Toleranz in Preußen

Ich habe die Anregung erhalten, dafür mal einen eigenen Thread zu eröffnen
Also WARUM war Preußen eigentl. so tolerant, es tanzte damit ja total aus der Reihe? Brauchte Fritzchen Soldaten? Brauchte man Arbeitskräfte um Preußen zu erschließen, immerhin war dieses Land ja sehr dünn besiedelt? Woran lag es?
 
Das hat mit Fritzchen nichts zu tun, die Toleranzpolitik setzte ja schon früher ein und erklärt sich aus dem Calvinismus des Herrscherhauses im Gegensatz zur lutherischen Bevölkerung des Staates Preußen.

Ich gehe darauf nächste Woche oder noch dieses WE detailierter ein.:fs:
 
ich hatte schon im anderen thread geantwortet:

du hast die gründe genannt, brandenburg war nach dem 30-jährigen krieg ein personell und materiell ausgeblutetes land. zudem kam der religionswechsel der hohenzollern zum reformierten glauben, der beim volk nicht durchsetzbar gewesen wäre (ähnlich sah es ja kurze zeit später in sachsen aus), reformiert waren ja nur die hugenottischen einwanderer. unter friedrich dem II. kamen dann mit schlesien und den polnischen gebieten immer mehr katholiken hinzu. man konnte sich einfach keine intolerante politik leisten.

gründe für die einwanderungspolitik brandenburg-preussens sehe ich in erster linie aus wirtschaftlichen gesichtspunkten. dass mehr einwohner auch mehr militär bedeuten war in einer zeit, in der soldaten gekauft oder "geklaut" (sprich in fremden gebieten zwangrekrutiert) wurden, eher zweitrangig. man kann das auch daran sehen, dass die hugenotten lange zeit vom militärdienst verschont blieben (m.w. mussten diese erst mit einführung der reformen um 1810 dienen).
 
ich sehe gerade, in welchem pfad das thema steckt, darf ich einen der mods bitten, es in "zeitalter der aufklärung" zu packen, da es dort thematisch und zeitlich besser reinpasst.
 
Das hat mit Fritzchen nichts zu tun, die Toleranzpolitik setzte ja schon früher ein...

Da kann ich nur beipflichten. Hab gerade nochmal nachgelesen und habe festgestellt, daß die tolerante Politik in Brandenburg-Preußen bereits unter dem "Großen Kurfürsten" begann:

"Die siegreichen Schlachten, vor allem Fehrbellin, brachten ihm (Friedrich Wilhelm 1640-1688) den Titel "Großer Kurfürst" ein, obwohl er ihn durch seine aufgeklärte Politik ebenso verdient hätte. Er hatte nicht nur Größe, sondern auch Grandiosität. Man sieht es deutlich an seinen Gesetzen über die Liberalisierung von Landwirtschaft, Industrie und Handel; man sieht es an seiner Fähigkeit, eine Art von modernem Staat zu schaffen, mit zentraler Organisation (wozu auch das Postwesen gehörte) und einem stehenden, besoldeten Heer. Man sieht es auch an seiner Toleranz in religiösen Belangen: obwohl selbst frommer Protestant, duldete er in seinem Land Katholiken und Juden. Er war stets ein praktischer Mann, sah gerne Bürger und Kaufleute um sich; auch besaß er selbst das Einfühlungsvermögen und den sicheren Blick des guten Kaufmanns, was die Nöte und Bedürfnisse seines Staates betraf. Diese Einstellung trat zutage, als Frankreich 1685 das Edikt von Nantes aufhob und die protestantische Minderheit ihrer Rechte beraubte, als Tausende von Hugenotten ein neues Heim finden mußten; da verurteilte Friedrich Wilhelm sofort das Vorgehen der Franzosen und bot jedem Hugenotten, der zu ihm kommen wollte, Asyl... In Berlin allein ließen sich 5000 Hugenotten nieder, Künstler, Handwerker, Kaufleute, wodurch die Bevölkerung der Stadt auf 25.000 stieg, wärend sie bei seiner Machtübernahme nur 6.000 Sehlen gezählt hatte. Aber nicht nur Hugenotten lud er ein, sich in Brandenburg niederzulassen: holländische Bauern gab es bereits und nun kamen weitere Einwanderer aus den Niederlanden: Maurer, Bildhauer, Architekten. Sie wurden beim Bau der Stadtbefestigungen beschäftigt, ein riesiges Unterfangen, das ein volles Vierteljahrhundert in Anspruch nahm; sie bauten auch den Friedrich-Wilhelm-Kanal, der die Elbe mit der Spree verband und dem Kurfürstentum endlich den Anschluß an einen Seehafen, Hamburg, gab."

