Tross im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1688- 1697

Saint-Simone

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'Am 27. Juni [1695] schickte seine Majestät von Großbritannien das schwere Gepäck, die Marketender und die Artillerie weg vom Lager bei Bekelaer [sic]...'

im Original:

'His Majesty of Great Britain upon the 27th of June sent away the heavy Baggage, the Suttlers and the Artillery from the Camp at Bekelaer...'

Leider schweigt sich mein anonymer Autor darüber aus wohin, aber die eigentliche Frage die ich mir gerade stelle bezieht sich auch eher auf den Tross. Ich nehme an, daß Frauen und Kinder ebenso weg geschickt wurden, aber habe gerade festgestellt, daß ich wenig Ahnung habe was in der Zwischenzeit mit dem Tross geschah, wie das ganze organisiert war etc. Und wie es sich auf französischer Seite verhielt.

Aus den Artikeln der Kapitulation der Stadt Namur 1695 geht in Artikel VIII hervor, daß die französische Garnison darum gebeten habe, daß ihnen sechs Tage zur Verfügung gestellt sein sollten, sich mit ihren Familien und ihrem Hab und Gut, friedlich in die Festung zu begeben, woraus ich schließe, daß auf französischer Seite Frauen und Kinder während der Belagerung dabei waren. (Zur Vervollständigung: Dem wurde nicht stattgegeben, stattdessen wurden offiziell zwei Tage bewilligt.)

Weiß jemand vielleicht mehr wie es sich während solchen Kampfhandlungen mit Familien auf beiden Seiten verhielt? Wie sah die Organisation des ganzen aus? Wurde organisiert und wie? Wie sah das Lagerleben aus? Wie sah es um die Bewachung aus? Oder kann jemand Literatur empfehlen?

Die Bücher die ich schnell zur Hand habe, schweigen sich leider etwas aus, und auf die Schnelle konnte ich nur herausfinden, daß es jemanden gab, der für den Tross zuständig war, leider jedoch nicht was genau dieser Mensch zu tun hatte, und wie das alles organisiert wurde. Ich wäre also dankbar, wenn jemand etwas wüsste. :winke:


(Quelle: Anon (1695) 'An Exact Journal of the Siege of Namur' Whitlock: London)

Nachtrag: Die Daten sind so aus der Quelle übernommen, und richten sich noch nach dem Julianischen Kalender.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Belagerung von Namur dürfte in der englischen Geschichtsschreibung ein recht umfangreich behandeltes Thema sein, weil sie in Lawrence Sterne's Roman eine wichtige Rolle spielt (Uncle Toby hat dort seine verschwiegene Wunde empfangen und spielt die Schlacht im Garten nach). Vielleicht sollten Sie in einer Sterne-Bibliographie weitersuchen.

Der Festungskrieg mit den dazu relevanten Themen ist in Jürgen Luhs Werk Kriegskunst in Europa 1650-1800 von 2004 recht gut behandelt und gibt weiterführende Literaturhinweise.
 
Die Belagerung von Namur dürfte in der englischen Geschichtsschreibung ein recht umfangreich behandeltes Thema sein, weil sie in Lawrence Sterne's Roman eine wichtige Rolle spielt (Uncle Toby hat dort seine verschwiegene Wunde empfangen und spielt die Schlacht im Garten nach). Vielleicht sollten Sie in einer Sterne-Bibliographie weitersuchen.

Der Festungskrieg mit den dazu relevanten Themen ist in Jürgen Luhs Werk Kriegskunst in Europa 1650-1800 von 2004 recht gut behandelt und gibt weiterführende Literaturhinweise.


Vielen Dank für die Tips. Leider ist es so weit ich das einsehen kann von der relevanten Literatur in GB verhältnismäßig dünn, womit ich sagen will, daß andere Kriege sehr viel ausführlicher behandelt wurden, und vor Allem im Bezug auf den 9. Jährigen Krieg, sich das Augenmerk sich eher auf Irland richtet. Die einzigen Bücher, welche für mich auf die Schnelle einsehbar waren, waren 'John Childs (1987) The British Army of William III: 1689- 1702' und 'John Childs (1991) The Nine Years' War and the British Army: Operations in the Low Countries', und selbiger (2001) 'Warfare in the Seventeenth Century'. Alles sehr interessant, aber leider werden die Fragen die mich momentan beschäftigen nur en passant erwähnt.

