Semantische Verschiebung
Das ist nicht einmal so selten zwischen ähnlich nah verwandten Sprachen. Solche Sachen kommen auch immer mal wieder vor, dass Begriffe im Deutschen und im Englischen ähnlich klingen und aus dem gleichen Wort entstammen aber teilweise oder gänzlich anders verwendet werden. Auch in der retroperspektive kommt dies vor. So nutzten Menschen vor 200 Jahren teilweise die gleichen Worte wie ich, sie hatten allerdings eine völlig andere Bedeutung oder Konnotation.
Als Beispiele:
Billig. Vor 200 Jahren bedeutete das Wort noch 'gerecht'. War ein Produkt also seinen
Preis wert bzw, wenn der
Preis gerechtfertigt war, dann war es
billig (=preiswert).
Billig mit der Bedeutung 'gerecht' versteht heute keiner mehr (obwohl wir das Verb
billigen - welches sich allerdings auch semantisch verschoben hat - und die Redewendung "recht und billig" noch benutzen), wir verstehen gerade noch die Bedeutung 'preiswert' erleben aber seit einigen Jahren eine erneute Bedeutungsverschiebung, wobei noch völlig offen ist, ob die sich durchsetzt oder nicht: "Boah is' das
billig!" kann bedeuten, dass etwas von schlechter Qualität ist, was durchaus auch eine Erfahrung sein kann, die mit Preisen zusammenhängt: Produkte niedriger Qualität haben häufig auch einen niedrigeren Preis, als Produkte hoher Qualität. Aber so, wie sich
preiswert schon bedeutungsverschoben hat (nicht mehr im Sinne davon, dass etwas 'seinen Preis wert' ist, sondern dass es wenig kostet), so hat sich
billig durch die Konnotation von Produkten schlechter Qualität eben auch schon wieder von der Bedeutung 'preiswert' gelöst. Auch eine Ausrede kann
billig sein. Oder der Versuch aufzufallen ("billige Aktion").
Bei einem anderen Beispiel kann man das indoeuropäische Etymon von dt.
Gast und Lateinisch
hostis, sowie die spanische Ableitung davon,
hueste heranziehen. Während das deutsche
Gast positiv konnotiert ist, ist das lateinische
hostis negativ konnotiert, wir übersetzen es mit 'Feind'. ursprünglich dürfte es so etwas wie 'Fremder' bedeutet haben, nur dass es im germanischen Zweig der indoeuropäischen Sprachen oder auch nur im deutschen Zweig der germanischen Sprachen eben als freundlich gesonnen oder Besucher seine Bedeutung festigte, während es eben im Lateinischen eher den nicht so freundlich gesonnenen Fremden bedeutete. Wenn wir vom Lateinischen zum Spanischen gehen, entwickelt sich aus dem negativ konnotierten Wort ein als neutral zu markierendes Wort:
Hueste heißt nichts weiter, als 'Heer'. Wie wird aus dem Wort für 'Feind' das Wort für 'Heer'? Eigentlich ganz einfach: Feinde sind normalerweise Menschen, die in militärischen Verbänden, eben Heeren auftreten. Zunächst also wird im Spätlateinischen oder Frühromanischen aus der Bedeutung 'Feind' die Bedeutung 'feindlicher Heeresverband' geworden sein, später ist der wertende Teil weggefallen, so, dass nur noch die Bedeutung 'Heer(esverband)' übrig blieb, so, dass man das Wort plötzlich auch für das eigene Heer verwenden konnte.
Manche Worte verändern sich nur um Nuancen, bei anderen erkennt man ohne das Wissen um die gemeinsame wortgeschichtliche Herkunft keinen Zusammenhang mehr.