Ursprünge der NS-Ideologie

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Gast

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Hallo,
Ich habe eine Frage :

Was ist der Ursprung der NS-Ideologie?

Ich frage dies, weil wir alle wissen, dass der Antisemitismus nicht erst zur Zeit des dritten Reiches aufkam, sondern die Wurzeln schon im Mittelalter waren.
Ausserdem kann eine solche Ideologie nicht innerhalb von wenigen Jahren ausbrechen.
Ich hoffe ihr könnt mir helfen.
MfG Markus
 
Man muss bei Antisemitismus zwischen dem religiösen und dem politischen Antisemitismus unterscheiden. Der Begriff selber stammt aus dem 19. Jahrhundert, er wurde 1879 von Wilhelm Marr geprägt. Damit wurde der Hass einzelner Menschen und ganzer Völker auf die Juden bezeichnet.
In der Antike und im Mittelalter war der Antisemitismus religiös geprägt, im laufe des 19. Jahrhunderts gab es dann einen neuen nationalistisch-rassistisch geprägten Antisemitismus. Juden wurden von nun an als national unzuverlässig, als heimatlose Gesellen, als völkisch minderwertig bezeichnet. Man forderte die Reinigung des deutschen Volkes von allem Jüdischen.
Judentum und Germanentum/Deutschtum standen als Chiffren für den Konflikt zwischen den Ideen der Französischen Revolution und einer nationalistischen antimodernistischen Weltanschauung. In und nach dem Ersten Weltkrieg verschärfte sich der Antisemitismus da die Juden von der völkischen Bewegung (Rechten) für die Niederlage von 1918 (Dolchstosslegende) und die Revolution (Novemberverbrecher) verantwortlich gemacht wurden. Die Deutschen wurden als Opfer einer plutokratisch-jüdisch-marxistischen Verschwörung gesehen. Der Antisemitismus verband sich mit der grundsätzlichen Opposition gegen die Weimarer Demokratie (Judenrepublik) und gewann damit erheblich an politischem Gewicht. Der Antisemitismus der frühen NSDAP (1919 - 1923) stellte lediglich eine Verdichtung und Radikalisierung der völkisch-imperialistischen Ideen aus der Zeit vor 1918 dar und unterschied sich kaum von dem anderer völkischer Verbände, die eine fantastische antijüdische Propaganda betrieben.

Hitler propagandierte einen Antisemitismus der Vernunft, dessen Basis ein aus pseudowissenschaftlichen Theoremen zusammengesetztes sozialdarwinistisches Verständnis der weltgeschichtlichen Entwicklung als Rassenkampf bildete. Die Judenfrage wurde entsprechend als ein Rassenproblem formuliert, wobei sich in diesem Rassismus, Antisemitismus, Rassenutopie, Gesellschaftsbiologie und Rassenhygiene verbanden.


Das nationalsozialistische Weltbild ist geprägt durch Vorstellung des angeblich ständigen Kampfes zwischen der "hochwertigen" Rasse, den Ariern, und der "minderwertigen" Rasse, den Juden weg. Durch Vermischung mit den Juden werde die germanische Rasse verdorben und sei auf lange Sicht zum Untergang verurteilt. "Die Juden sind unser Unglück" lautete eine von den Nazis verbreitete Parole. Ziel der nationalsozialistischen Politik war es deshalb, die "Reinheit des deutschen Blutes" zu bewahren bzw. wiederherzustellen. Bei der deutschen Bevölkerung, in der viele Menschen antisemitisch und nationalistisch dachten und fühlten, fanden die Nazis damit breite Zustimmung. Die Feindschaft gegen das Judentum gehörte von Anfang an zum Parteiprogramm der Nationalsozialisten.


Hitler sah einen Weltkonflikt zwischen den Juden und Ariern voraus, denn nach seiner Auffassung bedrohte das Judentum nicht nur das deutsche, sondern alle Völker, so dass das Ziel der antijüdischen Politik letztlich die Entfernung der Juden überhaupt sein musste. Der nationalsozialistische Antisemitismus basierte jedoch nicht nur auf der Rassentheorie, sondern bediente sich aller Motive der antisemitischen Tradition. Deshalb changierte das Bild des Juden zwischen der Vorstellung eines dämonischen, fast übermächtigen Feindes und dem des minderwertigen Untermenschen der parasitär in andern Völkern lebt, deren Völkern lebt, deren Staaten zerstört und das Rassenniveau durch Rassenmischung senkt.

Der Antisemitismus der NSDAP unterschied sich von den primär literarischen des Kaiserreichs durch seine Umsetzung in eine terroristische politische Praxis.
 
Der Antsemitismus ist ein Bestandteil der NS-Ideologie, fragst du nun speziell nach diesem Bestandteil oder nach der ganzen Ideologie?
Ich frage nur damit bei dir nicht der Eindruck entsteht die Leute wären dem GröFaZ hinterhergelaufen weil sie Antisemiten waren.
 
Hallo Markus,

wenn man deine Frage liest, bekommt man ein wenig den Eindruck, dass die NS-Ideologie außer Antisemitismus nichts enhalten hätte. Das ist aber nicht der Fall.

Zum Antisemitismus hat Ursi ja schon etwas geschrieben. Die NS-Ideologie hatte aber noch andere Elemente, z.B. Rassismus generell, d.h. die Einteilung der Menschen in "bessere" und "schlechtere" Rassen. Da gab es einige Grundlagenwerke, z.B. Gobineau, "Essai sur l'inégalité des races humaines", erschienen Mitte des 19. Jahrhunderts. Ich bin jetzt zu faul den deutschen Titel zu suchen - übersetzt heißt das jedenfalls "Essai von der Ungleichheit der menschlichen Rassen".