Das soll dazu erst mal genügen.
Somit wird klar: Wer soviele verschiedene Völkerschaften zu sich einlädt, sein Land also zu einem Einwanderungsland macht, der braucht schon ein großes Maß an Toleranz.
 
Kann mir jemand folgende Fragen beantworten?

a) Wann genau wechselten die brandenburgischen Kurfürsten zur protestantischen Konfession?

b) Wann genau erließ Friedrich II. sein Toleranzedikt?

Vielen Dank schon im Voraus.
 
Zuletzt bearbeitet:
1539 nahm Kurfürst Joachim II. Hektor erstmalig an einer lutherischen Abendmahlsfeier in der Spandauer Nikolaikirche teil. "Dieses Datum gilt als Beginn der Reformation im Kurfürstentum Brandenburg."
http://de.wikipedia.org/wiki/Joachim_II._(Brandenburg)

1613 "trat Johann Sigismund vom lutherischen zum reformierten Bekenntnis über. In der Confessio Sigismundi gestattete er indes seinen Landeskindern, diesen Übertritt nicht nachzuvollziehen und begründete damit eine Ausnahme von der im Augsburger Religionsfrieden von 1555 vorgesehenen Formel cuius regio eius religio. Trotzdem kam es in der Folgezeit immer wieder zu Spannungen zwischen dem reformierten Kurfürstenhaus und der lutherischen Landeskirche, die erst in der Regierung König Friedrich Wilhelms III. von Preußen beigelegt werden sollten."
http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Sigismund


Von einem Toleranzedikt Friedrichs II. ist mir nichts bekannt; auf eine Anfrage, ob auch ein Katholik Bürger einer preußischen Stadt werden dürfe, soll er geantwortet haben:
"Alle Religionen seind gleich und guht, wan nuhr die leute, so sie profesieren, erliche leute seindt; und wen türken und heiden kähmen und wolten das Land pöbplieren, so wollen wier sie Mosqueen und Kirchen bauen."

Bekannter ist das Zitat: "Die Religionen Müsen alle Tolleriret werden und mus der fiscal nuhr das auge darauf haben das keine der andern abruch Tuhe, den hier mus ein jeder nach Seiner Façon Selich werden"
http://de.wikiquote.org/wiki/Friedrich_der_Große


1685 erließ Kurfürst Friedrich Wilhelm das Potsdamer Edikt, das den "Evangelisch-Reformierten Französischer Nation" Glaubensfreiheit bzw. sogar gewisse Privilegien zusicherte.
http://de.wikipedia.org/wiki/Potsdamer_Edikt


1847 erließ König Friedrich Wilhelm IV. ein Toleranzedikt, das - man höre und staune - erstmals den Kirchenaustritt gestattete.
http://de.wikipedia.org/wiki/Kirchenaustritt
 
Von einem Toleranzedikt Friedrichs II. ist mir nichts bekannt; ....


Ein Edikt, welches zum erstenmal die in Preußen längst übliche Glaubens-und Gewissensfreiheit gesetzlich festgelegt hat, war das sog. "Wöllnerische Religionsedikt " - "Edikt, die Religionsverfassung in den preußischen Staaten betreffend " vom 9.7.1788 ( Wöllner :preuß. Minister des geistl. Departements unter Fr.-Wilh. II. )
 