Das gleiche Problem mit 'Tristam Shandy', wo man einen netten Überblick über die Belagerung bekommt, aber sehr zu meinem Leidwesen interessieren mich mal wieder alle die nicht direkt dabei waren. Um es vielleicht etwas genauer zu illustrieren: Wilhelm III war dafür bekannt, daß er niemanden in der Nähe des Kampfgeschehens haben wollte, der dort nicht hingehörte und schon gar nicht in den Laufgräben. (Der Anekdote nach war er gerade dabei einem Mr Godfrey, einem Direktor der neuen Bank of England, genau dafür die Leviten zu lesen, als besagter Mr Godfrey einen Volltreffer erwischte. Daraufhin war es anscheinend eine Weile gebräuchlich in der britischen Armee über jemanden der einem Volltreffer zum Opfer gefallen war, zu sagen er sei 'godfrey-ed' worden. Nachzulesen in Daniel MacKinnon (1833) 'Origin and Services of the Coldstream Guards' )

Deswegen all die vielen Fragen was da zu wilhelminischer Zeit geschah, da es ja auf französischer Seite anders gehandhabt worden zu sein scheint, wohingehen die Britische Armee in früheren und späteren Jahrhunderten anscheinend durchaus Frauen und Kinder in der Nähe der Kampfeshandlungen hatte. Zugegebenermassen macht die Belagerung an sich, für eine spannendere Lektüre... naja.

Ich schaue mir Luhs Buch an, sobald ich es in die Hände bekomme. Also vielen Dank!
 
'Am 27. Juni [1695] schickte seine Majestät von Großbritannien das schwere Gepäck, die Marketender und die Artillerie weg vom Lager bei Bekelaer [sic]...'

im Original:

'His Majesty of Great Britain upon the 27th of June sent away the heavy Baggage, the Suttlers and the Artillery from the Camp at Bekelaer...'

Leider schweigt sich mein anonymer Autor darüber aus wohin, aber die eigentliche Frage die ich mir gerade stelle bezieht sich auch eher auf den Tross. Ich nehme an, daß Frauen und Kinder ebenso weg geschickt wurden, aber habe gerade festgestellt, daß ich wenig Ahnung habe was in der Zwischenzeit mit dem Tross geschah, wie das ganze organisiert war etc. Und wie es sich auf französischer Seite verhielt.
Ich würde annehmen, dass auf französischer Seite da die Intendanten eine Rolle spielten. Dellbrück ("Geschichte der Kriegskunst") erwähnt, dass Le Tellier (1603-1685) die Klasse der Intendanten als bürgerliche Beamte eingeführt habe, die den militärischen Kommandos beigegeben wurden. Die Intendanten und deren Komissare hatten v.a. ein wichtiges Mitspracherecht in administrativen Fragen. Im Kriegsrat hatte der Intendant wie auch die militärischen Befehlshaber einen festen Sitz. Unter Le Tellier, wie auch nach ihm, was den geringen dauerhaften Erfolg verbürgt, wurde die Mitnahme der Frauen im Tross verboten. Erklärt hat dies Dellbrück damit, dass die Magazinalverpflegung wie auch die aufkommenden Feldlazarette die Frauen entbehrlich machten. In der Tat hatte schon Turenne die Notwendigkeit einer gesicherten Verpflegung in seine Überlegungen in höherem Maße als seine Zeitgenossen einbezogen und zu weite Vorstöße mit ungesicherter Versorgung seiner Truppen abgelehnt. Schließlich verbot Le Tellier auch das Heiraten der Soldaten.

Da noch im späten 18.Jh. die Commissaires de Guerre wie auch die Generäle in der französischen Armee den übergroßen Tross, der allein schon durch die mitgeführten Frauen und Kinder bedingt war, beklagten, verdeutlicht wie wenig nachhaltig alle Disziplinierungsmaßnahmen und Reorganistaionen in der französischen Armee waren.
 
