Ursprung der Deutsch-Französischen Feindschaft

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Zwischen den Deutschen und Franzosen gab es ja schon sehr lange eine Feindschaft jedoch würde mich interessieren woraus diese überhaupt resultiert?
Ich meine nicht "aktuellere" Ereignisse wie den deutsch- Französischen Krieg, den 1. oder den 2. Weltkrieg sondern eher den Ursprung dieser immer weiter wachsenden Feindschaft.

Stammt sie aus den Zeiten des Habsburger Reiches oder liegt sie noch weiter zurück?
Danke für eure Antworten.. =)
 
deutsch -französische Feindschaft

hallo,
zunächst,
wieso behauptest Du, die deutsch -französische Feindschaft wächst??
vielleicht war das ja ein Tippfehler.
Schlag nach bei google und/oder Wikipedia , wo es gute Hinweise gibt und Literatur angegeben ist.
Obwohl Frankreich schon frühzeitig daür "sorgte" dass Deutschland so blieb wie es bis 1871 blieb, nämlich ein Flickenteppich von grösseren, mittleren von kleinen und ganz kleinen Gebilden mit fürstlichen oder/und kirchlichen "Herren", daneben noch freie Reichstädte.
Aber damals gab es auch noch nicht ein Deutschland ,oderein geeintes deutsches Reich, vergleichbar mit dem französischen Reich.
Im Südwesten Deutschlands sorgten dann im pfälzischen Erbfolgekrieg die französichen Truppen unter dem General Mélac, der auf Befehl des Kriegsministers von Luwig XIV. ,Louvois, die Pfalz verbrannte und in Baden und Württemberg wütete.
Napoleon I. wurde erst bejubelt und wegen seiner fortschrittlichen Gesetzgebung auch akzeptiert, vor allem im Süden , als er auf Kosten andere ein Königreich Württemberg und Bayern schuf, sowie das Grossherzogtum baden.
Als dann die Steuern zu hoch wurden- mit denen Napoleon seine Kriegszüge finanzierte, als die französischen Besatzungs truppen zur Last wurden und als zuviel Landes -kinder die französischen Armeen auffüllen mußten , begann der "Hass2 auf dei Franzosen und speziell Napoleon, Ergebnis : die sog Völkerschlacht bei Leipzig, mit N. Niederlage et.c , den rest kannst Du nachlesen.
Wichtig bei allen Betrachtungsweisen sollte aber sein, dass man das heilige Römische Reich ,im Interesssenskonflikt mit Frankreich nicht als deutsches Reich bezeichnen kann,also man nicht undedingt französische "Aktionen" Frankreichs zur damaligen Zeit als antideutsch bezeichnen kann. salu
 
Also ich würde vermuten, sie hängt irgendwie mit den napoleonischen Kriegen und der Entstehung der völkischen Bewegung zusammen. Aber genauer müßten das andere Darlegen.
 
Ich denke mal, die Antipathie reicht bis ins 9. Jhd. zurück. Mit den Konflikten zwischen Ost- und Westfränkischem Reich um die Lothringischen Gebiete.
Siehe hier, vor allem der letzte Abschnitt.

Genau kann ich das aber nicht sagen, ist eine Vermutung.
 
Die These von der Erbfeindschaft oder dem Erzfeind Frankreich stammt ja aus nationalistischeren Zeiten. Da hat man dann alles gesammelt, was ins Bild passte. Eine "Tradition" bis 870 sehe ich allerdings nicht. Wichtiger dürfte tatsächlich der lange habsburgisch-bourbonische Konflikt sein, wobei die Revolutionskriege wiederum eine strenge Zäsur darstellen.
 
Da stimme ich El Quijote zu. Ich glaube dass eine Erbfeindschaft, fußend auf die Erbfolgestreitigkeiten nach Karl dem Großen zu weit gefasst wäre.
Karl der Große vermachte das Reich in seiner Gänze an seinen Sohn Ludwig den Frommen.
Dessen Söhne jedoch bekämpften alsbald ihren Vater und bewirkten nach seinem Tode im Vertrag von Verdun eine Dreiteilung.
Karl der Kahle bekam Gebiete im heutigen Frankreich, Lothar I. den Osten Frankreichs und Norditalien, Ludwig der Deutsche hingegen den Westen und den Süden des heutigen Deutschlands.
Das nochmal als Kurzabriss, da es hier im Forum in aller Ausführlichkeit noch mal steht.