Ich finde, dass Hyokkose genau den richtigen Weg einschlägt, nämlich gleich die ganze Entwicklung anzuzeigen. Friedrich Wilhelm der Große Kurfürst, wie auch der Soldatenkönig formulierten zwar, dass sie selber beim reformierten Bekenntnis blieben, aber den Untertanen die Wahl der Konfession frei stellten, aber ich sehe die Ursache und den Beginn der preußischen Toleranzpolitik früher, nämlich in schon den Erklärungen Johann Sigismunds, dass er trotz seines Konfessionswechsels seinen Untertanen diesen frei stellen würde. Vielleicht ist diese Toleranz zu der Zeit auch durch die Schwäche des Kurhauses gegenüber den Ständen begünstigt, für mich stellt jedenfalls die staatlich verordnete religiöse Toleranz im Unterschied zu einer gesellschaftlich gewachsenen den entscheidenden Punkt dar. Sicherlich muss man ein bisschen die Praxis damals verdeutlichen. Während in Österreich durch den Erzherzog Ferdinand eine intolerante Gegenreformation intiiert und verordnet wird, wird in Brandenburg die Toleranz verordnet. Dabei darf sicherlich der Charakter des Pietismus nicht vernachlässigt werden, der eigentlich eine Betonung der inneren Frömmigkeit (wie von Friedrich Wilhelm I. dann ausgelebt) forcierte, welche dann auch im katholischen Raum in Schriften wie Christliche Betrachtungen (liegt auch auf dem Nachttisch von Madame de Tourvelle) ihren Widerhall fand.
Ich meine schon, dass dieser Pietismus viel zum säkularen Fürstenstaat beitrug, da eine Einmischung in weltliche Angelegenheit durch diese "innere Frömmigkeit" beinahe ausgeschlossen wurde. Dass dies durch Gelehrte wie Christian Thomasius noch einmal formuliert wurde und er in Halle auftrat, spricht nochmehr für die enorme Vorreiterrolle Preußens.
Dass die Selbstständigkeit der Kirchen dennoch paradoxerweise in Brandenburg zeitgleich eingeschränkt wurde, zeigt auch den Charakter dieser Toleranz auf.

Da die Toleranz schon vor dem Großen Krieg in Brandenburg einsetzte, würde ich davon ausgehen, dass sie nicht als eine Lehre aus dem Glaubenskrieg im 30-jährigen Krieg begriffen werden kann.:fs:
 
Dabei darf sicherlich der Charakter des Pietismus nicht vernachlässigt werden, der eigentlich eine Betonung der inneren Frömmigkeit (wie von Friedrich Wilhelm I. dann ausgelebt) forcierte, welche dann auch im katholischen Raum in Schriften wie Christliche Betrachtungen (liegt auch auf dem Nachttisch von Madame de Tourvelle) ihren Widerhall fand.


Sicher ist auch zu beachten, daß pers. Frömmigkeit , pietistische Neigung ein äußerliches Kosten-Nutzendenken nicht ausschließen, hatte doch auch Friedrich Wilhelm I. aus wirtschaftspolitischen Gründen Toleranz geübt,z.B. wenn er katholische Gottesdienste in Tilsit und Lingen zuläßt, damit die Leute nicht außer Landes gehen.
 
Sicher ist auch zu beachten, daß pers. Frömmigkeit , pietistische Neigung ein äußerliches Kosten-Nutzendenken nicht ausschließen, hatte doch auch Friedrich Wilhelm I. aus wirtschaftspolitischen Gründen Toleranz geübt,z.B. wenn er katholische Gottesdienste in Tilsit und Lingen zuläßt, damit die Leute nicht außer Landes gehen.
Formuliert er diesen Grund selber?
Entschuldige aber meine Quellen über Friedrich Wilhelm I. kann ich größten Teils erst wieder im Dezember einsehen.
 
Hm... interessantes Thema.
@Barbarossa
Gibt es irgednwo mehr Informationen über diese Ansiedlung von anders Gläubigen in Preußen um diese Zeit bzw davor?

