Varus-Schlacht im Sauerland?

Hallo, und guten Morgen !
Was mich immer wieder fasziniert ist die nicht enden wollende Diskussion über diese Schlacht. Das dürfte wohl auch daran liegen das es ja eine Art deutscher Urmythos ist.
Warum es jetzt allerdings Unna sein soll erschließt sich mir nicht ganz ! Gibt es denn archäologische Funde die eindeutig darauf hinweisen ? Soviel ich weiß, und ich bin da sicherlich kein Experte, ist doch wohl Kalkriese der einzige Ort an dem man große Mengen an militärischen Ausrüstungsgedenständen gefunden hat. Gibt es denn Hinweise, oder Funde die noch größer sind ? Wenn wir von 3 Legionen ausgehen, wobei ich denke die werden nicht die volle Kriegsstärke gehabt haben, dann sollte sich doch in der Gegend schon längst mal was angefunden haben, oder ?

Geographisch besteht natürlich eine gewisse Nähe, aber sonst sollte man doch schon auf irgendetwas gestoßen sein.

Sicher scheint mir hingegen die Tatsache das die Schlacht nicht bei Neumünster stattgefunden hat !
 
...
Warum es jetzt allerdings Unna sein soll erschließt sich mir nicht ganz ! ...

Moin

Da hast du was falsch verstanden! Es wurde nicht behauptet, dass bei Unna die Varusschlacht stattfand, sondern, dass Unna mit Aliso gleichzusetzen sei. Die Schlachtort soll sich im Almetal/Möhnetal befinden.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Varus - Schlacht im Sauerland ?

Ach so,
dann muß ich mich entschuldigen ! Habe nicht alle Beiträge gelesen sondern nur überflogen. War eine Reaktion auf das Fragezeichen hinter der Überschrift, und schien mir deswegen berechtigt. Wie sieht es denn mit Funden in der von Dir erwähnten Gegend aus ? Da muß sich doch zwangsweise was anfinden, oder nicht ? Weiß man denn da schon genaueres?

Meine Kenntnisse über das Thema habe ich dem Buch von H.P. Märtin und dem eines amerikanischen Historikers entnommen, dessen Name nir z.Zt. nicht einfällt.
Bei einer so großen Anzahl von Legionen muß doch was liegengblieben sein, selbst, oder gerade wenn sich die Schlacht über 3 Tage und somit zwangsweise auf einer längeren Strecke abspielte. Das eben ist was mich bei der Sache stutzen lässt.
 
Bei meiner Recherche zur 'Varusschlacht im Almetal und im Möhnetal' Theorie von Friedrich Köhler, veröffentlicht 1925 im Ruhfus Verlag Dortmund "Wo war die Varusschlacht? Neue Forschungen und Entdeckungen von Friedrich Köhler", bin ich auf ein weiteres Kriterium für die Lokalisierung der Schlacht gestoßen, auf das Friedrich Köhler in seinem Buch aufmerksam macht: die Gräber der Germanen. Zwar waren die Verluste der Germanen nicht so hoch wie die der Römer, aber bei einem Kampf gegen 15 000 oder mehr Legionäre müssen auch sehr viele wenn nicht sogar Hunderte germanischer Krieger ums Leben gekommen sein, die dann sehr wahrscheinlich auch vor Ort an geeigneten Stellen beerdigt wurden. Was für Germanen eine würdige Begräbnisstätte war müsste noch untersucht werden.
Auf Grund der hohen Anzahl der getöteten Germanen und der daraus resultierenden Anzahl der angelegten Gräber könnten mit einiger Wahrscheinlichkeit noch heute in der Nähe der Lokalität(en) der Varusschlacht einige germanische Gräber zu finden sein.

Friedrich Köhler weist in diesem Zusammenhang auf vermeintliche Gräberfelder im Niederntudorfer Wald und im Leiberger Wald hin, also in relativer Nähe des von ihm als Ort des Hinterhalts bestimmten Almetals. Das Gräberfeld im Niederntudorfer Wald bestehe aus über 100 Erdhügeln, 8 bis 12 Fuß hoch und 20 bis 30 Fuß im Durchmesser (Angaben von 1925, ich weiß nicht wie man das genau in Meter umrechnet), und in ihnen wurden angeblich Hirschgeweihe, Urnen und metallische Geräte gefunden.
Aufgrund meiner eigenen ähnlichen Überlegungen bin ich auch öfter in dieser Gegend unterwegs, ich werde mich dort beizeiten einmal umschauen.
 
