Übernahme von Sprachen, Widerstand, Macht

@Ammianus . Es waren die Waräger, die auf ihren Raub- und Handelszügen in Richtung Konstantinopel Stützpunkte an den russischen Flüssen gründeten und maßgelblich zur Entstehung erster Machtzentren beitrugen. Und obwohl sie wohl als kleine Oberschicht politisch dominierten waren sie die jenigen die sich assimilierten und Slawen wurden.

die Waräger waren doch zur gleichen Zeit aktiv wie die Wikinger, ich lese grade Jared Diamonds "Kollaps" und die Wikinger/Normans sind ca. 800 in die Normandie eingefallen, haben dort sehr schnell die Oberschicht gestellt aber die französische Sprache ihrer Umgebung angenommen, ebenso wie die Waräger und nur 200 Jahre später erobern sie England. Aber dabei verändern sie die vormals angelsächsische Sprache zu englisch mit etlichen französisch/lateinischen Vokabeln. Das ist doch bemerkenswert. Oder war das nur möglich weil vorher in Britain schon ein lateinisch-germanisches ergo indoeuropäisches Gemisch nebeneinanderher gesprochen wurde und wo waren die keltischen Reste.
Ich stelle fest, dass ich über die Sprachentwicklung in Britain nichts weiß....
 
In beiden Fällen wurden dann Namen aus der Sprache der Minderheit die Bezeichnung von Volk und Staat.
Das ist eine witzige Beobachtung!

Weitere Beispiele:
- Franzosen/Frankreich

Aber auch Gegenbeispiele (Übernahme des Namens einer unterlegenen Bevölkerungsschicht), allerdings meist aus sehr komplexen politischen Gründen:
- Briten/(Groß-) Britannien
- Helvetier/Helvetien
- Preußen
 
@deSilva Man könne allerdings vermuten, dass diese Art von Sprachentwicklung seit einer durchgreifenden Alphabetisierung abgeschlossen ist. Man spricht heute so, wie man schreibt, was eine starke Stabilisierung der Sprache zur Folge hat! Diese Meinung mag aber auch falsch sein :)

ich glaube, diese Frage müssen die nach uns Kommenden beantworten, die geschriebene Sprache ist auch Veränderungen unterworfen.

@deSilva Ich wollte auf etwas anderes hinaus.. Was ist denn "Indisch" oder "Chinesisch"? So etwas gibt es einfach nicht! Es sind riesige Sprachmengen.. Wir kennen viel zu wenig Details!

trotzdem gibt es doch eine lingua franca / Amtssprache, ist das nicht Han-Chinesisch und in Indien / vielen afrikanischen Ländern englisch, genauso wie etwa hochdeutsch um in deinem Eingangsbeispiel zu bleiben für uns
 
@Tekker :confused: Wo bitte?

das war eine sprachökonomische Vereinfachung mit Lehnworteffekt, ha ha und gute Nacht
 
@hurvinek Man spricht immer die Sprache derjenigen die die modernere und expandierende Wirtschaft und Wissenschaft sowie fortschrittlichere Lebensauffassung eint.
Dessen Sprache bringt die nötigen Worte für die weiterentwickelte Wirtschaft/Wissenschaft und Erfindungen mit. Zudem ist diese Sprachgruppe selbstsicherer und offener.
so generell würde ich das nicht sagen, zwar werden die Bezeichnungen gern aus der Erfindersprache entlehnt, z.b. aktuelle Anglizismen oder die französischen Lehnwörter des 18. Jahrhunderts, die u.a. der Aufklärungsliteratur aber auch den Eroberungen Napoleons geschuldet sein könnten.

Klick im Posting unten auf den "Zitieren"-Button. Dann unter dem abgebildeten Text antworten. Falls du nicht auf den ganzen Text dich beziehen willst, lösche Text heraus, lasse aber die Teile die in eckigen Klammern am Anfang und Ende sind unbedingt stehen. Dann sieht es übersichtlicher aus. :winke:
Kannst das sogar mit dem "Vorschau"-Button vorher anschauen, wie es dann veröffentlicht aussehen wird.
 
@deSilva Ich wollte auf etwas anderes hinaus.. Was ist denn "Indisch" oder "Chinesisch"? So etwas gibt es einfach nicht! Es sind riesige Sprachmengen.. Wir kennen viel zu wenig Details!

trotzdem gibt es doch eine lingua franca / Amtssprache, ist das nicht Han-Chinesisch und in Indien / vielen afrikanischen Ländern englisch, genauso wie etwa hochdeutsch um in deinem Eingangsbeispiel zu bleiben für uns
Ja, aber das hilft uns nichts in der Diskussion. Dann landen wir da wo wir angefangen haben:
Aha, in Gallien spricht man "Lateinisch", das Keltische ist wohl verdrängt, ausgestorben. Aber wieso?
Aha, in China spricht man Chinesisch, und hat immer Chinesisch gesprochen, ganz prima.
Aha, in Indien spricht man Englisch, obwohl es noch Reste von Eingeborenendialekten gibt. Wieso eigentlich?

