Tresckow über die Notwendigkeit eines Attentats auf Hitler

naty

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Ich habe bei dieser Quelle eine Frage:

Auf Stauffenbergs Frage, ob das Attentat nach der Landung der Allierten in der Normandie noch notwendig sei, antwortete Generalmajo Henning von Treschkow:

Das Attentat auf Hilter muss erfolgen, um jede Preis. Sollte es nicht gelingen, so muss trotzdem der Staatsstreich versucht werden. Denn es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, dass die deutschen Widerstandsbewegung vor der Welt und der Geschichte unter Einsatz ihres Lebens den entscheidenden Wurf gewagt hat. Alles andere ist daneben gleichgültig.

Heisst dies: Das Attentat musste erfolgen, ob es misslingt oder nicht. Es geht nur darum, dass die Weltöffentlichkeit sieht, dass nicht ganz Deutschland hinter Hitler stehen. Es muss sehen, dass es Widerstand gibt.

Sagt dieser Text noch etwas anderes aus?

Danke..

LG
 
Hallo!

Danke für die Antwort. Stimmt der restliche Teil nicht - also wegen der Weltöffentlichkeit?

LG
 
Eigentlich ernüchternd, heisst es doch, dass nicht nur Widerstandsgruppen wie die Weiße Rose sich mit einer rein symbolischen Wirkung begnügen mussten, sondern auch die einzige Macht, die real die Möglichkeit gehabt hätte, einen Staatsstreich tatsächlich in die Tat umzusetzen, nämlich eine Oppositionsgruppe innerhalb der Wehrmacht, ihrer Tat letzlich nur einen symbolischen Wert zumaßen.
 
Dadurch dass der Wiederstand aus vielen verschiedenen Gruppierungen oder Einzelpersonen bestand, konnte er nicht wirklich klar erfasst werden. In der Öffentlichkeit kam es oft auch nach `45 zu dem Vorwurf der Kollektivschuld.

Man wollte ein moralisches Signal eines "anderen" Deutschlands und eine gemeinsame Allianz gegen die NS-Diktatur übermitteln.

Dazu war es allerdings erst einmal nötig die Gruppenegoismen zu überwinden, d.h. die verschiedenen politischen Konzeptionen der verschiedenen "Widerständler" hinter das gemeinsame Ziel der Überwindung der NS-Diktatur zu stellen.
 
Wie würde man Heute die Wehrmacht beurteilen, wäre das Attentat aus geblieben? Auch darum ging es Henning von Treschkow, der durch und durch preussischer Offizier war.

Am 11. April 1943 sagte er in einer Tischrede in der Potsdamer Garnisonkirche zu seinen beiden Söhnen anlässlich ihrer Konfirmation:

"Vergesst niemals, dass Ihr auf preussischem Boden aufgewachsen und heute an der heiligsten Stätte des alten Preussentums eingesegnet seid. Das birgt eine grosse Verpflichtung in sich: die Verpflichtung zur Wahrheit, zur innerlichen und äusserlichen Disziplin, zur Pflichterfüllung bis zum Letzten. Vom wahren Preussentum ist der Begriff der Freiheit niemals zu trennen. Wahres Preussentum heisst Synthese zwischen Bindung und Freiheit, zwischen Stolz auf das Eigene und Verständnis für Anderes. Nur in der Synthese liegt die Aufgabe des Preussentums, liegt der preussische Traum."*

* Haffner, Sebastian / Venohr, Wolfgang: "Preußische Profile". Ullstein 1986 Seite 285.



Saludos!
 
Eigentlich ernüchternd, heißt es doch, dass nicht nur Widerstandsgruppen wie die Weiße Rose sich mit einer rein symbolischen Wirkung begnügen mussten, sondern auch die einzige Macht, die real die Möglichkeit gehabt hätte, einen Staatsstreich tatsächlich in die Tat umzusetzen, nämlich eine Oppositionsgruppe innerhalb der Wehrmacht, ihrer Tat letztlich nur einen symbolischen Wert zumaßen.

Das sehe ich anders. Nur wenn es misslänge, dann hätte es wenigstens ein Zeichen gesetzt. Und damit hatte von Tresckow ja auch recht, es misslang, ist aber angesichts der zwölf Jahre nationalsozialistischer Diktatur in Deutschland ist gerade dieses Attentat sehr präsent, auch durch mindestens drei verschiedene Verfilmungen.
 
Hmm. Es kommt darauf an, welche der beiden von mir markierten Konjunktive man in den Vordergrund rückt. Diesen
Auf Stauffenbergs Frage, ob das Attentat nach der Landung der Allierten in der Normandie noch notwendig sei, antwortete Generalmajor Henning von Treschkow:
oder diesen
Sollte es nicht gelingen, so muss trotzdem der Staatsstreich versucht werden.
 
