Ursprünge biblischer Geschichten

Alex74

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Hallo allerseits,

ein ehem.Vorgesetzter von mir hatte früher mal Theologie studiert und das Studium nicht weit vorm Abschluß dann abgebrochen; er erzählte, daß praktisch alle grundlegenden Geschichten (Jungfrauengeburt, Tantalus, etc.) auf ältere, nichtchristliche Geschichten zurückgehen, z.T. sumerisch, altägyptisch oder babylonisch. (Er brach dann ab mit der Begründung "entweder glaubt man das alles dann trotzdem oder benutzt halt sein Gehirn und zieht die Konsequenzen")

Mich würde jetzt interessieren ob es irgendwo eine Auflistung gibt, Quellen oder ähnliches wo man die Originalgeschichten nachlesen kann und wie die Quellenlage ist; eigene Suche hat leider nichts erbracht.

Gruß Alex
 
Das mit der Jungfrauengeburt kann sicherlich stimmen, denn es soll nur die Besonderheit. Andererseits sind alle Jungfrauen die als Beispiel für Jesus genannt werden in Filmen wie Zeitgeist keine. Wenn eine Frau die ein Kind mit Zeus (bei dem Don Juan und Kassanova fast schon keusch wirken) haben als Jungfrauen bezeichnet werden ist es lächerlich.

Die Geschichten des Alten Testaments haben allerdings Vorläufer oder paraelle Geschichten in sumerischen e.t.c Sagen. Häufig ist der Untschied ein Gott ist es der Eingreift nicht mehr ein ganzer Pantheon.

Allerdings wo in der Bibel kommt Tantalus vor.
 
(bzgl.Tantalus: Quark, ich meinte Hiob...^^)

Die Hiobsgeschichte ist ja auch "älter", vorchristlich.

Hiob verliert seinen Besitz, seine Söhne und seine Gesundheit, weil Gott sich mit Satan auf eine Wette eingelassen hat.
Hiobs Freunde sind der Meinung, dass er von Gott für irgendeine Schuld bestraft wird. Aber Hiob ist sich keiner Schuld bewusst und fordert Gott heraus. Nur leider lässt Gott sich nicht in die Karten schauen. Aber am Ende erhält Hiob alles zurück.

Das hat mit Tantalus ja nicht viel zu tun. Außer dass es beiden dreckig geht.


Deutliche Parallelen gibt es z. B. zwischen der biblischen Sintflutgeschichte und der Sintflutgeschichte im Gilgamesch-Epos.
 
Es wird immer so getan, als stamme die Bibel aus einem Guss. Das ist natürlich Blödsinn. Man muss unterscheiden zwischen der Chronistik, also Bücher wie Könige, Richter, Makkabaier etc. Büchern, die von Einzelpersonen handeln (etwa Saul, David und Salomon), Gedichten (wie dem Hohen Lied der Liebe), Gesetzestexten und theologischen Büchern (wobei auch die in die Bibel eingegangene jüdische Geschichtsschreibung eine theologische Motivation hat), die z.T. Wandermotive aufgreifen.
Z.B. gibt es in der Bibel zwei sich widerprechende Geschichten von der Erschaffung der Welt. Ihre Kompilatoren werden sich also kaum gedacht haben, dass es genau so gewesen sei, wie es manche Kreationisten gerne lesen. Sondern sie haben diese Geschichten nach einer bestimmten theologischen Interpretation erzählt. Selbiges gilt auch für andere Wandermythen. Das sollte deinem Ex-Chef aber hoffentlich auch mit abgebrochenem Theologiestudium klar sein.
 
Das ist soweit ja alles klar...mich interessieren Quellen, die Originalgeschichten, deren Werdegang, etc... gibt es da irgendwas?
 
In einem anderen Thread habe ich gerade Richard Elliot Friedman, Wer schrieb die Bibel? genannt.