Meine Erklärung für die "Feindschaft" ist ganz simpel.
Die beiden Völker sind Nachbarn. Nennt mir ein Nachbarstaatenpaar dass sich in der Geschichte stets freundlich vertragen hat und die untereinander keine Vorbehalte hatten.
Konkurrenz in territorialer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht bewirken eben Konflikte. Und das ist eben bei Nachbarn sehr viel ausgeprägter.

Man nehme sich als Beispiel Frankreich und England. Türkei und Griechenland. Polen und Russland. Und und und...
 
Franzosenkrankheit - Mal allemand
In den europäischen Sprachen wird die Syphilis jeweils dem ungeliebten Nachbarn angedichtet.

Wikipedia: So ist die Syphilis in verschiedenen europäischen Sprachen unter anderem als neapolitanische, italienische, französische, spanische, kastilische, englische, schottische oder polnische Krankheit benannt worden, je nach dem aus welchem Land die Erkrankung in den jeweiligen Sprachkreis vermeintlich eingeschleppt worden ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine Tradition seit 870 zu konstruieren ist m. E. ziemlicher Unsinn.
Die Erbauseinandersetzungen zwischen den Karolinger-Linien hatten keinerlei nationale Komponente und führten auch nicht zu größeren Kriegen.
Man kann im Gegenteil sogar sagen, daß es zwischen Deutschland und Frankreich über Jahrhunderte bemerkenswert friedlich blieb - eigentlich fast komplett das Mittelalter hindurch.

Da gab es noch nicht einmal so etwas wie die "normale" Feindschaft unter Nachbarn, wie es Eohan benennt.

Im wesentlichen hatte das natürlich auch damit zu tun, daß beide Länder anderweitig beschäftigt waren. Die Franzosen hatten die Engländer am Hals und die Deutschen breiteten sich nach Osten aus.

Eigentlich begannen die Konflikte erst, als der französische König sich von der Ile-de-France ausgehend überhaupt erst die Kontrolle über das eigentliche Frankreich gesichert hatte, also die Bretagne und Occitanien beherrschte. Dann kam die Erwerbung von Reichsterritorien wie Lyon oder der Provence - aber die gehörten zum ehemaligen Königreich Burgund, nicht zu Deutschland. Entsprechend egal war das den Deutschen auch.

Ernster wurde es dann mit dem französischen Eingreifen in den 30-jährigen Krieg - aber das kann man noch nicht als eine "deutsch-französische Feindschaft" bezeichnen.

Ganz anders dagegen die Kriege Ludwigs des XIV. Das war aus deutscher Sicht eine ständige Folge von Angriffs- und Eroberungskriegen Frankreichs gegen Deutschland, mit häßlichen Ereignissen wie die Zerstörung der Pfalz. Gerade im besonders betroffenen Süddeutschland wurde die französische Politik da sehr wohl als feindlich empfunden - aber es fehlte noch die nationale Betrachtung als "Erbfeindschaft".
Insbesondere wurde Frankreich kulturell gleichzeitig als Vorbild gesehen.

Die Idee mit der "Erbfeindschaft" kam wohl erst mit dem (französisch inspirierten!) Nationalismus der Befreiungskriege auf. Ab dieser Zeit ging es nicht mehr nur um die Abwehr einzelner Kriegszüge, sondern Frankreich wurde generell als Gegner gesehen, incl. Ablehnung französischer Sitten.

Wobei das alles bis dahin nur die deutsche Sicht widerspiegelt. Die Franzosen sahen m. E. die Deutschen bis dahin nicht als "Erbfeinde" an - das waren für sie die Engländer.

Zu einer gegenseitigen Feindschaft wurde das erst mit dem Krieg 1870/71. Diese Niederlage und die Friedensbedingungen wurde bei den Franzosen sehr tief empfunden und die Revanche gegen Deutschland wurde erste außenpolitische Priorität. Und das blieb im Prinzip so bis zum Zweiten Weltkrieg - erst Adenauer und De Gaulle haben dann die "Erbfeindschaft" wieder beerdigt.
 
