Tschechoslowakische Legion

H

Hurvinek

Gast
Über abenteurliche Rechercheumwege bin ich zufällig auf die Tschechoslowakische Legion auf englischsprachigen Internetseiten gestoßen.
Da wird z.B. berichtet dass ein Leutnant mit fünf weiteren Legionären mit 150 Gefangenen von Patrouille zurückkehrte. Später entdeckte ich, dass in der russischen Armee viele Tschechen dienten und nach Ende des 1. Weltkrieges sich gern von der tschechoslowakischen Legion gefangen nahmen liessen, um ihr und dem Ziel einer unabhängigen Tschechoslowakei zu dienen.
Das Martyrium welches sich die tschechoslowakischen Legionäre (ca. 35000 Mann) im Bürgerkrieg Russlands 1918-1920 aussetzen mussten ist eines von vielen Beispielen, wie Kleinststaaten (oder nach Unabhängigkeit strebende Ländchen Europas) in den Wirren der Großmächtepolitik (in diesem Fall der Entente) unter die Räder kamen. Um das Überleben zu sichern wurde denn auch von ihnen Admiral Koltschak an die Bolschewisten verraten und übergeben.
 
Zahlreiche Tschechoslowaken kämpften auf russicher Seite im Ersten Weltkrieg, im Oktober 1917 insgesamt ein Armeekorps mit zwei Divisionen (1., 2.) und 8 Regimentern (1.-8.), dazu eine Reservebrigade mit zwei Ersatzregimentern und zwei Artilleriebrigaden mit je 3 Batterien.

In der marxistischen Historiographie wurde deren Rolle wohl insgesamt kritisch gesehen, da man im Sommer 1918 den Kampf gegen die Sowjetregierung aufgenommen hatte und damit als konterrevolutionär galt. Die Bezeichnungen lauten daher auf "Söldner der Reaktion", die in Sibirien Grausamkeiten begannen haben. Parallel gab es in dieser Zeit eine tschechoslowakische Rote Armee.

Ein weiteres Problem scheint die Eingliederung der Söldner nach Rückkehr in die CSR gewesen zu sein, wo sich geradezu ein Mythos um die sibirische Anabasis entwickelt zu haben scheint.
Viele Mitglieder sind von Wladiwaostok eingeschifft, in die Heimat zurück gekehrt. Die USA hatten den Transport von rd. 36.000 Mann garantiert, Japan rd. 9.000 Mann, England etwa 15.000 ab. Gleichfalls abtransportiert wurden zahlreiche erbeutete Güter, die Masse wurde aber wohl an die Verschiffungsmächte verkauft.
 
Mittlerweile korrigiere ich mein erstes Posting.
Der Auslöser des Bürgerkrieges ab 1918 war die geplante Entwaffnung der Tschechoslowakischen Legion durch die Bolschewiki.
 
Hallo Hurvinek,
was meinst Du damit?

Grüße
Thomas

Hmm, hab mich verlesen. Kommt im Eifer des Gefechts vor.
Hab ein Buch, dass sogar behauptet, die Tschechen kämen vom Fernen Osten (die Japaner in der Hinterhand) Richtung russisches Europa. Da hat der Autor oberflächlich recherchiert.
 
Hab ein Buch, dass sogar behauptet, die Tschechen kämen vom Fernen Osten (die Japaner in der Hinterhand) Richtung russisches Europa. Da hat der Autor oberflächlich recherchiert.

Genau, das war umgekehrt,
von der Ukraine nach Wladiwostok. Zeitweise war auch Archangelsk im Gespräch.
 
Die Legion geriet nach der Oktoberrevolution in eine schwierige Lage. Zum einen wurde die Versorgung gestört bzw. eingestellt. Zum anderen drohte der Verband (der immer als bewaffnete Macht der Tschechoslowaken nach Kriegsende vorgesehen war), in der Ukraine nach dem Friedensschluß in eine "illegale" Stellung zu geraten.

In einer Vereinbarung wurde mit den Bolschewiken den Tschechoslowakischen Truppen "bewaffnete Neutralität" und freier Abzug nach Frankreich zugesichert. Unter der Führung von Masaryk galt der Grundsatz der Nichteinmischung in die russischen Verhältnisse. Parallel wurde am 15.12.1917 durch Frankreich die Anerkennung des Armeekorps (Legion) als selbständige Armee und des tschechoslowakischen Nationalrats als Regierung ausgesprochen. Das Dekret ist von Poincaré unterzeichnet.

Der Entschluß zum Marsch durch Sibirien bis nach Wladiwostok wurde dann wohl im März 1918 gefaßt (die Lösung Archangelsk schien im weiteren Reiseverlauf durch deutsche U-Boote gefährdet, den Vorschlag, auf Seiten Rumäniens in den Krieg einzugreifen und über das Mittelmeer auszuweichen, lehnte Masaryk wegen der dortigen chaotischen Versorgungsverhältnisse ab)
 
den Vorschlag, auf Seiten Rumäniens in den Krieg einzugreifen und über das Mittelmeer auszuweichen, lehnte Masaryk wegen der dortigen chaotischen Versorgungsverhältnisse ab)


Und die Türken? Kann mir nicht vorstellen, dass die die Tschechen durch den Bosporus gelassen hätten.
 