1. Ich würde annehmen, dass auf französischer Seite da die Intendanten eine Rolle spielten. Dellbrück ("Geschichte der Kriegskunst") erwähnt, dass Le Tellier (1603-1685) die Klasse der Intendanten als bürgerliche Beamte eingeführt habe, die den militärischen Kommandos beigegeben wurden. Die Intendanten und deren Komissare hatten v.a. ein wichtiges Mitspracherecht in administrativen Fragen. Im Kriegsrat hatte der Intendant wie auch die militärischen Befehlshaber einen festen Sitz. Unter Le Tellier, wie auch nach ihm, was den geringen dauerhaften Erfolg verbürgt, wurde die Mitnahme der Frauen im Tross verboten. Erklärt hat dies Dellbrück damit, dass die Magazinalverpflegung wie auch die aufkommenden Feldlazarette die Frauen entbehrlich machten. In der Tat hatte schon Turenne die Notwendigkeit einer gesicherten Verpflegung in seine Überlegungen in höherem Maße als seine Zeitgenossen einbezogen und zu weite Vorstöße mit ungesicherter Versorgung seiner Truppen abgelehnt.

2. Schließlich verbot Le Tellier auch das Heiraten der Soldaten.

3. Da noch im späten 18.Jh. die Commissaires de Guerre wie auch die Generäle in der französischen Armee den übergroßen Tross, der allein schon durch die mitgeführten Frauen und Kinder bedingt war, beklagten, verdeutlicht wie wenig nachhaltig alle Disziplinierungsmaßnahmen und Reorganistaionen in der französischen Armee waren.


1. Das mit Intendanten wurde anscheinend auf britischer Seite ähnlich gehandhabt, so weit ich das überblicken kann, und auch auf britischer Seite war die Anzahl der Frauen die mitgenommen wurden gering. Je nach Regiment durften 3-6 Frauen pro hundert Mann oder in manchen Fällen Kompagnie zum Teil der Truppenstärke gezählt werden, und erhielten die Hälfte der Ration eines Mannes, und eine Viertelration jeweils für ein Kind. Reisekosten mussten meines Wissens nach selbst getragen werden.

Auf britischer Seite durfte jedoch unter Auflagen geheiratet werden, da eine gewisse Menge von Frauen als notwendig erachtet wurde, vor Allem anscheinend, damit die Soldaten hin und wieder mal ein sauberes Hemd zu tragen kriegen. Schneiderinnen aus London waren angeblich ganz besonders beliebt, da diese bei den Offizieren durch das schneidern von neuen Uniformen dazuverdienen konnten. Ebenso sollten die Frauen die zur Truppe gehörten sich auch um die Verwundeten sorgen und in den Küchen helfen. Da scheinen sich die britischen und französischen Geister zu scheiden.

Leider, leider fehlen mir von französischer Seite solche Infos, obwohl ich jetzt gerade am überlegen bin, ob es nicht auch den französischen Offizieren darum ging adrett auszusehen und man da hätte ein Geschäft machen können.

2. So war mir das eigentlich auch von der Französischen Armee zu Zeiten Ludwigs XIV in Erinnerung, weswegen ich bei den Artikeln der Kapitulation erstmal gestutzt hatte als da von Familien die Rede war. Leider konnte ich beim Nachsuchen in meiner Bib über die Armee des Sonnenkönigs erst recht nichts finden, und Childs, und meine anderen Quellen sind eher GB-lastig. Auf britischer Seite war es jedoch verboten wenn man verheiratet war Soldat zu werden. Danach lag eine Verheiratung im Ermessen des befehlenden Offizieres.

Hättest du vielleicht noch ein paar Literaturhinweise über die Französische Armee? Oder Links, wo ich mich kundig machen kann?

3. Auch meines Wissens nach ein anhaltendes Problem, nicht nur bei den Franzosen, und immer wieder Grund und Anlaß auch auf britischer Seite zu versuchen die Größe des Trosses einzuschränken. So weit ich das in Erinnerung habe, haben solche Versuche auf der anderen Seite in GB während der 90er des 17. Jahrhunderts dazu geführt, daß in den Gemeinden die für die Armenversorgung zuständig waren, Unmut herrschte weil sie für die Frauen und Kinder von Seeleuten und Soldaten aufkommen mussten.
 