Feindschaft hat selten objektive Gründe, speziell Feindschaften mit so langer Tradition wie die Deutsch-Französische.
Freilich haben Nachbarn fast immer diverse Animositäten, von der Schrebergartenkolonie bis zu Staaten. Aber der D.-F. Gegensatz nimmt schon in der -speziell jüngeren- Geschichte eine gewisse Sonderrolle ein. Er kulminierte ab der späten Zeit Napoleons, nachdem es vorher über lange Zeiten ruhig geblieben war. Was aber nicht unbedingt ein Beweis für gegenseitige Zuneigung sein muss. Man könnte es durchaus auch so sehen, dass sich beide Staaten erst einmal in ihrem Hinterhof absichern wollten, bevor man sich mit dem mächtigen Nachbarn anlegte.

An objektiven Gründen mag man z.B. hernehmen, dass Frankreich und "Deutschland" seit jeher die größten Machtblöcke im zentralen Festlandseuropa waren und daher naturgemäß um den Hegemonialanspruch in Europa konkurrierten.
Das sind aber politische "Feindschaften", die sich in der Sicht des gemeinen Volkes in der Regel nicht niederschlagen. Derartige Gründe gibt es, wie schon erwähnt, auch nicht wirklich signifikant mehr als bei anderen Nachbarschaften. Eine objektive, akademische Beantwortung der Frage kommt daher immer irgendwie zu dem zwar politisch korrekten, aber nach realer Erfahrung unzutreffenden Schluss, dass sich Deutsche und Franzosen über die Jahrhunderte genauso gut vertragen hätten wie alle anderen Völkchen auch.

Ich denke, die Suche muss nach möglichen subjektiven Gründen fahnden, weshalb sich die eine Nation (nicht das politische Gebilde "Staat") von der jeweils anderen Nation bedroht, übervorteilt, gekränkt oder was auch immer fühlte. Auch kulturell-sprachliche Grenzen (indogermanisch/galloromanisch) mögen schon früh ihren Teil dazu beigetragen haben, dass die Animositäten stärker waren als bei enger verwandten Nachbarn, bei denen die "Feindschaft" sich eher neckend äußern kann (Österreicherwitze...)

Schließlich mag tatsächlich auch einfach die Tradition eine Rolle spielen. So war etwa der Streit um Elsaß-Lothringen jahrhundertelang so selbstverständlich, dass eigentlich keiner mehr (objektiv schlüssig) sagen kann, wem dieses Gebiet nun tatsächlich "zusteht". Folge: egal, wer es an sich nimmt, der jeweils andere fühlt sich bestohlen. Auf die Idee, das strittige Gebiet einfach fair zu teilen, kam seltsamerweise niemand. (Wenn man sich in der Folge der Erbstreitigkeiten um das Reich Karls des Großen die später erfolgte Aufteilung des Mittelreiches Lothringen ansieht, dann kann man erkennen, dass das wohl nicht unbedingt eine gleichmäßge fifty-fifty-Einigung war. Daher mag das sehr wohl ein Keim der jeweiligen Unzufriedenheit sein)

Ich denke nicht, dass diese Frage wirklich mit Anspruch auf historische Wahrhaftigkeit zu beantworten ist. Wirkliche objektive "Beweise" wird man wohl nicht allzu viele finden, jedenfalls kaum mehr als bei anderen Nachbarn. Und subjektive Gründe schließlich sind zwar interessant als Denkansatz und als Kristallisationskeim für gegenseitiges Verständnis (daher m.E. sehr wichtig, um diese unselige Feindschaft zu überwinden, denn endgültig überwunden ist sie beileibe noch nicht. Auch Adenauer und de Gaulle taten das nicht, wie man schön an dem Zitat de Gaulles erkennen kann, er liebe Deutschland so sehr, dass er glücklich sei, dass es zwei davon gibt), aber eben schlussendlich nicht beweisbar. Die Diskussion über und die Auseinandersetzung mit dieser Frage wird also weniger akademisch, als vielmehr menschlich, "aus dem Bauch raus", zu führen sein.

Gruß,

Panzerreiter
 
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Feindschaft hat selten objektive Gründe, speziell Feindschaften mit so langer Tradition wie die Deutsch-Französische.

Wenn ich R.A. folge, und ich bin geneigt das zu tun, dann ist die Tradition gar nicht so lang. Nur 75, oder allenfalls 140 Jahre.

Ich denke, die Suche muss nach möglichen subjektiven Gründen fahnden, weshalb sich die eine Nation (nicht das politische Gebilde "Staat") von der jeweils anderen Nation bedroht, übervorteilt, gekränkt oder was auch immer fühlte. Auch kulturell-sprachliche Grenzen (indogermanisch/galloromanisch) mögen schon früh ihren Teil dazu beigetragen haben, dass die Animositäten stärker waren als bei enger verwandten Nachbarn, bei denen die "Feindschaft" sich eher neckend äußern kann (Österreicherwitze...)