Gruß

Björn
 
Hoffentlich finde ich meine Quelle wieder, ich meine aber, daß" R. Lehmann, Preußen " erwähnt ist. :grübel:


Die wirtschaftliche Bestimmtheit dieser Toleranz zeigt sich etwa darin, daß Friedrich II. im Jahre 1742 die Schwenkfelder nach Schlesien zurückrief, die von der vorigen Regierung zum "größten Nachteil des Commerzii und Schaden des Landes" vertrieben worden waren.(51) Und den Katholiken in Krefeld erlaubt er die freie Religionsausübung, um "immer mehr und mehr bemittelte Leute und Fabrikanten zur Beförderung des daselbst bereits florierenden Commerci ... hereinzuziehen."(52) Aber auch Friedrich Wilhelm I. hatte aus wirtschaftspolitischen Gründen Toleranz geübt, wenn er katholische Gottesdienste in Tilsit und Lingen zuläßt, damit die Leute nicht außer Landes gehen. (53)

http://www.fachpublikation.de/dokumente/01/02/03002.html
 
@hyokkose: vielen Dank für Deine Informationen!

1539 nahm Kurfürst Joachim II. Hektor erstmalig an einer lutherischen Abendmahlsfeier in der Spandauer Nikolaikirche teil. "Dieses Datum gilt als Beginn der Reformation im Kurfürstentum Brandenburg."
http://de.wikipedia.org/wiki/Joachim_II._(Brandenburg)

1613 "trat Johann Sigismund vom lutherischen zum reformierten Bekenntnis über. In der Confessio Sigismundi gestattete er indes seinen Landeskindern, diesen Übertritt nicht nachzuvollziehen und begründete damit eine Ausnahme von der im Augsburger Religionsfrieden von 1555 vorgesehenen Formel cuius regio eius religio. Trotzdem kam es in der Folgezeit immer wieder zu Spannungen zwischen dem reformierten Kurfürstenhaus und der lutherischen Landeskirche, die erst in der Regierung König Friedrich Wilhelms III. von Preußen beigelegt werden sollten."
http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Sigismund

1685 erließ Kurfürst Friedrich Wilhelm das Potsdamer Edikt, das den "Evangelisch-Reformierten Französischer Nation" Glaubensfreiheit bzw. sogar gewisse Privilegien zusicherte.
http://de.wikipedia.org/wiki/Potsdamer_Edikt
Wenn ich das richtig verstehe, besteht die besondere Toleranz Preußens im Fall der Hugenotten darin, dass ein evangelisch-reformierter Landesvater evangelisch-reformierten Franzosen Zuflucht gewährt hat. Das hört sich für mich eher nach Toleranz gegenüber dem (hoffentlich gewinnbringendem) Fremden an als nach einem Ausdruck von Glaubens-Toleranz. Aber möglicherweise liegt das auch daran, dass ich vom evangelisch-reformierten "Glauben" nicht wirklich eine Ahnung habe.
hyokkose schrieb:
1847 erließ König Friedrich Wilhelm IV. ein Toleranzedikt, das - man höre und staune - erstmals den Kirchenaustritt gestattete.
http://de.wikipedia.org/wiki/Kirchenaustritt
Ich will dieses Edikt nicht kleinreden. Aber es könnte auch Ausdruck einer gegenüber den Kirchen gleichgültigen Haltung sein, so dass es einem dann auch egal sein kann, ob die Landeskinder überhaupt in einer Kirche sind.
mercy schrieb:
Die wirtschaftliche Bestimmtheit dieser Toleranz zeigt sich etwa darin, daß Friedrich II. im Jahre 1742 die Schwenkfelder nach Schlesien zurückrief, die von der vorigen Regierung zum "größten Nachteil des Commerzii und Schaden des Landes" vertrieben worden waren.(51) Und den Katholiken in Krefeld erlaubt er die freie Religionsausübung, um "immer mehr und mehr bemittelte Leute und Fabrikanten zur Beförderung des daselbst bereits florierenden Commerci ... hereinzuziehen."(52) Aber auch Friedrich Wilhelm I. hatte aus wirtschaftspolitischen Gründen Toleranz geübt, wenn er katholische Gottesdienste in Tilsit und Lingen zuläßt, damit die Leute nicht außer Landes gehen. (53)
Was war früher da? die Intention oder die Funktion? Mir scheint es (ebenfalls) plausibel zu sein, dass die Funktion die Intention bestimmte.