Ich habe mir mal erlaubt eine Karte einzuscannen, die aus der RE XXIV,1 Sp. 951/952 stammt, aus dem Jahr 1963. Diese habe ich, zugegebenermaßen etwas dilettantisch bearbeitet. Und zwar habe ich versucht, den Feldzug des Jahres 15 bis zur Stelle haud procul nachzuzeichnen.

Feldzug 15 n. Chr. nach Tacitus.jpg


Mit rot habe ich den Stammesnamen der Bructerer umkreist. Wir wissen aus einer Reihe unterschiedlicher Quellen, dass das Siedlungsgebiet der Bructerer im Münsterland Richtung Niederrhein hin lag (bei Tacitus "kleine Bructerer") und bis über die Ems hinausreichte (bei Tacitus "äußere oder letzte (ultimos) Bructerer").
Caecina in blau wird durch das Gebiet der Bructerer bis an die Ems geschickt. Wir dürfen annehmen (müssen wir aber nicht), dass er dabei ein Stück weit an der Lippe entlang marschierte.
Er trifft sich dann an einem nicht näher bezeichneten Ort an der Ems mit Germanicus, der per Schiff dorthin gekommen ist.
Gemeinsam (deshalb die parallele grüne und blaue Linie) verwüsten sie das ganze Gebiet zwischen Ems und Lippe und kommen dabei auch in die Gegenden, in denen die äußeren oder letzten Bructerer zu suchen sind, also die, die am weitesten von den einigermaßen sicher unter römischer Herrschaft stehenden Gebieten an Rhein und Lippe entfernt sind. Nach unserem Wissen vom Siedlungsgebiet der Bructerer müssen sie dabei die Ems entweder überquert haben oder um sie herum gezogen sein.
Schließlich befinden sie sich also haud procul des oder eines Teiles des Varusschlachtfeldes. Bis dahin habe ich versucht, den Feldzug abzubilden.
Nach der Bestattung taxieren sich Germanicus und Arminius gegenseitig aber es kommt zu keiner richtigen Schlacht und schließlich wird der Feldzug abgebrochen. Tacitus schreibt, Germanicus habe Arminius verfolgt, der sich in unwegsame Gegenden zurückzog. Man kann daraus Unterschiedliches schließen, entweder, dass Arminius sich nicht stark genug fühlte, Germanicus' acht Legionen gegenüber zu treten, eine Interpretation, die ich favorisieren würde, oder aber, dass Arminius versuchte, Germanicus in einen Hinterhalt zu locken. Schließlich kehrt Germanicus um und an der Ems wird das Heer wieder in die Einzelteile aufgeteilt. Es folgen unliebsame Überraschungen im Wattenmeer (Germanicus) und die Schlacht an den pontes longi (Caecina).

Die Schwäche meiner Darstellung liegt darin, dass Tacitus zuerst erwähnt, dass Germanicus und Caecina bis zu den äußeren Bructerern zogen und erst dann, dass sie das ganze Gebiet zwischen Ems und Lippe verwüsteten. Die Frage ist, ob man dieser Reihenfolge Bedeutung zumessen darf - oder sogar muss - oder eben nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Gräberfeld im Leiberger Wald ist wohl frühbronzezeitlich, also bis zu 2000 Jahre vor der Varusschlacht zu datieren.
 
Caecina in blau wird durch das Gebiet der Bructerer bis an die Ems geschickt. Wir dürfen annehmen (müssen wir aber nicht), dass er dabei ein Stück weit an der Lippe entlang marschierte.