Eigentlich ernüchternd, heisst es doch, dass nicht nur Widerstandsgruppen wie die Weiße Rose sich mit einer rein symbolischen Wirkung begnügen mussten, sondern auch die einzige Macht, die real die Möglichkeit gehabt hätte, einen Staatsstreich tatsächlich in die Tat umzusetzen, nämlich eine Oppositionsgruppe innerhalb der Wehrmacht, ihrer Tat letzlich nur einen symbolischen Wert zumaßen.

Naja, ich finde, da fehlt ein "sich am Schluß begnügte". Vom militärischen Widerstand gab es ja mehr als einen Versuch, der erfolgversprechend gewesen wäre. Die Weiße Rose oder auch der sog. Kölner Kreis hatten ja nie eine reale Chance Hitler wirklich nahe zu kommen. Von Seiten des Militärs gab es einige Chancen und Pläne, die teilweise durch unglückliche Umstände nicht funktionierten oder fallen gelassen werden (mußten). Man denke da an die Septemberverschwörung oder den selbstmörderischen (und damit wohl erfolgversprechendsten) Plan des Frhr von dem Bussche-Streithorst.

Das von Tresckow diese Versuche als in den Augen der späteren Sieger nicht ausreichend betrachtete, spricht für seine Voraussicht, ebenso wie die Skepsis in Sachen Erfolgsaussichten. Der Text könnte also auch als Information über Tresckow genommen werden, bis hin zu einer fast fatalistischen Einstellung.
 
Ich habe bei dieser Quelle eine Frage:

Auf Stauffenbergs Frage, ob das Attentat nach der Landung der Allierten in der Normandie noch notwendig sei, antwortete Generalmajo Henning von Treschkow:

Das Attentat auf Hilter muss erfolgen, um jede Preis. Sollte es nicht gelingen, so muss trotzdem der Staatsstreich versucht werden. Denn es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, dass die deutschen Widerstandsbewegung vor der Welt und der Geschichte unter Einsatz ihres Lebens den entscheidenden Wurf gewagt hat. Alles andere ist daneben gleichgültig.

Heisst dies: Das Attentat musste erfolgen, ob es misslingt oder nicht. Es geht nur darum, dass die Weltöffentlichkeit sieht, dass nicht ganz Deutschland hinter Hitler stehen. Es muss sehen, dass es Widerstand gibt.

Sagt dieser Text noch etwas anderes aus?

Danke..

LG

Und von Tresckow hat es auch gesagt mit dem Wissen, daß nichts die West-Alliierten mehr in Verlegenheit gebracht hätte, als ein erfolgreiches Attentat gegen Hitler.

Mehrere Anfragen an die Westalliierten, ob und unter welchen Voraussetzungen diese mit einer neuen Deutschen Regierung nach einem Attentat gegen Hitler zusammenarbeiten würden, verliefen negativ,
(England meinte, es sei eine Finte Goebbels, Roosevelt meinte nach Pearl Harbour, daß ein Friedensangebot von Deutschland nach einem Attentat gegen Hitler nicht im Interesse der USA sei.)
Das wusste von Tresckow, und an dieser Stelle zeigten sich Preußen das letzte Mal, als die Männer des 20 Juli um des Glockenspiels der Potdamer Garnisonskirche halber aufstanden, um in allerletzter Minute den Tyrannenmord zu wagen.
 
Bei dem ("späten") Zitat von Tresckow ist zu berücksichtigen, dass es bereits frühere Attentatsversuche gab.

Auf frühere Versuche ist es mE nicht zu beziehen, wie aus dem Hinweis nach der Landung in der Normandie ersichtlich ist.

Dazu:
Institut für Zeitgeschichte: 2/2007

Peter Hoffmann, Oberst i.G. Henning von Tresckow und die Staatsstreichpläne im Jahr 1943.
VfZ 2/2007
 
Und von Tresckow hat es auch gesagt mit dem Wissen, daß nichts die West-Alliierten mehr in Verlegenheit gebracht hätte, als ein erfolgreiches Attentat gegen Hitler.

Mehrere Anfragen an die Westalliierten, ob und unter welchen Voraussetzungen diese mit einer neuen Deutschen Regierung nach einem Attentat gegen Hitler zusammenarbeiten würden, verliefen negativ,

In dieser Diskussion über den Widerstand wird nicht selten der Versuch um Rommel, Hitler bei einem der Besuche im Jahr 1944 an der Westfront zu inhaftieren, m.E. nicht angemessen bewertet.

Und in diesem Zusammenhang sollte man auf einen zweiten Aspekt des Widerstands deutlich hinweisen. Neben moralischen Überlegungen spielten auch sehr stark die Frage eine Rolle, wie man Deutschland als Machtfaktor, ohne Hitler, erhalten kann.