Im Fall von Schlesien scheint mir das auf der Hand zu liegen. Wer ein Gebiet raubt, in dem überwiegend Katholiken leben, und infolgedessen mit den übrigen Großmächten im Krieg liegt, tut gut daran, nicht auch noch die vom Raub betroffene Bevölkerung durch eine halsstarrige Glaubenspolitik gegen sich aufzubringen. Da ist es natürlich viel besser, sich mit einer betont toleranten Glaubenspolitik an die Spitze der Modernisierungsbewegung zu setzten und hierdurch vielleicht sogar das aufgeklärte Bürgertum für sich einzunehmen.
 
@ Gandolf
Schon allein die lutherische Bevölkerung Preußens nicht mit Zwang zum reformierten Bekenntnis wechseln zu lassen, galt im Zeitalter der neuzeitlichen Staatsbildung schon als Toleranz, schau Dir mal die Pfalz an, wo der Kurfürst durchaus bemüht war den Katholizismus auch gegen den Willen der reformiert-lutheranischen Bev.gruppen einzuführen.
http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=203612&postcount=8 (hier was zur Rekatholisierung in der Pfalz)
Die Salzburger Exulanten waren hingegen Lutheraner. Über 15.000 von ihnen ließen sich in Preußen nieder. http://de.wikipedia.org/wiki/Salzburger_Exulanten
 
@gandolf:
natürlich werden vorrangig wirtschaftliche gründe dafür gesprochen haben, die hugenotten oder andere, aus religiösen gründen verfolgte in brandenburg-preussen aufzunehmen. das ist hier schon mehrfach erwähnt worden.

und man kann es auch so sehen, dass die aufnahme reformierter bzw. lutherischer flüchtlinge nicht unbedingt akte der toleranz waren.

aber kannst bitte schön erklären, warum du diesen satz und diese anführungszeichen gesetzt hast?

Aber möglicherweise liegt das auch daran, dass ich vom evangelisch-reformierten "Glauben" nicht wirklich eine Ahnung habe.

zum "fall" schlesien:

zum einen war es durchaus üblich, dass sich staaten durch kriegerische akte fremde territorien angegeeignet haben. ob sich die dort lebende bevölkerung "geraubt" vorkam, wissen wir nicht.

aber es war leider nicht unbedingt üblich, dass die bevölkerung nach einem kriegerischen herrschaftswechsel ihrem alten glauben treu bleiben durfte bzw. nicht repressalien unterworfen wurde.

auch stimmt deine behauptung nicht, dass schlesien überwiegend katholisch war.

wie die habsburger im, nach der reformation überwiegend evangelischen, schlesien vorgingen :

Die Rekatholisierungsmaßnahmen steigerten sich bis zum Einsatz von Militär (Liechtensteiner Dragoner). Der Dresdener Akkord von 1621 brachte eine nur vorübergehende Entlastung. Nach dem Westfälischen Frieden 1648 hatten nur noch die Stadt Breslau und die Fürstentümer Liegnitz-Brieg-Wohlau und Münsterberg-Oels das Recht auf freie lutherische Religionsausübung. Glogau, Jauer und Schweidnitz erhielten "Friedenskirchen". Von 1653 bis 1654 wurden 656 Kirchen "reduziert", also rekatholisiert, 500 evangelische Pfarrer ausgewiesen, 1666 dann auch die Lehrer. Jesuiten übernahmen gezielt evangelische Schulen: 1625 Glogau, 1627 Troppau, 1629 Schweidnitz, Sagan und Hirschberg, 1649 Deutsch Wartenberg, 1668 Oppeln, 1670 Teschen und 1681 Brieg. Nach dem Tod des letzten Piasten von Liegnitz, Brieg und Wohlau im Jahr 1675 wurden bis zum Jahr 1700 den Evangelischen 109 von 241 Kirchen weggenommen. Um evangelischen Gottesdienst besuchen zu können, legten sie mitunter weite Wege zu den Grenz-, Zufluchts- und Friedenskirchen zurück, hielten sich an Buschprediger und Hausandacht.
Mit militärischem und europaweitem politischem Druck setzte Karl XII. von Schweden (1697-1718) ab 1707 die Altranstädter Konvention durch. Kaiser Joseph I. stimmte der Rückgabe von 125 Kirchen in Mittelschlesien und dem Bau von sechs Gnadenkirchen in Hirschberg, Militsch, Teschen, Freystadt, Sagan und Landeshut, 1737 auch für Groß Wartenberg zu. Die größte von ihnen, die Teschener Gnadenkirche, bot 8.000 Plätze. Die gröbsten Diskriminierungen wurden aufgehoben, größere Freiheit auch im Schulwesen zugestanden.
...
Vor dem Einmarsch der Preußen (16. Dezember 1740) gab es in Schlesien etwa eine halbe Million Evangelische und etwa genauso viele Katholiken. Neben den Friedens- und Gnadenkirchen besaßen die Evangelischen aber nur noch 248 Kirchen in Mittelschlesien. Nur hier waren sie von der Verpflichtung frei, dem katholischen Ortspfarrer Stolgebühren zahlen zu müssen. Konsistorien bestanden in Breslau, Liegnitz, Brieg, Wohlau und Oels. Als Hüter der lutherischen Orthodoxie sahen diese im Pietismus eine Gefahr und wehrten ihn ab, mit der Folge, dass der im Bekenntnis gegen die katholische Kirche so beständige schlesische Protestantismus um 1740 theologisch hinter der Zeit zurückgeblieben war.