Er beschreibt die Forschung nach den Autoren der ersten Bücher der Bibel. In den 5 Büchern Mose lassen sich mehrere Schichten feststellen:
J und E waren unterschiedliche Versionen in Israel und Juda, die evt. schon nach der Zerstörung Israels 722 v.Chr. zusammengefügt wurden.
Mit P sicherten sich laut Friedman die Aaronitischen Leviten zur Zeit König Hiskias den ausschließlichen Anspruch auf die Priesterwürde. Bis in die 80er Jahre ging man davon aus, dass P erst nach der babylonischen Gefangenschaft entstand, doch ist zum einen die verwendete Sprache älter und zum anderen wird P in älteren Büchern, z.B. Jeremia, Hesekiel/Ezechiel zitiert.
D umfasst im wesentlichen die Bücher Deuteronomium, Josua, Richter, Samuel und Könige. D soll zunächst zur Zeit König Josias geschrieben worden und nach der Zerstörung des Tempels überarbeitet worden sein. Friedman vermutet wegen der Ähnlichkeit zu den authentischen Teilen des Buchs Jeremia eben den Propheten Jeremia und seinen Schreiber Baruch als Autoren.
Dann ist noch der Redakteur R zu nennen, der die unterschiedlichen Versionen nach der babylonischen Gefangenschafft zusammenfügte und leicht ergänzte. Friedman vermutet - mit guten Gründen - Esra als Redakteur.
Daneben haben die einzelnen Autoren oder Autorengruppen einzelne ältere Texte eingearbeitet.

Zur Problematik, welche 'fremden' Geschichten eingearbeitet wurden, sagt das alles sehr wenig aus. Aber, um nicht unsinnigen Geschichten aufzusitzen, hilft es, sich ein wenig mit den Grundlagen zu beschäftigen. Und manches erfährt schon durch diese Entstehungsgeschichte eine Erklärung. Die doppelte Schöpfungsgeschichte kann z.B. recht einfach mit dem unterschiedlichen Gottesbild von J/E und P erklärt werden.

Zudem wird die Entwicklung - außer in Ausnahmefällen wie dem Gilgamesh.Epos - mangels Quellen nicht zu verfolgen sein.

Friedman stellt aber auch einige recht seltsame Behauptungen auf, die man immer wieder hört. Z.B. schreibt er, die Bibel erwähne das Verschwinden der Bundeslade nicht. Dabei gibt es gleich mehrere Versionen davon. (Von Jeremia in einem Berg oder einem ägyptischen Tempel versteckt, entrückt, oder einfach (und wahrscheinlicher) unter den Trümmern des Tempels begraben...)
 
Von Sargon von Akkad erzählt die "Sargonslegende" auch, er wäre wie Moses von seiner Mutter im Binsenkörbchen auf dem Fluß ausgesetzt worden.

Es fragt sich nur welche Erzählung hier älter ist. Sargon lebte zwar schon um 2300 v Chr. - also 800 bis 1100 Jahren vor den Ereignissen und Personen, die man vage mit Auszug der Israeliten aus Ägypten in Verbindung bringen kann - die "Sargonslegende" aber kennt man schriftlich überliefert erst aus dem 7.Jahrhundert vor Christus.
 
Samson, Philister, Eselskinnbacke, Quell frischen Wassers - das findet sich im Alten Testament.

Ein Scheusal namens Donatien A. Marquis de Sade bemerkte dazu in einem seiner Romane (Justine e Juliette) "wie kann es sein, dass Samson tausende Philister mit einem Eselskinnbacken erschlug und hernach aus dem Eselskinnbacken ein Quell frischen Wassers sprudelte? Sie werden zugestehen, man muss schon selber ein wenig Eselskinnbacke sein, um solche Geschichten zu glauben oder zu erfinden."

nicht minder interessant als Überlegungen dazu, welche Themen, Geschichten, Stofe, Motive des Alten Testaments von woanders adaptiert und angepasst wurden, ist die Frage, welche Bestandteile nicht auf anderen Legenden beruhen, sondern ganz und gar originär sind.
 
