Einen Unterschied kann ich feststellen und zwar der, dass in den KZs Menschen geziehlt, fabrikmässig vernichtet wurden. Wobei man hier wieder den Unterschied zwischen KZs und Vernichtungslager machen muss.
Und schon sind wir mit einem solchen Ansatz in genau einer der ideologisch geführten Relativierungs- und Entlastungsdiskussionen, die eigentlich relativ unfruchtbar sind.
Wenn man sich um Differenzierung bemüht: Das Stalinsche Kalkül ist aber in dem Sinne rationaler, dass vor die Tötung die systematische Ausbeutung durch Sklavenarbeit gesetzt wurde und es unter wechselnden Bedingungen alle gesellschaftlichen Gruppen betraf, während es im NS-System meist bestimmte Gruppen im Visier staatlichen Terrors standen. Desweiteren sind die Gulag-Archive teilweise bereinigt.
Anne Applebaum schreibt zum Lagersystem:
‚Es ist nunmehr unbestritten, dass der Diktator selbst den Massenterror vorantrieb. Noch vor Beginn des Zweiten Weltkriegs ließ sein Regime Millionen deportieren, ganze Völkergruppen, Hunderttausende kamen um, auch während des Kriegs hörten die terroristischen Übergriffe des Regimes gegen Zivilisten und Soldaten nicht auf. Erst mit Stalins Tod nahm die Gewaltorgie ein Ende. (...)
Die potentiellen Gulag-Strafgefangenen hatten vor der Lagerphase die Verhaftung, das Untersuchungsgefängnis, die Verurteilung und den Transport an den Ort ihres jahre- oder lebenslangen - was auch immer lebenslang unter diesen Bedingungen bedeutete - Sklavendaseins zu überstehen. (…) Während der grossen Terrorwellen wurden die Opfer meist ausgewählt, weil sie entweder einem Bevölkerungsteil angehörten, der gerade unter Verdacht stand, oder es sich um Leute handelte, die in den Lagern gebraucht wurden.
Manche Gruppen wie Kulaken, Ingenieure oder Nichtrussen, zum Beispiel Finnen aus zur Zeit des Zweiten Weltkrieges besetzten Gebieten, waren klar abgegrenzt, andere blieben vage. Ausländer, nicht zuletzt kommunistische Sympathisanten waren nicht sicher vor dem Gulag, Apparatschiks und selbst höchste Offiziere und Regierungsbeamte konnten von einem Tag auf den ändern in Ungnade fallen und - falls nicht sofort hingerichtet - in den Gulag verbracht werden.’