Ich bin mir nicht sicher, ob die Lippe im Jahr 15 noch als Verkehrsweg zur Verfügung stand. Für mich ist es auch insgesamt unsicher, ob Wege parallel zur Lippe von Natur aus zur Verfügung standen, die den Anforderungen an einen Marschweg einer römischen Legion mit Tausenden von Soldaten und einer großen Anzahl von Wagen genügten. Wichtig für diese ist nämlich vor allem fester Untergrund. Die Lippe ist aber ein Flachlandfluss mit der entsprechenden Neigung zur Mäanderbildung und sumpfigem Umland, ohne das Anlegen von Knüppelwegen hätte sich vielleicht eine Legion parallel zur Lipe bewegen können, die nächste wäre im Schlamm steckengeblieben. Knüppelwege, die im Jahr 9 sicherlich bestanden, dürften im Jahr 15 nach 6 Jahren ohne Wartung aber nicht mehr zu benutzen gewesen sein.
Fester Untergrund ist auch ein Kriterium zum Entstehen einer Altstraße, und parallel zur Lippe hat es meines Wissens nie eine bedeutende Altstraße gegeben.
Wahrscheinlicher ist es darum denke ich, dass Caecina sich auf einer Route bewegt hat, auf der von Natur aus fester Untergrund zur Verfügung stand, und auf der sich dann spätestens seit dem Mittelalter auch Altstraßen gebildet haben. Dieses wäre zum Einen der westfälische Hellweg von Duisburg in Richtung Paderborn, zum Anderen eine Route, die über die Altraße Neuss-Herdecke und dann weiter über den Haarweg führt, auch in Richtung Paderborn. (Letztere Route würde auch an der Landskrone in Holzwickede vorbeiführen, wir hatten es ja vor kurzem davon in einem anderen Thread.)

Vom Hellweg auch hätte Caecina bei Erwitte aus auf eine Altstraße einbiegen können, die bei Wikipedia als 'Weg 3 der Jacobspilger in Westfalen' bezeichnet wird (Wege der Jakobspilger ? Wikipedia), wahrscheinlich wird diese Altstraße aber auch noch einen richtigen Namen haben.
Diese Altstraße hat bei Rheda-Wiedenbrück die Ems überquert, Rheda-Wiedenbrück wäre also ein markanter Punkt für das Zusammmentraffen mit Germanicus gewesen. Gemäß der Karte wären sie da auch schon bei den äußeren Brukterern gewesen.

Schwachstelle in meinen Überlegungen: ich weiß nicht, ob die Ems bis Rheda-Wiedenbrück für die Römer schiffbar war.
 
Ich bin mir nicht sicher, ob die Lippe im Jahr 15 noch als Verkehrsweg zur Verfügung stand.

Warum denn nicht? Ein Fluss bleibt doch immer ein Fluss. Und dass das Lager Aliso an der Lippe, welches man mit Haltern gleichsetzen mag (aber nicht muss) auch im Jahre 16 noch Bestand hatte, belegt, dass die Lippe weiterhin als Verkehrsweg genutzt wurde.
Aber das ist letztendlich auch egal, Caecina ist von Vetera zur Ems gezogen. Ob er sich dabei länger an der Lippe aufgehalten hat oder nicht, das wissen wir nicht und ist für die Argumentation nicht weiter von Belang.


Für mich ist es auch insgesamt unsicher, ob Wege parallel zur Lippe von Natur aus zur Verfügung standen, die den Anforderungen an einen Marschweg einer römischen Legion mit Tausenden von Soldaten und einer großen Anzahl von Wagen genügten. [...]
Fester Untergrund ist auch ein Kriterium zum Entstehen einer Altstraße, und parallel zur Lippe hat es meines Wissens nie eine bedeutende Altstraße gegeben.

Es sind abschnittweise römische Straßen an der Lippe nachgewiesen. Man geht davon aus, dass diese durchgängig verliefen. Im Jahr 16, also ein Jahr später, soll Germanicus diese Straßen erneuert haben. Aus anderen Kontexten wissen wir, dass "Straßen erneuert" häufig nur Reparaturarbeit bedeutet.
Aber wie gesagt, das ist nicht relevant.


Wahrscheinlicher ist es darum denke ich, dass Caecina sich auf einer Route bewegt hat, auf der von Natur aus fester Untergrund zur Verfügung stand, und auf der sich dann spätestens seit dem Mittelalter auch Altstraßen gebildet haben. Dieses wäre zum Einen der westfälische Hellweg von Duisburg in Richtung Paderborn, zum Anderen eine Route, die über die Altraße Neuss-Herdecke und dann weiter über den Haarweg führt, auch in Richtung Paderborn. (Letztere Route würde auch an der Landskrone in Holzwickede vorbeiführen, wir hatten es ja vor kurzem davon in einem anderen Thread.)