Ich nehme mal an, dass das von dir gebildete Gegensatzpaar indogermanisch - galloromanisch ein Fehler beim Niederschreiben ist, Du selbst das aber besser weißt. Trotzdem: Indogermanisch bzw. Indoeuropäisch ist eine Sprachfamilie zu der die Familien der romanischen und germanischen Sprachen gleichermaßen gehören.
Den angeblichen Gegensatz zwischen Deutschen und Franzosen auf sprachlicher Ebenen möchte ich zurückweisen. Die mittelalterliche deutsche Literatur hat sich jedenfalls sehr stark an der französischen Literatur orientiert, insbesondere Chrétien de Troyes oder Guiot von Provins (nicht Provence!) sind als Vorbilder für deutsche Dichter des Mittelalters zu nennen. Dagegen bestanden die deutsch-deutschen Konflikte nicht aus harmlosen Neckereien. Die Konfessionskriege im HRR waren auch nicht ohne. Oder im 18. Jhdt. die Kriege zwischen Preußen und Sachsen, Preußen und Österreich etc. - ich sag nur der alte Fritz. Schließlich die Einigungskriege... Niemand käme aber auf die Idee, von einer protestantisch-habsburgischen Erbfeindschaft zu reden, obwohl es dafür, allein was die Menge der Kriege angeht, sicher mehr Anlass gäbe. Warum? Weil die These von der Erbfeindschaft die Zhese von einer nationalen Bedrohung durch einen äußeren Feind stützt, die Kriege zwischen Protestanten und Katholiken aber Kriege zwischen inneren Feinden sind, die man überwinden wollte.
 
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Eine Tradition seit 870 zu konstruieren ist m. E. ziemlicher Unsinn. Die Erbauseinandersetzungen zwischen den Karolinger-Linien hatten keinerlei nationale Komponente und führten auch nicht zu größeren Kriegen. Man kann im Gegenteil sogar sagen, daß es zwischen Deutschland und Frankreich über Jahrhunderte bemerkenswert friedlich blieb - eigentlich fast komplett das Mittelalter hindurch.

Es besteht wohl Einvernehmen darüber, dass es (1) eine "nationale" Feindschaft/Differenz nur geben kann, wenn es "Nationen" tatsächlich gibt. Insoweit kann man vieles abhaken. Dass Frankreich bis zum Ende des Hundertjährigen Krieges genug mit seiner staatlichen Konsolidierung zu tun hatte, ist auch richtig. Das hinderte die französische Krone zwar nicht, sich zwischendurch mal in die römisch-deutsche Thronfolge einzumischen (gegen Otto IV., Heinrich VII.). Das hatte aber keine Nachwirkungen; anders herum soll die Einmarschdrohung Heinrichs V. (1124) erstmals "zur ersten deutlich fassbaren Welle nationalen Bewußtseins" in Frankreich geführt haben (Ploetz). Ab der Generaloffensive Karls VIII. und vor allem Franz' I. gegen Habsburg, den Bündnissen des letzteren mit den Türken usw. muss das Verhältnis insgesamt als gestört gelten. Den Begriff der "Erbfeindschaft" finde ich nicht unangemessen, wenn man ihn im Streit zwischen Dynastien wörtlich nimmt.

Menschen neigen freilich dazu, solche Dinge zwischendurch zu vergessen, und deshalb bedarf es fürs Konstrukt der "nationalen" Feindschaft/Differenz auch (2) der Stimmen von interessierter Seite, die das kontinuierlich ins Bewusstsein heben und das Trennende gehörig herausarbeiten. Es gibt bestimmt Literatur dazu auch ab dem 16./17. Jh.; für die Zeit danach hat Ute Daniel [Frankreich und Deutschland im Krieg (18.-20. Jahrhundert) : zur Kulturgeschichte der europäischen "Erbfeindschaft") das unlängst zusammengestellt. Die sprachliche Differenz, da gebe ich EQ recht, reicht nicht aus, da muss einiges mehr hinzukommen: Das sind aus deutscher Perspektive die Erfahrungen des 30jährigen Krieges, das Zeitalter Ludwigs XIV. und Friedrichs II. Den vorläufigen Endpunkt für die Konstituierung des Feindbildes bildete der Zugriff Napoleons aufs Gebiet des untergegangenen Reiches, und zu dieser Zeit findet man auch die ersten professionellen Franzosenhasser wie Arndt usw., die - Panzerreiters Worte - ja bewusst auch "aus dem Bauch heraus" agitieren.
 