und wie friedrich II. vorging:
Entscheidungen von weittragender Bedeutung fällte der König selbst, fest entschlossen, die Evangelischen zu fördern und die Katholiken für Preußen zu gewinnen: Forderungen der Evangelischen auf Rückgabe der seit 1621 enteigneten Kirchen und Schulen lehnte er ab. Die Erlaubnis zum Bau von Bethauskirchen mit Schule und Pfarrhaus wurde nur gegeben, wenn die Finanzierung und die Besoldung des Pastors und des Lehrers durch die Gemeinde sichergestellt war. Als Antwort auf die illoyale Haltung des Breslauer Fürstbischofs Philipp Gotthard Graf von Schaffgotsch (1716-1795) und die österreichfreundliche Haltung des Klerus während des Siebenjährigen Krieges wurde der Parochialzwang 1757 schließlich aufgehoben. Die Stolgebühren an die katholischen Pfarrer mussten die Evangelischen bis 1758 zahlen.
quelle: http://www.theologie-online.uni-goettingen.de/kg/schott.htm
 
aber kannst bitte schön erklären, warum du diesen satz und diese anführungszeichen gesetzt hast?
Gandolf schrieb:
Aber möglicherweise liegt das auch daran, dass ich vom evangelisch-reformierten "Glauben" nicht wirklich eine Ahnung habe.
Ja, das kann ich. Es handelt sich um ein Versehen.

Ich hatte zuerst Religion dort stehen und dieses Wort in " " gesetzt, weil es ja nur eine christliche Religion gibt, aber keine evangelische oder katholische Religion. Bei evangelisch und katholisch handelt es sich um Konfessionen. Man kann auch vom katholischen und evangelischen Glauben sprechen und auch vom "evangelisch-lutherischen" bzw. "evangelisch-reformierten" Glauben. Und so strich ich das Wort Religion und setzte dafür das Wort Glauben ein. Doch leider liess ich die " " stehen und jetzt sieht das wirklich dumm aus, weil man das auch dahingehend interpretieren könnte, dass ich den Protestanten ihren Glauben in Frage stellen möchte. Das liegt mir aber ganz fern. Ich hoffe, dass mein Versehen niemanden verletzt hat und bitte schon mal rein vorsorglich um Entschuldigung.
collo schrieb:
zum "fall" schlesien:
zum einen war es durchaus üblich, dass sich staaten durch kriegerische akte fremde territorien angegeeignet haben. ob sich die dort lebende bevölkerung "geraubt" vorkam, wissen wir nicht.
aber es war leider nicht unbedingt üblich, dass die bevölkerung nach einem kriegerischen herrschaftswechsel ihrem alten glauben treu bleiben durfte bzw. nicht repressalien unterworfen wurde.
auch stimmt deine behauptung nicht, dass schlesien überwiegend katholisch war.
Friedrichs II. "Griff" nach Schlesien als Raub zu bezeichnen, halte ich durchaus für legitim; auch wenn es damals noch mehr Räuber gab als nur Friedrich II.

