TOVTONENSTEIN in Miltenberg - 1

Mercy

unvergessen
Der TOVTONENSTEIN oder Toutonenstein in Miltenberg

Der Stein wurde 1878 im Zusammenhang mit der Limesforschung von Wilhelm Conrady oberhalb von Miltenberg entdeckt und seiner Privatsammlung einverleibt. Er wurde im Hof der Miltenburg aufgestellt und war bis ca 1940 nicht zugänglich. Eine Dokumentation des Fundes erschien 1878 (W. Conrady, Der Toutonen-Stein in Miltenberg. Korrbl. des Gesamtvereins der dt. Geschichts- und Altertumsvereine 26, S. 68 ff).
Alle Arbeiten über den Fund gingen von dieser Darstellung aus. Erst P. W. Finsterwalder hat 1942 den Stein eingehend untersucht; seine Arbeit sollte in den Bonner Jahrbüchern veröffentlicht werden, doch wurden Manuskript und Fotos in der Darmstädter Druckerei bei einem Luftangriff vernichtet. Eine Rekonstruktion dieser Arbeit erschien 1956 (Aschaffenburger Jahrbuch, Bd 3, S 25 ff).

Der heutige Standort im Museum Miltenberg:

Toutonenstein

Die Inschrift:

INTER
TOVTONOS
C
A
H
I
 

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TOVTONENSTEIN in Miltenberg - 2

Der Befund

Der Stein war beim Auffinden in zwei Teile zerbrochen (2,75 m + 1,90 m). Conrady beschreibt ihn als „obeliskartig“ und nennt ihn eine „Felsnadel“. Er stammt aus dem heimischen Buntsandstein. Für Conrady steht außer Frage, daß es sich um einen römischen Fund handelt, „einen uralten Markstein, einen unter römischer Mitwirkung und Einfluß errichteten Cippus“. Damit schien auch bereits die Datierung (die Römerzeit am Untermain) klar.

Wer waren die Toutonen?

Da Conrady eine Völkerschaft mit diesem Namen unbekannt war, unterlegte er unbedenklich einen anderen Namen:

„Unter den Toutoni unseres Grenzsteins kann daher nur eine bestimmte Einzelvölkerschaft (Gaugenossenschaft?) verstanden werden, und will man ihr nicht ... einen versprengten Rest der mit den Cimbern nach dem Süden gezogenen Teutonen finden, so bleibt eben nur die Annahme übrig, daß auf dem Denkmal der Name einer bisher unbekannt gebliebenen [keltischen] Völkerschaft zum ersten Male genannt werde“. Denn das Wort TOVTONOS sei nur eine keltische Form für die „Teutonos“.

Noch im gleichen Jahr (1878) kommt das Echo aus wissenschaftlichen Kreisen: „Ptolemäus kennt unter den Völkern am Abnoba auch die Тουρφνοι. Er hat nicht das geringste Bedenken, die überlieferte Form in Тουτφνοι zu ändern [E. Hübner]“. So wurden aus den Touronen Toutonen.

Und da der Gau der Tovtonen im nördlichsten Zipfel des Dekumatenlandes (durch diesen Fund Conradys) „sicher" bezeugt ist, so geht die Gleichung glatt auf: Die Toytonen der Grenzinschrift auf dem Stein sind die Teutonen, und die Tovtonen sind die Tovronen. Nur Meitzen (1895) läßt vorsichtiger aus der Diskussion, wer denn diese Tovtonen gewesen sein mögen. Es ist darum auch nicht verwunderlich, wenn K. Hofmann (1937) schreibt, daß dieser Tovtonenstein auf einem aus dem Bergeshang herausgeebneten Versammlungsplatz oder einer „Kultstätte" stand, aus einem Stück roten Sandsteins der Gegend gefertigt. Wenn auch die Sprache dieser Inschrift die lateinische ist, so sei das Volkstum doch germanisch.
Von hier bis zu der erfindungsreichen Auslegung, daß es sich um einen „Runenstein" handelt„durch den zudem das Vorkommen der Runen auf dem Festland bewiesen werden soll, ist nur ein kleiner Schritt. Die Runen sollen jedoch vor der römischen Beschriftung abgemeißelt worden sein, so daß wir leider um den Genuß kommen, sie enträtseln zu dürfen.

Die Kimbern sind nicht weit

Auch die Wissenschaft von der Wanderung der Kimbern und Teutonen hat natürlich von diesem Faktum, das ihr unwidersprochen geboten wurde, gern Gebrauch gemacht; sie hat die Reste der bei Vercellä geschlagenen und versprengten Kimbern und Teutonen über die Alpen zurückgeleitet und in der anmutigen Odenwaldgegend ansässig gemacht, wo sie den Römern gewiß willkommene Grenznachbarn waren.