Aber was soll Caecina denn in Holzwickede, etliche Kilometer südlich der Lippe, wenn er mit seinem "Chef" an der Ems, irgendwo zwischen Lingen und Greven verabredet ist? :confused:


Diese Altstraße hat bei Rheda-Wiedenbrück die Ems überquert, Rheda-Wiedenbrück wäre also ein markanter Punkt für das Zusammmentraffen mit Germanicus gewesen. Gemäß der Karte wären sie da auch schon bei den äußeren Brukterern gewesen.
Schwachstelle in meinen Überlegungen: ich weiß nicht, ob die Ems bis Rheda-Wiedenbrück für die Römer schiffbar war.

Weiter flussaufwärts als bis Greven (direkt nördlich von Münster), war die Ems nie schiffbar. Boris Dreyer meint sogar, dass der Treffpunkt noch weiter flussabwärts, im Raum Rheine gelegen haben muss.
 
Ach so, ich hatte jetzt fälschlicherweise Vetera mit der Flotte und Novaesium mit dem Heer in Verbindung gebracht, was ausschließlich aber wohl sicher nicht der Fall war, und angenommen, Caecinas Ausgangpunkt wäre Neuss gewesen. Dann sind meine überlegungen zu Routen südlich der Lippe natürlich hinfällig, zumal der Treffpunkt an der Ems aufgrund der Schiffbarheit der selben dann soweit östlich nicht gelegen haben kann.
Nichtsdestotrotz denke ich, dass eine Stelle, an der eine (demnach aus dem Raum Xanten kommende) Altstraße die Ems überquert, ein geeigneter Ort für Germanicus gewesen wäre, den Treffpunkt mit Caecina festzulegen.
 
Wir wissen aus einer Reihe unterschiedlicher Quellen, dass das Siedlungsgebiet der Bructerer im Münsterland Richtung Niederrhein hin lag (bei Tacitus "kleine Bructerer") und bis über die Ems hinausreichte (bei Tacitus "äußere oder letzte (ultimos) Bructerer").

Muss mit "äußere Brukterer" eigentlich zwangsläufig das Siedlungsgebiet der Brukterer gemeint gewesen sein, welches über die Ems hinausreicht? Wäre es in sprachlicher Hinsicht nicht auch korrekt gewesen, mit "äußere Brukterer" eine beliebige Grenzregion des Siedlungsgebietes der Brukterer zu bezeichnen, welche vom römischen Standpunkt aus gesehen, also vom Rhein aus, hinreichend weit genug entfernt war?
Hätten "äußere Brukterer" also auch dort wohnen können, wo das brukterische Siedlungsgebiet an das eines anderen Stammens grenzte, im Speziellen dem der Marser? Oder dort, wo das Siedlungsgebiet aus geografischen Gründen endete, weil es an in der damaligen Zeit extrem unzugängliches und daher nur sehr schwer besiedelbares Gebiet grenzte, wie dem Arnsberger Wald?
 
Tacitus schreibt ja "ad ultimos Bructorum", das können sinnlogisch nur die am weitesten vom sicher römisch beherrschten Gebiet entfernten Brukterer sein.
 
Von Xanten beträgt die Entfernung sowohl in den Teutoburger Wald nordöstlich von Bad Iburg als auch nach Belecke im Möhnetal nördlich des Arnsberger Waldes 120 km Luftlinie durch ebenes Gelände, es waren für die Römer also die gleiche Anzahl von Tagesmärschen. Aus Sicht der Römer waren daher beide Gegenden sicherlich gleich weit entfernt, und hätten beide gleichermaßen zu den entferntesten Gebieten der Brukterer gerechnet werden können.
 
Von Xanten beträgt die Entfernung sowohl in den Teutoburger Wald nordöstlich von Bad Iburg als auch nach Belecke im Möhnetal nördlich des Arnsberger Waldes 120 km Luftlinie durch ebenes Gelände, es waren für die Römer also die gleiche Anzahl von Tagesmärschen. Aus Sicht der Römer waren daher beide Gegenden sicherlich gleich weit entfernt, und hätten beide gleichermaßen zu den entferntesten Gebieten der Brukterer gerechnet werden können.

