Trauttmannsdorffs Geniestreich oder Fehler?

Brissotin

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In der letzten Arte-Doku zum Westfälischen Frieden wird auch thematisiert, dass der kaiserliche Diplomat Trauttmannsdorff das Ausscheiden der Gebiete, die an Frankreich gingen, aus dem Reichsverband als eine Art Geniestreich begriff. In der Doku wird auch Trauttmannsdorff die Idiotie unterstellt, damit sei der französische König von der Kaiserwahl ausgeschlossen. Er könne dann ebenso gut zum Kaiser gewählt werden wie der König von China hieß es dort. Zu der Doku: Aktuelle Geschichtsdokus
Wie sah es nun damals aus? Wie waren die Reaktionen der Reichsstände und der Juristen auf diese Tat? Hatte der Kaiser überhaupt das Recht Reichsgebiet ohne Not und nur aus egoistischem Kalkül zu verlieren? Welchen Unterschied hätte es gemacht, wenn Louis XIV für das Elsass auf dem Reichstag vertreten gewesen wäre? Wird hier nicht vielleicht das Stimmrecht in der Fürstenbank überschätzt?
Denn Frankreich hatte ja sowieso egal ob vor (z.B. als Vermittler im Falle der protestantischen Union) oder nach dem 30-jährigen Krieg (als Garantiemacht des Westfälischen Friedens) enormen Einfluss im Reich.
Wäre der König Lehensnehmer des Kaisers geworden, so wäre ganz umgedreht auch eine andere Beziehung zwischen dem Kaiser und Louis XIV entstanden. Als Lehensnehmer bzw. Vasall war dann Louis an den Landfrieden und die anderen Reichsgrundgesetze gebunden und hätte sich zwecks Mutung etc. unterordnen müssen. Diese Beziehung hätte vielmehr schon allein vom Prestige her zu einem deutlichen Gewinn für den Kaiser geführt. Als Lehensherr (in der Doku wurde dieser Begriff auch mal verkehrtherum verwendet) hätte der Kaiser bei Fehlverhalten des franz. Königs sogar das Recht der Einziehung des Lehens und somit zumindest ein hypothetisches Druckmittel besessen.
Trauttmannsdorffs Entscheidung hatte allerdings andersrum nur Vorteile für Frankreich, welches aus der Westgrenze des Reiches einen Flickenteppich machte. Das traditionell kaisertreue Lothringen bekam unter Louis XIV rasch den Charakter einer isolierten Macht auf verlorenem Posten.

Was spricht denn für Trauttmannsdorffs Entscheidung? Wie sah es der Kaiser? Erkannte er die Fatalität?
 
Wo ich das hier gerade sehe und auch wenn das schon etwas älter ist:

Wäre der König Lehensnehmer des Kaisers geworden, so wäre ganz umgedreht auch eine andere Beziehung zwischen dem Kaiser und Louis XIV entstanden.

Hatte es nicht in früherer Zeit schon einmal die Konstruktion gegeben, dass als die Dauphiné an das französische Königshaus ging, aber theoretisch Reichslehen blieb, der Kronprinz (daher der Titel "Dauphin", oder zumindest habe ich das mal so gelesen) und nicht der König von Frankreich damit belehnt wurde um ein direktes Lehensverhältnis des Königs gegenüber dem römisch-deutschen Kaiser zu vermeiden?

Wäre da nicht auch eine ähnliche Konstruktion möglich gewesen, die Territorien nicht direkt dem König zu unterstellen, sondern sie und die Belehnung damit als traditionelle Apanage für den Kronprinzen vorzuhalten?


Welchen Unterschied hätte es gemacht, wenn Louis XIV für das Elsass auf dem Reichstag vertreten gewesen wäre? Wird hier nicht vielleicht das Stimmrecht in der Fürstenbank überschätzt?

Mag sein, dass das überschätzt wird.

Ich würde die Gefahr sehen, dass sich der französische König entsprechend des dänischen Vorbilds über die Position des Kreisobristen zusätzlichen Einfluss auf die umliegenden Gebiete hätte verschaffen können.
 
Wäre da nicht auch eine ähnliche Konstruktion möglich gewesen, die Territorien nicht direkt dem König zu unterstellen, sondern sie und die Belehnung damit als traditionelle Apanage für den Kronprinzen vorzuhalten?
Klingt nicht unmöglich. Fragt sich, ob das Louis XIV so akzeptiert hätte.

Das Elsass gehörte zum österreichischen Kreis. Von daher ist eine Übernahme als Kreisobrist wenig wahrscheinlich. :cool:
 
Das Elsass gehörte zum österreichischen Kreis. Von daher ist eine Übernahme als Kreisobrist wenig wahrscheinlich.

Das gemsammte Elsass? Beim Sundgau ist mir das klar und einleuchtend.
Zumindest die Karte, die im Wiki-Artikel zum Thema "Reichskreis" verlinkt ist, weist den Großteil des Elsass aber dem "Oberrheinischen Kreis" zu, auch er Artikel zum Oberrheinischen Kreis unterstellt das so.

Ich habe leider kein Werk zur Hand, dass die Reichskreise und die Zugehörigkeit dazu verlässlich aufschlüsselt, aber wenn ich mal davon ausgehen darf, dass das bei Wiki nicht völlig abwegig ist, hätte der Verbleib der unter Französische Herrschaft kommenden Gebiete im Reichsverband der französischen Krone Besitz im Oberrheinischen Kreis verschafft und damit eventuell die Möglichkeit dadurch sich zum Kreisobristen wählen zu lassen massiven Einfluss auf Lothringen und Savoyen so wie die hessischen Gebiete zu erlangen.

Könnte mir schon vorstellen, dass Trautmannsdorff dem einen Riegel vorschieben wollte.

Eine andere Sache würde mir noch dazu einfallen:

1848 gab es ja den "Immerwährenden Reichstag" zu Regensburg noch nicht. Das Stimmrecht der Fürstenbank sollte man zwar tatsächlich nicht überschätzen, aber was zu diesem Zeitpunkt dadurch, dass noch nicht permanent getagt wurde noch möglich war, war Reichstage zu sprengen.
Unter den unzufriedenen Protestantischen Fürsten hätte Frankreich dafür sicherlich Anhänger mobilisieren können und das hätte für Habsburg (Türkensteuer) zu Problemen führen können.

Aber das ist nur Mutmaßung.
 
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