...Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als die Ungarn den Gesamtstaat mehr und mehr in Frage zu stellen begannen, beschäftigte sich Franz Ferdinand mit der Idee, die in der Monarchie lebenden Südslawen unter der Führung der römisch-katholischen Kroaten neben den Deutschen und den Magyaren zum dritten gleichberechtigten politischen Machtfaktor zu machen. Der Thronfolger hat 1903 bei der Zusammenkunft mit Zar Nikolaus II. in Mürzsteg über diesen Reformplan offen gesprochen. „Seine Idee war damals“, berichtet der britische Botschafter in Petersburg, Buchanan, „ein slawisches Königreich innerhalb des österreichisch-ungarischen Gebietes zu schaffen und den Trialismus an die Stelle des Dualismus zu setzen.“ Die Schaffung eines autonomen südslawischen Staates war natürlich als Gegengewicht zu Ungarn gedacht. Als die jahrhundertelange Treue der Kroaten zur habsburgischen Dynastie mehr und mehr nachliess, rückte Franz Ferdinand von der trialistischen Idee ab....
Von Seite 190
...Was die Länder der böhmischen Krone betrifft, so verfolgte der Thronfolger gegenüber den Tschechen keine klar erkennbare politische Linie. Scheint Franz Ferdinand ursprünglich an eine Gleichstellung der Tschechen mit den Magyaren gedacht zu haben, so dürfte er später von der Idee wieder abgekommen sein...
Von Seite 189
„... Unmittelbar nach der österreichischen Krönung wäre die ungarische Krönung in Budapest mit dem üblichen Zeremoniell zu veranstalten, zu derselben wären jedoch keine auswärtigen Vertreter einzuladen; dem ganzen Staatsakt wäre hiedurch der Charakter einer internen ungarischen Angelegenheit aufzudrücken. Trotz der unleugbaren Unterstützung der staatsrechtlichen separatistischen Bestrebungen der Tschechen, welche durch eine Krönung des Herrschers mit der Wenzelskrone in Prag eintritt, könnte gleichfalls um die ungarische Königskrönung ihrer bisherigen Bedeutung zu entkleiden, die Krönung in Prag ins Auge gefasst werden; diese Krönung hätte jener in Budapest zu folgen...“
Von Seite 192