buch zu entnehmen und zudem teilweise widersprüchlich. Ich fand folgendes:

S. 638 ("nach anerkannten amtlichen Schätzungen"):

1919: 89 Todesurteile, 10 Hinrichtungen
1920: 113 Todesurteile, 36 Hinrichtungen
1921: 149 Todesurteile, 28 Hinrichtungen
1922: 77 Todesurteile, 15 Hinrichtungen
1923: 122 Todesurteile, 23 Hinrichtungen

S. 666 hingegen:

1922: 123 (!) Todesurteile
1923: 77 (!) Todesurteile
1924: 112 Todesurteile, 23 Hinrichtungen
1925: 95 Todesurteile, 17 Hinrichtungen
1926: 89 Todesurteile, 14 Hinrichtungen
1927: 64 Todesurteile, 6 Hinrichtungen
1928: 40 Todesurteile

1928 plante die Reichsregierung, die Todesstrafe abzuschaffen, und es kam aufgrund eines Rundschreibens des Justizministers Koch-Weser zu einer zeitweisen Aussetzung der Todesstrafe (S. 681-685).

Nach dem Scheitern der Strafrechtsreform kam es nach zweijähriger Pause erneut zu Hinrichtungen (S. 713: )

1930: 46 Todesurteile, 1 Hinrichtung
1931: 49 Todesurteile, 4 Hinrichtungen
1932: 52 Todesurteile, 3 Hinrichtungen


Evans schrieb:
Ob die Todesstrafe tatsächlich vollstreckt wurde oder nicht, hing zu einem wesentlichen Teil von den persönlichen Auffassungen der Amtsträger ab, die die Begnadigung aussprechen konnte. In der Weimarer Republik lag dieses Reicht beim Reichspräsidenten, wenn es sich um Todesurteile handelte, die kraft seiner Notverordnungen gefällt worden waren; in den Kriminalfällen, die vor das Reichsgericht kamen, lag die Entscheidung praktisch beim Reichsjustizminister. In gewöhnlichen Fällen, die nach dem Reichsstrafrecht verhandelt wurden, hatte die Regierung des deutschen Landes, in dem das Verfahren stattfand, das Begnadigungsrecht von dem durch die Revolution abgesetzten Landesherrn übernommen. Wie das Begnadigungsrecht ausgeübt wurde, hing größtenteils von der jeweiligen Zusammensetzung der Regierungen auf nationaler und Landesebene zusammen. Insbesondere konnte der Justizminister, wenn er ein überzeugter Gegner der Todesstrafe war, seine Stellung dazu nutzen, um eine systematische Politik der Begnadigung durchzusetzen.
 
Zurück
Oben