Unterkünfte für "Vertriebene" im besetzten Berlin

Brandeis

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Hallo!

Meine Familie ist vor Jahrzehnten aus Deutschland ausgewandert und mein Deutsch ist alles andere als gut. Bitte entschuldigen Sie Fehler und lassen Sie mich wissen, wenn etwas nicht klar ist.

Mein Urgroßvater verlor im Ersten Weltkrieg seinen eigenen Vater und war in den 1920er Jahren nach Argentinien ausgewandert. Dort heiratete er eine junge Frau, Tochter einiger Einwanderer aus Deutschland und hatte 4 Kinder. Bald, mit Hitlers Aufruf an die deutschen Migranten, nach Hause zurückzukehren, nahm er seine Familie und zog zurück in das Dorf in Thüringen, in dem er geboren wurde.

Gegen Ende des Krieges 1945 floh die Familie aus Thüringen nach Berlin, in der Hoffnung, nicht unter sowjetische Besatzung zu geraten. Mein Urgroßvater war Mitglied der örtlichen NSDAP und sie hatten schreckliche Geschichten darüber gehört, was die Sowjets den Nazis antun konnten, die sie gefunden hatten. Was meine Familie über diese Geschichte weiß, hat uns meine Großmutter oft erzählt, die erst vor ein paar Monaten von COVID-19 verstorben ist.

Sie erzählte uns, dass sie und ihre Brüder, weil sie in Südamerika geboren wurden, behaupteten, in Deutschland gefangene Ausländer zu sein. Sie und ihre Brüder wurden in ein Kinderheim gebracht, wo sie mindestens ein Jahr lang lebten und kaum etwas zu essen hatten. Ich weiß nicht, wo ihre Eltern damals waren. Nach einer Weile erhielten sie, ihre Geschwister und ihre Mutter die Erlaubnis, Deutschland zu verlassen.

Ich versuche, Bilder, Geschichten und allgemeinere Informationen zu finden, z. B. mögliche Standorte dieser Unterstände und deren Funktionsweise. Es scheint, dass sie von den Amerikanern geführt wurden.

Weiß jemand etwas darüber?

Danke vielmals!
 
Ich vermute, Ihre Großmutter war in einem der Lager für displaced persons. Wikipedia hat dazu einen Artikel:
DP-Lager – Wikipedia
In diesem Forum gibt es aber bestimmt Leute, die viel mehr zu dem Thema sagen können.
 
mein Deutsch ist alles andere als gut.
Bis auf den vorletzten Satz ist alles gut zu verstehen und man würde nicht denken, dass da jemand geschrieben hat, der Deutsch nicht als Muttersprache spricht.

Vielleicht kann der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) weiterhelfen.
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Allerdings ist dessen Hauptaugenmerk die Suche nach im Zuge kriegerischer Konflikte vermisster Personen. Ich würde mich also a) auf Kosten und b) auf lange Wartezeiten einstellen.
 
Wenn deine Familie nach dem Krieg als dp (displaced persons) angesehen wurde, könnte auch eine online-Suche im Arolsen-Archiv erfolgreich sein. Die Suche ist kostenlos und man kann außer auf deutsch auch in englisch, französisch, russisch oder polnisch suchen - leider aber nicht auf spanisch.

Dein deutsch ist super. Man sagt normalerweise "du" zueinander in deutschsprachigen Internet-Foren. Da ist man nicht ganz so förmlich ;)
 
Die Situation zur Zeit der Flüchtlingsströme nach 1945 ist m.E. in der Darstellung hochgradig politisch aufgeladen gewesen. Der TE macht da keine Ausnahme und bemüht die typischen anti-russischen Vorurteile.

Insgesamt, so mein Eindruck, hat bisher keine umfassende Aufarbeitung stattgefunden. Das letzte Thema, das hochgradig individuell und gesellschaftlich tabuisiert wurde, war die Gewalt gegen Frauen durch sowjetischen Soldaten.

Aber auch die Integration der Flüchtlinge aus dem Osten im Westen im Jahr 1945 gehört nicht zu den Ruhmesblättern deutscher Nachkriegsgeschichte

Mit "Wolfszeit" hat Jähner ein interessantes Buch zur Nachkriegszeit vorgelegt. Im Kapitel "Die Vertriebenen und die schockierende Begegnung der Deutschen mit sich selber" (S. 90ff) geht er auf die innerdeutsche Situation ein, die in einzelnen Regionen Deutschlands sich drastisch veränderte, die Flüchtlinge aufnehmen mußten.

Der Zuzug von Flüchtlingen nach 1945 wurde in vielen Landstrichen durch die deutsche einheimische Bevölkerung in Teilen sehr negativ wahrgenommen. "Der Rassismus lebte fort und richtete sich munter nach innen. Es war viel von den deutschen Stämmen die Rede. Deren Vermischung [durch die Flüchtlinge] bedrohe die gewachsenen regionalen Eigenarten der Volksgruppen ....In der interdeutschen Migration sahen viele eine Art multikulturellen Angriff auf sich selber." (ebd. S. 97)

Diese feindliche Haltung der einheimischen Bevölkerung gegen die deutschen Flüchtlinge illustriert er an einer Reihe von Beispielen.