In diesem Kontext ist auch beispielsweise das Manifest von Ernst Jünger zu interpretieren.

Deswegen war es Rommel sehr wichtig via einer Abwehr der Invasion im Westen, also aus einer Position der Stärke, zu einem Separatfrieden im Westen zu gelangen. Nach erfolgter Invasion sah man keine Chancen mehr für einen Separatfrieden.

Dieser Separatfrieden sollte dann als Basis genutzt werden, die vorrückende Rote Armee abzuwehren.
 
Zuletzt bearbeitet:
In dieser Diskussion über den Widerstand wird nicht selten der Versuch um Rommel, Hitler bei einem der Besuche im Jahr 1944 an der Westfront zu inhaftieren, m.E. nicht angemessen bewertet.

Und in diesem Zusammenhang sollte man auf einen zweiten Aspekt des Widerstands deutlich hinweisen. Neben moralischen Überlegungen spielten auch sehr stark die Frage eine Rolle, wie man Deutschland als Machtfaktor, ohne Hitler, erhalten kann.

In diesem Kontext ist auch beispielsweise das Manifest von Ernst Jünger zu interpretieren.

Deswegen war es Rommel sehr wichtig via einer Abwehr der Invasion im Westen, also aus einer Position der Stärke, zu einem Separatfrieden im Westen zu gelangen. Nach erfolgter Invasion sah man keine Chancen mehr für einen Separatfrieden.

Dieser Separatfrieden sollte dann als Basis genutzt werden, die vorrückende Rote Armee abzuwehren.

Ist der Begriff "Machtfaktor" hier korrekt ? der doch insinuiert, daß Deutschland wie ein Fels in der Brandung zur Abwehr irgend einer Macht in der Mitte Europa erhalten bleibt ? Ihr letzter Satz.

War es, neben dem moralischen Aspekt, zumindest einen Teil der Schuld abzugelten, derer sich Deutschland bis dahin schuldig gemacht hat, nicht auch der Erhalt des Vaterlandes ?, Nicht, wie Manche gerne wissend schreiben, der Erhalt der eigenen Pfründe ?


Abwehr der Roten Armee nach einem Separatfrieden im Westen ? So feindlich sehe ich das militärische Verhältnis der Wehrmacht zur Sowjetunion nicht, wenn ich an die Denkschrift Anlage 4 zum Generalplan 1945, Überwindung der Katastrophe v. 5.4.1945 denke, die ein deutsches Zusammengehen mit der Sowjetunion anregt und auch für Stalin zur anderen Realität, Feindesland zu besetzen, eine für sein Land bessere Alternative ergeben hätte.
 
1. Ist der Begriff "Machtfaktor" hier korrekt ? der doch insinuiert, daß Deutschland wie ein Fels in der Brandung zur Abwehr irgend einer Macht in der Mitte Europa erhalten bleibt ? Ihr letzter Satz.

2. War es, neben dem moralischen Aspekt, zumindest einen Teil der Schuld abzugelten, derer sich Deutschland bis dahin schuldig gemacht hat, nicht auch der Erhalt des Vaterlandes ?, Nicht, wie Manche gerne wissend schreiben, der Erhalt der eigenen Pfründe ?


3. Abwehr der Roten Armee nach einem Separatfrieden im Westen ? So feindlich sehe ich das militärische Verhältnis der Wehrmacht zur Sowjetunion nicht, wenn ich an die Denkschrift Anlage 4 zum Generalplan 1945, Überwindung der Katastrophe v. 5.4.1945 denke, die ein deutsches Zusammengehen mit der Sowjetunion anregt und auch für Stalin zur anderen Realität, Feindesland zu besetzen, eine für sein Land bessere Alternative ergeben hätte.

zu 1: Er ist absolut korrekt, da auch für die Nationalkonservativen Kreise ein instabiles, schwaches Deutschland als politisch nicht wünschenswert. Das Ziel war die Aufrechterhaltung eines starken politischen, militärischen und ökonomischen Deutschlands, als Machtfaktor. Ein zweites Dikatat ala VV wollte man sicherlich verhindern!

zu 2: In diesem Abschnitt wird eine Antwort auf 1. gegeben, da der Begriff "Deutsches Vaterland" seit 70/71 auch mit militärischer Stärke assoziiert war.

zu 3: Kenne diese Planung nicht und weis auch nicht, welche politischen und militärischen Eliten dahinter standen. Gibt es eine Quelle dazu?
Der Zeitpunkt, April 45, verweist auf einen post-WW2-Vorgang und kann somit kaum als Stimmungsbild für die Zeit nach Juni 44 bis zum Zusammenbruch angesehen werden.