Von Xanten aus vielleicht, nicht aber von Aliso aus, welches an der Lippe lag und am ehesten noch immer mit Haltern gleichzusetzen ist. Je weiter östlich aber Aliso gesucht wird, desto weniger passt mit den "ultimos Bructerorum" ein Gebiet etwa in der Senne.
Viel wichtiger ist aber, dass Germanicus über die Ems anreiste und sich dort mit Caecina traf und von ihm wieder trennte. Wäre die Varusschlacht im Sauerland zu suchen, hätte man sich den ganzen Aufwand sparen können und hätte einfach die Lippe hochmarschieren können. Das wäre auch infrastrukturell sehr viel einfacher gewesen. Stattdessen hat man in einem ersten Feldzug das Gebiet bis zur Eder heimgesucht, um es den Chatten und Marsern zu verunmöglichen in den Hauptfeldzug einzugreifen und hat dann, in einem zweiten Feldzug, nach einem aufwendigen Treffen an der Ems, das Varusschlachtfeld aufgesucht. An der Ems - und zwar spätestens bei Greven - ist also der Fixpunkt zu suchen, dorthin musste man auch wieder zurückkehren. Wenn man den Römern also unterstellt, dass sie sich in der Region ein wenig auskannten und einigermaßen geplant vorgingen (und davon ist auszugehen, sonst hätten sich Germanicus, Stertinius und Caecina wohl verfehlt), dann hatte es einen Grund, dass sie den umständlichen Weg über die Ems nahmen.
 
Von Xanten aus vielleicht, nicht aber von Aliso aus,

Da sind wir jetzt denke ich bei einer philosophischen Frage angelangt. Hatte sich der Blickwinkel der Römer im Jahr 9 wirklich schon nach Aliso verlagert? Wenn ja, hatte der Blickwinkel sich im Jahr 15 nach 6 Jahren Abwesenheit der Römer in Westfalen nicht wieder zum Rhein verlagert?

Stattdessen hat man in einem ersten Feldzug das Gebiet bis zur Eder heimgesucht, um es den Chatten und Marsern zu verunmöglichen in den Hauptfeldzug einzugreifen

Ich sehe den Feldzug gegen die Marser im Jahr 14 eher als ein Kommandounternehmen tief hinter den feindlichen Linien an. Einen Feldzug zur Vorbereitung der Hauptkampagne weiter nördlich halte ich für unwahrscheinlich, die Gefahr dass der Gegner dem eigenen Heer den Rückzug abschneidet ist zu groß, wie der Hinterhalt der Brukterer dann ja auch bewies, in den Germanicus geraten ist.
Für mich gleicht das ganze eher einem Kommandounternehmen, und sowas irrationales lässt sich nur durch einen Rachefeldzug erklären, ähnlich der Schlacht am Harzhorn. Die Römer hatten also eine besondere Rechnung mit den Marsern offen, und das war meines Erachtens der Verrat und der Hinterhalt im Almetal auf dem Stammesgebiet der Marser.
 
Friedrich Köhler stellt in seinem Buch Überlegungen an, denen zufolge Varus, aus seinem Sommerlager im Raum Paderborn kommend, auf dem Weg ins Winterlager am Rhein war, dann aber zur Ünterdrückung enes angeblichen Aufstandes in der für die Römer wichtigen Erzabbauregion um Brilon einen Umweg eingeschlagen hatte, der ihn von Büren aus in westlicher Richtung durch das Almetal führte. Dort konnten die Germanen die ausgedehnte Kolonne der Römer dann ideal angreifen.


Ich selbst habe mir auch Gedanken zu dem Thema gemacht, und bin zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen wie Friedrich Köhler.

Ich habe mich zuerst gefragt, warum Germanicus zuerst die Marser und Chatten angegriffen hat. Die Marser direkt anzugreifen und die feindlichen Brukterer dabei im Rücken zu haben fand ich völlig unlogisch. Allein schon wegen der extrem hohen Mengen an Proviant, die er dabei gehabt haben muss, vom Nachschub vom Rhein war er bei dem Marser-Feldzug mit den Brukterern im Rücken ja völlig abgeschnitten. Wenn im Jahr 14 die nachhaltige Rückeroberung von Magna Germania begonnen hätte, hätten die Brukterer meiner Meinung nach das erste Angriffsziel sein müssen, inkl. der Wiederherstellung und Sicherung der Lager an der Lippe, zumindest eines stark befestigten Lagers als Ausgangsbasis für die nächste Feldzüge.
Hierbei hätte es auch genügt, die Brukterer militärisch zu besiegen, er hätte nicht auch Frauen und Kinder töten müssen. In der neuen Provinz wurde ja auch eine Bevölkerung gebraucht, die Steuern entrichten konnte.