Sicherlich auch ein Kapitel, über das heute auch nicht mehr gerne "narratiert" wird. Auch, um nicht zu zeigen, wie hohl und substanzlos das Gerede von der "Volksgemeinschaft" streckenweise war.

Jähner, Harald (2019): Wolfszeit. Deutschland und die Deutschen 1945-1955. Rowohlt Berlin.
 
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Diese feindliche Haltung der einheimischen Bevölkerung gegen die deutschen Flüchtlinge illustriert er an einer Reihe von Beispielen.
Kann ich nur bestätigen. Mein Großvater väterlicherseits (Jahrgang 1908 ?) hat mir noch in den 1980ern von dieser Zeit erzählt. Der deutsche Staat hatte die Familie mit finanziellen Versprechungen aus Österreich angelockt und ihnen einen Wohnort zugewiesen. Ihm hat es sehr getroffen, dass er und seine Familie von den Einheimischen sehr häufig als Zigeuner beschimpft wurden. Ein paar Jahre zuvor war er noch deutsch genug für die Waffen-SS gewesen. Er hatte einen deutschen Vater, eine ungarische Mutter und lebte vor dem deutschen Überfall auf Jugoslawien als selbständiger Handwerksmeister im heutigen Serbien. Dabei war er und seine vier Kinder alle blond und bestaunten mit blauen Augen diese fremde Welt. In seiner neuen Heimat war die überwiegende Mehrheit braunhaarig und hatte braune Augen. :D Er hatte das große "Glück", dass sein neuer Nachbar mein Großvater mütterlicherseits war. Ein Parteigenosse und überzeugter Nazi bis zu seinen Tod sowie ein durchweg unsympathischer Mensch. Dieser Großvater hetzte im Dorf gegen die Beschlagnahme von Wohnraum für die Flüchtlinge.

Es wird in Zukunft spannend werden, wie wir mit dem Erbe der Vertriebenen umgehen. Viele Heimatstuben mit Erinnerungsstücken aus den Gebieten des deutschen Ostens von Ostpreußen bis ins Banat verweisen immer mehr, weil die dritte Generation und vierte Generation kaum noch ein Interesse an diese Dinge hat. Bibliotheken mit Sammlungen von Büchern über diese Gebiete fliegen aus ihren kommunalen Domizilen und werden in sanierungsbedürfte Lagerhallen in Gewerbegebieten ausgelagert. Die Macht der Pfingsttreffen muss man heute nicht mehr fürchten und selbst stramme CDU-Bürgermeister sind sich des Beifalls der Ratsfraktionen sicher, wenn dieser "Trödel" nun aus dem Gemeindehaus fliegt.
 
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Wobei das häufig auch ein Konfessionsproblem war. Wenn katholische Schlesier ins protestantische Niedersachsen kamen oder protestantische Preußen ins tiefschwarze Bayern, da waren Konflikte vorprogrammiert. Darüber reiben sich die Menschen in der heutigen Zeit, wo kaum noch jemand wirklich ein Verhältnis zur Kirche hat und selbst Protestanten aus Protest gegen Papst und Zölibat aus der Kirche austreten und Katholiken eigentlich nicht wissen, was eigentlich derUnterschied zwischen den beiden Konfessionen ist, die Augen. Aber damals war der Konfessionsuntereschied Grund genug für Reibereien.
Mein Urgroßvater war Schulleiter einer Katholischen Schule. Ein Familienforschung betreibender Onkel hat mal einen Aktenvorgang gefunden, den mein Urgroßvater angelegt hat, demnach hatten Schüler seiner Schule, die am Dreikönigstag frei hatten, den protestantischen Schülern, die am Dreikönigstag zur Schule mussten, aufgelauert und sie mit Knüppeln verprügelt. Und jetzt versetze mn sich in einen tiefschwarzen bayrischen Bauern, der plötzlich so ein paar ostpreußische Fischköppe in seiner Scheune beherbergen soll: Die haben nix, die sprechen anders und sind "verdammte Evangelen", diese Saupreiß'n! Nicht integrierbar. ;)
 
Am Ende scheint die Integration aber doch geklappt zu haben, flavius-sterius ist ein lebender Beweis, übrigens auch die Familie Stoiber.
 
Ein weiteres problematisches Erbe in der "Stunde Null" ergab sich in Bezug auf die Unterbringung von "Displaced Persons" (DP). Zu dieser Gruppe gehörten u.a. auch der Personenkreis, der aus den Konzentrations- bzw. Vernichtungslagern kam, häufig jüdischen Glaubens.

Es gab massive Kritik von Seiten der jüdischen Verbände an die Adresse von Truman, dass sich die US-Militäradministration nicht angemessen um diesen Personenkreis bemühen würde.

Zweiter Weltkrieg: Die siegreichen US-Truppen zeigten wenig Gespür für jüdische Opfer - DER SPIEGEL - Geschichte
 
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