[...] er erzählte, daß praktisch alle grundlegenden Geschichten (Jungfrauengeburt, Tantalus, etc.) auf ältere, nichtchristliche Geschichten zurückgehen, z.T. sumerisch, altägyptisch oder babylonisch.
[...]
Mich würde jetzt interessieren ob es irgendwo eine Auflistung gibt, Quellen oder ähnliches wo man die Originalgeschichten nachlesen kann und wie die Quellenlage ist

...mich interessieren Quellen, die Originalgeschichten, deren Werdegang, etc... gibt es da irgendwas?

Ein Detail, welches ich immer ganz interessant finde ist der Vergleich zwischen den Jesus-Geburtsgeschichten in den Evangelien und Sueton: Augustus 94. Solche Motiv-Ähnlichkeiten zwischen biblischer und heidnischer Überlieferung gibt es wohl öfter. Mir ist allerdings solch ein Werk, dass die Bibel von Anfang bis Ende durchgeht und zu - wie Du es formulierst - "allen grundlegenden Geschichten" der Bibel heidnische Parallelquellen anführt und/ oder zitiert, nicht bekannt. Vielleicht gibt es das dennoch. Wäre auch für mich interessant.
Falls es aber solch ein Werk gäbe, welches im Zuge der Darstellung der heidnischen Parallelüberlieferung gleich der biblischen Überlieferung im Gesamten jeden historischen Wert absprechen wollte, so müsste man diesem Werk mit äußerstem Misstrauen begegnen. Denn da würde meiner Meinung nach die Weltanschauung des Autors eine wesentliche Rolle spielen; genauso wie bei Werken, welche die biblische Überlieferung im Gesamten historisch rechtfertigen bzw. historisieren wollen.
Knackpunkt ist das, worauf schon El Quijote hingewiesen hat: Die Bibel besteht aus einer Vielzahl antiker Bücher, die ganz unterschiedliche Inhalte, Aussageabsichten, Verfasser, Entstehungsgeschichten usw. haben. Man kann das nicht alles über einen Kamm scheren. Ohne das jetzt empirisch belegen zu können, behaupte ich, dass Werke mit einer Grundaussage wie "Alle biblischen Geschichten sind unhistorisch und bei Heiden abgekupfert" oder "Alle bibl. Geschichten sind historisch und in der bisherigen Geschichte ganz neuartig" weltanschaulich motiviert sind und wissenschaftlich nur ganz ungenügend sein können.

Die Formulierung "grundlegende Geschichten" zeugt davon, dass es Dir um Geschichten der Bibel geht, die für die Theologie oder den Glauben grundlegend sind. Denn einen Kanon von biblischen Geschichten, die für den Historiker grundlegend wären, gibt es in dem Sinne nicht. Der Historiker tritt ja mit mit vielen verschiedenen Fragen an die biblischen Bücher als Quellen heran, angesichts deren jede biblische Geschichte enorm interessant oder auch absolut uninteressant sein kann. Kommt ganz auf die Frage des Historikers an.

Mein Rat, Alex74, ist deshalb der: Suche nicht nach Literatur, die die gesamte Bibel über einen Kamm schert. Sondern suche Dir für den Anfang ein bis zwei biblische Geschichten, deren Hintergrund Dich interessiert, heraus und forsche dazu, ob und was es für ältere heidnische Parallelüberlieferungen gibt. Zu solchen Einzelfragen findest Du bestimmt viel eher Literatur und ein paar Quellen.
 
Der Film Zeigeist wollte ja alle Geschichten in der Bibel mit astronomischen Gleichungen zusammenbringen. War beim ersten schaue vor Jahren auch beeindruckt, nur nachdem ich mich über die heidnischen Götter die mit Jesus verglichen wurden, brach Ernüchterung ein.

Es war vieles einfach gelogen. Aber auch wenn sich Gemeinsamkeiten finden schau dir Hollywoodfilme an die Grundthemen des Lebens sind immer gleich.
 
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