Das hat Germanicus aber nicht so gesehen. Er hat stattdessen die Brukterer links liegen lassen und hat zuerst die Marser angegriffen, eben ein Kommandounternehmen hinter den feindlichen Linien. Und ein militärischer Sieg über die Marser hat ihm auch nicht gereicht, er hat einen Genozid an den Marsern verübt. Wenn jemand derart irrational handelt ist er meistens von starken Emotionen geleitet, in diesem Fall war es extremer Hass auf die Marser. Und das kann nur bedeuten, dass die Römer eine ganz besondere Rechnung mit den Marsern offen hatten.
Ähnliches gilt für die Chatten, die das nächste Angriffsziel waren.

Meine Theorie ist daher die fogende: In den langgestreckten Flusstälern des nördlichen Sauerlandes boten sich für die Germanen ideale Angiffsmöglichkeiten auf die Römer. Aus diesem Grund bestimmte Arminius die Marser als Lockvogel, gegenüber den Römern gaben die Marser dann an, von den Chatten bedroht zu werden. Da die Marser wie die meisten germanischen Stämme wahrscheinlich Bundesgenossen der Römer waren, konnte Varus nicht anders, als ihrem Hilfegesuch Folge zu leisten, und musste sich auf dem Weg von der Weser zum Rhein, der ihn durch Westfalen oder das südliche Niedersachsen führte, durch das Stammesgebiet der Marser bewegen, um zu den Chatten im heutigen Hessen zu gelangen.
Da die Römer bei Truppenbewegungen in Germanien den gleichen Restriktionen (fester Untergrund, Vermeidung von Flusstälern) unterworfen waren, die später auch zur Bildung von Handelsrouten auf Altstraßen führten, hätte sich im Stammesgebiet der Marser der Herßweg (Hirschweg) angeboten, um zu den Chatten zu gelangen. Der Herßweg führte, aus den heutigen Niederlanden kommend, über Lippstadt und über das Sintfeld nach Hessen. Wie alle alten Handelsrouten war auch der Herßweg eine Alt-(also Hoch-)Straße, nur bei Büren führte er zwecks Überquerung des Almetals über eine längere Distanz durch das selbe. Hier sehe ich dann wie Friedrich Köhler auch eine ideale Angriffsmöglichkeit auf eine langgestreckte römische Marschkolonne, die zudem durch den sumpfigen Untergrund im Almetal sehr behindert wurde.

Den Hinterhalt im Almetal haben die Römer vor allen Dingen den Marsern, auf deren Stammesgebiet der Überfall stattfand, nicht vergessen, und deshalb hat Germanicus im Jahr 14 als Auftakt für die Rückeroberung von Magna Germania mit dem Vernichtungsfeldzug gegen die Marser erst einmal ein Exempel statuiert.
 
Friedrich Köhler stellt in seinem Buch Überlegungen an, denen zufolge Varus, aus seinem Sommerlager im Raum Paderborn kommend, auf dem Weg ins Winterlager am Rhein war, dann aber zur Ünterdrückung enes angeblichen Aufstandes in der für die Römer wichtigen Erzabbauregion um Brilon einen Umweg eingeschlagen hatte, der ihn von Büren aus in westlicher Richtung durch das Almetal führte. Dort konnten die Germanen die ausgedehnte Kolonne der Römer dann ideal angreifen.

Das Problem ist nur, dass es für derlei Spekulationen keinerlei Basis gibt.
Wir haben nur zwei Informationen die Örtlichkeiten betreffend:
1.) Varus soll sich zum Ende des Sommers an der Weser aufgehalten haben. Dies überliefert uns Cassius Dio etwa 200 Jahre nach der Schlacht.
2.) Dreh- und Angelpunkt des Feldzuges, der zum Besuch des Varusschlachtfeldes führte, war die Ems und dort ein uns nicht näher bekannter Ort, der nördlich von Greven gelegen haben muss, von Boris Dreyer etwas zu spekulativ für meinen Geschmack (und wahrscheinlich durch die Fund bei Kalkriese motiviert) an die Furt bei Rheine gelegt wird.