Denn nicht nur allein diese (Pseudo-) Teutonen sollen in den Tovtonen nachweisbar sein, sondern auch die Kimbern sollen Spuren ihrer Anwesenheit in dieser Gegend hinterlassen haben; wurden doch auf demselben Greinberg, sogar in nicht zu großer Entfernung vom Tovtonenstein, Weihungen an einen Mercurius „Cimbrianus“ gefunden. Innerhalb des auf dem Gipfel des Greinbergs (nicht weit nord-östlich von Conradys Fundstelle) gelegenen Ringwalls grub der Leiningische Forstmeister Madler im Jahre 1845 zwei Inschriftensteine aus, die nach seiner Ansicht von den römischen Wachtposten des Altstadtkastells unterhalb Miltenbergs gesetzt sein sollten.

Die nur teilweise erhaltene Inschrift des einen enthält die Zeilen

MERCURIO
CI...NIO

die zu Mercurio Cimbriano? ergänzt wurden.

Auf dem zweiten Denkmal erscheint ein Mercurius mit dem Beinamen Arverniorix. Mit diesem könnte der Stammesgott der Völkerschaft der Arverner gemeint sein, da „der einheimische Schutzpatron der Hauptstadt Arverna mit dem römischen Merkur identifiziert wurde, der auch sonst auf rheinländischen Inschriften als Mercurius Arvernus erscheint.

Fortsetzung folgt
 
Spannend! Jetzt kommt bald RÖDER, wenn ich mich nicht irre? Ist er nun keltisch, "teutonisch" oder römisch, der Toutonenstein?

Schöne Ausführungen!
 
Hey!! Glaubt mir ich wußte noch nichts über diesen Thread bevor ich mich registriert hab.
Ich habe mal die Ehre gehabt bei Geza Alföldy ein Referat über den Teutonenstein zu halten. Sehr interessantes Thema.
 
Achtung: Spekulation, möchte nur einen Diskussionsbeitrag leisten.

Ich persönlich würde eine (wie auch immer geartete)Verbindung zwischen den Teutonen und dem Toutonenstein nicht völlig ausschließen. M.E. ist die Chance, zufällig zwei Völker mit diesen historischen Namen hier am Rande des Reiches zu treffen, zu klein um bloßer Zufall zu sein.

Mercurius Cimbrianus scheint nach dem Schema wie zB Mercurius Arvernoricus gebildet worden zu sein, enthält also einen Volksnamen, der schwerlich eine andere Deutung als "kimbrischer Merkur" erlaubt. Das könnten zwar auch andere "Kimbern" gewesen sein, aber die Kombination Toutonen+Kimbern scheint mir so augenfällig, dass eine bloße koinzidenz fast schon ein Witz wäre. Zudem ist der "kimbrische" MErkur (bisher?)
nur in Obernburg, Miltenberg und Heidelberg nachgewiesen, was darauf hindeuten könnte, dass es sich hier um einen ursprünglich lokalen Gott (des Odenwaldgebietes) handelt, der römisch interpretiert und mit einem "völlig neuen" Namen versehen wurde (wie wir es ja auch für M. Avernoricus annehmen müssen).
Das soll aber nicht heißen, dass ich glaube, die besagten Völker hätten hier Jahrhunderte nach ihren Eroberungszügen sich hier niedergelassen, oder stammten gar von hier,
nur dass irgendjemand eine Verbindung zwischen diesen Völkern und der ortsansässigen Bevölkerung (Toutonen) hergestellt hatte.
Die Römer hatten bestimmt nichts dagegen, daß ihre neue Grenzvorverlegung das Reich nun bis zu den Grenzen der ehemaligen Erzfeinde"Teutonen" reichte, die lokale Bevölkerung konnte sich wichtig machen, indem sich als Nachkommen eines so stolzen Volkes ausgab.
Vielleicht haben auch in den Umwälzungen der Kimbernzüge einige Elemente aus dem Norden den Weg in den Odenwald gefunden (Miltenberg ist ja aufgrund seiner Topographischen Lage immer von durchziehenden Völkern und Heeren gestreift worden) und wir wissen, dass sich die Kimbern und Teutonen erst im Gebiet der Helvetier vereinigt haben.
Über die Identifikation des helvetischen pagus der toygenes mit den Teutonen (etwa bei Fischer): Das ist zwar verlockend, aber wir dürfen Pytheas nicht völlig außer acht lassen, der die Teutonen eindeutig an der Küste lokalisiert hatte.
Ich könnte mir aber vorstellen, dass im Laufe der Kimbernzüge, der Begriff "Teutonen" die Bedeutung wechselte, von einem Volk hin zu einem Sammelsurium an Völkerschaften. Die Teilnahme etwa des pagus tigurinus an den Raubzügen deutet ja auf eine gewaltige Erschütterung der keltischen Welt und das massive Mitgerissenwerden ganzer Völkerschaften hin (ähnlich äußert sich auch rieckhoff).
Sorry für etwaige Rechtschreibfehlen, aber bin etwas in Eile. Freue mich auf Reaktionen, vielleicht können wir zusammen das Rätsel um den Stein etwas lüften.
 