Nein, ich meine, das ist eben NICHT so!
Wenn heute viele Inder Englisch verstehen oder sogar sprechen, dann liegt das am Fernsehen; sie sprechen Dutzende verschiedener Sprachen, und oft nur diese. Ähnlich in China.....
Die "Massenmedien" tun ihr Möglichstes zur "Zerstörung" dieser Vielfalt, aber das waren nicht die in den letzten tausend Jahren wirksamen Effekte - können es gar nicht gewesen sein...
 
ok danke Hurvinek, ich hoffe das geht auch bei Zitaten aus mehreren Posts

Sicher, nutze dazu den Button neben dem "zitieren"-Knopf. Wünsche ebenfalls eine gute Nacht. :)

Genau. Der Button mit den Gänsefüsschen oben ,neben "Zitieren", zuerst bei den Postings anklicken. Das letzte Posting was du zitieren willst dann auf "Zitieren" klicken. Dann frohes Schaffen beim Umsortieren, Löschen und Schreiben. Und beachten, die Textteile mit den eckigen Klammern (wo QUOTE drinsteht) nicht löschen! Zwischen den verschiedenen Zitaten kannst schreiben, wie auch nach allen Zitaten unten wech.
 
Sprache hat nicht nur eine verbindende, sondern auch eine abgrenzende Funktion. Wer genau wissen will, was ich meine, kann sich mal in ein oberbayerisches Wirtshaus setzen. Sie schafft eine gemeinsame Gruppenidentität und hält Fremde außen vor. Dieser Aspekt kam noch gar nicht in der bisherigen Diskussion vor.

Das Beharrungsvermögen und Überleben mancher Linguen kann ich mir nur so erklären.
 
....Sie schafft eine gemeinsame Gruppenidentität und hält Fremde außen vor. Dieser Aspekt kam noch gar nicht in der bisherigen Diskussion vor.
Natürlich kam sie schon vor... ich sprach oben "Separatisten" an. Letztendlich ist der Unterschied zwischen "Verbindendem" und "Trennendem" immer eine Sache der "Skala": Was nicht auf unterer Ebene verbunden ist, ist eben auf oberer Ebene getrennt. Nicht nur in der Mathematik heißt das wohl "Klassenbildung".

Vielleicht ist dieser - politisch - so oft betonte "identitätsstiftende" Effekt einer gemeinsamen Sprache aber auch nur eine Fiktion (s. etwa serbo-kroatisch)... Die alten Griechen nannten die Leute, die "anders" sprachen als sie, Barbaren! Ob sich ein West- und ein Ostgrieche aber wirklich unterhalten konnte, weiß man nicht. Ich habe neulich irgendwo den Grundwortschatz alt-persisch und ionisch gesehen - wenig Unterschiede, als damals noch eng verwandte Sprachen! Urdu und Hindi ein anderes Beispiel, das sind nicht zwei verschiedene Sprachen...

Eine Frage wäre, inwieweit hierbei ein "Missbrauch" der Sprache vorliegt, d.h. OBWOHL es für den Sprecher eigentlich nur (sprachökonomische) Nachteile mit sich bringt, hängt er an einer alten oder neu-erfundenen Sprache (Stichwort: "Sub-Kultur").

Ähnlich bei Elite-Sprachen (Fachsprache der Ärzte, Jäger,... Kirchenslawisch,...) Man könnte hier allerdings sagen: Dies bringt für den Sprecher (sprachökonomische) Vorteile: präzisere Ausdrucksweise, Zugriff auf einen wichtigen historischen Datenkanon,...)

Möglicherweise liegt hier aber auch der Grund, warum herrschende Klassen ihre eigene Sprache aufgeben (Franken in Frankreich, Normannen in England, Waräger in Russland,...): keinerlei wirkliche Vorteile und ausreichend Selbstbewusstsein...
 
Zuletzt bearbeitet:
balticbirdy
Sprache hat nicht nur eine verbindende, sondern auch eine abgrenzende Funktion
Extremform wäre die Geheimsprache, ob erfunden oder vorgefunden. Wenn der Eroberer "sein" Volk im Griff behalten wollte, mußte er sich beeilen, die Sprache zu erlernen, ansonsten konnte sich das Volk vor seinen Ohren gegen ihn verschwören.
 
Die klassischen (Nicht-)Antworten sind:
[...]
- Hier hat sich die Sprache der Eroberer-Elite durchgesetzt -

Ich pflege bei dieser Nicht-Antwort darauf hinzuweisen, daß eine dünne Eroberer-Elite in aller Regel nicht in der Lage ist, ihre Sprache gegenüber einer starken Sprechermehrheit einer einheimischen Sprache durchzusetzen, wenn sie nicht entweder eine Kultur mitbringt, die (in der Sicht der eingeborenen Bevölkerung) der einheimischen Kultur "überlegen" ist oder aber durch eine starke Erhöhung der Zahl ihrer Sprecher die absolute Sprechermehrheit der einheimischen Sprache knackt.