Erstmal, toller Beitrag jschmidt!

Den vorläufigen Endpunkt für die Konstituierung des Feindbildes bildete der Zugriff Napoleons aufs Gebiet des untergegangenen Reiches, und zu dieser Zeit findet man auch die ersten professionellen Franzosenhasser wie Arndt usw., die - Panzerreiters Worte - ja bewusst auch "aus dem Bauch heraus" agitieren.
Ich denke auch Arndt, aber auch Körner sind nicht zu unterschätzende Namen. Die Koalitionskriege und nicht nur die "Befreiungskriege" trugen sicherlich sehr zum Frankreichbild in Deutschland bei. Das Frankreichbild ist ja nicht nur negativ belegt gewesen, es war auch durchaus ein Leitbild, auf der einen kamen aus Frankreich die marodierenden Truppen über den Rhein, aber eben auch einige Lichtgestalten des Aufklärung.

Ich denke allerdings auch, dass viel von der Erbfeindschaft zurücktransponiert wurde. Also eine Tradition wurde ebenso konstruiert wie sie dauerhaft vorhanden war. Beim Erbfeindbild gerade in der Frühen Neuzeit muss man immer wieder auf der Hut sein, viel wurde auch im nachhinein gebastelt. So instrumentalisierte Friedrich II. seine Siege gegen die Franzosen als sei er damit der Verteidiger deutscher Interessen, hatte aber ehedem im Österr. Erbfolgekrieg einer französischen Allianz mit Preußen das Wort gesprochen. Der Krieg Frankreichs gegen das Reich im Zeitalter von Louis XIV war natürlich auch und vordergründig ein Krieg der Bourbonen gegen die Habsburger. Den betroffenen Untertanen im Reich, welche die Leidtragenden waren, war dies sicherlich gleich. Sie wurden überfallen, das genügte vollauf.
 
Es besteht wohl Einvernehmen darüber, dass es (1) eine "nationale" Feindschaft/Differenz nur geben kann, wenn es "Nationen" tatsächlich gibt.
Im Prinzip ja - aber mir ist nicht ganz klar, was Du damit hier aussagen willst.
Sollte gemeint sein, daß es "Nationen" erst mit dem modernen Nationalstaat und dem Nationalismus des 19. Jahrhunderts gibt, und deswegen eine nationale Feindschaft im Mittelalter ohnehin nicht möglich gewesen wäre - dann würde ich widersprechen.

Solche Feindschaften hat es sehr wohl schon lange vor dem 19. Jahrhundert gegeben, wenn auch nicht mit derselben Vehemenz ideologisch unterfüttert.

Das ganz klassische Beispiel für eine überaus langdauernde und gegenseitige "Erb"-Feindschaft ist wohl die zwischen Engländern und Franzosen ab der späteren Phase des 100-jährigen Kriegs (so etwas ab Jungfrau von Orleans).

Andere Beispiele wären die (eher einseitigen) Feindschaften der Schotten gegen die Engländer oder der Portugiesen gegen die Spanier.

Menschen neigen freilich dazu, solche Dinge zwischendurch zu vergessen, und deshalb bedarf es fürs Konstrukt der "nationalen" Feindschaft/Differenz auch (2) der Stimmen von interessierter Seite, die das kontinuierlich ins Bewusstsein heben und das Trennende gehörig herausarbeiten.
Völlig richtig!
Wobei diese Stimmen aber auch genügend substanzvolles Material haben müssen, um wirken zu können. Eine Feindschaft zu propagieren geht nicht nur mit Propaganda, da muß auch gehörig etwas passiert sein.

So war eben die Propagierung der deutsch-französischen "Erbfeindschaft" (anfangs ja nur einseitig von deutscher Seite) im 19. Jahrhundert nur möglich, weil es schon vor der napoleonischen Zeit gehörig Ärger gab.
Brissotins Hinweis zeigt das sehr schön - schon der alte Fritz konnte auf vorhandenen anti-französischen Ressentiments aufbauen.