Es gibt keinerlei Indiz, wo an der Weser sich Varus genau befand. Es sind zwei Lager an der Weser bekannt, Hedemünden und Barkhausen. Hedemünden fällt von der Datierung her aus, bei Barkhausen ist mir nicht bekannt, ob es hier eine einigermaßen valide Datierung gibt. Ergo: Wir wissen nicht, von wo aus genau Varus marschierte - wenn er sich denn tatsächlich, wie Dio behauptet, an der Weser befand. Zweitens wissen wir nicht, in welche Richtung er marschierte und drittens wissen wir nicht genau, wie lange Varus schon marschierte, als der Zug angegriffen wurde.
Aus diesen doch sehr vagen Angaben, die wir besitzen, ohne ein archäologisch nachgewiesenes Schlachtfeld, welches man auf diese Weise erklären wollte, ein so genaues Varus-Itinerar von Paderborn zum Almetal zu entwerfen ist reine Spekulation und das, wobei die Almetal-Hypothese zusätzlich in deutlichem Widerspruch zur Ortsangabe Ems steht.


Ich habe mich zuerst gefragt, warum Germanicus zuerst die Marser und Chatten angegriffen hat. Die Marser direkt anzugreifen und die feindlichen Brukterer dabei im Rücken zu haben fand ich völlig unlogisch.

Fakt ist aber: er hat es nach Angabe der Quellen genau so herum getan und hatte dabei die feindlichen Brukterer im Rücken. Dieses Problem löst sich nicht, indem man das Varusschlachtfeld in das Sauerland verortet. Da beißt die Maus keinen Faden ab.
Weiteres zur angeblichen Rückproblematik im Folgenden:

Allein schon wegen der extrem hohen Mengen an Proviant, die er dabei gehabt haben muss, vom Nachschub vom Rhein war er bei dem Marser-Feldzug mit den Brukterern im Rücken ja völlig abgeschnitten. Wenn im Jahr 14 die nachhaltige Rückeroberung von Magna Germania begonnen hätte, hätten die Brukterer meiner Meinung nach das erste Angriffsziel sein müssen, inkl. der Wiederherstellung und Sicherung der Lager an der Lippe, zumindest eines stark befestigten Lagers als Ausgangsbasis für die nächste Feldzüge.

Wenn du die Quellen genau gelesen hättest, hättest du festgestellt, dass Germanicus wohl vom Mainz her kommend mit vielleicht 25.000 Mann (vier Legionen, die sicher nicht in voller Stärke mitmarschierten und zehntausend Mann Hilfstruppen) von Süden her erst die Chatten, dann die Marser angriff. Die Brukterer hätten also allenfalls entgegen kommen können und hätten dabei die Lippe überqueren müssen, wo Tiberius einen Teil der Infrastruktur offenbar wiederhergestellt hatte (Aliso). Wo Caecina sich mit weiteren 20.000 Mann (vier Legionen, sicher nicht in Vollstärke und fünftausend Mann Hilfstruppen) sich währenddessen aufhilet, das verrät uns Tacitus nicht. Vermutlich war es seine Aufgabe, unteren Rhein und Lippe zu sichern. Aber das ist natürlich nur spekuliert. Erst im zweiten Feldzug dieses Sommers kennen wir dann auch Caecinas Bewegungen.

Das hat Germanicus aber nicht so gesehen. Er hat stattdessen die Brukterer links liegen lassen und hat zuerst die Marser angegriffen, eben ein Kommandounternehmen hinter den feindlichen Linien. Und ein militärischer Sieg über die Marser hat ihm auch nicht gereicht, er hat einen Genozid an den Marsern verübt. Wenn jemand derart irrational handelt ist er meistens von starken Emotionen geleitet, in diesem Fall war es extremer Hass auf die Marser. Und das kann nur bedeuten, dass die Römer eine ganz besondere Rechnung mit den Marsern offen hatten.
Ähnliches gilt für die Chatten, die das nächste Angriffsziel waren.

Kann es sein, dass du ein wenig mit der Chronologie durcheinander kommst?

Meine Theorie ist daher die folgende: In den langgestreckten Flusstälern des nördlichen Sauerlandes boten sich für die Germanen ideale Angiffsmöglichkeiten auf die Römer. Aus diesem Grund bestimmte Arminius die Marser als Lockvogel, gegenüber den Römern gaben die Marser dann an, von den Chatten bedroht zu werden. Da die Marser wie die meisten germanischen Stämme wahrscheinlich Bundesgenossen der Römer waren, konnte Varus nicht anders, als ihrem Hilfegesuch Folge zu leisten, und musste sich auf dem Weg von der Weser zum Rhein, der ihn durch Westfalen oder das südliche Niedersachsen führte, durch das Stammesgebiet der Marser bewegen, um zu den Chatten im heutigen Hessen zu gelangen.
Und welcher Quelle entnimmst du das alles?

