Umgangsformen

Claire

Neues Mitglied
Mal eine Frage zum Zwischenmenschlichen zu dieser Zeit:

Welche Bedeutung hatte die Familie (Vor allem auf den 3. Stand bezogen) meistens hatte ein Paar mehrere Kinder, wobei viele nicht das erwachsenen Alter erreichten - wie wurde damit umgegangen (Trauer, Neutralität, Erleichterung)? Wie waren die Beziehungen unter den Kindern und zu den Eltern, zu den Nachbarn...?

Was denkt ihr, hat sich an den Umgangsformen von damals, zu heute verändert?
 
Das ist ein ziemlich umfangreiches Thema. Mein Problem ist jetzt, dass ich nichts verabsolutieren möchte.

Erstmal eine Gegenfrage: was meinst Du mit 3. Stand? Meinst Du damit alles, was nicht Adel und nicht Klerus ist?
Zu den Ständen eine kleine Zusammenfassung von mir: http://www.geschichtsforum.de/382763-post94.html
Wenn ja: Oh, dann ist das ein Fass ohne Boden. Dann kann ich nur verschiedene Bücher mit Augenzeugenberichten empfehlen. Eigene Äußerungen von Bauern oder gar Knechten, Tagelöhnern etc. gibt es nur selten.

Wenn Du nur Bürgerliche meinst, geht eine Erklärung auch aus der Erinnerung an das, was ich über Jahre zu dem Thema gelesen habe, schon eher.:winke:
 
Mal eine Frage zum Zwischenmenschlichen zu dieser Zeit:

Welche Bedeutung hatte die Familie (Vor allem auf den 3. Stand bezogen) meistens hatte ein Paar mehrere Kinder, wobei viele nicht das erwachsenen Alter erreichten - wie wurde damit umgegangen (Trauer, Neutralität, Erleichterung)? Wie waren die Beziehungen unter den Kindern und zu den Eltern, zu den Nachbarn...?

Was denkt ihr, hat sich an den Umgangsformen von damals, zu heute verändert?


Das ist eine überaus komplexe Fragestellung, die sich nicht mit einem oder wenigen Sätzen beantworten lässt.

Brissotin fragte, was du unter dem 3. Stand verstehst, ebensogut lässt sich aber auch die Frage stellen, was man im 18. oder 19. Jahrhundert unter Familie versteht. Zur bäuerlichen Familie gehörten nicht nur Familienangehörige im engeren Sinne, sondern auch Dienstboten, ebenso wie Handwerkerfamilien aus Meister, Meisterin, gesellen und Lehrlingen bestand. In proletarischen Haushalten kommen zu Familienangehörigen Kostgänger und Schlafgäste.

Das was wir heute unter Familie verstehen, ist aus dem Entwurf der bürgerlichen Familie im 19. Jahrhundert entstanden.

Zu diesem ebenso komplexen wie auch interessanten Thema gibt diese nicht mehr ganz taufrische, aber gut geschriebene Studie ausführlich Auskunft:

Heidi Rosenbaum, Formen der Familie
Frankfurt 1981.


Um aber doch eine kürzere Antwort auf deine Frage zu geben, zitiere ich ein Sprichwort:

"Wer nichts erheiratet und nichts erbt,
bleibt ein Lump bis er stirbt."
 
Was die Frage angeht wie mit dem frühen Tod von vielen Kindern umgegangen wurde, so kann man nur sagen: unterschiedlich.
Es gab Eltern die sich augenscheinlich recht wenig um ihre Kinder scherten (als Beispiel, wenn auch nicht aus dem dritten Stand, sei hier z.b. Talleyrand genannt, der seine Eltern so gut wie nie zu Gesicht bekam) und es gab Eltern die herzzerreißende Zeugnisse der Trauer hinterlassen haben (z.B. Martin Luther über den Tod seiner kleinen Tochter). Die Menschen waren halt auch schon vor zwei- oder dreihundert Jahren verschieden.
Man kann nur immer einzelne Beispiele herauspicken, verallgemeinern lässt sich nichts.
 
Vielen Dank für die Antworten :)
unser Geschichtslehrer hat des öfteren mit dem "dritten stand" um sich geworfen und damit die Bauern und die Armen gemeint. (Nicht das reiche Bürgertum, welches soziale Mobilität erlangt hatte. - wenn ich das jetzt richtig sage :))
Eine Buchempfehlung wäre sicherlich auch hilfreich :) aber die Umgangsformen beim Bürgertum nimmt mich jetzt doch auch wunder, wenn du was darüber weisst.

Eben diese Frage, was verstand man unter Familie, habe ich mir auch schon gestellt. War es eine Sache des Blutes, gab es "Familieäre-Gefühle" oder einfach nur Verpflichtungen die man aufgrund der Verwandschaft erbringen musste.
Bei dem Adel ging es ja immer darum, einen Sohn zu kriegen, der dann die Blutlinie fortführen konnte, aber hatte das dieselbe Bedeutung auf eine Bauersfamilie angewandt?

Beim Umgang gab es also allgemein kein richtig und kein falsch, aber gibt es nicht einfach bestimmte Stichpunkte die man auf mehrere Familien anwenden kann, z.b das älteste Kind einer Familie musste immer auf die jüngeren aufpassen?
 