Nicht zu vergessen, daß die Deutschen schon damals eine recht naive Vorstellung vom Völkerrecht hatten mit der Erwartung, das Weltgeschehen ließe sich wie ein Rechtsstreit am deutschen Amtsgericht regulieren.
Über viele Jahrzehnte nervten die Reichs-Delegationen alle europäischen Friedenskongresse mit der Forderung nach den drei lothringischen Bistümern - die öffentliche Meinung im Reich hat diesen Verlust nie akzeptiert.
 
Mich würde interessieren, wann erstmals in Bezug auf das deutsch-französische Verhältnis von Erbfeindschaft die Rede war. Denn grundsätzlich stimme ich der Meinung zu, dass es sich um ein relativ neues Phänomen handelt, das man von früheren Animositäten unterscheiden muss - auch wenn sie natürlich eingeflossen sind und instrumentalisiert wurden.
Ein Gesichtspunkt der noch mit eingeflossen sein dürfte, ist die Kandidatur Franz´ I. gegen Karl V., weil Karl V. im Volksbewusstsein als Deutscher gilt - auch wenn das angesichts seiner Ahnengalerie so nicht haltbar ist.
 
Sollte gemeint sein, daß es "Nationen" erst mit dem modernen Nationalstaat und dem Nationalismus des 19. Jahrhunderts gibt, und deswegen eine nationale Feindschaft im Mittelalter ohnehin nicht möglich gewesen wäre - dann würde ich widersprechen.

Mit dem "Nationalen", wollte ich sagen, ist ein Plus an Mobilisierungspotential verbunden, etwas Totales, das der "nur-dynastischen" Erbfeindschaft fehlt. Die "Nation" definiert sich anders (und unterschiedlich), ideologischer, sie grenzt sich stärker ab, sie schafft ein hierarchisches, asymmetrisches Verhältnis zwischen "uns" und "denen".
 
@ Pfeifferhans:

Selbst wenn es nicht so wäre:
Ich bin etwas skeptisch gegenüber der allzu akademischen Betrachtungsweise, man könne erst von Erbfeindschaft reden, nachdem dieser Begriff erstmalig irgendwo auftauchte. (Jetzt rein prinzipiell, unabhängig vom deutsch-französischen Fall)
Eine Erbfeindschaft kann man nicht so einfach als solche nach Gutdünken ausrufen, wenn einem der Propagandasinn mal danach steht. Wie R.A. schon sagt, muss dazu gehörig was passiert sein. Eine Erbfeindschaft muss auf irgendeine Weise bestehen, bevor sie als solche benannt, benutzt oder ausgerufen werden kann. Etwa so, wie man nicht von einem Wiederholungstäter sprechen kann, wenn er sich in der Vergangenheit nichts zuschulden kommen hat lassen.

Ich vertrete daher den Standpunkt, man könne dieses Phänomen - selbst wenn es ein neues sein sollte - eben nicht von früheren Animositäten unterscheiden. Denn ohne diese gäbe es eben das "neue" Phänomen höchstwahrscheinlich gar nicht.

Ähnlich sehe ich das übrigens mit den Nationen.
Es gab gefühlte Nationen schon lange, bevor der Begriff dafür auftauchte. Mit den Nationalstaaten kam nur das Bestreben auf, Staatsgrenzen und "Volksgrenzen" (besser: Siedlungsgrenzen) in Einklang zu bringen. Also eine Übereinstimmung von Staat und Volk, die es vorher in der Form nicht gab. Dass diese Übereinstimmung eine unbändige Kraft freisetzen konnte, welche dann propagandistisch ausgenutzt werden konnte (z.B. mit der Erklärung einer Erbfeindschaft): d'accord.
Aber das heißt nicht, dass es vorher keine nationalen Abgrenzungen und Feindschaften gegeben hätte. Durch die Unterschiedlichkeit der politischen und "völkischen" Grenzen äußerten sich diese Feindschaften aber oftmals innerhalb eines Staates und werden dann als Bürgerkrieg etwas zu Unrecht in eine ganz andere Kategorie eingeordnet.

Wo ich zustimme ist, dass eben durch die Übereinstimmung von Volks- und Staatsgrenzen eine weit übersichtlichere Abgrenzung bestand als vorher, die natürlich die Unterscheidung zwischen "uns" und "denen" klarer und einfacher machte. Was in der Folge dazu fährt, dass die Nation sich tatsächlich stärker definieren kann, als das Volk.
Aber eben nur stärker, nicht grundsätzlich anders.
Ich bezweifle, dass durch das Bestehen einer Nation plötzlich im Herzen des einfachen Volkes Animositäten auftreten können, die nicht vorher zumindest ansatzweise schon da waren.