Dann war da der Sozialdarwinismus, d.h. in der Gesellschaft findet ein Kampf der Stärkeren gegen die Schwächeren statt.

Auch die Idee der Eugenik spielte bei den Nazis eine Rolle. Interessanterweise gab es zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch in anderen Ländern teilweise eine Gesetzgebung, in der die Eugenik eine Rolle spielte. Behinderte wurden für eine Einwanderung nicht zugelassen, Menschen mit erblichen Krankheiten oder Kriminelle wurden sterilisiert.

Dann gehörte zur NS-Ideologie noch eine Abkehr von der Kirche und eine "Wiederbelebung" germanischer Kultur. Und noch vieles mehr.

Alle diese Denkweisen haben sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts vermischt, bis in den 20er Jahren schließlich die NS-Ideologie fertig war.

Schöne Grüße

Petra [FONT=&quot]
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Der Antisemitismus enthält noch ein weiteres wichtiges Element, nämlich die Identifikation des Finanzwesens bzw.Kapitaöismus mit den Juden.

Dies geht bereits auf das Mittelalter zurück. Für einen Christen ist es (eigentlich) unmoralisch, Geld gegen Zinsen zu verleihen. Dies wurde Juden überlassen, die diese Nische auch bereitwillig besetzten, da ihnen viele andere Berufe verschlossen blieben. Das gab dem Fürst die Gelegenheit, wenn das Volk gegen zu hohe Steuern aufbegehrte, die Wut gegen "die Juden" zu lenken und sich mit einem Progrom an die Spitze der Bewegung zu setzen.

Auch die Nazis verdankten einen großen Teil ihres Zulaufs der Weltwirtschaftkrise, die aus dem Börsencrash von 1929 hervorgegangen war. Man unterstellte den Juden, ein weltumspannedes Beziehungsnetz ("das Internationale Judentum") zu unterhalten, mit dem sie die Weltfinanzen lenkten.

Die Zerschlagung dieser "Verschwörung" und die Befreiung aus der "Zinsknechtschaft", in die nun viele Menschen durch die Finanzsituation geraten waren, sollte durch die physische Vernichtung der Urheber erfolgen.
 
Eine elementare Grundlage bildet auch der Nationalismus, der sich in ganz Europa im 19. Jahrhundert entwickelte, von den Deutschen aber (weil er nun "verspätet" war oder auch nicht) ins Extreme übersteigert wurde. Gepaart wurde dieser mit einem ebenso übersteigerten Militarismus, dessen Ursprünge wohl in Preußen zu suchen sind. Nicht zu vernachläßigen ist auch ein mysthisch-spiritueller Glaube an Germanentum, Naturreligion und technischen Fortschritt.
 
Recht aufschlussreich ist das Parteiprogramm der NSDAP von 1920. Dieses zeigt noch sehr deutlich sozialistische Anleihen (Ziff. 24 "Gemeinnutz vor Eigennutz"). Man legte eindeutig einen Fokus auf den "kleinen Mann". Es war vorgesehen die Arbeiterschaft, die (Klein-)Bauern und den Mittelstand zu fördern. Auch diese Ziele tragen eindeutig sozialistisch Züge, da es bis hin zur Enteignung von Großgrundbesitz (Bodenreform) und der Verstaatlichung von Großbetrieben ging.

Insgesamt kann man das angestrebte System einer "gebundenen Wirtschaftsordnung" wie es das Parteiprogramm vorsah, mit drei Schlagworten umschreiben:

  1. antikapitalistisch: Enteignung der Großunternehmen und die unterscheidung zwischen "schaffendem" und "raffendem" Kapital
  2. nationalistisch und aggressiv: massiver Widerstand gegen eine internationalisierung der Wirtschaft und aggressive Lebensraumideologie
  3. antiliberal: es war keine pluralistische Gesellschaft gewünscht und es zeigen sich deutliche ständische Denkansätze in Anlehnung an das Mittelalter.
Schon mit der Machtergreifung zeigte sich, dass das Parteiprogramm weitestgehend Makulatur wurde. Nur zwei Ziele wurden weiterhin mit aller Konsequenz verfolgt:

  • Die "Ausweitung des Lebensraumes"
  • Abschaffung des "raffenden" Kapitals (damit waren primär die jüdischen Kaufleute gemeint)
Da die neuen Machthaber aber auch vom Großkapital abhingen, spielten in der Folge der Machtergreifung antikapitalistische Parolen keine Rolle mehr. Es ging sogar soweit, dass der Mittelstand vernachlässigt wurde, da er nicht in der Lage gewesen wäre die hochtrabenden Rüstungspläne der Nazis maßgeblich mitzutragen. Lediglich eine massive Förderung der Landwirtschaft wurde im Sinne der "Blut und Boden"-Ideologie umgesetzt, wobei hier mit Autarkieüberlegungen mit Hinblick auf den geplanten Krieg eine entscheidende Rolle spielten.

Am Ende möchte ich das Parteiprogramm im Original verlinken. Lektüre ist recht aufschlussreich, auch was die Ursprünge der Ideologie betrifft, man achte auch auf die Widersprüche, die sich aus dem Papier schon 1920 ergeben. Woher die wichtigsten Anleihen dafür kamen, haben meine Vorredner ja schon dargelegt.
Dokument: Die 25 Punkte des Programms der NSDAP
 
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