@ Inter Toutonos: tja, kann ich gar nicht viel zu sagen, auf jeden Fall sind deine Informationen sehr interessant! Die Deutung der Miltenberger Merkurinschrift ist ja, wie aus Mercys Post zu ersehen, skeptisch zu betrachten. Da, wie du schreibst, Inschriften für diesen Gott auch aus Heidelberg und Obernburg existieren, bestehen jedoch kaum Zweifel, dass in Miltenberg ebenfalls der Cimbrianus verehrt wurde.
Insofern wäre die Miltenberger Verbindung "Toutonos - Cimbrianus" sicher nicht ganz zufällig.
Wie du siehst, kann ich dir aber hier nur teilweise zustimmen und nichts neues zu "des Rätsels Lüftung" beitragen.
Ich denke, dass da auch nicht viel möglich ist, bevor weitere inschriftliche Zeugnisse aus der Gegend gefunden werden.
Populär geworden, so meine Ansicht, ist der Stein ohnehin erst durch die phantasievolle Deutung in Pörtners' "Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit". (ich hoffe, dass war der richtige Titel, kann mich nicht mehr genau dran erinnern).
 
Ashigaru schrieb:
Die Deutung der Miltenberger Merkurinschrift ist ja, wie aus Mercys Post zu ersehen, skeptisch zu betrachten. Da, wie du schreibst, Inschriften für diesen Gott auch aus Heidelberg und Obernburg existieren, bestehen jedoch kaum Zweifel, dass in Miltenberg ebenfalls der Cimbrianus verehrt wurde.
Insofern wäre die Miltenberger Verbindung "Toutonos - Cimbrianus" sicher nicht ganz zufällig.

Setzt natürlich voraus, dass es die Miltenberger Inschrift gibt,
Ashigaru schrieb:
Populär geworden, so meine Ansicht, ist der Stein ohnehin erst durch die phantasievolle Deutung in Pörtners' "Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit". (ich hoffe, dass war der richtige Titel, kann mich nicht mehr genau dran erinnern).

Ich vermute, du meinst einen anderen:
http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=108641&postcount=55
 
@ Mercy: von Fischer-Fabian habe ich nie etwas gelesen, ich glaube somit, dass es in einem der Pförtner-Bücher stand. Auf jeden Fall hatte der Autor - höchst spekulativ - die Buchstaben "C" und "A" auf dem Toutonenstein den Cimbern und Ambronen zugeordnet.

Wieso meinst du denn, die Miltenberger Merkur-Inschrift gebe es nicht? Ist die verschollen bzw. nur durch die frühere Forschungsliteratur bekannt?
 
@ Mercy: habe noch mal in die "Römer in Hessen" nachgeschaut und verstehe das Problem nicht ganz. Die Inschriftensteine gibt es beide noch, und dort im städtischen Museum zu finden - die sprechen schon mal für sich selbst. Natürlich waren die Grabungsmethoden des 19. Jahrhunderts noch nicht so entwickelt und sind skeptisch zu sehen. Allerdings lassen sich beide Steine eindeutig der Grabung von Madler am Greinberg zuweisen, sind also nicht verschleppt.
 
Ashigaru schrieb:
Die Inschriftensteine gibt es beide noch, und dort im städtischen Museum zu finden - die sprechen schon mal für sich selbst.
Durch fragmentarische Inschriften, die 1845 spekulativ ergänzt wurden.
 
Also ich habe mir nochmal die Inschriften angeschaut (Quellen: CIL- Kopien, eigene Fotos). Die Bruchlinien sind klar angezeigt.
Zur zuerst erwähnten Inschrift, in der Tat können wir da nur Mercurio CI...ANO lesen. Daraus könnten wir noch keinen "Mercurius Cimbrianus" ableiten. Das "I" scheint mir jedoch auf jeden Fall gesichert(untere Hälfte fehlt), es könnte höchstens "CL...ANO" heißen, aber weiter:
Die zweite Miltenberger Inschrift hierzu (CIL XIII 6604) ist da nämlich weitaus aufschlußreicher. Hier kann man eindeutig "...Mercurio CIM..." lesen (der obere Teil des "CIM" fehlt zwar aber es ist m.E. glasklar.)
Das wäre nun immer noch kein Grund, einen "Mercurius Cimbrianus" daraus zu machen, aber wir haben ja noch Zeugnisse aus
- Heidelberg (eindeutig: "...Mercurio Cimbrio..."), die veränderte Schreibung analog "Mercurio Arverno" (gibts auch) macht die Sache keinen Deut weniger evident.
- Obernburg: ebenfalls deutlich zu lesen "...Mercurio Cimabriano..."