Letzteres kann durch verschiedene Szenarien geschehen:
1. Die Eroberung führt zu einer massiven Einwanderung von Sprechern der Eroberersprache.
2. Die Einheimischen werden gewollt oder unbeabsichtigt (z. B. durch Einschleppen von Seuchen, das dürfte in Amerika ein mitentscheidender Faktor gewesen sein) stark dezimiert
3. Die Einwanderer vermehren sich viel stärker als die Einheimischen, z. B. indem sie den Ackerbau mitbringen, der eine hundert- und tausendfach höhere Bevölkerungsdichte erlaubt als etwa die Sammler-und-Jäger-Wirtschaftsform.

Darüber hinaus gibt es noch die Möglichkeit der gewaltsamen Unterdrückung einer Sprache, was allerdings vor dem 20. Jahrhundert nur selten vorgekommen sein dürfte.
 
Ich pflege bei dieser Nicht-Antwort darauf hinzuweisen, daß eine dünne Eroberer-Elite in aller Regel nicht in der Lage ist, ihre Sprache gegenüber einer starken Sprechermehrheit einer einheimischen Sprache durchzusetzen, wenn sie nicht entweder eine Kultur mitbringt, die (in der Sicht der eingeborenen Bevölkerung) der einheimischen Kultur "überlegen" ist oder aber durch eine starke Erhöhung der Zahl ihrer Sprecher die absolute Sprechermehrheit der einheimischen Sprache knackt. [...]
Darüber hinaus gibt es noch die Möglichkeit der gewaltsamen Unterdrückung einer Sprache, was allerdings vor dem 20. Jahrhundert nur selten vorgekommen sein dürfte.

"Normalerweise" entscheidet also die Zahl der Sprecher bzw. deren Sozialstatus.

Beim Stichwort "Sprachpolitik" führt WP auf "Sprachimperialismus" weiter, wo Phillipsons Theorie erwähnt wird, also das 19. Jahrhundert. Sollte es tatsächlich davor nichts dergleichen gegeben haben? Via Sprach-Verbote die Identität eines Volkes zu beeinträchtigen, ist doch ein zu naheliegender Gedanke.
 
@Hyo, erkläre mir Ungarn.


In Ungarn gab es keine einheimische Sprechermehrheit. Das habe ich vor zehn Tagen in einem anderen Pfad bereits ausführlich erklärt:

Schon zu den Zeiten der alten Römer finden wir einen bunten Flickenteppich von illyrischen, dakischen, keltischen, germanischen und sarmatischen Stämmen vor, durchsetzt von Kolonisten aus verschiedenen Teilen des römischen Reichs. In der Folgezeit wird es noch unübersichtlicher: Erst dominieren die Hunnen (die ihrerseits eher ein Völkergemisch darstellen), dann verschiedene germanische Stämme, dann die (wohl auch nicht sonderlich homogenen) Awaren, dann die Slawen. Es spricht alles dafür, daß die dann erst eindringenden Magyaren einen babylonischen Sprachenwirrwarr vorfanden. In einem Gebiet, wo es von vornherein keine Sprechermehrheit gibt, hat die Sprache einer politisch dominierenden Minderheit gute Chancen, sich durchzusetzen.
 
"Normalerweise" entscheidet also die Zahl der Sprecher bzw. deren Sozialstatus.

Beim Stichwort "Sprachpolitik" führt WP auf "Sprachimperialismus" weiter, wo Phillipsons Theorie erwähnt wird, also das 19. Jahrhundert. Sollte es tatsächlich davor nichts dergleichen gegeben haben? Via Sprach-Verbote die Identität eines Volkes zu beeinträchtigen, ist doch ein zu naheliegender Gedanke.

Es gab im 16. Jhdt. in Spanien eine Politik der sprachlichen Reinigung. Heute sind etwa 1200 spanische (Alltags-)Worte arabischen Ursprungs (Zählung Volker Noll im DRAE). Es muss aber um 1500 mehr Arabismen gegeben haben bzw. das ist sicher. Wörterbücher des mittelalterlichen Spanisch weisen Arabismen auf, die es heute nicht mehr gibt und im 16. Jahrhundert gibt es einen deutlichen Anstieg lateinischer, griechischer und französischer Lehnworte, wobei allerdings bei den lateinischen und griechischen Entlehnungen der renacentistische Zeitgeist wohl eher ausschlaggebend ist, als die Reinigung vom Arabischen. Bei Alltagsworten ist eher der frz. Anteil ausschlaggebend. So wurde z.B. der kastilische Arabismus alfaiate durch den Gallizismus sastre ersetzt. (Aber es gibt auch lateinische BspBsp.: asp. alfaza > nsp. lechuga < lat. lactuca)

Sprachreinigung als Mode würde ich eher im 19. denn im 20. Jahrhundert beginnend ansetzen - man nehme wiederum Spanien, aber auch Preußen, Großbritannien etc.
 
Zurück
Oben