Auf Deinen Hinweis hin korrigiere ich meine Behauptung, dass Schlesien 1740 überwiegend katholisch war. Dem von Dir angegebenen Link zufolge gab es wohl 1740 gleich viel Protestanten wie Katholiken in Schlesien.

Aber in Bezug auf den Kern meiner Ausgangsthese stimmst Du mir doch zu, dass es - aus der Sicht Friedrichs II. - angesichts der aussenpolitischen Schwierigkeiten, durch die er infolge seines Raubes von Schlesien geraten war -, töricht gewesen wäre, auch noch die Hälfte der Bevölkerung des geraubten Landesteils durch eine untolerante Glaubenspolitik gegen sich aufzubringen, oder etwa nicht?
collo schrieb:
wie die habsburger im, nach der reformation überwiegend evangelischen, schlesien vorgingen :
und wie friedrich II. vorging:
quelle: http://www.theologie-online.uni-goettingen.de/kg/schott.htm
Diese Unterschiede sehe ich durchaus. Aber Du vergleichst die Politik der Habsburger der Jahre 1621+X mit der Politik von Friedrich II. der Jahre 1740+X.

Diese Unterschiede könnten sich ja auch mit einer im 18. Jahrhundert einsetztenden Modernisierungsbewegung erklären, an deren Spitze sich Friedrich II. schon deshalb ganz bewusst setzte, um in den aussenpolitischen Auseinandersetzungen, die er 1740 provoziert hat, die Unterstützung des aufgeklärten deutschen Bürgertums zu finden.
 
Diese Unterschiede sehe ich durchaus. Aber Du vergleichst die Politik der Habsburger der Jahre 1621+X mit der Politik von Friedrich II. der Jahre 1740+X.
die rekatholisierungspolitik der österreicher in schlesien endete erst mit der altranstädter konvention vom september 1707, soweit weg von 1740 ist das nicht mehr.

und an den, unter tätiger mithilfe der österreicher, vertriebenen salzburger lutheranern kann man sehen, dass unter anderen bedingungen andersgläubige nur 8 jahre vor dem schlesischen krieg zu leiden hatten.
Aber in Bezug auf den Kern meiner Ausgangsthese stimmst Du mir doch zu, dass es - aus der Sicht Friedrichs II. - angesichts der aussenpolitischen Schwierigkeiten, durch die er infolge seines Raubes von Schlesien geraten war -, töricht gewesen wäre, auch noch die Hälfte der Bevölkerung des geraubten Landesteils durch eine untolerante Glaubenspolitik gegen sich aufzubringen, oder etwa nicht?

ein wenig off-topic, aber aussenpolitische schwierigkeiten wegen der eroberung schlesiens? preussen kämpfte nie allein gegen österreich und auch andere staaten versuchten, die momentane schwäche der habsburger auszunutzen, allerdings mit weniger erfolg.

zurück zum thema, die katholiken in schlesien waren ja nicht die ersten katholischen untertanen, arcimboldo hatte ja schon lingen und tilsit erwähnt.

dass religiöse intoleranz den eigenen staat schwächt, und toleranz ihn stärkt haben friedrich II. und seine vorgänger eben ein paar jahre früher "entdeckt" und in praktische politik umgewandelt.

Diese Unterschiede könnten sich ja auch mit einer im 18. Jahrhundert einsetztenden Modernisierungsbewegung erklären, an deren Spitze sich Friedrich II. schon deshalb ganz bewusst setzte, um in den aussenpolitischen Auseinandersetzungen, die er 1740 provoziert hat, die Unterstützung des aufgeklärten deutschen Bürgertums zu finden.

auch wenn friedrich II. als aufgeklärter monarch gilt, war er auch ein absoluter herrscher. ich kann mir nicht vorstellen, dass es ihm um die unterstützung durch das aufgeklärte bürgertum ging. sondern eben ganz egoistisch um die mehrung der macht seines staates.
 
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