Fakt ist, dass es einen starken Antikommunistmus innerhalb der WM (dazu liegen eine Reihe von Beiträgen von Historikern vor!!) gab und ein Vorrücken der Roten Armee über die Grenzen von 39 hinaus sicherlich nicht akzeptiert worden wären, aber an diesem Punkt kann man vermutlich nur spekulieren, da es keine Studien zu diesem Punkt geben kann.
 
zu 1: Er ist absolut korrekt, da auch für die Nationalkonservativen Kreise ein instabiles, schwaches Deutschland als politisch nicht wünschenswert. Das Ziel war die Aufrechterhaltung eines starken politischen, militärischen und ökonomischen Deutschlands, als Machtfaktor. Ein zweites Dikatat ala VV wollte man sicherlich verhindern!

zu 2: In diesem Abschnitt wird eine Antwort auf 1. gegeben, da der Begriff "Deutsches Vaterland" seit 70/71 auch mit militärischer Stärke assoziiert war.

zu 3: Kenne diese Planung nicht und weis auch nicht, welche politischen und militärischen Eliten dahinter standen. Gibt es eine Quelle dazu?
Der Zeitpunkt, April 45, verweist auf einen post-WW2-Vorgang und kann somit kaum als Stimmungsbild für die Zeit nach Juni 44 bis zum Zusammenbruch angesehen werden.

Fakt ist, dass es einen starken Antikommunistmus innerhalb der WM (dazu liegen eine Reihe von Beiträgen von Historikern vor!!) gab und ein Vorrücken der Roten Armee über die Grenzen von 39 hinaus sicherlich nicht akzeptiert worden wären, aber an diesem Punkt kann man vermutlich nur spekulieren, da es keine Studien zu diesem Punkt geben kann.

Zu Deiner Replik

Zu 1: für die Nationalkonservativen stimmt das, Du weisst aber auch, daß v. Stauffenberg mit Sozialisten in den eigenen Reihen konfrontiert wurde. (Verbindung zu pt. 3)

zu pt. 2: sehe ich nicht so, das das GENERELL so gesehen wurde.

zu Pt. 3: Post WW2 ist nicht April 45. Antikommunismus ist bei nationalzozialistisch erzogenen Offizieren SO ungewöhnlich ja nun auch nicht, wobei es aber doch wohl (sieh pos. 1) für den sozialistischen Aspekt auch Freunde gab.

Quelle der Denkschrift: publiziert in der bundesrepublikanischen Version Gedenkstätte Seelower Höhen als Schwarzpause.
 
zu 3: Kenne diese Planung [betr. deutsches Zusammengehen mit der Sowjetunion] nicht und weis auch nicht, welche politischen und militärischen Eliten dahinter standen. Gibt es eine Quelle dazu?
Bernd Martin [1] hat die Kontakte zwischen Widerstandskreisen und der Sowjetunion skizziert, worin z.B. Stalins (ernstgemeinte?) Angebote eines Separatfriedens ('Ostlösung') von Dezember 1942 und September 1943 erwähnt werden. Diese (Gesprächs-)Chance wäre vom Widerstand aus "ideologischen Vorbehalten" nicht genutzt worden.

...ein Zeichen gesetzt...
Nach Manfred Messerschmidt [2] war für die "Illusionisten der 'Westlösung'", zu denen er auch Stauffenberg rechnet, mit Invasionsbeginn im Juni 1944 "der politische Sinn des Attentats" entfallen. "Konnte es jetzt noch sinnvoll ein, die Besten bei einem Fehlschlag des Umsturzes zu opfern? Treckow öffnete den Blick für diesen Sinn. Er fand ihn in einer von allen Wunschvorstellungen freien Tat, in der Setzung eines Zeichens vor der Welt und der Geschichte. Deshalb mußte das Attentat erfolgen coûte que coûte..."

Man kann das als eine sowohl sinn-volle wie selbst-lose Tat deuten - selbstlos in dem Sinne, als die Verschwörer freiwillig "das Nessus-Hemd des 'nationalen Verrats' an(zogen), um das Ansehen der Nation angesichts der vom NS-Regime verübten unerhörten Verbrechen zu retten." [3]

Wer will, kam dem sogar ein religiöses Motiv hinterlegen: Denken wir an Abraham, der seinem Gott das Versprechen abrang, Sodom zu verschonen, wenn es in dem Gemeinwesen wenigstens zehn Gerechte gäbe. (1. Mose 18).


[1] in: Schmädeke/Steinbach (Hg.): Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus. München 1985, S. 1037-1060
[2] in: aaO, S. 1033 f.
[3] Mommsen: Alternative zu Hitler. München 2000, S. 266
 
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