Gruß,

Panzerreiter
 
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Ich bezweifle, dass durch das Bestehen einer Nation plötzlich im Herzen des einfachen Volkes Animositäten auftreten können, die nicht vorher zumindest ansatzweise schon da waren.

Können sie, allerdings nicht einfach so und aus heiterem Himmel. Und nicht nur durch das Bestehen oder Postulieren einer Nation, sondern auch, weil ein Monarch und seine Hofkamarilla ein Interesse daran haben. Von Wien über Berlin bis Flensburg war, grob gerechnet, ein Jahrtausend Deutsches Reich. also ales ein Volk von Blutsbrüdern. 1866 wurden dann Nord- und Süddeutsche aufeinander gehetzt, und nicht, weil ein ostfriesischer oder pommerscher Bauer seinen oberbayrischen Berufskollegen gehasst hätte. Trotzdem ist seither der Preiß oder Piefke der Erbfeind von Bayern und Österreichern. Das wiederum hat aber, wie vor kurzem in einem anderen Thread festgestellt wurde, den deutschen und den österreichischen Kaiser 1914 nicht gehindert, als dicke Freunde ihre Untertanen (u.a.) gegen den Erbfeind Frankreich in den Krieg zu kommandieren. (Zeitgenössische Beispiele ließen sich genauso anführen, aber das widerspräche den Regularien hier).
Erbfeind ist ein Propagandabegriff (das siehst du ja auch so) und wurde in propagandistsicher Absicht kreiert. Dass dabei an bestehende Animositäten angeknüpft wurde, bestreite ich nicht nur nicht, sondern betone das sogar. Aber diese Animositäten gab es im 18. Jahrhundert im Wesentlichen nur in der Pfalz. Der Bauer in Westfalen oder Sachsen mag allerhand Feinde, auch Erbfeinde gehabt haben, aber der Bauer in der Provence war sicher nicht darunter; die lagen einander schlichtweg und buchstäblich völlig fern. Nicht ohne Grund ist in dem von mir benannten Link von der französischen Krone die Rede.
Will man - wie der Gast - Entstehung, Ursachen und Entwicklung eines propagandistischen Begriffs ergründen, ist es wichtig zu wissen, wann, von wem und mit welcher Absicht er erstmals verwendet wurde.
 
Ich bezweifle, dass durch das Bestehen einer Nation plötzlich im Herzen des einfachen Volkes Animositäten auftreten können, die nicht vorher zumindest ansatzweise schon da waren.

Schön, dass hier auch mal der kleine Mann von der Straße ins Spiel gebracht wird - sind damit die Leute ohne Abitur gemeint? ;)

Zur Frage, warum Menschen plötzlich aufeinander losgehen, Kriege führen usw., gibt es an die tausend Beiträge hier im Forum - da wird es schwer, etwas Originelles zu sagen. Wichtig ist es, darüber sind wir uns hinsichtlich der Strategie des "Bösen" (?!) wohl einig, das Trennende zu (er)finden und in Bewusstsein zu halten und, das kommt häufig hinzu, im geeigneten Moment das, was sich an Aggression aufgestaut hat, auf den Sündenbock zu lenken. Typisches Beispiel seit 2000 Jahren ist "der Jude", aber manchmal hat sich auch der Franzose angeboten, und umgekehrt der Deutsche. Das ist oft eine rein taktische Erwägung, die auch mit den realen Kräfteverhältnissen zu tun hat - Pogrom geht immer, Eroberungskrieg ist riskanter. Wichtig ist schließlich noch, dass man suggeriert, es gebe zu dem, was politische Absicht ist, keine Alternative, man sei im Zugzwang, könne sich keinen Gesichtsverlust erlauben usw.

Am fruchtbarsten ist wahrscheinlich auch hier die "cui bono"-Frage: Wer profitiert letzten Endes? Das einfache Volk, ob reinen Herzens oder nicht, können wir wohl ausschließen. (Und wenn ich so weiter argumentiere, lande ich, schwupps, bei einer fies-materialistischen Geschichtsauffassung - da höre ich doch besser jetzt auf. :scheinheilig:)
 
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