Vielen Dank für die Antworten :)
unser Geschichtslehrer hat des öfteren mit dem "dritten stand" um sich geworfen und damit die Bauern und die Armen gemeint. (Nicht das reiche Bürgertum, welches soziale Mobilität erlangt hatte. - wenn ich das jetzt richtig sage :))
Eine Buchempfehlung wäre sicherlich auch hilfreich :) aber die Umgangsformen beim Bürgertum nimmt mich jetzt doch auch wunder, wenn du was darüber weisst.

Eben diese Frage, was verstand man unter Familie, habe ich mir auch schon gestellt. War es eine Sache des Blutes, gab es "Familieäre-Gefühle" oder einfach nur Verpflichtungen die man aufgrund der Verwandschaft erbringen musste.
Bei dem Adel ging es ja immer darum, einen Sohn zu kriegen, der dann die Blutlinie fortführen konnte, aber hatte das dieselbe Bedeutung auf eine Bauersfamilie angewandt?

Beim Umgang gab es also allgemein kein richtig und kein falsch, aber gibt es nicht einfach bestimmte Stichpunkte die man auf mehrere Familien anwenden kann, z.b das älteste Kind einer Familie musste immer auf die jüngeren aufpassen?


Einen Sohn zu bekommen, dem man den Hof oder die Werkstatt vererben konnte und der im Alter für einen sorgte, war auch in bäuerlichen Familien oder in denen von Handwerkern ein zentrales Thema. In Gebieten mit Erbteilung ging der Hof in der Regel an den ältesten Sohn. Die meisten Handwerke war total überbesetzt, und es hatten oft nur Söhne von Meistern überhaupt die Chance, selbst jemals Meister zu werden. Die Kindersterblichkeit war nicht nur in den Hütten, sondern auch in den palästen sehr hoch. Von Queen Annes 16 Kindern erreichte nicht ein einziges das Erwachsenenalter. Viele Frauen starben im Kindbett. Für die Kinder bedeutete das in vielen Fällen mit Halbgeschwistern oder einer Stiefmutter aufzuwachsen und in der Erbfolge durchgereicht zu werden, was natürlich Spannungen hervorrufen musste. Vor diesem sozialen Hintergrund sind auch Motive aus den Märchen der Brüder Grimm zu verstehen.
 
Brissotin fragte, was du unter dem 3. Stand verstehst, ebensogut lässt sich aber auch die Frage stellen, was man im 18. oder 19. Jahrhundert unter Familie versteht. Zur bäuerlichen Familie gehörten nicht nur Familienangehörige im engeren Sinne, sondern auch Dienstboten, ebenso wie Handwerkerfamilien aus Meister, Meisterin, gesellen und Lehrlingen bestand. In proletarischen Haushalten kommen zu Familienangehörigen Kostgänger und Schlafgäste.
Hier sehe ich, wenn ich mich recht entsinne, den Wandel vom 18. zum 19. Jh.. Was Du meinst entspricht der Lehre vom "ganzen Haus" (Otto Brunner). Die Familie wurde ab der Aufklärung enger umrissen.
Gerade die Bedienten und die unverheirateten Familienangehörigen gehörten nicht mehr dazu.

Diese Definition sehe ich aber auch kritisch. Für die Bedienten (Knechte, Mägde etc.) fühlte man sich immernoch verantwortlich. Denn diese konnten so eigentlich keine eigene Familie mangels finanzieller Mittel gründen.

Vielleicht googelst Du, Claire, mal nach Otto Brunner und dem Schlagwort "ganzes Haus". :)

An Literatur sei Dir das hier im Forum oftmals empfolhene Standardwerk "Die Geschichte des privaten Lebens" (Aries/Duby) nahegelegt.
Sämtliche Aspekte dieses vielschichtigen Werkes hier auszubreiten, wäre eine Herkulesaufgabe.

Viel Erfolg! :)
 
Viele Frauen starben im Kindbett. Für die Kinder bedeutete das in vielen Fällen mit Halbgeschwistern oder einer Stiefmutter aufzuwachsen und in der Erbfolge durchgereicht zu werden, was natürlich Spannungen hervorrufen musste. Vor diesem sozialen Hintergrund sind auch Motive aus den Märchen der Brüder Grimm zu verstehen.
Finde diese Überlegung sehr spannend. Muss wohl auch mal eines der Brüder Grimm Märchen hervorholen und sie in diesem Licht betrachten :)

Das Buch "Die Geschichte des privaten Lebens" ist leider in keiner unserer Bibliotheken vorhanden. Muss mal weiterschauen - es zu kaufen ist mir dann doch bisschen zu teuer ;)

Vielen dank für eure grossartige Hilfe, bin jetzt bereits einen Schritt weiter den sozialen Hintergrund dieser Zeit zu kennen :)
 
@Claire

Zur gesellschaftlichen Wahrnehmung, Auseinandersetzung mit dem Tod, insbesondere in der französischen Geschichte, findest Du vieles in dem Buch von P. Aries, "Geschichte des Todes", DTV, 1999, ISBN-10: 3423301694.

Viel Spaß beim lesen.

M.
 
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