Und die Türken? Kann mir nicht vorstellen, dass die die Tschechen durch den Bosporus gelassen hätten.

Wie sah denn dort die Situation im März 1918 aus?

Es war nur vorgeschlagen worden, erst (!) nach Rumänien zu gehen, der Weiterzug sollte perspektivisch wohl erst nach Kriegsende erfolgen (Masaryk, Die Weltrevolution, Berlin 1925,)
 
Wie sah denn dort die Situation im März 1918 aus?

Es war nur vorgeschlagen worden, erst (!) nach Rumänien zu gehen, der Weiterzug sollte perspektivisch wohl erst nach Kriegsende erfolgen (Masaryk, Die Weltrevolution, Berlin 1925,)


März 1918, Friede von Brest war abgeschlossen worden. Friede mit Rumänien ebenfalls. (Mackensen war Befehlshaber im deutsch besetzten Rumänien, Tucholsky war mit in Bukarest, hat ein paar schöne Geschichtchen über die Deutschen als Besatzer geschrieben) Ukraine bis Rostow Deutsch/ÖU besetzt, Ein ehem. russ. Schlachtschiff im Schwarzen Meer wurde wenig später unter deutscher Flagge wieder in Dienst gestellt. Die Türken waren dabei Baku zu besetzen. Die Türken standen noch bei Bagdad und in Palästina. Die Goeben und Breslau waren dabei die DardanellenSicherung der Alliierten in westlicher Richtung zu durchbrechen und Saloniki anzugreifen, wobei die Breslau dann verloren ging.


Also irgendwie bring der Herr Masaryk da etwas durcheinander.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Problem mit der Legion verselbständigte sich zusehends. Im Bürgerkrieg 1918 war die Bolschewiki nicht in der Lage die Tsch. Legion nach Sibirien/Fernen Osten zu verfrachten. Die mussten sich selbst versorgen und Logistik betreiben.
Da die Bolschewiki zudem keine Lust verspürte eine Armee die nicht pro-bolschewistisch (zuerst neutral) war, war es der Bolschewiki einerlei, was mit denen passierte. Lieber als Feind bekämpfen als sie zu beköstigen.

Bei wikipedia gibt es zur Tsch. Legion allerhand hanebüchendes Zeug. So sollen sie die 5000 km Transsibirische Eisenbahn bis Wladiwostok faktisch besetzt haben, bis der letzte tschechische Legionär in Wladiwostok angekommen sei. Man hat sicherlich abschnittsweise die Bahnstrecke gesichert und bei Umschwenken von Neutralität zur Seite der "Weißgardisten" war die Sicherung der Bahnstrecke weitaus problemloser und nicht unter vollständiger Kontrolle der Tsch. Legion.
 
Vielleicht schon.
Gab es denn noch eine rumänische Front? Tiraspol?

Definitiv nicht.
Im Dezember 1917 (9.?) war ein Waffenstillstand abgeschlossen worden, im März 18 der Vorfriede im Mai der endgültige.
(Wobei die Rumänen am 18. Nov. 1918 dem Deutschen Reich dann wieder den Krieg erklärten)

Die Lage aller sich in Rußland befindlichen Kriegsgefangenen wurde nach der Revolution sehr schwierig. Freisler (der vom Volksgerichtshof) soll da eine Weile Bolschewik gewesen sein. Die Rolle Reuters (Berliner reg, BM, Vater des späteren Daimler Chefs) ist ja bekannt. Die Berichte der Heimkehrenden lesen sich wie Abenteuerromane.
 
Freisler (der vom Volksgerichtshof) soll da eine Weile Bolschewik gewesen sein.

Allerdings sind die Wirren der Ostfront 1917/18 für alle damals Beteiligten hüben wie drüben sowas von verworren und ständig der Veränderung ausgesetzt gewesen, das allerhand aus heutiger Sicht seltsam vorkommt.
Wäre ich in den wirren Zuständen dabei gewesen, ich würde mich nach 70 Jahren wundern, was ich damals alles angestellt habe.
 
Allerdings sind die Wirren der Ostfront 1917/18 für alle damals Beteiligten hüben wie drüben sowas von verworren und ständig der Veränderung ausgesetzt gewesen, das allerhand aus heutiger Sicht seltsam vorkommt.
Wäre ich in den wirren Zuständen dabei gewesen, ich würde mich nach 70 Jahren wundern, was ich damals alles angestellt habe.

Reuter war dann ja auch noch ne ganze Weile bei der KPD. Ist ja OK.. Auch andere wurden schon vom Saulus zum Paulus.

Aber ausgerechnet Freisler....
 
Ich glaube, Hurvineks Hinweis gilt auch für Masaryk. Ob der nun irgendwo in der (Ost-)Ukraine den Überblick hatte, wie die Lage war? Die von ihm so geschilderte Option kam ja auch nicht zum Tragen,

vermutlich wegen ihrer Unsicherheit, wenn man sich die realisierte Alternative mit dem Zug durch Sibirien nach Wladiwostok vor Augen hält. Ist ja nun nicht gerade der direkte Weg nach Hause :winke:
 
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