Und dann habe ich noch ein recht gewichtiges Werk, das das Thema behandelt:
Lynn, John A. Giant of the Grand Siècle. The French Army 1610-1715. - und zwar der erste Band; Lynn schrieb danach noch einen zweiten Band, der die einzelnen Feldzüge abhandelt.
Das Werk enthält 16 Kapitel in 5 Abschnitten: (1) Context and Parameters, (2) Administration and Supply, (3) Command, (4), The Rank and File, (5) The Practice of War.
 
Hättest du vielleicht noch ein paar Literaturhinweise über die Französische Armee? Oder Links, wo ich mich kundig machen kann?
Das Buch vom Ospreyverlag zur Armee von Louis XIV dürfte recht gut sein. Ein kleines Preview habe ich auf Anhieb bei Google-Books gesehen und es dürfte schon allein weil es nur 48 Seiten hat weit weniger detailiert wie die Bücher zur Armee von Louis XV sein. Osprey Publishing - Louis XIV's Army

Hier das Preview:
Louis XIV's Army - Google Buchsuche
 
@ ing38

Vielen Dank für den Hinweis! :yes: Da werd' ich mal die Fernleihe in Gang setzen.

@ brissotin

Vielen Dank für den Tipp, und das Buch hätte ich auch relativ schnell zur Hand (Schande über mich, daß ich es noch nicht habe, ich bin auch GB-lastig). Ich steh' Osprey leider normalerweise etwas kritisch gegenüber, nicht weil ich die Bücher schlecht finde oder mich für die Bilder nicht begeistern kann (im Gegenteil), sondern weil sie meistens genau da aufhören wo meine Fragen anfangen. Meistens, zu meinem Leidwesen, verhält es sich nun mal so, daß ich sobald ich angefangen habe zu graben, nicht aufhören kann bis ich entweder verzweifele oder Antworten gefunden habe. :cry::) (Auf Seite 9, ist auch bei Google zu sehen, sitzt ein Hahn auf dem Wagen auf der Kiste. Die Bildunterschrift weist extra auf ihn hin, ohne zu verraten warum. Symbolik? Zufällig mitgeführtes Federvieh? Symbolik ist warscheinlicher... :autsch:)
 
@ brissotin

Vielen Dank für den Tipp, und das Buch hätte ich auch relativ schnell zur Hand (Schande über mich, daß ich es noch nicht habe, ich bin auch GB-lastig). Ich steh' Osprey leider normalerweise etwas kritisch gegenüber, nicht weil ich die Bücher schlecht finde oder mich für die Bilder nicht begeistern kann (im Gegenteil), sondern weil sie meistens genau da aufhören wo meine Fragen anfangen. Meistens, zu meinem Leidwesen, verhält es sich nun mal so, daß ich sobald ich angefangen habe zu graben, nicht aufhören kann bis ich entweder verzweifele oder Antworten gefunden habe.
Deswegen ist es ja gut in der Google-Vorschau sich das ansehen zu können. Dann bekommt man auch einen guten Eindruck davon, ob der Autor lieber mit Primärquellen hantiert oder lieber Bilder aus dem Historismus herran zieht. In der Tat ist die Qualität der Bücher von der Reihe extrem unterschiedlich und gerade die Farbabbildungen im Mittelteil beherzigen bisweilen weniger die Primärquellen als die Fantasie des Künstlers.
René Chartrand bringt zumindest in den Büchern, die ich bis jetzt sah, recht viele interessante zeitgenössische Bildchen.

Vielleicht hat er absichtlich nichts interpretiert, sondern überließ die Interpretation den Lesern.:grübel: In anderen Büchern runzelt man hingegen die Stirn über manche Interpretation von Bildern. Gerade Kunsthistoriker haben eben oft von Kulturgeschichte und Gegenständen des Alltags auf den Bildern keine Ahnung und "sehen" dann Wunderliches...:still:
 
[...] gerade die Farbabbildungen im Mittelteil beherzigen bisweilen weniger die Primärquellen als die Fantasie des Künstlers.
René Chartrand bringt zumindest in den Büchern, die ich bis jetzt sah, recht viele interessante zeitgenössische Bildchen.

Wohl wahr, wohl war ;). Die Sache mit der Phantasie des Künstlers ist mir auch schon verschiedentlich bei Osprey aufgefallen, auch wenn ich nach wie vor eine kindliche Schwäche für bunte Bilder hab'.
 
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