Orte, die der sehr vagen Beschreibungen in den Quellen ("zwischen Wäldern und Sümpfen") entsprechen, gibt es hunderttausende. Ohne auch nur einen archäologischen Beleg an einem dieser hundertausenden Orte festzuhalten, wo so vieles dagegen spricht (nämlich nicht, als Germanicus die Marser schlug, sondern als er das Bruktererland verheert hatte und in der Nähe der Ems war, befand er sich in der Nähe des Varusschlachtfeldes) ist :fs: verwunderlich.
 
Lokalisierung der Marser

Das ganze Konstrukt hängt zudem an der mehr als zweifelhaften Lokalisierung der Marser bei Brilon, die meines Wissens nur auf einige mit "Mar-" beginnende Ortsnamen fußt. Man könnte sie genausogut z.B. ins nördliche Münsterland verorten, wie es ein paar Theorien tun. Dort wären sie als mutmaßliche Beteiligte der Varusschlacht in der Nähe von Kalkriese, das für mich ohne Zweifel im Kontext dieses Schlachtortes steht, meiner Ansicht nach ebenso gut verortet.
Ein Rückmarsch des Caecina von dem postulierten Varusschlachtfeld aus dem Almetal zurück zur Ems, unter Ignorierung der Lippelinie, ist für mich ebenfalls nicht nachvollziehbar.

Gruss
jchatt
 
Wenn du die Quellen genau gelesen hättest, hättest du festgestellt, dass Germanicus wohl vom Mainz her kommend mit vielleicht 25.000 Mann (vier Legionen, die sicher nicht in voller Stärke mitmarschierten und zehntausend Mann Hilfstruppen) von Süden her erst die Chatten, dann die Marser angriff.

Was ich Tacitus' Annalen entnommen habe: Im Sommer 14 beendete Germanicus eine Meuterei in Neuss. Dann begab er sich mit 12 000 Legionssoldaten, 26 Kohorten der Bundesgenossen und 8 Reiterschwadronen auf einer Schiffsbrücke auf die andere Rheinseite. Von dort aus ging es zuert durch den Caesischen Wald auf der von Tiberius begonnenen Bahn, dann durch weitere relativ unbekannte Waldgebiete weiter zu den Marsern. Er brachte die Marser unabhängig von Geschlecht und Alter um, und verwüstete ein Gebiet von 50 Meilen. Auf dem Rückweg lauertem ihm Brukterer, Tubanten und Usipeter in einem Waldgebiet auf, er konnte sie aber in freies Gelände zurückdrängen und besiegen. Danach führte er die Legionen ins Winterquartier.

Im Jahr 15 ging es über den Taunus und die Eder zu den Chatten, wo er deren Hauptstadt Mattium verwüstete, während die Chatten selber in die Wäkder geflüchtet waren. Im Frühjahr wohl, weil danach ja noch das Treffen mit Caecina an der Ems stattfand, darauf folgend der Besuch des Saltus Teutoburgiensis.


Im Jahr 14 fand also der Vernichtungsfeldzug gegen die Marser statt, im Jahr 15 ein ein wenig verunglückter Feldzug gegen die Chatten. Was habe ich hier chronologisch verwechselt?


... sondern als er das Bruktererland verheert hatte und in der Nähe der Ems war, befand er sich in der Nähe des Varusschlachtfeldes ...

Ich denke was die Quellen definitiv sagen ist, dass er von der Ems kam und sich dann in der Nähe der äußeren Brukterer befand, also dort, wo das Stammesgebiet der Brukterer aufhörte. An der Ems muss das nicht unbedingt gewesen sein.
 
Das ganze Konstrukt hängt zudem an der mehr als zweifelhaften Lokalisierung der Marser bei Brilon, die meines Wissens nur auf einige mit "Mar-" beginnende Ortsnamen fußt.

Wikipedia sagt zu de Thema, dass das Siedlungsgebiet der Marser zwischen oberer Lippe und oberer Ruhr lag (Varusschlacht ? Wikipedia). In der folgenden Karte ist dies auch so dargestellt: http://www.lwl.org/pressemitteilungen/daten/bilder/27586.jpg . Und dann gibt es in der Gegend auch noch Orte wie Marsberg und Volkmarsen.

Okay, ein wenig dürftig, hier muss ich noch etwas besser recherchieren.
 
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