Das ist also bei der Interpretation damals keinesfalls nur ein Schuß ins Blaue gewesen.

Der Stein war übrigens schon sehr früh Populär, weil Mommsen sich damit beschäftigt hat;
es gibt ja nicht gerade viele Orte, die eine zusätzliche Grafik im corpus inscriptionum latinarum bekommen haben, Miltenberg hat aber sogar zwei! Eine davon ist eine Grafik des Fundplatzes des Toutonensteins!
Es ist im übrigen interessant, welche Bedeutung der Stein als historische "Quelle", trotz aller Rätselhaftigkeit, erlangt hat. Auf nicht wenigen Karten, die Germanische Stämme bzw. deren Verbreitung darstellen, werden die "Toutonen" (manchmal sogar "Teutonen") irgendwo um Miltenberg herum angesiedelt, und zwar scheinbar willkürlich.
Auch die ganze Helvetierhypothese stützt sich wohl zu 90% auf die Existenz ebendieser Inschrift.

Mercurius Cim(a)brianus ist aber schon allein deshalb interessant, weil er einer der ganz wenigen romanisierten Götter ist, welche man nur in Obergermanien nachweisen kann (Untergermanien gibt da weitaus mehr her).
Hier die Inschriften aus Miltenberg. Der corpus ist da natürlich noch etwas "großzügiger" im Ergänzen gewesen, also nicht wundern...

IN H D D
MERCVRIO
CIMBRIANO
FELIX
LEG PRÆPOSI
TUS N EXPL SEI
OPENS POS
DVOBVS ASPRIS (od. silanis, eig. anm.)
CO
S

(CIL XIII 6605)


IN H D D
MERCVR CIMBRIANO
MANSVETINIVS SE[†
COH I SEQ RAURIC
SIGIL MERCUR POSUIT
APRONIAN ET BRA
DUA COS

(CIL XIII 6604)




 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe noch eine weitere Inschrift in der EDH gefunden (s. Anhang)
Da steht eindeutig zu lesen "...Mercurio Cimbriano...".

In h(onorem) d(omus) d(ivinae) deo Mercu/rio Cimbriano ae/dem cum signo / Tettius Perpetu/ius Carus v(otum) s(olvit) l(ibens) l(aetus) m(erito)

Die Inschrift stammt ebenfalls vom Heiligenberg (HD). Sie wurde 1920 dort am Westhang gefunden. Madler hat sie also nicht gekannt.
Also, wenn man schon 1845 aus den Miltenberger Inschriften einen "Mercurius Cimbrianus" rein spekulativ hergeleitet hat, dann war das eine Spitzenleistung, denn die Leute hatten recht!

Ich glaube man kann guten Gewissens behaupten,
1) daß die Götter, welche in HD, OBB und MIL nachgewiesen wurden, dieselbe Gottheit sind.
2) daß dieser Gott höchstwahrscheinlich den romanisierten Namen "Mercurius Cimbrianus" oder zumindest "Mercurius Cimbrius" getragen hat.
 

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Jetzt hat die Diskussion einen langen Aussetzer und einen kurzen Schlenker über Mercys nachwuchs genommen, aber eines würde mich doch an dieser Stelle interessieren:

- Gab es denn römische "Gemarkungssteine" unter Nutzung örtlicher Megalithen/Großsteine? Mir sind viele Meilensteine bekannt, Grabsteine, Weihesteine. Der Toutonenstein ist alles, aber kein Altar; für ein Grab ist er etwas ungeschlacht und als Meilenstein taugt er auch nicht. Die Ortsbestimmung "Inter" ist diffus; eine Abgrenzung würde z. B. "apud" lauten, auch ist mir nicht bekannt, dass das römische Reich tatsächlich durch Grenzsteine definiert wurde. Flüsse, Bergrücken, "limites", aber Steine?

- Nach allem, was ich über römische Steinmetzkunst weiss, wurde eine Inschrift erst am fertig gestalteten Werkstück angebracht; in diesem Fall wurde sie direkt in den groben, sogar ungeglätteten Stein graviert. Der doch eigentlich zuerst eine schöne Säule hätte werden können.
Gibt es denn dazu Parallelen?
 
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